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Berlin, 10. August 2006

Das DHM informiert:
Pressemitteilung vom 10. August.2006:

Ein seltenes Textzeugnis aus der Urzeit der deutschen Sprachgeschichte
kommt für vier Wochen ins Deutsche Historische Museum:

Ein neu entdecktes Blatt aus dem altsächsischen „Heliand“

 

Um 830 wurde der Heliand verfaßt, eine altsächsische Evangelienharmonie. Neben der ebenfalls altsächsischen Genesis ist er die einzige große Dichtung dieser Frühzeit der deutschen Sprache. Überliefert sind nur zwei fast vollständige Handschriften des Heliand, in der Staatsbibliothek München und in der British Library in London. Einzelne Blätter sind im Vatikan, in Straubing sowie im Deutschen Historischen Museum in Berlin erhalten geblieben. Im Frühjahr 2006 wurde ein weiteres Fragment in einem Bucheinband der Universitätsbibliothek Leipzig entdeckt, das wahrscheinlich aus dem gleichen Exemplar wie das Berliner Blatt stammt. Erstmals werden nun beide Blätter im Vergleich gezeigt. In der Ständigen Ausstellung des Deutschen Historischen Museums „Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen“ haben Besucher ab dem 21. August bis zum 20. September 2006 die Möglichkeit, beide Fragmente, die zu den ältesten Textzeugnissen deutscher Sprachen gehören, eingehend zu betrachten.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass beide Fragmente zu jenem Buch gehörten, das in Wittenberg nachweislich von Luther und Melanchthon verwendet wurde.

Der Heliand ist eine altsächsische Evangelienharmonie in stabreimenden Langzeilen und wurde wohl von einem Geistlichen geschrieben. Der volkssprachliche Text erzählt das Leben Jesu in Anlehnung an die Evangelien. Verfasst um das Jahr 830, sollte er den sächsischen Adligen, die im heutigen Westfalen und Niedersachsen lebten, die christliche Lehre näher bringen. Der unbekannte Autor reihte – nach altgermanischer Tradition – über 6000 Stabreime aneinander, bei dem die Verse nicht wie üblich nur durch den Gleichklang am Ende, sondern durch Wörter mit demselben Anlaut gebildet werden. Zur Vermittlung der neuen christlichen Stoffe und Denkweisen wurden epische Traditionen der altsächsischen Heroendichtung eingesetzt, die dem Publikum, der adligen Oberschicht, vertraut waren. Der Heliand ist eines der frühesten Zeugnisse deutscher Dichtung.

In der Zeit nach Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert, galten Handschriften als veraltet und deshalb wertlos. Die einzelnen Blätter haben sich deshalb erhalten, weil sie in lederne Buchdeckel als „Makulatur“ eingearbeitet wurden. In jüngerer Zeit wurden die historischen Schätze bei der Erneuerung der Buchdeckel entdeckt, restauriert und so für die Nachwelt zugänglich gemacht.
Das Heliand-Blatt des DHM wurde 1880 in einem Einband in Prag entdeckt und 1952 offiziell dem Museum für deutsche Geschichte der DDR im Berliner Zeughaus geschenkt.

Über eine Berichterstattung in ihrer Zeitung oder Sendung würden wir uns sehr freuen.
Weitere Informationen und freundliche Grüße

Dr. Rudolf Trabold
-Pressereferent-