John F. Kennedy Plakatmotiv. © Runaway Technology

John F. Kennedy - Ausstellungstitel
Ausstellungshalle des Deutschen Historischen Museums von I. M. Pei, 26. Juni bis 13. Oktober 2003

Eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums in Zusammenarbeit
mit dem John F. Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin

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John. F. Kennedy
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1. Der Auftritt vor dem Rathaus Schöneberg
1.1. Die Reden der Politiker I 1.2. Impressionen I 1.3. Berlin und New Frontier

1.3. Berlin und New Frontier

In seiner Rede vor dem Schöneberger Rathaus, äußert Kennedy einen Satz, hinter dem sich ein ganzes Konzept der amerikanischen Kultur verbirgt. "You live in a defended island of freedom" - die Insel als Außenposten inmitten einer anderen, bis dahin noch feindlichen Welt. Die Rede ist von Berlin als dem New Frontier im alten Europa, das es bis zuletzt als Insel der Freiheit vor dem anderen existierenden politischem System zu verteidigen galt. Zu seiner Bedeutung im Bezug auf die unschöne Teilung Deutschlands nach dem Krieg sagte Brandt später: "Der erste Mann der westlichen Welt hat gerade durch dieses Wort bekundet, dass die Freiheit unteilbar ist, und er hat der Welt gesagt, dass unsere deutsche Generation 18 Jahre nach dem Krieg das Recht erworben hat frei zu sein, und dass unser Volk beanspruchen darf, in gutem Sinne gegenüber jedermann vereint leben zu können."
Innerhalb der Sowjetischen Besatzungszone liegend, stellte Berlin einen wichtigen Posten in der Konfrontation der Vereinigten Staaten mit der Sowjetunion und dem Kommunismus dar. Berlin lag an der Grenze zum Kommunismus, war vielmehr bereits umgeben von ihm, hatte Symbolcharakter für den Rest Europas. Nach der von den Amerikanern gepflegten Domino-Theorie musste der leitende Grundsatz sein, alle freiheitlichen demokratischen Systeme zu beschützen, bzw. sie zu unterstützen, damit sie nicht vor der als feindlich betrachteten Macht des Kommunismus fallen würde und wie ein Domino-Stein weitere Umstürze anderer politischer Systeme nach sich ziehen würde, bis letztendlich auch die Vereinigten Staaten bedroht wären.
 

Vorangegangen in den Staaten waren politische Phänomene wie die sogenannten Red Scares, eine regelrechte Angst vor und Panikmache gegenüber dem Kommunismus, die Red Raids, die Verfolgung und teilweise Ausweisung von Kommunisten, sowie der sogenannte "McCarthyism", eine medienwirksame kommunismusfeindliche Politik des gleichnamigen Senators. Doch die Grundmotivation, Berlin als eine Art Insel der Freiheit zu betrachten, geht noch viel weiter zurück.

Seit Beginn der Amerikanischen Zivilisation Nordamerikas fanden sich die Amerikaner Kämpfen mit Grenzen zu Unbekanntem ausgesetzt. Durch die Erschließung der Westgrenze sah man sich immer wieder mit aufregendem Neuen konfrontiert, das die bisherigen Werte der Zivilisation in Frage stellte und nicht nur eine Entwicklung erzwang, sondern durch diesen Entwicklungsprozess im Ergebnis überhaupt erst ein eigenes amerikanisches Kulturverständnis hervorbrachte. 1893 wurde in den USA die legendäre Turner-These geboren. Erstmalig formuliert der Namensgeber Frederick Jackson Turner, dass das Frontier einer der wesentlichsten Faktoren im Prozess der Formung einer distinkten amerikanischen Nationalität und Mentalität war, erzeugt durch die gleichzeitige Abwendung von europäischen Mentalitäten mit dem Fortschreiten nach Westen. Im Rahmen der "Columbian Exposition" stellte er seine Überlegungen vor: Er betrachtete das Frontier als offenen Raum im Westen, den es zu erobern, bezwingen oder ganz einfach zu besiedeln galt. An diesem Punkt der Konfrontation stießen Zivilisation und Wildnis aufeinander in einem sich wiederholenden Prozess, der so lange andauerte, bis das als frei geltende Land im Westen endgültig zivilisiert war. Er beschrieb den Westen als leer, darauf wartend von der neuen Bevölkerung erschlossen zu werden. Dieses Konzept wurde später durch die Kult-Figur "Buffalo Bill" um Kämpfe mit gefährlichen und mörderischen Indianern erweitert. Sodann war der Westen kein offenes, leeres und wartendes Land mehr - der nordamerikanische Kontinent musste nicht mehr nur besiedelt und in Besitz genommen werden, er musste erkämpft werden. Das Leben dort implizierte Unabhängigkeit, primitives Dasein und den Überlebenskampf eines jeden Einzelnen. Es erforderte absoluten Individualismus und unbezwingbares Selbstvertrauen. Mit dem rechten Willen konnte alles bewältigt werden. Revolutionär war Turners Versuch, erstmalig etwas spezifisch "Amerikanisches" in der eigenen Kultur herauszuarbeiten und es nicht als bloßes Derivat Europas zu betrachten.

An dieser Grenze waren alle gleich und nur wer hart arbeitete und Besitztümer ansammelte, konnte überleben. So ergab sich die nächste Grenze: das Second Frontier und damit der sich entwickelnde Kampf zwischen den Pionieren an der vordersten Front und den Industriellen, die in Profitgier folgten. Das System des Kapitalismus entwickelte sich und Besitztümer galten alsbald äquivalent mit sozialem Status. Gleichzeitig erfolgte durch die fortschreitende ständige Geburt eines amerikanischen Kulturverständnisses die für Amerika so wichtige gedankliche Trennung von dem traditionellen und entwicklungshemmenden Europa, die Formung des neuen Amerikanismus, die auch und besonders in der Literatur stattfand und zur Mythologisierung der Frontier-These und der Grenzerfahrung beitrug. Zu diesem Verständnis gehörte nicht zuletzt die ständige Beeinflussung des Westens auf den Osten und vice versa, die als möglicher Vorläufer der Domino-Theorie gedeutet werden könnte.

Zeit seiner politischen Karriere und bereits vor seiner Präsidentschaft verfolgte Kennedy einen antikommunistischen außenpolitischen Kurs und integrierte das althergebrachte Konzept des Frontiers, des amerikanischen Strebens nach Wandlung zum Besseren in seine Politik. Bereits in seiner fulminanten Antrittsrede hatte er zum Aktionismus aufgerufen: "Ask not what your country can do for you - ask what you can do for your country". Hauptmotiv seiner Politik sollte das Streben nach Freiheit sein, innen- wie außenpolitisch. In der Rede sichert er so beispielsweise auch den afrikanischen Staaten zu, sie vor einer "neuen Tyrannei", dem Kommunismus zu schützen. In den Fernsehdebatten zum Wahlkampf zwischen ihm und seinem Gegenkandidaten Nixon hatte er eine stärkere Verteidigungspolitik und fortschrittliche Gesundheits-, Bau-, Bildungs- und Bürgerrechte-Programme versprochen. Er versprach, dass sein New Frontier, sein neuer Meilenstein die Nation aus seinem ökonomischen Tief bringen würde. Er proklamierte, den Aufbruch zu "neuen Grenzen" vor allem in der Sozialpolitik, sowohl im eigenen Land als auch weltweit. Wieder sollte aus dem Kampf mit Unbekanntem etwas neueres, besseres hervorgehen. Sein Amtsantritt eröffnete eine Periode neuer Erwartungen bei dem amerikanischen Volk. Er brachte fortschrittliche Steuersenkungs-, Bildungs- und Krankenversorgungsprogramme auf den Weg, die allerdings zum großen Teil nicht während seiner Präsidentschaft umgesetzt wurden. Auch bei der Durchsetzung der Aufhebung der Rassentrennung in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden war er erfolgreich. Kein anderer Präsident seit Abraham Lincoln hatte für die Gleichberechtigung Farbiger soviel getan wie Präsident Kennedy. Er drängte den Kongress zur Annahme seiner Bürgerrechtsvorlagen und forderte von der Industrie, Farbige gleich zu behandeln wie Weiße. Kennedy formulierte den Anspruch einer neuen Generation, die bereit war, Verantwortung zu übernehmen. Er forderte die Jugend auf, sich als die neuen Pioniere einer "New Frontier" aktiv den vielen Herausforderungen im In- und Ausland zu stellen. "New Frontier" wurde zum Label seines Regierungsprogramms, dessen Schwerpunkte die Maßnahmen für unterprivilegierte Klassen und Verhandlungen mit der UDSSR bezüglich der Atomwaffentest waren.

 

 

Als konkrete politische Handlung wurde seine Anti-kommunistische Gesinnung erstmalig durch die Unterstützung der von Eisenhower geplanten Invasion Kubas in der "Bay of Pigs" 1961 deutlich, einem Versuch der USA zum Sturz Fidel Castros beizutragen, der jedoch kläglich scheiterte und einen erheblichen politischen Misserfolg darstellte. Im gleichen Jahr hatte Kennedy etwa 17000 US-Soldaten nach Südvietnam entsandt, um die Diktatur Ngo Dinh Diems gegen den Vietcong zu unterstützen. Später versuchte er dem Anti-Amerikanismus in der westlichen Hemisphäre mittels der Alliance for Progress beizukommen, die aber aufgrund der geringen Geldmittel wenig Effekt hatte. Er verkündete "... unseren Schwesterrepubliken südlich unserer Grenzen... unsere guten Worte in Taten zu verwandeln- in eine neue Allianz für den Fortschritt, freien Menschen und freien Regierungen dabei zu helfen, die Fesseln der Armut abzuwerfen." Die Allianz sollte vor allem Ländern Mittel- und Südamerikas zugute kommen, die Grundbedürfnisse wie Wohnen, Arbeit, Land, Gesundheit und Bildung befriedigen. Das Programm der Peace Corps verfolgte ähnliche Ziele: ,,Jenen Menschen, die in den Hütten und Dörfern des halben Erdballs darum ringen, die Fesseln des Massenelends abzuschütteln, versprechen wir, ihnen nach besten Kräften bei der Selbsthilfe zu helfen, wie lange es auch erforderlich sei - und zwar nicht, weil die Kommunisten es tun, und nicht, weil wir ihre Stimme haben wollen, sonder weil es richtig ist." Das Projekt sprach den Idealismus und den Tatendrang der jungen Amerikaner an. 400.000 melden sich freiwillig, um in Drittweltländern zu arbeiten. Noch heute besteht das Peace Corps als ein Teil der UNO. Im Frühjahr 1961 erwog Kennedy ebenfalls, US-Truppen nach Laos zu entsenden. Im Juni traf sich Kennedy mit dem sowjetischen Ministerpräsidenten Nikita Chruschtschow zu fröstelnden Gesprächen in Wien und einigte sich mit ihm auf ein neutrales Laos. In der Berlin-Frage verhielt sich Kennedy jedoch unnachgiebig. Kennedy wollte mit allen Mitteln einen Vorstoß der sowjetischen Truppen nach Europa verhindern. Dafür war er bereit bis zum Äußersten zu gehen: ,,Unsere Position in Europa ist allein schon deshalb einen Nuklearkrieg wert, weil der Verlust Europas den Verlust ganz Asiens und Afrikas nach sich ziehen würde. Und dann sind wir in den Vereinigten Staaten selbst dran." Das geteilte Nachkriegs-Deutschland teilte gleichwohl Europa mit Berlin als Zentrum der Aufmerksamkeit - und die Berlin-Krise spitzte sich zu. Immer mehr Leute aus dem Osten flüchteten nach Westdeutschland, auf beiden Seiten herrschte Misstrauen. Auf den Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 reagierte Kennedy mit der Entsendung von 1500 Soldaten nach Berlin. Willy Brand hatte drei Tage nach dem Bau der Mauer wütend an Kennedy geschrieben: ,,Die illegale Souveränität der Ostberliner Regierung ist durch Hinnahme anerkannt worden.". Die Spannungen des Kalten Krieges verschärften sich weiter.

Währenddessen hatte sich eine neue Grenze eingestellt - der Weltraum. Nachdem Ende der 50er Jahre über der Sowjetunion eine U-2 Rakete abgeschossen wurde, galt es immer mehr, sie zu überwinden. Als 1957 der erste Sputnik die Welt umkreiste und die Führung der Sowjetunion in Sachen Weltraum unmissverständlich deutlich machte, folgte der sogenannte Sputnik-Shock, die Angst der Amerikaner, unbemerkt ausspioniert zu werden. Ab diesem Zeitpunkt begann der Wettlauf zu den Sternen. Wissenschaftliche Projekte mündeten in handfeste politische Kämpfe. Satelliten eröffneten neue Spionagemöglichkeiten. Juri Gagarins Vorsprung als erster Mensch im Orbit 1961 war ein Schlag ins Gesicht Amerikas und konnte nur dadurch aufgefangen werden, dass Kennedy daraufhin ankündigte, Amerika werde in der nächsten Dekade einen Menschen auf den Mond bringen, was 1969 gelang. Mit der Landung des Apollo 11 wurde die Sowjetunion überholt, woraufhin der Entdeckungsdrang in den Folgejahren abebbte. Und doch wurde in den 60er Jahren das "Frontier" auch immer mehr zum Synonym für die unendlichen Weiten des Weltraums und den Pioniergeist, den man zur Erforschung des Alls brauchte.

1962 wurden als Reaktion auf die fortwährende Boykottpolitik der USA und die Invasion der Schweinebucht sowjetische Raketen auf Kuba stationiert, welche eine unmittelbare militärische Auseinandersetzung herauf beschwörten. Am 22.Oktober verlangte Kennedy den Abzug der Raketen und verhängte eine Seeblockade um Kuba, um weitere Stationierungen zu verhindern. Die Kubakrise spitzte sich zu und drohte zu einer atomaren Auseinandersetzung zu eskalieren. Am 28.Oktober lenkte Chruschtschow ein, ein Rückzug, der als persönlicher, politischer Triumph Kennedys gewertet wurde.

Mit seinem Besuch und nicht zuletzt seiner in der politischen Auseinandersetzung des Kalten Krieges wichtigen Rede vor dem Schöneberger Rathaus in Berlin, hatte er unmissverständlich seine Solidarität mit der Stadt bekundet, sie als Insel der Freiheit der absoluten Verteidigung versichert, und der Bundesrepublik Deutschland die Unterstützung der USA zugesprochen. Berlin würde dem Kommunismus mit der Hilfe Amerikas standhalten. Durch diese bestimmte und unnachgiebige Vorgehensweise leitete er letztendlich eine Politik der Entspannung zwischen Ost und West ein und war doch weiterhin wachsam gegenüber des Vordringens des Kommunismus. Die USA und die Sowjetunion richteten zur Bewältigung von Krisensituationen einen so genannten "heißen Draht" ein, eine direkte Telefonverbindung zwischen Moskau und Washington. Im Juli 1963 verständigten sich die USA, die Sowjetunion und Großbritannien auf ein Atomteststoppabkommen. Nichtsdestotrotz wurde der Verteidigungshaushalt bis 1963 um 20% gesteigert, die Zahl der Bomber und Raketen verdoppelt, die in Westeuropa stationierten Atomwaffen um 60% erhöht.

Die Freiheit des Individuums ist in der amerikanischen Verfassung niedergeschrieben und der Gedanke des Frontiers und der Freiheit hat sich bis heute in die Gesellschaft übertragen, welche nach wie vor über eine große geografische und soziale Mobilität verfügt. Mittlerweile stellt der Kommunismus nur noch eine geringfügige Bedrohung für die Vereinigten Staaten dar und man schafft sich neue Grenzen. Aufgrund von übertriebenem Eifer oder speziellen wirtschaftlichen Motiven können daraus, wie beispielsweise in puncto Waffenkontrolle, allerdings auch Nachteile für die Amerikaner entstehen. Staaten wie China und Russland wurden nicht nur in Hollywood bis in die letzten Jahre nach wie vor häufig als potentielle Feinde dargestellt. Selbst NATO-Anwärterstaaten wurden teilweise als gefährlich eingestuft. Wie die unmittelbare Vergangenheit gezeigt hat, wird auch weiterhin mit dem Aufbau von Feindbildern und Bedrohungsszenarien versucht, Bevölkerungsunterstützung für verschiedenste Regierungspläne zu gewinnen bzw. die Bevölkerung über potentielle Gefahren aufzuklären, teilweise ohne begründeten oder akuten Verdacht.

Ein anderer ursprünglicher Ansatz des Frontier, der dass man mittels harter Arbeit alles erreichen könne, ist jedoch in einem weiteren amerikanischen Kultur-Konzept aufgegangen - dem des American Dream, welches stattdessen bis heute fast auschließlich im positiven Sinne als Mythos anhält.

 
Kennedy grüßt die Berliner
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