Symbol "Stahlhelm"

Fritz Erler: Helft uns siegen! Zeichnet die Kriegsanleihe; 1917, Plakat,
	    (Berlin, Deutsches Historisches Museum), Abb.13

Der Stahlhelm war eine Ikone der "Konterrevolution". In Hitlers Buch "Mein Kampf" (1925) steht er für die Kriegserinnerung schlechthin.
"Mögen Jahrtausende vergehen, so wird man nie von Heldentum reden und sagen dürfen, ohne des deutschen Heeres des Weltkrieges zu gedenken. Dann wird aus dem Schleier der Vergangenheit heraus die eiserne Front des grauen Stahlhelms sichtbar werden, nicht wankend und nicht weichend, ein Mahnmal der Unsterblichkeit."48

Dieses Motiv kann man bereits kurz nach Kriegsende in einem Aufsatz des Malers Fritz Erler antreffen, jenes Künstlers, der im Jahr 1916 das erfolgreichste und einflußreichste49 deutsche Kriegsplakat geschaffen hatte (Abb. 13). Rückblickend sah Erler den deutschen Soldaten verstrickt in einem Konflikt mythischen Ausmaßes, aus dem, einer nordischen Götterdämmerung gleich, er dann als moderner Sturmtruppler, als "Mann mit dem Stahlhelm vor Verdun", reinkarniert wurde.50

Alfred Rosenberg schließlich verstieg sich in seinem Buch "Der Mythus des 20. Jahrhunderts" gar zu der Behauptung, der Deutsche müsse nach der Wiedererringung der Lehre Meister Eckharts erleben, daß der Mystiker und "der feldgraue Held unterm Stahlhelm ein und derselbe sind".51

Bezeichnend für die kulturpolitische Atmosphäre im Jahr 1934, in dem das "Grab im Niemandsland" entstand, ist der Film "Stosstrupp 1917". Diesem lag das den Krieg romantisierende und verherrlichende Buch "Glaube an Deutschland" (1931) von Hans Zöberlein zugrunde. Wieder wird der Mythos Cambrai beschworen. Wieder werden die stahlharten Stoßtruppler gefeiert. Auf der Rückseite des Filmprogramms befindet sich die Montage von Köpfen stahlhelmbewehrter Soldaten. In einem Kopf wird das Motiv des Freikorpslers zitiert, das bereits auf einem präfaschistischen Nachkriegsplakat von Ludwig Hohlwein für den Eintritt in die Reichswehr geworben hatte. 52

Deutschland heute!, Titelblatt des AIZ, Nr.14, (Berlin) 1. April 1933, Abb.14

Es verwundert nicht, daß die politische Linke seit der Novemberrevolution 1918 mit dem Symbol des Stahlhelms Nationalismus, Militarismus und Tod assoziierte (Abb.14).
Die Zeichnungen George Grosz' sind die bekanntesten Beispiele dafür, aber auch in seinem Gemälde "Stützen der Gesellschaft" fehlten die stahlbewehrte Reichswehr und der "Stahlhelm" nicht .
In einer Fotomontage des kommunistischen Künstlers John Heartfield, der 1933 ins Exil in die Tschechoslowakei gehen mußte, ist der Träger des Helms die Fratze des Todes in Gestalt eines Schädels; in einer anderen verdunkelt der deutsche Stahlhelm die Sonne. Die revanchistische und militaristische Politik des Nationalsozialismus wird mit einer Sonnenfinsternis gleichgesetzt.
Nach 1945, in der Zeit des Kalten Krieges, hat der Stahlhelm eine ähnliche Bedeutung, zum Beispiel in dem DDR-Plakat "NATO nein" von Arno Fleischer aus dem Jahre 1957 (Abb.15).

Vor dem Hintergund des verlorenen Weltkriegs, des Widerstandes gegen die Republik und der Polarisierung der politischen Lager erschließt sich vielleicht auch die oben angesprochene vertikale Gliederung des "Grab(es) im Niemandsland": die Gegenüberstellung von dunklem und lichterfülltem Bereich auf der linken bzw. rechten Bildhälfte. Auf der hellerleuchteten rechten wäre demnach das nationale Lager verortet, das Opfer gebracht hat, um die nationale Ehre zu retten.

Demgegenüber befänden sich auf der linken jene Kräfte dersogenannten Novemberverbrecher, die die Weimarer Republik stützen und für den Untergang des Reichs verantwortlich gemacht werden. Hierhin, ins Dunkel, läuft die Ratte.
Die Sozialdemokraten wurden von den Nationalsozialisten "Ratten" geschimpft.53 Die Rattenmetaphorik ist aber bei Radziwill keineswegs eindeutig.

Arno Fleischer: NATO nein; 1957, Plakat, (Berlin, Deutsches Historisches Museum, Abb.15

In den siebziger Jahren sagte der Maler, das Tier wäre Ausdruck des von ihm angestrebten Realismus des Krieges gewesen, mit ihm hätte er also auf Verwesung und katastrophale hygienische Zustände in den Gräben angespielt. Die Art und Weise der Darstellung paßt aber nicht in den Kontext des Gefallenenkults. In dem hier rekonstruierten ideologischen Rahmen macht die Ratte jedoch durchaus Sinn.

Für die These, daß jeweils in den Bildhälften das republikanische bzw. das national-konservative Lager gemeint ist, sprechen noch zwei weitere Aspekte.
1. Die bereits erwähnten Farben der Pfähle auf der linken Seite: Schwarz, Rot und Gold (Gelb) sind die Farben der ungeliebten Nationalflagge der Republik.
2. Nur die nationale "Sache" weist ins Licht und in die Zukunft. Die linke Seite verbleibt im Dunkel. Kein Licht kündet von Hoffnung, im Gegenteil stehen die vollkommen morschen Pfähle für Verfall und Niedergang.

Mit seiner hellerleuchteten Signatur auf der rechten Bildhälfte schließlich legt der Künstler nicht nur Zeugnis davon ab, das Dargestellte selbst erlebt zu haben, sondern er bezieht auch ganz offensichtlich Position.