»Voor een' vryen Staet«
Die Niederlande, das Reich und »Tyrannen«
in den Krisenjahren 1572 und 1672
Gorch Pieken

 

Die Schreckensherrschaft des Herzogs Alba

Am spanischen Hof hatte die Nachricht vom Bildersturm den Einfluß der Militärfraktion um Herzog Alba merklich vergrößert. Weder der berühmte Feldherr noch der König waren mit dem Erreichten zufrieden. Solange das Osmanische Reich nach dem Tod Sultan Süleymans des Prächtigen Unruhen im Inneren austrug und sich im Kriegszustand mit Kaiser Maximilian II. befand, war eine Gefährdung des Friedens im Mittelmeerraum nicht zu befürchten. Die somit verfügbaren Kräfte sollten in den Niederlanden den Befehlen des Königs so weit Geltung verschaffen, daß die 17 Provinzen wieder auf lange Sicht ein sicherer Hort der Kirche von Rom würden. König Philipp beauftragte den fast 60jährigen »eisernen Herzog« mit dieser Aufgabe. Im August 1567 erreichte Alba an der Spitze von 10.000 spanischen sowie neapolitanischen Soldaten und einigen deutschen Hilfstruppen die Niederlande. Nicht einverstanden mit dem harschen Auftreten des Herzogs, überließ ihm Margarete nur einen Monat später das Amt des Generalstatthalters. Die Herzogin empörte vor allem die Verhaftung von Lamoraal von Egmont und Philipp von Horne nach einem von Alba ausgerichteten Bankett.

 

Ferdinando de Álvarez de
Toledo, Herzog von Alba

Ferdinando, dritter Herzog von Alba, wurde 1507 als Sproß eines alten Adelsgeschlechtes geboren. Wegen der Beteiligung eines fernen Ahnen bei der Eroberung Toledos nannte sich die Familie später Álvarez de Toledo. Mit sieben Jahren nahm Ferdinando an der Seite seines Großvaters an einem ersten Feldzug teil, mit 16 wurde er Soldat. Obwohl sich Alba zeit seines Lebens als Feldherr und Diplomat meist außerhalb von Spanien aufhielt, war seine Ehe mit María Henríquez de Guzmán bemerkenswert glücklich. Erzählt wurde die phantastische Geschichte von Albas sieben Tage dauerndem Ritt von Ungarn nach Spanien, um drei Tage bei seiner erkrankten Frau zu bleiben und dann wieder die Reise zu seinem Dienstort anzutreten. Zusammen mit den drei Söhnen bildeten die Eheleute ein sehr erfolgreiches »Unternehmen«, das notfalls den Familienschmuck für die Kriegszüge des Hauses Habsburg verpfändete. Mehr als ein Vierteljahrhundert diente der Herzog Kaiser Karl in verschiedenen Funktionen als Gouverneur von Mailand, Vizekönig von Neapel, Botschafter in England und als Ratgeber des Kronprinzen Philipp, während er immer wieder auf das Schlachtfeld gerufen wurde. 1547 schlug Alba in einem glänzenden Sieg die deutschen Protestanten bei Mühlberg an der Elbe. Zusammen mit dem Grafen Egmont hatte er bereits ein Jahr zuvor den Orden vom Goldenen Vlies erhalten. Nicht nur wegen der unter seinen Soldaten herrschenden Disziplin und der sich selbst auferlegten Härten wurde er der »eiserne Herzog« genannt, sondern auch wegen seiner mitleidlosen Strenge gegenüber der Bevölkerung eroberter Städte und bei der Verfolgung von Ketzern. Von seinen Soldaten geliebt, von seinen Gegnern gehaßt, starb der Gran Duque de Alba 1582 nach dem letzten von ihm geführten Feldzug der Eroberung Portugals. Porträts wie dieses wurden wahrscheinlich als Erinnerungsstücke für Freunde und Mitarbeiter des Herzogs angefertigt.

 

Beide Grafen hatten den Treueeid auf König Philipp geleistet und waren loyale Katholiken. Zehn Monate nach der Ankunft Albas wurden Egmont und Horne auf dem Großen Platz von Brüssel hingerichtet. Ihr Tod, vier Tage nach der Hinrichtung der drei Batenburgbrüder und 15 anderer Aristokraten, wurde zu einem Hauptthema der antispanischen Propaganda in Wort und Bild.
Die Grafen waren widerrechtlich verurteilt worden. Als Vliesritter durften nur Ordensbrüder über sie zu Gericht sitzen. Stattdessen standen sie vor einem Tribunal, das Herzog Alba noch vor dem Amtsverzicht Margaretes ins Leben gerufen hatte, dem »Conseil des Troubles«. Der sogenannte Blutrat wurde in der Folgezeit zum wichtigsten Instrument des Herzogs gegen Ketzer und Unruhestifter. Von den neun Richtern hatten
nur die zwei spanischen Stimmrecht. Unter Vorsitz des Juan de Vargas wurden Menschen »jeden Standes, jeden Geschlechtes, jeden Alters« dem Blutrat vorgeführt. »... die Räder, die Pfähle, die Bäume längs der Wege waren mit erwürgten, enthaupteten, gemarterten Leichen beladen: so daß die Menschen nach Luft schnappten, als wenn sie sich nun wie in einem allgemeinen Grab, einer Wohnung der Toten, befanden. Jeder Tag hatte seinen Kummer und kannte das Schlagen der Blutglocke, die dem einen mit dem Tod von Blutsverwandten, dem anderen von Schwager oder Freund im Herzen widerhallte.

 

Hinrichtung von Egmont und Horne

 

Standbild Herzog Albas in Antwerpen

Das Verbannen und das Enteignen der Güter nahmen kein Ende.«9 Mehr als 1.000 Menschen wurden zur Zeit Albas hingerichtet, 11.130 verloren ihr Hab und Gut. Die weitaus meisten jedoch flohen, noch bevor gegen sie Anklage erhoben werden konnte, nach England und in die deutschen Gebiete um Emden, Kleve, in das Rheinland und bis nach Frankfurt am Main und Nürnberg. 60.000 Emigranten sollen die Niederlande verlassen haben.10
Erst im Frühjahr 1568, nachdem alle seine Besitzungen in den Niederlanden konfisziert worden waren, beschloß Wilhelm von Oranien, sich an die Spitze des bewaffneten Widerstandes zu stellen. Mit Hilfe deutscher Protestanten und insbesondere mit Unterstützung des Kurfürsten von der Pfalz brachte er eine eindrucksvolle Summe Geldes zusammen."11 Mit den regierenden europäischen Fürsten verhandelte er als einer der
ihren, als deutscher Prinz und als Souverän des Fürstentums Oranien in Südfrankreich. Der Sekretär und Vertraute Wilhelms, Philipp van Marnix van Sint Aldegonde, scharte eine Gruppe äußerst geschickter Propagandisten um sich, die von Nassau Dillenburg aus zahlreiche Flugschriften in den Niederlanden, in Frankreich und Deutschland verbreiteten. In diesen wurde bestritten, daß der Prinz einen Aufstand gegen den König angezettelt habe, da sein Kampf sich ausschließlich gegen die verdammungswürdige Politik und die Tyrannei Albas richte. Die angestammte »Freiheit« der Niederländer galt es wieder herzustellen. Wilhelms Engagement verstanden seine vier Brüder als eine Verpflichtung des ganzen Hauses Nassau und unterstützten ihn vorbehaltlos. Nur einer von ihnen fiel nicht im Kampf gegen Alba und wurde Statthalter von Gelderland.
Der bewaffnete Einfall eines Rebellenheers in die Niederlande begann mit dem Sieg Graf Ludwigs von Nassau über spanische Truppen im Mai 1568 bei Heiligerlee. Während danach Hunderte von Freiwilligen aus den oranisch besetzten Gebieten von Friesland und Groningen sich unter dem Banner des Prinzen sammelten, schuf Ludwig mit den berühmten Seebettlern, den Watergeuzen, eine schlagkräftige Kriegsflotte.

 

 
Die bei Jemgum erbeuteten Kanonen dienten den Spaniern als Rohstoff für die Errichtung eines Denkmals für Herzog Alba. Die ikonographische Tradition des Monuments verweist auf die Überwindung der Hydra oder des Cerberus durch Herkules. Das überlebensgroße Standbild des Herzogs in der Rüstung eines spanischen Feldherrn erhebt sich über einer am Boden liegenden Figur mit zwei Köpfen und sechs Armen. Der Prunkharnisch ist mit dem Orden vom Goldenen Vlies und der Schärpe des Feldmarschalls geziert, die angewinkelte Linke hält den Kommandostab. Der spanische Theologe Benito Arias Montano entwarf die Bronzegruppe und beschrieb sie ausführlich. Zur Erklärung des monströsen Wesens merkte er an:
»Der Arm, dessen Hand die Bittschrift hält, bezeichnet den Adel, der Madame de Parma die Bittschrift überreicht.
Der Arm mit dem Hammer die Zerstörung der Kirchen.
Der Arm mit der Holzaxt den Bildersturm.
Der mit dem Morgenstern bezeichnet diejenigen, die gegen den König die Waffen ergriffen haben.
Der Arm mit der brennenden Fackel das Feuer, das sie an die Kirchen und das ganze Land gelegt haben ...
Die zwei Köpfe auf einem Körper bezeichnen die Ketzerei; der mit der kleinen Mütze stellt das Volk, der mit den Kalebassen und Holznäpfen den Adel dar.
Die zwei Masken bedeuten, daß diejenigen sie trugen, die die Bittschrift übergaben, und daß sie sich erst (in ihrer wahren Art) zu erkennen gaben, nachdem sie (ihre Masken) abgenommen hatten.
Die Bettelsäcke, wie auch die Kalebassen und Holznäpfe in den Ohren, weisen auf den Namen >Geuzen<, den sie tragen. Die Schriften und Schlangen, die aus den Bettelsäcken kommen, sind Zeichen der Irrlehre und des Gifts, das sie aussähen. Die Wunden an Arm und Oberschenkel (zeigen), daß die Ketzerei von der Sacra Romana Rota übel zugerichtet wird.
Der Herzog ist ganz gerüstet, mit Ausnahme des rechten Arms. Das zeigt - in der Rüstung - , daß er die Schlechten besiegte und aus dem Lande vertrieb. Der ausgestreckte ungewappnete Arm (dagegen) ruft die Guten zu Friede und Eintracht auf.«*
Auf dem Sockel steht übersetzt die Inschrift:
»Für Ferdinand Álvarez von Toledo, Herzog von Alba, Statthalter Philipps II., den treuesten Diener des besten Fürsten, in den Niederlanden errichtet, weil er den Aufstand unterdrückte, die Rebellen vertrieb, den Glauben schützte, Gerechtigkeit übte und den Frieden in den Provinzen festigte.«
In dem rechten Sockelfeld steht ein brennendes Opferfeuer für den Gott der Väter unter einer Girlande und zwischen Trophäen. Wie in der Antike bilden die erbeuteten Waffen das Material für das Siegeszeichen. Das linke Sockelrelief zeigt den Feldherrn, der diesen Sieg errungen hat, in der Gestalt des »Guten Hirten«. In einfachem Gewand, einen breitkrempigen Hut auf dem Kopf, den Stab der Hirten geschultert und mit einem Krug in der Linken vertreibt er die Tiere der Dunkelheit: Schlangen, Kröten, einen Wolf, Eulen und Fledermäuse. Ihm folgen Schafe, Rinder und ein Hirsch als Tiere des Lichts. Aus den Wolken greift eine geflügelte Gestalt unterstützend in das Geschehen ein und vertreibt mit einer Rute in der Rechten die Finsternis. Die Unterschrift kennzeichnet sie als Aurora = Eos (franz. albe, span. und ital. alba): Der Herzog ist - nomen est omen - die Morgenröte, die im Kampf mit dem Dunkel der Ketzerei die Rückkehr des Lichts des wahren Glaubens vorbereitet.
Das Antwerpener Standbild war nicht für die Ewigkeit errichtet. 1574 ordnete Philipp die Entfernung des Monumentes an. Gegen vereinzelten Widerstand von Anhängern des »eisernen Herzogs« wollte der neue Generalstatthalter Requeséns davon wieder Geschütze gießen lassen.

*Zit. bei Jochen Becker: Hochmut kommt vor dem Fall. Zum Standbild Albas in der Zitadelle von Antwerpen 1571 1574,
in: Simiolus, Kunsthistorisch Tijdschrift, Jaargang 5 (1971), S. 75 115,

Doch nur zwei Monate später fügte Alba dem Heer der Aufständischen unweit von Emden bei Jemgum eine vernichtende Niederlage zu. Wilhelms glückloser Kriegszug durch Brabant im selben Sommer sollte für die kommenden vier Jahre die letzte großangelegte militärische Operation gewesen sein. Erst im wichtigen Jahr 1572 gelang es ihm, erneut ein Heer aufzustellen. Bis dahin beschränkten sich die militärischen Planungen auf gelegentliche Attacken kleinerer Verbände aus Deutschland und später aus Nordfrankreich. Wirkungsvoller waren hingegen die Unternehmungen der Watergeuzen, die von Emden aus nicht nur den gegnerischen Seehandel empfindlich störten, sondern bei ihren berüchtigten »Landgängen« ganze Küstenstreifen brandschatzten.
Zu Beginn des Jahres 1569 befand sich Alba auf dem Höhepunkt seiner Macht. Die ausländischen Invasoren waren zurückgeschlagen, die inländische Opposition unterdrückt. Doch ein Problem zeichnete sich ab, das mit den kommenden Jahren zusehends schwerer wog: Geldmangel. Ein charakteristischer Schwachpunkt aller europäischen Monarchien des 16. Jahrhunderts war das Finanzmanagement. Auf der Iberischen Halbinsel war es Philipp jedoch gelungen, die für den Kampf gegen die Osmanen notwendigen öffentlichen Einnahmen in ausreichendem Maße zu erhöhen. Nach dem in Spanien gebräuchlichen Steuersystem beabsichtigte Alba die einmalige Erhebung von 1 Prozent auf alle Vermögen, den hundertsten Pfennig, und eine ständige Steuer von 10 beziehungsweise 5 Prozent auf alle Einnahmen aus beweglichen respektive unbeweglichen Gütern, den zehnten und den zwanzigsten Pfennig. Zur Deckung der jährlichen Staatsausgaben in den Niederlanden favorisierte der Herzog ein Belastungssystem, das dem Adel und dem Klerus die Steuerfreiheit nahm und vor allem die Armen entlastete, indem keine Abgaben auf Nahrungs-mittel und Kleidung erhoben wurden. Während der hundertste Pfennig nur auf wenig ernstzunehmen-den Widerstand bei den Staatenversammlungen stieß, war der Protest gegen den zehnten und den zwanzigsten Pfennig ungleich höher. Der zwanzigste Pfennig wurde verweigert, weil er Hinterbliebene benachteiligte, die auf Häuser und Sachwerte aus einem Erbe angewiesen waren. Der zehnte Pfennig wurde rundweg abgelehnt, weil er den Handel ruinieren würde. Die unbegrenzte Dauer dieser Vermögens und Verbrauchsabgaben hätte zudem das Steuerbewilligungsrecht der Provinzialversammlungen zugunsten der Krone ausgehebelt. Die hohen Kosten für den Unterhalt der spanischen Armee erforderten jedoch schnelle Finanztransfers, weshalb sich Alba vorerst die Umsetzung der Reform für zwei Jahre gegen eine Summe von 2 Millionen Gulden jährlich abkaufen ließ. Wenn auch die Einführung des zehnten und des zwanzigsten Pfennigs letztlich zu erwarten war, so führte das entsprechende Plakat vom 31. Juli 1571 doch überall zu erheblichen Unruhen.
Das nahm eine solche Form an, daß selbst Kardinal Granvelle das Schlimmste bei der Umsetzung des Erlasses befürchtete. Die Köpfe, die Alba hatte rollen lassen, und die Abschaffung der Privilegien hatten weniger Widerstand und Gegenwehr ausgelöst als der zehnte Pfennig.


Neben den aus den Ratsstuben und Händlerkontoren geführten Kampf gegen die neue Steuer trat zusehends der Protest von der Straße. Für die von Arbeitslosigkeit und steigenden Preisen betroffene Masse der Menschen entwickelte sich der zehnte Pfennig zum gemeinschaftlichen Nenner ihres entbehrungsreichen Lebens. In vielen Städten zogen es Amtsträger vor, sich eher dem Willen des Herzogs zu widersetzen als der Wut der Bevölkerung. Am 29. Januar 1572 forderten die Staaten Alba offiziell zum Verzicht auf die neue Steuer auf und entsandten eine Delegation an den spanischen Hof. Noch während der Reise erfuhren sie von der Einnahme Den Briels durch die Watergeuzen. Eine Flotte von 26 Schiffen hatte die kleine Hafenstadt mit dem Versprechen eingenommen, sie vom zehnten Pfennig zu befreien. Kurz vorher war die dort stationierte spanische Garnison in den Süden des Landes verlegt worden, von wo ein Angriff der mit Wilhelm von Oranien verbündeten Hugenotten erwartet wurde.

Die Einnahme Den Briels

Das Massaker in der Bartholomäusnacht verhinderte jedoch eine Beteiligung der französischen Protestanten am Krieg gegen Alba. Eine Stadt nach der anderen öffnete ihre Tore den Rebellen. Schon bald kontrollierten die Geuzen mit Besatzungen in verschiedenen Küstenstädten die großen Wasserwege in Holland und Zeeland die Schelde, die Maas, den Rhein und die Zuiderzee. In Dordrecht wurde Wilhelm von Oranien von der ersten freien Staatenversammlung von Holland als Statthalter und Kapitän General anerkannt. Außerdem erklärten die Rebellen ihn während der Abwesenheit des Königs zum »Beschützer« der ganzen Niederlande und übernahmen einen erheblichen Teil der Militärausgaben des Prinzen. Nachdem schon der Graf von Nassau die Stadt Bergen (Mons) erobert hatte und der Graf van den Bergh in Gelderland eingefallen war, marschierte der Prinz an der Spitze eines 16.000 Mann starken Heeres in Brabant ein. Sein Vorhaben, das von Alba belagerte Bergen zu entsetzen, mißlang jedoch, und die Stadt fiel in die Hände der Spanier. Mit der im Juni 1572 angekündigten Abschaffung des zehnten Pfennigs wollte Alba seine Kräfte bündeln, um die dann noch abtrünnigen Städte mit äußerster Brutalität in die Knie zu zwingen.

 

Plünderung von Mechelen

 

 

Obwohl sich Mechelen kampflos dem Generalstatthalter ergab, überließ Alba seinen Soldaten die Stadt für drei Tage zur Plünderung. Es dauerte nicht lange, und die meisten Städte außerhalb Hollands und Zeelands wurden wieder unter die Kontrolle der Regierungstruppen gebracht. Nach dem grausamen Strafgericht über Naarden im Dezember 1572 konnte Alba seinem König berichten: »Nicht ein Kind ist entkommen.«

 

 

Und als sein Sohn Don Fadrique die scheinbar aussichtslose Belagerung von Haarlem aufgeben wollte, schrieb der Herzog: »Wenn mein Sohn die Belagerung aufgibt, ist er mein Sohn nicht mehr. Sollte er fallen, werde ich seinen Platz einnehmen. Und sollte auch ich sterben, würde die Herzogin von Alba an meine Stelle treten.«12 Nach zehn Monaten, im Juli 1573, kapitulierte die Stadt. Doch es war ein schlechter Sieg der Spanier, der sie viel Zeit und Geld kostete. Die Belagerung von Alkmaar mußte aufgegeben werden, weil die unbezahlten spanischen Truppen meuterten.

 

Belagerung von Haarlem

Die Schlacht in der Zuiderzee am 11. Oktober 1573

 

 

West Friesland und das Noorderkwartier gewannen infolge des Sieges eine relativ autonome Position innerhalb der Provinz Holland. Auch um sich gegenüber Amsterdam, als dem mächtigen politischen Zentrum der Region, abzugrenzen, war noch 100 Jahre später bei den nordholländischen Städten die Zuiderzeeschlacht als Bildthema beliebt, verdankten sie ihr doch ihre Unabhängigkeit gegenüber Spanien und Amsterdam.

 

Zur gleichen Zeit blockierten Watergeuzen zusammen mit einigen nordholländischen Städten den Hafen von Amsterdam, das noch immer treu zum König stand. Zum Entsatz der Stadt rüstete der spanische Statthalter von Holland, Zeeland und Utrecht, Maximilian de Hennin, Herr von Bossu, eine Flotte aus, die am 5. Oktober erstmals auf die Schiffe der Rebellen traf. Die Taktik der Spanier unterschied sich grundlegend von der des oranischen Admirals Cornelis Dirckszoon. Weil die Geuzen nur über wenig Munition und Pulver verfügten, mußten sie die spanischen Schiffe entern, die gerade dies mit ihrem überlegenen Geschützfeuer lange verhinderten. Am Sonntag, dem 11. Oktober 1573, gelangen die Enterung des spanischen Flaggschiffs »Inquisition« und die Gefangennahme des Grafen Bossu. Mit diesem Sieg errangen die Rebellen dauerhaft die Oberhand im gesamten maritimen Kriegsgebiet, von der Schelde-mündung bis Friesland.13 Eine Seeblockade der Geuzen führte denn auch nach 20 Monaten Belagerung im Februar 1574 zur Kapitulation der starken spanischen Garnison von Middelburg.
Entscheidend für den Erfolg oder Mißerfolg des Aufstands war jedoch der Kampf um eine andere Stadt, um Leiden. Hätten die spanischen Belagerer Leiden zur Aufgabe gezwungen, wären auch Den Haag und Delft nicht mehr zu halten gewesen, und die Rebellion wäre wohl als Ganzes gescheitert.14 Nur wenige Söldner befanden sich in der Stadt, und das Rückgrat der Verteidigung bildete die Bürgermiliz, die »schutterij«. Nachdem eine von den Brüdern Wilhelms in Deutschland aufgestellte Entsatz-armee auf der Mokerhei geschlagen worden war, schien die Lage hoffnungslos. Brieftauben brachten Wilhelms Versprechen in die Stadt, sie zu retten, wenn die Bürger nur noch ein wenig durchhalten würden. Die Deiche längs der Maas und weiter nördlich wurden für eine Flotte unter dem Kommando Admiral Boisots und für Tausende von Seeleuten durchstochen. Die Überflutungen reichten jedoch nicht bis zu den Mauern Leidens. Um den Verhungernden Mut zu machen, feuerte die auf Hörweite herangekommene Entsatzflotte ihre Geschütze ab. Als der Prinz schon aufzugeben bereit schien, drehte Ende September der Wind. Heftige Regenfälle ließen den Wasserpegel steigen und zwangen die Spanier zur Aufgabe der Belagerung und zum Rückzug aus Südholland.15

 

Bereits im Dezember 1573 war Alba im Amt des Generalstatthalters von Don Luis de Requesens abgelöst worden. Zu diesem Zeitpunkt wurde am spanischen Hof die Mission des eisernen Herzogs als offensichtlicher Fehlschlag gewertet. Die Niederlande befanden sich in größerem Aufruhr als im Jahr 1567, Holland und Zeeland hatten sich gegenüber der Krone militärisch behauptet. Die Kosten aus diesem und dem seit 1570 gleichzeitig gegen die Osmanen geführten Krieg konnten nur mit Hilfe von Krediten finanziert werden. Philipp gab zweimal soviel aus, als er an Staatseinkünften einnahm. 1575 stellte Spanien alle Zahlungen zur Zinstilgung ein. Zum zweiten Mal seit dem Thronverzicht Kaiser Karls war der Staat bankrott. Nur den guten Beziehungen Requesens zu den Antwerpener Bankiers und seinem persönlichen Kredit war es zu danken, daß der neue Generalstatthalter Geld zum Regieren hatte. Als dieser jedoch im März 1576 verstarb, brach auch der Staatshaushalt in den Niederlanden vollständig zusammen. Die seit Monaten, teilweise seit sechs Jahren unbezahlte und inzwischen auf 67.000 Mann angewach-sene spanische Armee entglitt zusehends der Kontrolle des Staatsrates in Brüssel.16 Um sich gegen meuternde Truppen schützen zu können, wurde den Städten die Anwerbung eigener Söldner erlaubt. Anfang November überfiel das Gros der Marodeure Antwerpen und überwältigte die Verteidiger. Für mehrere Tage war Europas größtes Handels und Finanzzentrum Mord und Raub schutzlos ausgeliefert. Pieter Corneliszoon Hooft erzählt in seinen berühmten »Niederländischen. Historien« von den Ausschreitungen, denen auch die Großmutter seiner Frau zum Opfer gefallen war. Ganz Antwerpen wurde in Hoofts schauerlichem Panorama zur Bühne einer niederländischen Apokalypse: »Ein Schauplatz des Schreckens ..., die Leichen von Männern und Pferden in gewaltigen Haufen ..., die Straßen vom Gemisch ihres Blutes gefärbt ... Viele der Deutschen [Soldaten zur Verteidigung der Stadt] lagen da mit verstümmelten oder nicht mehr vorhandenen Beinen oder Köpfen oder Armen.«17

Luis de Requeséns y de Zúñiga

 

 

Brand des Rathauses von Antwerpen

Im Handumdrehen eroberten die Meuterer die Stadt Antwerpen. Der letzte Widerstand der Einwohner, die sich im und beim Rathaus verschanzten, wurde gebrochen, als die Soldaten das Gebäude in Brand setzten.

 

Die oranische Propaganda sorgte für die Verbreitung der Schreckensnachrichten aus der Scheldestadt und nannte eine Zahl von 18.000 Getöteten, obwohl wahrscheinlich nicht mehr als einige Hundert Menschen ums Leben gekommen waren.18 Die Berichte von der »spanischen Furie« zu Antwerpen sollten folgenreich sein. Die spanische Regierung schied in den Niederlanden offensichtlich als poli-tischer Faktor aus. Sie war außerstande, Recht und Ordnung durchzusetzen oder gar den Frieden wiederherzustellen. Im Machtvakuum nach dem Tode Requeséns nahmen die katholischen Staatenver-sammlungen mit Brabant an der Spitze und die protestantischen Provinzen Holland und Zeeland das Heft selbst in die Hand. Nur wenige Tage nach der Plünderung Antwerpens unterzeichneten beide Seiten die »Pazifikation von Gent«. Die Vertrags-partner verpflichteten sich zum gemeinsamen Vorgehen gegen die spanischen Söldner und zur Übertragung der Regierungsgeschäfte auf die in Brüssel zusammentretenden Generalstaaten. Den Protestanten wurde nur in Holland und Zeeland die freie Religionsausübung gestattet, alle anderen Provinzen blieben offiziell katholisch.

 

Ein anderer, entscheidender Unterschied beeinflußte in den kommenden Jahren zusehends das Verhältnis beider Lager zueinander. Während die übrigen Staaten grundsätzlich zu Verhandlungen mit der spanischen Krone bereit waren, hatten die protestantischen Provinzen alle Brücken hinter sich verbrannt. Vergeblich bemühte sich Wilhelm von Oranien um einen von gemeinsamen Interessen getragenen Kampf der südlichen und nördlichen Niederlande. Holland und Zeeland schlugen fiskal und militärpolitisch von 1577 an eigene Wege ein. Nur ein Jahr später versuchten die Generalstaaten vergeblich, den dramatischen Verfall der katholischen Kirche in den nördlichen Landprovinzen und Friesland aufzuhalten. Als letztes holländisches Bollwerk der alten Ordnung wurde im Herbst 1578 der Amsterdamer Magistrat ausgetauscht. Die katholischen Ratsherren wurden durch protestantische Regenten ersetzt, die aus dem deutschen Exil zurückgekehrt waren.

Amsterdam

Anders war die Entwicklung im Süden. Die gesellschaftlichen Strukturen dort unterschieden sich erheblich von denen des Nordens. Die Allianz aus Kirche, städtischem Patriziat und Adel war noch immer machtvoll und konnte sich gegenüber dem wohlhabenden Mittelstand und dem Druck der Straße behaupten. In den südlichen Niederlanden blieben die meisten Aristokraten und Bürger der römischen Kirche treu. Die großen Magnaten verfolgten mißgünstig Oraniens ehrgeizige Pläne und sahen keinen Nutzen in einem Konflikt, der nicht nur ihren Besitz aufs Spiel setzte, sondern auch ihr Leben. Aufmerksam beobachteten sie den wieder erstarkenden Einfluß Spaniens. Diese Entwicklung verdankte Philipp vor allem dem militärischen Talent seines Neffen Alexander Farnese. Der Sohn Margaretes von Parma ergriff im Januar 1578 mit frischen spanischen Truppen die Initiative. Nur wenig später hatte der junge Feldherr den ganzen Südosten der Niederlande unterworfen und die Generalstaaten gezwungen, ihren Sitz von Brüssel in das vorerst sichere Antwerpen zu verlegen. Mit dem Fall der Festung Maastricht bedrohte Farnese auch die Grenzen der nördlichen Niederlande. Der Gefahr begegneten die betroffenen Provinzen mit einer militärischen Allianz, die jedoch mehr war als ein reiner Defensivverbund. Die am 23. Januar 1579 in Utrecht gegründete Union markiert einen bedeutenden Abschnitt bei der Loslösung des nördlichen von dem südlichen Landesteil, sie war aber auch gleichzeitig der erste Schritt im beschwerlichen Kampf um die Gründung eines souveränen Staates. Den beachtlichen Erfolgen bei der Rückeroberung der katholischen Niederlande zum Trotz mißlang den Spaniern die Unterwerfung der oranischen Provinzen.

 

Philipp II.

Zum ersten und zum letzten Mal scheiterte Philipp II. bei der Zerschlagung einer gegen ihn gerichteten Revolte. Die schlechten »Nachrichten aus den Niederlanden haben den König vor der Zeit altern und ernst werden lassen«, beobachtete in den frühen 80er Jahren der französische Gesandte am spanischen Hof.19 Ein deutliches Zeichen von Schwäche war der über Wilhelm von Oranien verhängte Bann des Königs. In dem von Kardinal Granvelle ausgearbeiteten Edikt setzte Philipp ein hohes Kopfgeld auf den Prinzen aus. Die Blutsverwandten eines Attentäters sollten in den Adelsstand erhoben werden.20 Etliche Anschläge wurden auf den Prinzen vorbereitet, einigen entkam er nur knapp mit dem Leben. Am 10. Juli 1584 wurde er von den Pistolenkugeln eines religiösen Fanatikers getroffen. Nur wenig später erlag Wilhelm von Oranien seinen schweren Verletzungen. In einer ersten Reaktion verfaßte die holländische Staatenversammlung einen Aufruf zur Fortsetzung des Kampfes »für die Verteidigung und Befreiung des Landes von der spanischen Tyrannei«21. Noch mehr als 60 Jahre sollte dieser Krieg dauern. Erst mit der völkerrechtlichen Anerkennung im Westfälischen Frieden von 1648 fanden die Kämpfe ihren eigentlichen Abschluß. Doch bereits seit dem Entsatz der Stadt Leiden war es keinem spanischen König oder Feldherrn mehr gelungen, die Unabhängigkeit und Freiheit der sieben Vereinigten Provinzen ernstlich zu gefährden.

 

 

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