5. Verhöre

Die großen Hexenverfolgungen in Europa sind das Ergebnis verschiedenster Interessen und existentieller Ängste, die sich im Hexenglauben zusammenfanden. Ohne die Interaktion von Obrigkeit und Untertanen, von Rechtsgelehrten und Theologen, von weltlicher bzw. geistlicher Macht und Gerichtsbarkeit hätten die Hexenjagden in dieser Form nicht stattfinden können. Initiiert wurden die Hexenprozesse durch Gerüchte und Denunziationen innerhalb der dörflichen und städtischen Gemeinschaften. Auslöser waren nicht selten Neid, Missgunst und Habgier, Ängste sowie der Wunsch, einen Schuldigen für individuelles oder kollektives Unheil verantwortlich zu machen.

Nach dem geltenden Prozessrecht genügte ein bloßer Verdacht, eine Besagung oder ein Gerücht, um den Stein ins Rollen zu bringen. Prozessgrundlage war die im Reich geltende Constitutio Criminalis Carolina (1532), die zur Überführung und Bestrafung eines Täters zwei Möglichkeiten vorsah. Die erste, der Beweis durch Aussage von "zwei guten (Augen-)Zeugen", schied aus, da ja nur Mitglieder der Hexensekte einander beim Hexensabbat gesehen haben konnten. Deshalb konnte das Verbrechen der Hexerei nur durch ein Geständnis des Angeklagten selbst bewiesen und geahndet werden. Das Verfahren war daher auf die Erlangung dieses Geständnisses ausgerichtet. Und in der Tat haben alle wegen Hexerei verurteilten Personen letztlich gestanden, der teuflischen Hexensekte anzugehören. Wenige taten dies freiwillig, viele unter Androhung oder Anwendung der Folter. Diese, die Tortur, die "peinliche Frage" war durch die Carolina als Mittel der Wahrheitsfindung zugelassen. Unter der Folter wurden die Angeklagten gezwungen, vermeintliche Mitschuldige zu nennen, so dass fast jeder Prozess neue Prozesse nach sich ziehen konnte.

Die Auffassung, dass Hexen hart zu bestrafen seien, teilten Obrigkeit und Untertanen. Die teuflischen Verbrechen der Hexen galten als Verbrechen gegen die göttliche Weltordnung. Das grausame Schauspiel der öffentlichen Hinrichtungen diente der Einschüchterung und Disziplinierung des Bösen. Es war eine Demonstration weltlicher Macht und zugleich ein Ritual, Gottes Recht und Gerechtigkeit auf Erden wiederherzustellen. Bei den Hinrichtungen wurden die Geständnisse der angeblichen Hexen und Zauberer öffentlich verlesen. Die farbigen Schilderungen des lasterhaften Treibens, der Bosheit und Grausamkeit standen in scharfem Kontrast zu den christlichen Werten einer tugendhaften, wahren und guten Welt, die es zu verteidigen galt. Die Geständnisse bestätigten in einer Art Zirkelschluss die Gefahr, die von der im Geheimen wirkenden Hexensekte ausging, verbreiteten und befestigten das Bild vom Hexenwesen und legitimierten die Verfolgungen. RB

Literatur: In diesem Band: Voltmer/Irsigler, Voltmer/Eiden, Eiden; Schild 2002; Evans 2001; Behringer 2000; van Dülmen 1999, 1988
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