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Die Bundesrepublik
im Kalten Krieg
(von Wolfgang Benz)

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Alleinvertretungsanspruch
und Hallstein-Doktrin

Bericht über Reise der Volkskammerdelegierten nach Bonn, 1952             

An vorderster Front im Kalten Krieg, wenngleich durch die Definition seiner Hauptaufgabe Wiederherstellung der Einheit Deutschlands" etwas behindert, kämpfte das Bundesministerium für gesamtdeutsch Fragen. Zur Selbstrechtfertigung mußte die Schuldzu weisung wegen der mit den angewendeten Methode nicht herstellbaren Einheit immer wieder aufs deutlichste formuliert werden: Die Sowjetunion trachte unnachgiebig und alle westlichen Vorschläge negieren zusammen mit ihren Auftragnehmern SED und Pankow-Regime" danach, das gewaltsam eingeführte Sowjetsystem gegen den Willen der 17 Millionen Menschen in "Mitteldeutschland" zu erhalten und es auf die Bundesrepublik auszudehnen.

Die Aktivitäten des Ministeriums für gesamtdeutsch Fragen zielten angesichts der geringen Möglichkeiten den eigentlichen Zweck zu erreichen, auf die Pflege menschlicher Verbindungen über die Demarkationslinie zwischen Ost und West hinweg, um wenigsten einen emotionalen Zusammenhalt der Deutschen zu gewährleisten. Das Bemühen war einseitig, wie aus der Tatsache hervorgeht, daß die Abschaffung des Interzonenpasses 1953 und die Erklärung der Freizügigkeit in Personenverkehr zwischen Ost und West auf die westliche Seite der "Zonengrenze" beschränkt blieb. Bis zum Herbst 1957 konnten immerhin auch noch etliche Millionen Bürger der DDR besuchsweise in die Bundesrepublik reisen.

               

An der Spitze des gesamtdeutschen Ressorts stande nacheinander Jakob Kaiser (1949-1957) und Ernst Lemmer (1957-1962). Beide waren Gründungsväter der Ostzonen-CDU gewesen und hatten sie in den erste beiden Nachkriegsjahren geführt, bis sie im Dezember 1947 von der Sowjetischen Militäradministration ihre Ämter enthoben wurden, weil sie sich geweigert hatten, am "Deutschen Volkskongreß" teilzunehmen, jenem von der SED organisierten Vorparlament, das im Sinne und als Instrument sowjetischer Deutschlandpolitik eine vierzonale deutsche Zentralregierung vor- bereiten sollte. In der Bundesrepublik vertrat insbesondere Jakob Kaiser innerhalb der CDU dann einen weniger auf Abgrenzung und mehr das Gemeinsame betonenden Kurs in der deutschen Frage, das brachte ihn in einen latenten Gegensatz zu Adenauer und dessen Konzeption einer "Politik der Stärke", das prädestinierte ihn aber auch als Ressortchef des Ministeriums, dessen praktische Bedeutung in umgekehrten Verhältnis zu seinem psychologischen Stellenwert stand.

                   

Plakat, 1957Wenn in diesem Ministerium, das demonstrativ seinen Dienstsitz in Bonn und Berlin hatte, die individuelle und menschliche Seite der deutschen Teilung so betont wurde, so unterlag die Öffentlichkeitsarbeit (zwecks Information über die Entwicklungen in der DDR), die Förderung der "Zonenrandgebiete" und die Propagierung caritativer Aktionen (ab 1955 wurden jährlich etwa 40 Millionen Päckchen und Pakete als Liebesgaben von Privatleuten und Organisationen von West nach Ost geschickt) durchaus handfestem politischen Kalkül. Man war sich der Überlegenheit des westlichen Systems so sicher, daß man die eigenen Errungenschaften gern augenfällig machen und dadurch die Inferiorität des ideologischen Gegners entlarven wollte. So heißt es im Jahresbericht 1959 des Ministeriums:

"Die privaten Besuchsreisen wie auch die durch Organisationen durchgeführten gesamtdeutschen Treffen, Begegnungen und Tagungen in der Bundesrepublik, an denen von 1956 bis 1959 rund eine Million Personen aus der Sowjetzone teilnahmen, haben das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit unter den deutschen Menschen gefestigt. Die Besucher aus der Sowjetzone konnten sich in der Bundesrepublik von der Lügenhaftigkeit der SED-Propaganda über den "Militarismus und die Ausbeutung in Westdeutschland" überzeugen, während die westdeutschen Besucher in der Sowjetzone eine konkrete Anschauung über die Verhältnisse in Mitteldeutschland erhielten."

(Deutschland im Wiederaufbau 1949-1959 und Tätigkeitsbericht der Bundesregierung für das Jahr 1959, hg. vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Bonn o. J., S. 95).

                     

Zum Selbstverständnis bundesdeutscher Politik gehörte die Überzeugung der eigenen besseren Legitimation und die Gewißheit, daß die vier Großmächte die Verpflichtung hatten, eine Wiedervereinigung Deutschlands herbeizuführen. Aus dem einen folgte der politische und moralische Alleinvertretungsanspruch Bonns. In Übereinstimmung mit den Westmächten wurde die Gründung der DDR von Anfang an als rechtswidriger Akt verstanden, als Okkupationsregime von Moskaus Gnaden, das nicht durch den freien, in Wahlen geäußerten Willen der Bevölkerung der Sowjetzone legitimiert war. Die Veranstaltung freier Wahlen war deshalb auch stets die Vorbedingung, die vom Westen vor allen weiteren Schritten gestellt wurde.

Symptomatisch für den Kalten Krieg war dann aber auch die Situation 1952, als Stalin den Westmächten in der berühmten Note die Wiedervereinigung Deutschlands auf der Basis künftiger Neutralität anbot. Als die verlangten freien Wahlen dann auch zugebilligt wurden, mochten die Westmächte, darin bestärkt von Adenauer, die Ernsthaftigkeit der Offerte gar nicht so genau prüfen. Auch wenn 1952 keine Chance zur Wiedervereinigung auf der Grundlage westlichen Demokratieverständnisses existierte, muß sich der Westen den Vorwurf gefallen lassen, kein Interesse daran gehabt zu haben.

                   

Plakat der KUD zur Politik der StärkeZu den Dogmen westdeutscher Außenpolitik gehörte auch die Annahme, die Sowjetunion wolle die Westmächte aus Berlin und Deutschland verdrängen, die Viermächte-Verantwortung aushöhlen und schließlich die beiden deutschen Staaten zu Verhandlungen über die Lösung der "deutschen Frage" zwingen. Bonn war mit den drei Westmächten einig, daß solche Gespräche nicht stattfinden durften. Die Alliierte Hohe Kommission, die in den ersten Jahren die Vormundschaft über die Regierung Adenauers ausübte, erklärte am 20. Oktober 1949 - zwei Wochen nach der Gründung des Oststaats -, die Regierung der DDR sei nicht berechtigt, im Namen Ostdeutschlands, geschweige denn im Namen Gesamtdeutschlands zu sprechen. Am folgenden Tag verkündete der Bundeskanzler des Weststaats unter allgemeiner Billigung des Bundestags in einer Regierungserklärung den Anspruch, nur die Bundesrepublik sei befugt, im Namen Deutschlands und des deutschen Volkes zu sprechen. Mindestens zwei Jahrzehnte lang wurde der Anspruch alltäglich in Szene gesetzt durch die Verweigerung, den Oststaat bei seinem Namen zu nennen (er sollte "die Zone" bleiben oder nur in Gänsefüßchen - "DDR" - gesetzt werden), während auch im Sprachgebrauch "Bundesrepublik" synonym für "Deutschland" gebraucht wurde.

              

Der politische Alleinvertretungsanspruch wurde im Herbst 1950 von den drei Westmächten feierlich bestätigt, und fünf Jahre später, im Dezember 1955, ein halbes Jahr nachdem die Bundesrepublik die Souveränität erlangt hatte, wurde er mit Hilfe der Hallstein-Doktrin auf lange Jahre festgeschrieben. Der nach dem damaligen Staatssekretär im Auswärtigen Amt Walter Hallstein benannte Grundsatz bedrohte alle Staaten, die die DDR anerkennen und diplomatische Beziehungen zu ihr aufnehmen wollten, mit Sanktionen. Das galt bis Ende der 60er Jahre. In der Regel genügte die Drohung, namentlich gegenüber armen Ländern. Im Herbst 1957 wurde es Ernst: Bonn brach die Beziehungen zu Jugoslawien ab; 1963 wurde die Hallstein-Doktrin gegen Kuba angewendet.

Im Kalten Krieg war, wie die Isolation der DDR in den ersten zwei Jahrzehnten ihrer Existenz bewies, der Bonner Alleinvertretungsanspruch eine der schärfsten Waffen. Über die außenpolitischen und diplomatischen Wirkungen hinaus diente er auch der Legitimation einer beanspruchten Vormundschaft über die Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik, da sie ja an freier Willensäußerung von Anfang an gehindert war. Im Zuge dieser Argumentation wurde "Freiheit" zu einem viel strapazierten Begriff. Er stand für das westliche Demokratiesystem und die damit verbundenen Vorteile. Weil er in der Argumentation der Gegenseite eine so große Rolle spielte, wurde ein anderer nicht minder hehrer Begriff, nämlich "Frieden" abgenutzt. Das ging in der Zeit des Kalten Kriegs so weit, daß man sich als Kommunist oder als Sympathisant verdächtig machte, wenn man zu viel vom Frieden sprach.

                        

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