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Claudia Freytag

Neue Städte - neues Wohnen. "Vorbildliche Wohnkultur" in Wolfsburg und Stalinstadt

 

"Endlich eine eigene Wohnung!" (1) war der erste Gedanke von Heinrich Wenzel, als ihm Anfang der fünfziger Jahre in Stalinstadt eine Neubauwohnung zugewiesen wurde. Das Wolfsburger Ehepaar Tietze antwortete 1959 auf die Frage eines Reporters der Lokalpresse, was ihnen an ihrer Wohnung am besten gefalle, "wie aus der Pistole geschossen: >Daß sie uns allein gehört!<" (2). Nach Jahren in Baracken und anderen Notunterkünften begann sich das Leben in den beiden neuen Städten zu normalisieren. Doch viele wohnten noch in Kellern und Dachkammern oder hatten sogar nur eine Schlafstelle, waren in einer fremden Wohnung einquartiert. Fritz Grothe nahm 1952 im EKO seine Arbeit auf und wurde mit vier Kollegen in einem alten Fabrikgebäude untergebracht: "Fußboden'n bißchen glattgemacht. Betten reingestellt und einen Schrank, und dann ist alles gelaufen." Das Wolfsburger Ehepaar Schönbeck beschreibt das Dachzimmer, in dem es bis 1956 wohnte: "Da hatten wir ein Bett, einen Schrank und einen Kochherd mit Kohle, der war gleichzeitig auch der Wärmespender in dem Zimmer." (3) Erika Schönbeck, damals hochschwanger, hat vor allem eines in Erinnerung: "Die Toilette war noch draußen, ein Plumpsklo [...]. Und der Winter 1955 / 56 war kalt!" Die Dombrowskis lebten bereits zu dritt in einem kleinen Zimmer. War die Schlafcouch ausgezogen, ließ sich die Tür nur einen Spalt weit öffnen. Unvergeßlich bleibt die Freude über die vom Volkswagenwerk finanzierte Wohnung mit Bad und Heizung: "Von 9 auf 49 qm, das war eine Wucht!"

Auch Gertrud Lorenz in Stalinstadt erschien ihre neue Zweieinhalb-Zimmerwohnung wie ein "Palast". Beim ersten Besuch hatte sie das Gefühl, sich in den Zimmern zu verlaufen. Walter Köhler erinnert sich, daß seine Frau rief: "Oh, so'ne große Wohnung!" und zu weinen begann, weil sie nicht wußte, wie sie die Räume möblieren sollte: "Möbel hatten wir ja nicht. Wir hatten ein Schlafzimmer. Das hatten wir uns machen lassen in Pösneck vom Tischler. Dann hatten wir so'n altes Chaiselongue, dann hatten wir so'n großen Volksempfänger, und weiter war nischt drin." Das Ehepaar Lorenz schlief die ersten Nächte auf dem Boden, "die Gardinen waren überall dran, [...] aber nischt drinne, kein Teppich, kein..., also gar nischt". Familie Waldmann hatte immerhin Strohsäcke und einen Schrank, doch der war geliehen. Im Wohnzimmer stand nicht mehr als eine Lampe. Die erste Wohnzimmereinrichtung der Wolfsburger Familie Schönbeck bestand aus einer selbstgebauten Bettcouch und Apfelsinenkisten. Auch hier hatte man sich sofort Vorhänge geleistet, "schön und modern", damit die Leute von außen nicht sehen konnten, "daß nichts drin war".

So wie sich die Erinnerungen gleichen, zeigt auch die Lage auf dem Wohnungsmarkt der beiden Städte Gemeinsamkeiten. Bis etwa Mitte der fünfziger Jahre herrschte große Wohnungsnot. Der Aufbau der Werke bedurfte eines ständigen Zustroms von Arbeitskräften, darunter viele Männer, die eine Familie gründen oder zu sich holen wollten. Der Wohnungsbau wurde mit aller Kraft vorangetrieben, zumal auch Kriegsheimkehrer und Vertriebene untergebracht werden mußten. Zwar hinkte die Bautätigkeit der enormen Nachfrage ständig hinterher, doch ließ der Standard der neuen Wohnungen nichts zu wünschen übrig. Während in der Bundesrepublik nach einer Erhebung des Jahres 1960 lediglich 47 Prozent aller Wohnungen Bad und Toilette, nur 16 Prozent eine Zentralheizung zu bieten hatten, (4) waren in Wolfsburg so gut wie alle Wohnungen mit Bad und Heizung ausgestattet. In der DDR waren 1961 nur 10,5 Prozent des Wohnungsbestands nach 1945 entstanden, nur 33 Prozent aller Wohnungen hatten eine Innentollette, 22 Prozent ein Bad, nicht mehr als 2,5 Prozent eine Zentralheizung (5). In Stalinstadt dagegen gab es ausschließlich Neubauwohnungen, ab 1957 mit Fernheizung. Kein Zweifel: Die Bewohner Wolfsburgs und Stalinstadts waren privilegiert.

Der Stalinstädter zweite Wohnkomplex, 1953 bis 1954 errichtet, zeigte sich ebenso wie die Bauten der Berliner Stalinallee dem Ideal des "Arbeiterpalastes" verpflichtet. Die "Werktätigen" lebten in Wohnungen mit Parkett, französischen Fenstern und verglasten Erkern, die allerdings ungeliebt waren, weil die undichten Fenster keinen Schutz gegen Kälte und Wind boten (6). Der Blick von Loggien und Balkonen ging auf gepflegte
Grünanlagen. Kinderkrippe, Kindergarten, Schule und Geschäfte mit "Waren des täglichen Bedarfs" gehörten zum Konzept des sozialistischen Wohnkomplexes, der die Herausbildung einer neuen Lebensweise fördern sollte. Hier war die Vision einer "sozialistischen Zukunft" Wirklichkeit geworden. Um seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen, sollte der "sozialistische Mensch" bei der Bewältigung des Alltags entlastet werden. Gleichzeitig diente die Einbindung in Hausgemeinschaften, politische und kulturelle Zirkel, die "soziaie Integration des einzelnen in die Gemeinschaft" (7), längerfristigen politischen Zielen: der Verwirklichung des Sozialismus in allen Lebensbereichen.

In Wolfsburg boten die Wohnungen der neuen Waldsiedlungen "modernen Wohnkomfort, Licht, Luft und einen Balkon" (8). Wie in Stalinstadt gab es überwiegend Zwei- bis Dreizimmerwohnungen, deren Grundrisse den Bedürfnissen der Zeit entsprachen: Kleine funktionale Einbauküchen ersetzten "altmodische" Wohnküchen, Schlafzimmer und Dielen sollten nach Jahren in beengten Wohnverhältnissen genügend Abstellfläche bieten. (9) Die Ausrichtung der Blöcke in Ost-West-Richtung hatte das Ziel, die Räume mit Morgen- und Nachmittagssonne zu versorgen, "so daß der VW-Angehörige je nach seiner Freizeit direkt in der Sonne sitzen" (10) konnte. Damit wurde dem Schichtbetrieb des Werks Rechnung getragen. Es wird deutlich, daß den Planungen in den Jahren des "Wirtschaftswunders" ein Menschenbild zugrunde lag, das den arbeitenden Menschen und den Erhalt seiner Arbeitskraft ins Zentrum stellte.

Die moderne Ausstattung der Wohnungen führte anfangs zu Problemen, da die Bewohner im Umgang mit Zentralheizung, Boilern, Elektroherden und Waschmaschinen keinerlei Erfahrungen besaßen. Ein Mitarbeiter der VW-Wohnungsbau erinnert sich, daß Feuchtigkeit in den Wohnungen entstand, weil die Mieter nicht bedachten, "daß die sonst noch allgemein übliche Luftbewegung in den Räumen zwischen Fensterfugen und Ofenrohr" fehlte. Wie Gerda Pfeiffer dachten viele: "Schön warm! Und jetzt bloß nicht die Fenster aufmachen und die ganze Wärme wieder zum Fenster rauslassen." Kochtöpfe mit ungeeigneten Böden brannten durch und zerstörten die Herdplatten. Es wurden Kurse angeboten: "Kochen auf dem Elektroherd".

In Wolfsburg konnte von einem freien Wohnungsmarkt nicht die Rede sein. Die beiden großen Wohnungsbaugesellschaften, die seit Gründung der Stadt des KdF-Wagens tätige Neuland sowie die 1953 als Tochtergesellschaft des Volkswagenwerks gegründete VW-Wohnungsbau, beherrschten den Markt. Ende der fünfziger Jahre schaltete sich die Neue Heimat als zusätzlicher Anbieter ein. Auf die Zuweisung einer Wohnung mußte man in der Regel Jahre warten. In der Volkswagenstadt führte der erste Weg zum Wohnungsamt. Dem Eintrag in eine Warteliste folgte die Bewertung der sozialen Dringlichkeit nach einem Punktesystem, das den baulichen Zustand der derzeitigen Wohnung, Überbelegung und Gesundheitszustand der Bewohner berücksichtigte. Einsturzgefahr oder Tbc brachte viele, eine Eheschließung dagegen nur wenige Punkte." Alleinstehende hatten keine Chance und konnten ihr Glück im "Ledigenheim" versuchen - eine zeittypische Institution, die auch in Stalinstadt existierte. Während ein kinderloses Ehepaar mit höchstens eineinhalb Zimmern vorlieb nehmen mußte, blieben größere Wohnungen Familien vorbehalten. Bei Wohnungen der VW-Wohnungsbau beriet ein der Sozialabteilung des Werks angegliederter Wohnungsausschuß. Auch wenn das Votum des Wohnungsamts berücksichtigt wurde, fiel die Entscheidung im Werk. Günther Papenberg berichtet, daß einflußreiche Leute ein Wort einlegen konnten, so daß man schneller eine Wohnung bekam.

Die Wohnstadt des EKO, wie Stalinstadt vor der Namensgebung im Jahre 1953 hieß, entstand zunächst ausschließlich für die Unterbringung der zukünftigen Hüttenwerker. Als sozialistische Neugründung war es eine Stadt ohne Privateigentum an Grund und Boden. Der Wohnungsbau wurde vom Ministerium für Aufbau projektiert und aus zentralen Mitteln finanziert. Das Werk vergab die Wohnungen an seine Mitarbeiter. Nach Konstituierung des Stadtrats forderte dieser eine "Neuregelung der Wohnraumlenkung", um auch die zu berücksichtigen, die "zur Betreuung und Versorgung der Werktätigen des EKO unbedingt notwen
dig: seien. (12) In Folge arbeiteten Werk und Stadt bei der Vergabe zusammen. Im EKO mußte der Antrag von Abteilungsleiter und Gewerkschaftsleitung befürwortet werden, bevor er an den Rat der Stadt, Abteilung Wohnraumlenkung weitergeleitet wurde. Dort vergab man Punkte nach gesetzlichen Vorgaben, die bis auf eine Ausnahme dem Wolfsburger System in etwa entsprachen: der "Sonderbewertung" von "Verfolgten des Naziregimes", "Helden der Arbeit" sowie Personen, die "gesellschaftlichen Einsatz" bei Parteien und Massenorganisationen zeigten. (13) 1957 sah sich EKO-Werkdirektor Markowitsch genötigt, in einer vertraulichen Anweisung die "richtige politische Linie in der Wohnraumlenkung" anzumahnen. Alle laufenden Anträge sollten erneut überprüft werden, so daß die, die sich "durch ihren positiven Einsatz im Kombinat [...] allseitig bewährt" hätten, bevorzugt würden. Die Wohnungsübergabe sollte "in einer Brigade- oder Abteilungsleiterversammlung in feierlicher Form" erfolgen. (14)

Gute Karten hatte der, dessen Arbeitskraft dringend benötigt wurde. Umgekehrt bot das Angebot einer modernen Wohnung einen Anreiz, sich in den neuen Städten anzusiedeln. Die Bereitstellung von Wohnraum war eine Sozialleistung, die sowohl die Motivation als auch die Verbundenheit mit dem Betrieb förderte. Als Jürgen Gronefeld 1958 vom EKO eine Wohnung zugewiesen wurde, gab man der "Hoffnung Ausdruck", daß er auch in Zukunft die Lehrlinge zu guten Facharbeitern heranbilden möge. Der VW-Werkangehörige Alfred Müller stand 1959 in seiner neuen Wohnung im Wolfsburger Stadtteil Rabenberg und gab dem Reporter der Wolfsburger Allgemeinen Zeitung zu Protokoll: "Jetzt wird sogar die Arbeit doppelt Freude machen." (15)

Die stolzen Besitzer der Wolfsburger Neubauwohnungen mußten mit einer relativ hohen Miete rechnen. Sie lag weit über der allgemeinen Durchschnittsmiete, die jedoch auch Altbauten und schlecht ausgestatteten Wohnraum berücksichtigte. Da mit öffentlichen Mitteln errichtet, hatten die Mieteinnahmen der Wohnungsbaugesellschaften VW-Wohnungshau und Neuland die Unkosten zu decken, so daß regelmäßige Mieterhöhungen mit Preissteigerungen der Betriebskosten begründet wurden. Mit steigendem Wohlstand und überdurchschnittlichen Verdiensten bei VW war das Wohnen in Wolfsburg dennoch erschwinglich. Anfang der sechziger Jahre kostete eine Zweieinhalb-Zimmerwohnung um die 100 DM. Im Verhältnis zum durchschnittlichen Monatseinkommen, das bundesweit bei Arbeitern etwa 600 DM, bei Angestellten etwa 700 DM betrug (16), hatte man, solange die Ansprüche an die W
ohnungsgröße bescheiden blieb, höchstens ein Sechstel des Einkommens für das Wohnen aufzubringen. Die Mieten der VW-werkseigenen Wohnungen standen im übrigen in Abhängigkeit zu den Tarifverhandlungen: Sie sollten kein Argument für Lohnerhöhungen bieten.

In der DDR gehörte das Wohnen zu den in der Verfassung garantierten sozialen Grundrechten. Der Mietpreis war auf höchstens 1,25 Mark pro Quadratmeter festgelegt (17) und daher keinesfalls kostendeckend, so daß für Bewirtschaftung und Instandhaltung erhebliche Mittel aus dem Staatshaushalt bereitgestellt werden mußten. Wie in der gesamten DDR kannte man auch in Stalinstadt keine Mieterhöhungen. Eine Zwei-Zimmerwohnung kostete etwa 40 Mark, eine Drei-Zimmerwohnung etwa 50 Mark. Mitte der fünfziger Jahre lag das durchschnittliche Monatseinkommen in Stalinstadt bei 445 Mark, ein Spitzenwert im Bezirk Frankfurt / Oder (18). Selbst wenn es nur ein Einkommen in der Familie gab, hatte man also lediglich ein Zehntel fürs Wohnen aufzubringen ein Anteil, der sich in den folgenden Jahren stetig verringerte.

In Wolfsburg:
"Modernes Wohnen in einer modernen Stadt"
(19)
"Wir alle arbeiten heutzutage so intensiv, daß wir den Ausgleich eines wirklich behaglichen Heims mehr denn je nötig haben. Ein schönes Zuhause ist wie ein Magnet, der die Familie anzieht, sie enger aneinander bindet und auch auf ihre Freunde ausstrahlt." So beschrieb ein Prospekt des Wolfsburger Möbelhauses Boehme Ende der fünfziger Jahre die Wünsche seiner Kundschaft. Nach einem langen Arbeitstag - die wöchentliche Arbeitszeit betrug bis zu 48 Stunden - diente die Wohnung dem Rückzug ins Private, war Schauplatz für das erstrebte harmonische Ehe- und Familienleben. Schichtarbeit und die relativ geringe Wohnungsgröße trugen dazu bei, daß die Beziehungen zur Nachbarschaft "eher locker" blieben. Charlotte Papenberg erzählt: "Solange ich gearbeitet habe, kannte ich noch nicht einmal meine Nachbarn im Haus." Erst durch die Kinder entwickelten sich Kontakte und Freundschaften. "Aber sonst", erinnert sich Grete Kluge, "wie das so ist. Der eine kauft ein Auto, der andere möchte das noch ein bißchen bessere haben usw.". Die sich entwickelnde Wohlstandsgesellschaft in der neuen, modernen Stadt zeigte ihre ganz eigenen Gesetze. Die meisten Wolfsburger, darunter viele Flüchtlinge und Vertriebene, hatten sich aus dem Nichts eine neue Existenz aufgebaut. Wer im Bereich des Konsums nicht mithalten konnte, hatte das Nachsehen und betrachtete die Anschaffungen der anderen nicht selten mit Neid und Mißgunst. Auch die Möbel der Nachbarn hatte man im Blick, wie Klaus Döring berichtet. Die Frauen sagten dann: "Mensch, die haben sich eingerichtet, guck Dir das mal an, wir könnten uns ja auch mal anders arrangieren."

Die neue Einrichtung sollte gemütlich und, nachdem die Jahre der Not überwunden waren, gediegen sein. Modernem Möbeldesign gegenüber zeigte man sich wenig aufgeschlossen. Als die ersten Neubauwohnungen in Wolfsburg bezogen wurden, produzierte die Möbelindustrie noch die Modelle der vierziger Jahre. (20) Der wiedergegründete Werkbund und alte Bauhäusler hatten währenddessen ihren Kampf für die Reinheit der Form und die Materialgerechtigkeit der Ausführung wieder aufgenommen und begonnen, Möbelausstellungen zu organisieren. Zu einem Zentrum modernen Designs entwickelte sich die 1953 gegründete Ulmer Hochschule für Gestaltung. Nun galt es, sowohl den Prunk der Gründerzeit als auch die Bodenständigkeit des Dritten Reichs zu überwinden. (21) Dem herrschenden Wohndesign, "hausbacken, treudeutsch und solide" (22), sollten im Laufe der fünfziger Jahre die Gedanken des "Neuen Wohnens" entgegengesetzt werden: Leichte Möbel lockerten die gediegen-gemütliche Einrichtung auf, zarte Pastellfarben ersetzten Braun und Weinrot, helle Hölzer die beliebten polierten Nußbaumoberflächen.

Da man die alten Möbel nach und nach durch neue ersetzte, ergab sich eine Mischung aus Tradition und Modernität, deren Formen und Muster im Rückblick häufig skurril anmuten. Typisch waren "Vielzweckmöbel", die angesichts beengter Wohnverhältnisse weite Verbreitung fanden, allen voran die Klappcouch oder der höhenverstellbare Tisch, der aus der Sitzecke mit Sofa
und Sessel einen Eßplatz machte. Den gewonnenen Platz nutzte man gern, um eine weitere Ecke mit zierlichen Cocktailsesseln einzurichten, mehrstöckige Blumenständer oder Raumteiler zur Wirkung zu bringen. Auch Nierentische und Tütenlampen gehörten bekanntermaßen zur Massenware. Gemeinsam ist den modernen Einrichtungsgegenständen der Hang zur Asymmetrie, sind die dünnen, schräggestellten Beine, die die Abkehr von den schweren Möbeln der früheren Jahre versinnbildlichen. Stark in der Tradition der dreißiger und vierziger Jahre erhielt sich der Wohnzimmerschrank, in dessen Vitrine meist die "guten" Kristallgläser und allerlei Kitsch ausgestellt wurden. Andere Reminiszenzen an vergangene Zeiten waren bestickte Tischdecken und Sofakissen oder der falsche Perserteppich, der den neuen PVC-Boden bedeckte. Wer modern sein wollte, hatte Tapeten und Dekorationsstoffe in pastellfarbenen, abstrahierten Mustern, wobei häufig die Abbildung von stilisierten Booten, Fischern oder Eselkarren den Traum von einer Reise in den sonnigen Süden widerspiegelte. Einen Ehrenplatz erhielt das neu erworbene Radio, bevor es vom Fernseher verdrängt wurde.

Die Möbelbranche profitierte von Bauboom und allgemeinem Nachholbedarf. 1959 eröffneten in Wolfsburg gleich drei neue Häuser: Möbel Wilckens und Raumgestaltung Rack vergrößerten sich, die Baunschweiger Firma Möbel Boehme richtete in der Porschestraße eine Filiale ein. Außerdem waren Möbelvertreter unterwegs, um Kaufwillige zu großen Möbellagern nach Braunschweig zu bringen. Dabei waren die Möbelpreise hoch. Das Ehepaar Papenberg mußte 1959 für ihre Wohnzimmereinrichtung aus Couch, zwei Sesseln, Schrank und Anrichte fast 1800 DM zahlen - drei Monatseinkommen. Um sich die Möbel leisten zu können, nahmen die Papenbergs einen Kredit auf, für den Erwerb einer Flurgarderobe zeichneten sie einen Wechsel.

Die konsequent neuen Linien des nationalen und internationalen Möbeldesigns setzten sich zum Leidwesen von Architekten und Designern in der breiten Öffentlichkeit kaum durch. Sie mußten erleben, daß sich ihre Kundschaft in "Gelsenkirchener Barock", "Chippendale" oder Möbeln im
"altdeutschen Stil" offenbar viel wohler fühlten als in modernem Mobiliar. In einigen Großstädten eröffneten Wohnberatungsstellen und Musterwohnungen - die bekanntesten 1957 im Rahmen der Berliner Interbau. Auch Wolfsburg wurde von dieser Bewegung erreicht. 1961 beauftragte der örtliche Kunstverein den Architekten Frank Hemmer mit der Einrichtung von Musterwohnungen in einem Hochhaus im Stadtteil Rabenberg. Das aus Fertigteilen erbaute Haus schien der richtige Ort, den "Glauben an ein besseres Leben" zu wecken, "das aus der wiederzugewinnenden Harmonie von Formgefühl und technischem Denken wächst" (23). In der modernen Stadt des Volkswagens beklagte Hemmer den Zwiespalt zwischen öffentlichem Leben und privatem Bereich: "Dort haben wir die konsequente Durchführung moderner Prinzipien, hier die Flucht in die Konservativität." (24) Volkmar Köhler vom Kunstverein konstatierte, "man könne nicht tagsüber im 20. Jahrhundert arbeiten und nachts in einem Bett aus Napoleons Zeiten schlafen, ohne eine empfindliche Störung zu erfahren" (25). "In einer Stadt, die in ihrer Rangordnung zu den großzügigsten Planungen im gegenwärtigen Städtebau" gehöre, war der Veranstalter von der Dringlichkeit überzeugt, daß eine Wohnkultur heranwachsen müsse, "die sich von der heute oft üblichen Verwirrung und geschmacklichen Unsicherheit unterscheidet" (26). Wolfsburg als neue und moderne Stadt wurde als Modellfall für ein besseres Leben beschworen. Eine Stadt, in der man in jeder Hinsicht den Ballast der Vergangenheit hinter sich lassen und so leben kann, wie es dem technischen und gesellschaftlichen Fortschritt angemessen erscheint.

Die Ausstellung zeigte sechs vollständig eingerichtete Wohnungen mit Hausrat und abstrakten Gemälden. Möbel der Firmen Knoll International, Bofinger und Hermann Miller sowie eine Auswahl skandinavischen Designs sorgten dafür, daß der Besucher sich, wie die Presse bemerkte, überrascht »über die Schlichte und Sachlichkeit der ausgestellten Stücke zeigte" (27). Doch was die Preise betraf, "nichts für schmale Brieftaschen" (28). An ein breiteres Publikum wandte sich die Präsentation von "Selbstbaumöbeln" sowie der System-Schrankwand "String", die zum Verkaufsschlager wurde.

In Stalinstadt:
"Besser leben - schöner wohnen"!
(29)
"Die Menschen, die später in diese Wohnungen einziehen sollen, stehen im Arbeitsprozeß des sozialistischen Aufbaus. Für sie ist daher das Beste gerade gut genug" (30), verkündete die Zeitschrift "Kultur im Heim" 1961 in einem Bericht über die Einrichtung von Musterwohnungen in der sozialistischen Musterstadt Stalinstadt. Ein Ratgeber mit dem Titel "Schön wohnen" gab zu bedenken, daß das Wohnen "wesentlich von der Gesellschaft bestimmt" werde. Für den Bewohner im Wohnkomplex sollte das Leben über die eigenen vier Wände hinausgehen: "Das >traute Heim-Glück allein< genügt ihm nicht mehr. Er mag sich nicht argwöhnisch abschließen vor den Mitbewohnern und hat das auch gar nicht nötig. Neid, Habgier und Konkurrenzkampf, die Todfeinde gutnachbarlichen Lebens, gibt es nicht mehr oder - brauchte es nicht mehr zu geben. Jeder Mensch hat eine gesicherte Existenz. Einer hilft dem anderen." (31) Im krassen Gegensatz zu den Berichten aus Wolfsburg erscheint hier zumindest das Ideal einer sozialistischen Gesellschaft, die vom Kollektivgedanken durchdrungen ist.

Die Gründung von Hausgemeinschaften, die sich zu Aufbaustunden des Nationalen Aufbauwerks, zur Pflege der Grünanlagen sowie dem Sammeln von Buntmetall verpflichteten (32), wurde in Stalinstadt mit öffentlichem Druck vorangetrieben. Die SED-Bezirkszeitung Neuer Tag bejubelte anfangs nicht nur jede Neugründung, sondern ermahnte auch schon mal namentlich Mieter, die es zum Beispiel vorzogen spazierenzugehen, anstatt sich bei der Hausversammlung sehen zu lassen. Die Hausgemeinschaft stand im Dienste der politischen Erziehung der Bewohner, indem sie regelmäßig Wandzeitungen fürs Treppenhaus anfertigte und vor allem für Geschlossenheit beim Gang zu den Volkskammer- und Kommunalwahlen sorgte - den Wahlen fernzubleiben war bekanntlich die einzige Möglichkeit, dem Regime Ablehnung zu demonstrieren. Wenn die Häuser am 1. Mai und anderen sozialistischen Feiertagen mit Fahnen und Transparenten geschmückt wurden, traten die Hausgemeinschaften in einen Wettbewerb. "Beste Hausgemeinschaft" gehörte zu den
vielen Ehrungen, die die DDR beurkundete. Die Anschaffung der Fahnen war obligatorisch. Robert Schlüter erzählt: "Als wir den Einweisungsbescheid in der Hand hatten, ging meine Frau dann dorthin, um die Schlüssel zu holen, und da wurde gleich festgelegt: ihr habt euch 2 Fahnen anzuschaffen, eine rote und 'ne schwarz-rot-goldene, und es wurde auch festgelegt, wo die rauszuhängen waren." Aufgabe des Hausvorsitzenden war die Führung eines Hausbuches, das 1952 mit der Erweiterung der Meldeordnung der DDR eingeführt wurde. Es galt nun, neue Mieter und Besucher, die länger als drei Tage blieben, einzutragen und der Volkspolizei zu melden.

Obwohl von oben diktiert, funktionierte der Zusammenhalt der Hausgemeinschaften, denn die Arbeit im EKO und die große Zahl von organisierten Freizeitveranstaltungen in Zirkeln oder bei Veranstaltungen des Kulturbundes verbanden die Bewohner. Ein weiterer Grund für die gute Nachbarschaft lag in der geringen Fluktuation. In Wolfsburg veränderte man sich mit den steigenden finanziellen Möglichkeiten häufig auch räumlich, zog in größere Wohnungen oder ins eigene Haus.

Auch im Hinblick auf das Wohnen sollte Stalinstadt vorbildlich sein. Dabei stand die Frage nach einer "sozialistischen Wohnkultur" ebenso wie Architektur und Kunst unter dem Einfluß der Formalismusdebatte. Auf ihrem lll. Parteitag 1950 hatte die SED zum ideologischen Kampf gegen die "Waffe des Imperialismus", eine angebliche "Zerstörung der nationalen Kultur" durch amerikanische Einflüsse, aufgerufen. Kurt Liebknecht, Präsident der 1951 gegründeten Deutschen Bauakademie, proklamierte im November 1953 auf einer Innenarchitekturkonferenz, die Raumgestaltung solle sozialistisch in ihrem Inhalt und national in ihrer Form sein. Anstelle einer Gestaltung, die nur "von Zweck und Hygiene diktiert" sei (33), müsse an den "Formenschatz des nationalen Erbes" angeknüpft werden, an den Stil von Renaissance, Barock und Rokoko, die humanistische Tradition des Klassizismus, die Bescheidenheit des Biedermeier, die Bequemlichkeit des Chippendale. (34) Möbel ohne Profilierung und künstlerische Gestaltung wie die der Deutschen Werkstätten Hellerau paßten nicht ins Erziehungskonzept und wurden als formalistisch abgelehnt. Anbaumöbel in der Tradition des sozialen Wohnungsbaus der zwanziger Jahre widerstrebten auch deshalb den Ansprüchen der neuen Zeit, weil sie einem internationalen Stil entsprachen. Die Zentren für Formgestaltung, wie die Berliner Hochschule für angewandte Kunst oder Burg Giebichenstein bei Halle, wurden auf Linie gebracht,
so daß man sich auf Formen verständigte, "die den Arbeitern und Bauern bis vor wenigen Jahren gleichzeitig vertraut und fern gewesen waren, vertraut als Konsumenten von Bildern, die das Leben der Reichen zeigten, ihnen fern als Benutzer" (35). Im Bereich der Produktion bemühten sich fortan die Möbelwerke Zeulenroda besonders redlich um das "nationale Kulturerbe". (36)

Zur Entwicklung der neuen "realistischen Möbelkunst" veranstaltete das der Deutschen Bauakademie angegliederte Forschungsinstitut für Innenarchitektur Möbelwettbewerbe, erarbeitete Musterkollektionen und schickte seine Mitarbeiter auf Reisen, um die "realen Wohnbedürfnisse der Werktätigen" zu studieren. Gemeinsam mit dem Ministerium für Leichtindustrie konzipierte Möbel-Wanderausstellungen machten mehrmals in Stalinstadt Station. Institutsdirektor Jakob Jordan hatte schließlich in einem Schreiben an das Ministerium darauf hingewiesen, daß Walter Ulbricht, der ebenso wie Wilhelm Pieck gelernter Tischler war, "gerade in Stalinstadt die Innenarchitektur kritisiert" habe (37). Auch Kurt Liebknecht führte 1954 im Begleitbuch der Ausstellung "Besser leben schöner wohnen" das schlechte Beispiel Stalinstadt an: Dort fänden sich Wohnungen, "die mit einer solchen Lieblosigkeit ausgestattet und ausgestaltet wurden, daß man nur von einer Mißachtung der berechtigten Forderungen der Bevölkerung sprechen" könne (38). Wenn mit dieser Kritik auch in erster Linie die bauliche Ausgestaltung der Wohnungen und Treppenhäuser gemeint war, das Fehlen von Stuck und Profilleisten an Türen und Einbauten, ist es nicht verwunderlich, daß die Rezeption der Möbelausstellungen in Stalinstadt von besonderem Interesse war. Ein Beobachter des Ministeriums für Leichtindustrie berichtete im November 1952 aus der Wohnstadt des EKO nach Berlin, daß die präsentierten Möbel keineswegs auf ungeteilte Zustimmung stießen, da sie als zu zierlich, die polierten Oberflächen als zu empfindlich empfunden würden. Die Besucher sähen sich "flüchtig ein paar Zimmer an und sagen dann verdächtig oft "das ist wohl alles Barock oder Rokoko" [...] Dann sagen viele, daß sich diese "alten Sachen" wohl nicht durchsetzen werden und ob denn das der neue Stil sei" (39). In einem allgemeinen "Bericht über die bisherigen Erfahrungen der Möbel-Wanderausstellung"aus dem Jahre 1955 wurde konstatiert, daß "Neue Sachlichkeit und der verbreitete Stil des Deutschen Werkbundes tiefe Wurzeln geschlagen", "eingehende Erklärungen" und "mehrmaliger Besuch der Ausstellung" bei vielen Besuchern jedoch zu einer Meinungsänderung geführt hätten (40). Die vom Staat beauftragten Architekten und Möbelgestalter mußten feststellen, daß sich die Bewohner Stalinstadts und anderer Städte des DDR ihren Erziehungsversuchen nur widerwillig fügten oder sogar verweigerten. Der Versuch, Arbeitern Möbel im Stil des "nationalen Erbes" schmackhaft zu machen, stieß auf Widerstand.

Auf dem Höhepunkt der Kampagne gegen "formalistische" Möbel beschäftigte sich sogar der Ministerrat mit dieser Frage. In einem "Beschluß über die neuen Aufgaben der Innenarchitektur und der Möbelindustrie" vom 21.1.1954 wurden alle Kräfte angewiesen, den "Kampf um eine fortschrittliche Innenarchitektur" weiterzuführen (41)

Das Ende des propagierten Möbeldesigns im Stil des "nationales Erbes" ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Der "neue Kurs" mit seinen Forderungen nach einer Massenproduktion von
Konsumgütern entzog der an Handwerk und Tradition orientierten Formensprache Mitte der fünfziger Jahre den Boden. Die Ratschläge der seit 1958 eingerichteten Wohnberatungsstellen (42) unterschieden sich fortan kaum von denen der westdeutschen Stellen, Zeitschriften wie "Kultur im Heim" berichteten über westdeutsches und westeuropäisches Möbelschaffen, das nun auf einmal nicht mehr als dekadent, sondern als vorbildlich galt. In Stalinstadt lassen sich diese neuen Einflüsse nachweisen. Ende der fünfziger Jahre errichtete Musterwohnungen zeigten leichte, helle Möbel und größere Farbigkeit. Sogar eine Tütenlampe fand sich, deren Stil Kurt Liebknecht einige Jahre zuvor als "völlige Entartung der Form" gegeißelt hatte (43). Die Einrichtung der Musterwohnungen wurde im Band "Begegnungen in Stalinstadt" literarisch verewigt. Demnach entfuhr es einer Betrachterin: "Traumhaft schön!". Stadtbaudirektor Köhler kommentierte: "Der Sozialismus ist nicht monoton und primitiv, er ist hell, bunt und freundlich." (44)

Stalinstadt wurde als "Sonderversorgungsgebiet" stets bevorzugt mit Konsumgütern beliefert. Der Bedarf an Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen war in einer Stadt, in der alljährlich Tausende von Neubauwohnungen fertiggestellt wurden, natürlich enorm. Als am 28. Juli 1953 das Konsum-Kaufhaus für Haus- und Wohnbedarf eröffnete, drängten sich die Kunden vor den Schaufenstern (45). Teil des Sortiments waren Möbel der VEB Holzindustrie aus dem nahen Fürstenberg. Auch wenn später noch eine HO-Verkaufsstelle für Möbel dazu kam, konnte das Angebot der Nachfrage wie im gesamten Konsumgüterbereich nicht standhalten. In einem Leserbrief beklagte sich 1955 ein Stalinstädter über die Schwierigkeiten des Möbelkaufs: "Wenn mal Wohnzimmer nach Stalinstadt kommen, dann sind es mal 2 zum Konsum, 2 zur HO. Kommt man dann von der Schicht, findet man an diesen Möbeln das Schild >verkauft<". (46) Das Ehepaar Lorenz fuhr 1957 nach Frankfurt / Oder und entdeckte dort in einem Möbelgeschäft eine Couchgarnitur. Gertrud Lorenz berichtet: "Die kam grade rein. Ich hab mich ruffgesetzt auf die Couch und bin nicht mehr runtergegangen: Sonst wär ich sie nämlich losgewesen." Wie eine Möbelrechnung aus Stalinstadt zeigt, mußte man für Sofa und zwei Sessel an die 1 000 Mark aufbringen - zwei Monatslöhne, ohne das Wohnzimmer komplett möbliert zu haben. Schöne Möbel waren ein Luxusgut.1960 eröffnete HO-Möbel ein neues Haus an der Magistrale. 350 Quadratmeter Verkaufsfläche und 18 Schaufenster lassen darauf schließen, daß Stalinstadt auch im Hinblick auf das Möbelangebot mehr zu bieten hatte als manche andere Stadt in der DDR.

Der Plan der Herausbildung einer "sozialistischen Wohnkultur" im Stil des "nationalen Erbes" war sowohl an der fehlenden Akzeptanz der Bevölkerung als auch an den ökonomischen Grenzen der Konsumgüterindustrie gescheitert. Nach dem Ende der Formalismusdebatte wurde auch die Diskussion um die Innenarchitektur entpolitisiert. Es ließ sich nicht leugnen, daß Tradition und Lebensstil die beiden deutschen Staaten trotz der Entwicklung unterschiedlicher Gesellschaftssysteme noch in hohem Maße verbanden. So gleichen sich die Wohnzimmer Wolfsburgs und Stalinstadts. Ob VW- oder EKO-Arbeiter, in der Zeit des Aufbaus einer neuen Existenz überwog das Bedürfnis nach solidem Mobiliar, nach Gemütlichkeit. Das Ergebnis war auch in Stalinstadt ein durchaus bürgerliches Wohnen, wie der begei
sterte Bericht eines Reporters der Zeitschrift "DDR im Aufbau" aus dem Jahre 1956 beweist: "Natürilch hatte ich erwartet, daß es in der ersten sozialistischen Stadt unserer Republik schöne Wohnungen gibt, aber meine Erwartungen wurden übertroffen. Goße, helle Räume, breite anheimelnde Kachelöfen [...]. In der Wohnung des Schmelzers stehen geschmackvolle Möbel, schmücken Bilder die Wände, liegen Teppiche und Läufer. In der Wohnstube laden Polstermöbel zum Ausruhen ein. In einem Bücherschrank reihen sich die Buchrücken aneinander. So wohnte früher ein Staatsbeamter, so wohnen heute viele unserer Kumpel." (47)

Der Massenwohnungsbau der sechziger Jahre versetzte dem Wohnen einen Modernisierungsschub. Erneut definierte man einen "sozialistischen Wohnstil, diesmal jedoch in Form von schlichten und zweckmäßigen Anbaumöbeln, die in den "Typenwohnungen" der Plattenbauten ihren Platz finden sollten (48). In 0st und West hatten verzierte, wuchtige Einzelmöbel ausgedient. Auch was die Einrichtung betraf, war man im modernen Leben angekommen.

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  Anmerkungen
1 Diese und die folgenden Aussagen von Eisenhüttenstädter Zeitzeugen sind der unveröffentlichten Mitschrift einer Interviewreihe entnommen, die Dagmar Semmelmann 1988 / 89 durchgeführt hat. Die Namen der Zeitzeugen sind, wie in der Oral history üblich, durch Pseudonyme ersetzt.
2 Wolfsburger Allgemeine Zeitung,18/19. 7 1959.
3 Diese und die folgenden Wolfsburger Zeitzeugenberichte sind der unveröffentichen Mitschrift einer Interviewreihe entnommen, die Matthias Brodtmann 1995 und 1996 im Auftrag des Wolfsburger Instituts für Museen und Stadtgeschichte durchgeführt hat. Die Namen der Zeitzeugen sind, wie in der Oral history üblich, durch Pseudonyme ersetzt.
4 Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland 1962, S. 279.
5 Statistisches Jahrbuch der DDR 1963, S. 203 u. 208.
6 Bundesarchiv Berlin (BA), DBA, DH2, Bd.1 /06/5, unpag.
7 Wohnbedürfnisse, in: Winkler, Gunnar (Hg): Lexikon der Sozialpolitik, Berlin (Ost) 1987, S. 429.
8 Wolfsburger Nachrichten, 24. 4.1960.
9 Vgl. ebd.
10 Wolfsburger Allgemeine Zeitung, 28. 2./1. 3.1959.
11 Die Richtlinien sind abgedruckt in: Wolfsburger Nachrichten, 23.12.1949.
12 Unternehmensarchiv EKO Stahl AG, Bestand VEB Bandstahlkombinat, Akte Nr. 255, S. 25.
13 Ebd., Akte Nr. 608, S. 53. 1
14 Ebd., Akte Nr.1681, S.140f.
15 Wolfsburger Allgemeine Zeitung, 5.1.1959.

 

16

Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1964, S. 501 u. 512.
17 Lexikon der Sozialpolitik (wie Anm. 7), S. 276.
18 Vgl.: Zum Alltag der Bürger in Stalinstadt. Auszüge aus der Diplomarbeit von Ferdinand Wollner, in: Heimatkalender fur den Stadt- und Landkreis Eisenhüttenstadt 1987, S.31f.
19 Motto des Wolfsburger Möbelhauses Boehme, vgl. Wolfsburger Nachrichten, 2.10.1959.
20 Vgl. Günther, Sonja: Die fünfziger Jahre. Innenarchitektur und Wohndesign, Stuttgart 1994, S.145.
21 Vgl. ebd., S.21.
22 Ebd., S. 26.
23 Wolfsburger Nachrichten,18.1.1961.
24 Wolfsburger Kunstverein (Hg.): Faltblatt "form und wohnen", 1961.
25 Wolfsburger Allgemeine Zeitung, 21. 2.1961.
26 Ebd.,13.1.1961
27 Ebd.,19.1.1961. .
28 Ebd., 26.1.1961.
29 Titel einer Möbelwanderausstellung, die die Deutsche Bauakademie 1953 in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Leichtindustrie konzipiert hat.
30 Kultur im Heim 4 (1961), S. 3.
31 Jager, Gerhard: Schön wohnen, Berlin / Leipzig 1960, S.17
32 Vgl. Neuer Tag, 31.1.1953.
33 Liebknecht, Kurt: Die Architektur der Wohnung für die Werktätigen unter besonderer Berücksichtigung des Möbels, in: Besser leben - schöner wohnen! Raum und Möbel, hg. von der Deutschen Bauakademie und dem Ministerium für Leichtindustrie, Leipzig 1954, S.15.
34 Vgl. ebd., S.12ff.
35 Hirdina, Heinz: Gestalten für die Serie. Design in der DDR 1949 - 1985, Dresden 1988, S. 47
36 Vgl. ebd., S. 49.
37 BA, DBA Vl / 61 / 1, Bd. 2, unpag.
38 Besser leben schöner wohnen! (wie Anm. 33), S. 44.
39 BA, DBA Vl / 61 / 1, Bd.1, unpag.
40 Vgl. BA, DBA DH 2 / V11 / 1, unpag.
41 Vgl. Besser leben - schöner wohnen! (wie Anm. 33), S.103.
42 Vgl. Hirdina 1988 (wie Anm. 35), S. 65.
43 Vgl. Bundesarchiv Potsdam, DBA / A / 13, unpag.
44 Ist Heinz Köhler ein Träumer?, in: Glade, Heinz: Begegnungen in Stalinstadt, Berlin o.J., S. 91.
45 Vgl. Neuer Tag, 28. 7. 1953.
46 Ebd., 15. 5. 1955.
47 DDR im Aufbau 2 (1956).
48 Gruner, Petra: P2 macht das Rennen. Wohnungsbau als soziokulturelles Programm, in: Alltagskultur der DDR, Berlin 1996, S. 87-103; dies.: "neues leben - neues wohnen", in: Wunderwirtschaft. DDR Konsumkultur in den 60er Jahren, hg. von der Neuen Gesellschaft fur Bildende Kunst e.V., Köln / Weimar / Wien 1996, S. 90-95.
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