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Die Bundesrepublik
im Kalten Krieg
(von Wolfgang Benz)

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"Schutzmaßnahmen" in der BRD

CDU-Plakat, 1953        

Ende 1947 waren Illusionen über eine absehbare Lösung der deutschen Frage durch eine Verständigung der Alliierten auf einen Friedensvertrag nicht mehr möglich. Mit dem ergebnislosen Ende der Londoner Außenministerkonferenz schien auch die Schuldfrage hinlänglich geklärt, und den Verheißungen des amerikanischen Marshall-Plans hatte die Sowjetunion kein Äquivalent entgegenzusetzen. Die Bewohner Westdeutschlands waren froh über die Aussicht, wieder zu einer staatlichen Existenz zu kommen, die unter Anlehnung an die Vereinigten Staaten auch Schutz vor der allgemein befürchteten Aggressions- und Expansionslust der Sowjetunion bieten würde.

Die Reaktionen Moskaus auf die Präliminarien zur Gründung des Weststaats schienen die Befürchtungen auch zu bestätigen. Die Blockade Berlins ab Juni 1948 - ein früher Höhepunkt des Kalten Krieges – wurde nicht als Aktion verstanden, mit der Stalin Verhandlungen über die Zukunft eines Vierzonen-Deutschlands erzwingen wollte, sondern als Griff nach Berlin, das dem sowjetischen Machtbereich zur Gänze einverleibt werden sollte. Daß die einseitige Währungsreform in den Westzonen der östlichen Seite durchaus Anlaß zu energischen Maßnahmen bot, wurde kaum bedacht; die Brutalität der sowjetischen Blockade erleichterte es auch ungemein, nur vom "Ringen um die Freiheit" Berlins und Westdeutschlands zu reden.

                    

Nachdem die Westdeutschen längst freudig für den Westen unter Führung der USA votiert hatten, mußte auch jede Abwehrreaktion der Gegenseite als Bestätigung für den einmal eingeschlagenen Kurs gelten. Der Korea-Krieg, der im Sommer 1950 als Folge einer kommunistischen Aggression in einem wie Deutschland zweigeteilten Land im Fernen Osten ausbrach, war das Paradebeispiel schlechthin. Ein halbes Jahr nach der Gründung der Bundesrepublik sahen viele Bundesbürger ihre Ahnungen bestätigt und fühlten sich in ihrer antikommunistischen Grundhaltung bestärkt. Die Angst vor einem durch Stalin angezettelten Dritten Weltkrieg war ganz real, ebenso war der Drang nach Sicherheit und Schutz riesengroß.

Die junge Bundesrepublik errichtete - zu ihrem Schutz, wie es im allgemeinen Verständnis hieß - institutionelle Barrikaden im Kalten Krieg. Das für die "innere Sicherheit" zuständige Ressort sah es als eine seiner dringlichsten Aufgaben an, durch ein Verfassungsschutzgesetz und die 1950 gegründete Behörde "Bundesamt für Verfassungsschutz" den Staatsfeinden Paroli zu bieten. Das richtete sich gegen Rechts- und Linksextremisten, gemeint und gefürchtet waren aber vor allem die Kommunisten, und zwar äußerlich in Gestalt der SED und der Regierung in Ostberlin, im Innern in Gestalt der KPD.

Gemeinsames Bestreben des inneren wie des äußeren Feindes war die Zerstörung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Weststaats - darüber herrschte in der Bundesrepublik weitgehender Konsens. Es war also nur logisch und konsequent, daß das Bundesministerium des Innern 1951 beim gerade ins Leben getretenen Bundesverfassungsgericht das Verbot der KPD beantragte. Unter der Konzeption der "wehrhaften Demokratie" war gleichzeitig das Verbot der rechtsextremistischen "Sozialistischen Reichspartei" verlangt worden. Die neonazistische Partei wurde im Herbst 1952 verboten, gegen die Kommunisten wurde bis August 1956 verhandelt. Das dann ausgesprochene Verdikt über die KPD war politisch umstritten und gewiß unnötig, denn von den 5,7 % der Wählerstimmen, die sie in den ersten Bundestagswahlen 1949 errungen hatte, waren 1953 ganze 2,2 % übrig geblieben. Man verbot also eine Splittergruppe, freilich mit der Begründung, daß sie umstürzlerische Ziele mit außerparlamentarischen Mitteln und mit Unterstützung des "Pankower Regimes" verfolge. Und der Argwohn gegen die potentiellen Staatsfeinde erlahmte nicht nach dem Karlsruher Urteil, er richtete sich gegen alle, die verdächtig waren, in illegaler Nachfolge prokommunistisches Gedankengut zu hegen oder sich gar propagandistisch zu betätigen. Das traf Neutralisten und Pazifisten, linksintellektuelle Nonkonformisten und bürgerliche Atomwaffengegner, unter Dauerverdacht standen die "Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft" ebenso wie die 1960 gegründete "Deutsche Friedensunion" oder auch die vom CDU-Dissidenten Gustav Heinemann inspirierte "Gesamtdeutsche Volkspartei".

(Vgl. Wolfgang Benz - Opposition gegen Adenauers Deutschlandpolitik, in: Jürgen Weber (Hrsg.) - Die Republik der fünfziger Jahre. Adenauers Deutschlandpolitik auf dem Prüfstand, München 1989, S. 68f).

anonymes Flugblatt, 1963            

Das traf auch die von SPD und DGB unterstützte Aktion "Kampf dem Atomtod", die ab Frühjahr 1958 Massenkundgebungen gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr in Großstädten abhielt und eine vom Bundesverfassungsgericht im Juli 1958 untersagte Volksbefragung veranstalten wollte. Das Mißtrauen gegen christliche und linksbürgerliche Pazifisten hielt an und galt auch der Ostermarsch-Bewegung der 60er Jahre, die mit dem Odium leben mußte, eine kommunistische Tarnorganisation zu sein. Allein die Teilnehmerzahlen widerlegten diesen Verdacht, denn von den weit über 100 000 Teilnehmern der Ostermärsche 1964 bis 1968 hatten die Kommunisten nur träumen können.

(Vgl. Dieter Rucht - Protestbewegungen, in: Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. von Wolfgang Benz, Frankfurt 1989, Band 2, S. 312f).

Stand der Bundesgrenzschutz als Sonderpolizei an der äußeren Grenze zum kommunistischen Machtbereich, so diente seit 1952 die "Bundeszentrale für Heimatdienst" als Bollwerk politischer Bildung und pädagogischer Auseinandersetzung, insbesondere im Zeichen der Totalitarismustheorie. Aufklärung über Ideologie, Programm und Zielsetzung des Kommunismus und kommunistischer Staaten wurde unter obligatem Hinweis auf Ursachen und Wirkungen des Nationalsozialismus betrieben; im 1957 errichteten "Ostkolleg" der Bundeszentrale wurden in Wochentagungen für Lehrer und andere Mittler politischer Bildungsarbeit insbesondere Theorie und Praxis des Sowjetsystems behandelt, mit dem gleichen Ziel, das auch die amtliche Publizistik zur politischen Bildung erstrebte: Vermittlung und Festigung eines Demokratieverständnisses durch Immunisierung gegen jede feindliche Beeinflussung im Kalten Kriege.

                    

Das Bundesjustizministerium nahm mit den Mitteln des Strafrechts präventiv am Kampf mit dem ideologischen Feind teil, indem es die Entscheidungen der Gerichte auf dem Gebiet des Staatsschutzes beobachtete und koordinierte. Gegenstand dieses Bemühens waren vor allem die Einschleusung "sowjetzonaler staatsgefährdender Propagandaschriften", und die "Infiltrations- und Zersetzungsversuche" von Agenten und Spionen aus der DDR, aber auch die "Wühlarbeit der illegalen KPD" nach deren Verbot 1956.

Als juristische Waffe im Kalten Krieg diente das Strafrechtsänderungsgesetz, das im Herbst 1951 in Kraft trat. Mit diesem Gesetz wurden u.a. die Tatbestände Hochverrat und Landesverrat wieder eingeführt bzw. neu definiert und ein neues Delikt "Staatsgefährdung" zur Verteidigung parlamentarisch-demokratischer Verfassungsgrundsätze unter Strafe gestellt. Bundesjustizminister Dehler hatte zur Begründung des Gesetzentwurfs im Bundestag die Freiheitsbeschränkungen verteidigt: "Ein von außen bedrohtes Volk wie das unsere und ein in sich noch nicht gefestigtes Volk wie die Bundesrepublik Deutschland" könne Angreifern gegen die freiheitliche Grundordnung "keine schrankenlose Freiheit zugestehen". (Deutscher Bundestag, Sitzung 12. 9. 1950, Sten. Bericht, S. 3105). Das Gesetz sollte insbesondere eine Handhabe "gegen die nur zu bekannte Wühlarbeit aus dem Osten" bieten und zur Begründung des neuen Straftatbestandes "Staatsgefährdung" wurde darauf verwiesen, daß man sich nicht nur mit den klassischen Mitteln von Drohung und Gewalt konfrontiert sehe, sondern gegen die viel subtileren Methoden des Kalten Krieges gewappnet sein müsse.

                             

Der Abgeordnete Wahl von der CDU erklärte als Berichterstatter, die Methoden des Kalten Krieges seien "gerade deshalb so gefährlich, weil sie die Gewaltanwendung zunächst ausschließen und weil ein System von Einzelakten entwickelt wird, von denen jeder einzelne an sich mehr oder weniger harmlos erscheint, die aber durch das Zusammenspiel aller, die von den verschiedensten Ansatzpunkten aus das gemeinsame Ziel fördern, eine Situation schaffen können, die schließlich die Staatsumwälzung unausweichlich macht und sie wie eine reife Frucht gewinnen läßt. Wir erinnern uns alle an die Legalität der von Hitler herbeigeführten Revolution." (Deutscher Bundestag, Sitzung 9. 7. 1951, Sten. Bericht, S. 6304 ff). Hier war der aktuelle Stand staatsrechtlicher Erkenntnis auf dem Hintergrund der Erfahrung des Scheiterns der Weimarer Republik und im theoretischen Verständnis eines demokratiefeindlichen "Totalitarismus" von ganz rechts bis ganz links reflektiert. Dem widersprachen lediglich die Vertreter der KPD im Bundestag, wie der Abgeordnete Fisch, der das Vorhaben als ein "Ausnahmegesetz" gegen alle diejenigen apostrophierte, "die aktiv für den Frieden und die Einheit Deutschlands" einträten und an Stelle der "auf fremdes Geheiß geschaffenen westdeutschen Bundesrepublik" einen Staat nach anderem Demokratieverständnis errichten wollten. (Ebenda, S. 6299)

                    

Was im Parlament unter jeweils beträchtlichem Tumult gegenseitiger Schuldzuweisung diente, war in der politischen Praxis für die Betroffenen bitterer Ernst. Die neuen Staatsschutzparagraphen im Strafrecht dienten, rigoros gehandhabt und verfahrensmäßig auf wenige Strafkammern konzentriert, bis Ende der 60er Jahre erfolgreich dem politischen Kampf im Kalten Krieg. Die Prozesse, die unter dem Feindbild der kommunistischen Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik geführt wurden, waren mit der Idee des Rechtsstaats nur schwer in Einklang zu bringen, es ging in zu vielen Fällen nur um die Gesinnung der Angeklagten und nicht um reale Gefährdungen des Staates; so etwa im Verfahren gegen die Pazifistin Faßbinder, die zu Unrecht beschuldigt wurde eine Agentin Moskaus zu sein (1954), oder gegen Wilhelm Elfes (1956), der eine "gesamtdeutsche Erklärung" unterzeichnet hatte und deshalb keinen Reisepaß mehr bekam, oder gegen Viktor Agartz (1957), der Geld aus der DDR zur Finanzierung eines Forschungsinstituts angenommen hatte.

(Vgl. Diether Posser - Anwalt im Kalten Krieg. Ein Stück deutscher Geschichte in politischen Prozessen 1951-1968, München 1991).

            

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