III

Daß Walther Rathenau auch jetzt noch nicht daran dachte, den Adel durch das Bürgertum abzulösen, verwundert keineswegs, wenn man bedenkt, daß er nicht nur kein rückhaltloser Verteidiger dessen war, was er Mechanisierung nannte, sondern vielmehr ein scharfer Kritiker. Der historische Mythos von Verdichtung und Entgermanisierung hatte zwar die Notwendigkeit und Irreversibilität des Vorgangs der Mechanisierung zu formulieren erlaubt, ihn zugleich jedoch in eine kompromittierende Genealogie hineingestellt. Die Stigmata der Herkunft der Mechanisierung aus dem Geist des Furchtmenschen glaubte Rathenau an ihren Folgen beobachten zu können. Die Formel »Erhöhung der Produktion unter Ersparnis an Arbeit und Material« liege der »Mechanisierung der Welt« zugrunde, die »ursprünglich in der Gütererzeugung wurzelt, (aber) nicht lange auf dies Gebiet beschränkt«36 blieb. »Spezialisierung und Abstraktion« als die wichtigsten Voraussetzungen zur Anwendung dieser Formel hätten den intellektuellen und mentalen Habitus der Menschen so sehr geprägt, daß auch andere und zunehmend alle Lebensgebiete von »zweckhaftem, rezeptmäßigem Denken, (...) von komplizierter Gleichförmigkeit«37 bestimmt würden. »Die Anschauung dieser Welt geht eben dahin, alles Geschehene sei unerstaunlich, von ausschließlicher Realität, nicht ethischen, sondern mechanischen Gesetzen unterworfen, ohne absolute Werte, durch Vernunft erschöpfbar«.38 Rathenau entwarf das Panorama einer Welt, in der alles von der rechnenden Vernunft beherrscht wird: »Wir müssen anerkennen, daß niemals, solange die irdische Menschheit besteht, eine Weltstimmung so einheitlich einen ungeheuren Kreis von Wesen beherrscht hat, wie die mechanistische. Ihre Macht scheint unentrinnbar, denn sie beherrscht die Produktionsqueuen, die Produktionsmethoden, die Lebensmächte und die Lebensziele: und diese Macht beruht auf Vernunft.« Die Zerlegung der Arbeitsvorgänge in immer kleinere Teilprozesse als Voraussetzung der Steigerung des Arbeitseffekts habe dazu geführt, daß die arbeitenden Menschen die Arbeit nicht mehr als »eine Verrichtung des Lebens« betrachten, sondern als »eine fremde Verrichtung zum Zwecke des Lebens, eine Anpassung des Leibes und der Seele an den Mechanismus«, 39 so daß »der Mensch im Gesamtmechanismus Maschinenführer und Maschine zugleich«40 ist. Erschöpft von der Anstrengung, die diese Arbeit mit sich bringt, verlangen die Menschen nach Zerstreuungen, die selbst wieder vom Geist der Mechanisierung beherrscht werden. Rathenau nennt, als das damals neueste das Autorennen und das Kino, die sich beide gleich weit von klassischen Formen der Entspannung entfernt haben: »Ein Sinnbild entarteter Naturbetrachtung ist die Kilometerjagd des Automobils, ein Sinnbild der ins Gegenteil verkehrten Kunstempfindung das Verbrecherstück des Kinematographen.« 41

Fußnoten