> Hermann Lohmann: Rekrutenzeit und Ausbildung in der "Panzer-Division Hermann Göring"

Hermann Lohmann: Rekrutenzeit und Ausbildung in der "Panzer-Division Hermann Göring"

Dieser Eintrag stammt von Hermann Lohmann (1925-2016) aus Deutsch Evern, Februar 2010.

Bereits 1942 hatte ich mich unmittelbar nach der Musterung als Kriegsfreiwilliger zur "Panzer-Division Hermann Göring", einer voll motorisierten Luftwaffeneliteeinheit, gemeldet. Mein Berufsziel war der "Höhere Forstdienst." Hierfür war der Dienst in einer Eliteeinheit der deutschen Wehrmacht Voraussetzung. Für Angehörige der Division des Reichsforstmeisters Göring waren die Annahmechancen in den stark begehrten Forstberuf besonders günstig. Für die Annahme zur Division H.G. habe ich 1942 in Hamburg-Rissen eine Intelligenz- und Mutprüfung ablegen müssen. Nur diejenigen, die diese Prüfung mindestens mit "gut" bestanden, wurden angenommen.

Meine Annahmebescheinigung zur Division H.G. verhinderte, dass ich im RAD von einer Anwerbekommission der Waffen-SS, wie viele meiner Kameraden, genötigt werden konnte "freiwillig" zur Waffen-SS zu gehen. Die Jungs wurden von der SS-Kommission regelrecht moralisch weich geklopft, indem sie sagten: "Du als deutscher Junge gehst doch wohl selbstverständlich zur Waffen-SS" und ähnliches, dem die 17-jährigen Jungs meistens nicht widerstehen konnten.

Ich wurde nach meiner Zeit im Reichsarbeitsdienst 1943 nach Hamburg eingezogen. Von dort aus ging der Rekrutentransport mit der Eisenbahn direkt nach Holland. Am 26. August 1943 bin ich in Zivilzeug in Utrecht/Holland eingetroffen. Mein Bruder war zu diesem Zeitpunkt gerade von der Ostfront bei Leningrad (St. Petersburg) im Urlaub, als ich Soldat werden musste. Meine Mutter hat wohl bitterlich geweint, als sie nun auch den zweiten Sohn im Alter von 17 Jahren hergeben musste. Sie hat versucht, sich zu beherrschen, um mir ihren Schmerz nicht so sehr zu zeigen.

Meinen Bruder habe ich seitdem nicht wieder gesehen. Er ist seit dem 19.1.1944 in Russland vermisst. Kameraden der Sanitätskompanie der 225.ID haben zur Erinnerung an ihre gefallenen Kameraden und auch für meinen vermissten Bruder durch den Volksbund Kriegsgräberfürsorge auf dem Soldatenfriedhof Narva/Estland Bäume pflanzen lassen.


Am 28.8.43 schrieb ich den ersten Brief aus Utrecht:
"Liebe Eltern u. Bruder!
Vorgestern bin ich hier angekommen und weiß jetzt noch nicht, wo ich beikomme. (Zu welcher Waffengattung) Ich will hoffen, dass dieser Brief dort ankommt. Wir dürfen ja eigentlich noch nicht schreiben. Aber damit Ihr Euch nicht ängstigt, stecke ich diesen Brief bei einer anderen Kompanie ein. Ich stecke noch in Zivil und vielleicht auch noch einige Tage. Ihr dürft nicht wiederschreiben. Die Kasernen sind hier blendend. Auch die Stadt ist so. Mir und H. Krumstroh (Schulfreund aus Scharnebeck) geht es noch sehr gut. Viele Grüße bis auf weiteres in 4 Wochen
Euer Hermann
PS: Wir dürfen nicht eher schreiben."


Gemeinsam mit drei Forstmeistersöhnen habe ich mich damals, als ich gefragt wurde, zu welcher Waffengattung ich möchte, zu den Fallschirmjägern gemeldet. Wie dumm und verblendet war man damals als Jugendlicher. Zu meinem großen Glück hatte man in Utrecht keine Fallschirmjägereinheit in der "Division Hermann Göring". Ich wurde Z.b.V. eingeteilt = Zur besonderen Verwendung. Glücklich, weil wohl schon etwas klüger, war ich, als ich zur Artillerie eingeteilt wurde. Ich habe dann bis zum Kriegsende im "Fallschirm-Panzer-Artillerie-Regiment HG" Dienst getan.

Die Grundausbildung (stehen, gehen und marschieren lernen) fand zunächst in der Hoyel-Kaserne in Utrecht statt, wohin ich auch in Zivil eingerückt war. Als wir dort in Zivilzeug ankamen, ließ man uns erst mal vor dem Kasernentor hinlegen und hindurchrobben. Auf dem Kasernenhof spielte das Musikkorps gerade "Alte Kameraden." Ich dachte: "Na, das fängt hier ja gut an, das kann ja heiter werden." Die Grundausbildung war hart. Die von uns verlangten körperlichen Leistungen reichten bis an die Grenze der physischen Erschöpfung. Oft haben wir uns in der Kaserne an den Treppengeländern hochziehen müssen, um in die Soldatenstuben im 1. oder 2. Stock zu gelangen. Wir wurden systematisch hart gemacht, um für den Kriegseinsatz an der Front fit zu sein.

Am 19. September 1943 wurden wir in die Krumhout-Kaserne verlegt, und es begann die Ausbildung an der LFH 18, einer leichten Feldhaubitze (Kanone), Geschossdurchmesser 10,5 cm. Zwischendurch fanden Ausmärsche zwecks infanteristischer Geländeübungen in der näheren Umgebung von Utrecht und auch auf dem Truppenübungsplatz Hilversum statt. Nach Hilversum fuhren wir mit der normalen zivilen Eisenbahn, nachdem wir geschlossen zum Bahnhof marschiert waren.

Probleme mit der holländischen Bevölkerung haben wir jungen Soldaten nicht gehabt. Im Gegenteil, man hat uns geholfen. Ich kann mich daran erinnern, dass wir einmal eine Feldübung in einem Obstanbaugebiet hatten. Dort lagen Falläpfel unter den Bäumen. Wir haben den Obstbauern höflich gefragt, ob wir Äpfel aufsuchen dürften. Selbstverständlich durften wir uns die Äpfel nehmen. Es war den deutschen Wehrmachtsangehörigen, auch im Ausland, strengstens verboten, der Zivilbevölkerung etwas wegzunehmen. Jeder Soldat hatte in seinem Soldbuch auf der vorletzten Umschlagseite die 10 Gebote für die Kriegsführung des deutschen Soldaten. Im 7. Gebot stand u.a.: "Die Zivilbevölkerung ist unverletzlich. Der Soldat darf nicht plündern oder mutwillig zerstören." Ob diese Anweisungen immer eingehalten wurden, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich persönlich habe Übergriffe meiner Kameraden nicht erlebt. Mir sind auch Übergriffe anderer Einheiten nicht bekannt geworden.

Ende Oktober 1943 habe ich mich als Kriegsoffiziersbewerber gemeldet. Die Offizierstauglichkeit war eine Vorbedingung für die Annahme in die Höhere Forstlaufbahn. Ich erinnere mich, dass wir noch einmal richtig geschliffen wurden. Die Schleiferei, die jetzt der Wachtmeister Endler (mir fällt sogar der Name noch ein) mit uns vornahm, war unfair und fast grausam zu nennen. Insbesondere in der Reitbahn auf dem losen Sand- und Sägemehlboden, wo man bei jedem Schritt mit den Füßen tief einsank, pflegte er uns Offiziersbewerber fertig zu machen. War er ein geistig armer Sadist oder wollte man unsere Leistungsfähigkeit testen? Einige gaben damals jedenfalls auf. Ich musste es ja durchstehen, um meinen Traumberuf "Forstmeister" zu erlangen. Körperliche Fitness konnte an der Front allerdings auch lebensrettend sein.

Nun Auszüge aus meinen in Utrecht/Holland geschriebenen Briefen. Als Feldpost-Absender war angegeben: Soldat Hermann Lohmann Feldpost Nr. L27 134 B Luftgau Postamt Amsterdam über Bentheim.


Am 19.9.43 schrieb ich:
"Es ist schade, dass Heinz (mein Bruder) schon wieder weg ist (nämlich an die Ostfront südlich Leningrad). Versucht es bitte noch mit dem Urlaub zur silbernen Hochzeit (mit Beglaubigung vom Bürgermeister)."


Meine Eltern haben am 1. Oktober 1943 ihre silberne Hochzeit gehabt und beide Kinder konnten nicht dabei sein, weil sie im Krieg Soldat sein mussten und dafür keinen Urlaub bekamen.


Am 1.10.43 schrieb ich nach Hause:
"Liebe Eltern!
Heute habe ich den ganzen Tag an Euch gedacht. Hoffentlich habt Ihr gut gefeiert. Sind wenigstens alle gekommen, die sich angemeldet haben? Heute zu Eurer Silberhochzeit war der Dienst zwar nicht leicht, aber ich bin heute Abend wenigstens mal satt geworden, denn wir konnten noch einmal nachfassen. Ich muss immer daran denken, dass Du mir mal gesagt hast, Vater, ich würde froh sein, wenn ich noch einmal einen Schlag (Essen) extra beim Militär bekommen würde, als ich einmal über das Essen meckerte."

Am 6. Oktober 1943 wurde ich 18 Jahre alt. Ich war lang und dünn. Wir Jungs hatten natürlich dauernd Hunger. Obwohl wir in Holland waren, war die Verpflegung nicht sehr reichlich. Beim Mittagessenempfang (meistens Eintopfessen) haben wir uns sofort wieder in die Schlange der Soldaten eingereiht und stehend schnell das Essen hinuntergeschlungen, um möglichst einen Nachschlag zu erwischen. Essen und satt werden war überhaupt immer ein wichtiges Thema während der Soldatenzeit.


18.10.43:
"Sonntag habe ich mich in der Stadt fotografieren lassen. Aber es ist alles sehr teuer - 6 Bilder 5,50 Gulden. Da könnt Ihr mal sehen, wie das Geld hingeht. Wir haben schon Wintersachen empfangen. Aber hier wird es auch schon lausig kalt."


24.10.43:
"Heute haben wir zwar keinen Sonntag, aber dafür einen großen Tag gehabt, denn heute habe ich den Reichsmarschall (Hermann Göring) zum ersten Male gesehen, als er uns fragte, wie alt wir wären und die Front abschritt. Anschließend hat er noch eine Ansprache gehalten. Es ist dabei auch gefilmt worden. Wenn Ihr vielleicht etwas davon in der Wochenschau seht, wisst Ihr Bescheid."

Wir Jungens waren also damals beeindruckt und begeistert, als Göring seine Ausbildungstruppe in weißer Reichsmarschalluniform in Holland besuchte.


28.10.43:
"Liebe Eltern!
Meldet mich nicht für den gehobenen Forstdienst an, wofür das Merkblatt ist, welches Ihr mir geschickt habt. Also meldet mich nur für den höheren Forstdienst an. Ich habe mich jetzt als Kriegsoffiziersbewerber gemeldet."


1.11.43:
"Sonntag hatten wir Ausgang in die Stadt, da konnte ich die Kuchenmarken gut gebrauchen. Ich war nämlich im Wehrmachtsheim, wo alles sehr schön und billig ist. Vielleicht ist es möglich, dass Ihr mir noch Kuchenmarken schickt. Ich habe im Wehrmachtsheim sehr schönen holländischen Butterkeks dafür kaufen können."


Ja, wir waren zwangsläufig bescheiden. Alles war damals im Kriege rationiert. Als Lebensmittelzuteilung erhielt die Bevölkerung Lebensmittelmarken. Diese berechtigten in der aufgedruckten Menge zum Einkauf von Lebensmitteln. So gab es eben auch Kuchenmarken mit denen man sogar in Holland Kuchen kaufen konnte.


13.11.43
"Liebe Eltern!
Einem besonderen Umstand verdanke ich es, daß ich heute die Zeit habe Euch einen ausführlichen Brief zu schreiben. Denn wir haben neuerdings auch Lust bekommen, auf Wanderschaft zu gehen. Es ist sehr nett von Dir, liebe Mutter, daß Du Kuchen für mich gebacken hast, doch er wird mich wohl nicht mehr erreichen. Ich hatte zwar einen Kopfschützer empfangen, aber ich habe ihn wieder abgegeben. Vielen Dank, liebe Mutter, für die Arbeit, die Du Dir bei den Handschuhen gemacht hast. Ich glaube nicht, dass es dort so kalt wird, dass ich Handschuhe brauche."

 

 

Wegen der Geheimhaltung war es uns verboten zu schreiben, wo wir uns genau aufhielten und wohin wir verlegt werden sollten. Wenige Tage später, am 16.11.43, sind wir per Eisenbahn in Waggons nach Italien zum Fronteinsatz transportiert worden. Wir hatten vorher neue, khakifarbene Tropenuniformen bekommen.

 

Wir fanden die Uniformen zwar sehr schick, weil das etwas besonderes war, aber so praktisch war diese Bekleidung in der relativ kühlen Regenzeit in Süditalien auch nicht. Wir alle, auch die Offiziersbewerber, sind dann von Holland an die Front bei Monte Cassino verlegt worden.

lo