I. Hethitisch II.Lybisch
III. Assyrisch

Rassenstudien
Walther Rathenau
Tusche auf Papier

I

Diese Nebenkarriere bot zunächst einen gewissen Ausgleich^M für den Verzicht auf die Verwirklichung der künstlerischen^M Ambitionen; sie bot vor allem aber Gelegenheit, die Auseinandersetzung mit der Welt des ungeliebten Berufs im inkognito historischer und philosophischer Abhandlungen zu führen.

Zuvor jedoch hatte er noch einmal einen Fluchtversuch unternommen, der ihn aus der Welt der Wissenschaft und der Technik in eine Gegenwelt führen sollte, nicht in die der Kunst und der Literatur, sondem in die des preußischen Adels. Es scheint, als habe er während seiner Militärdienstzeit bei den Garde-Kürassieren 1890/91 den Plan erwogen, aktiver Offizier zu werden; er wurde jedoch noch nicht einmal zur Prüfung zum Reserve Offizier zugelassen. Daß im preußischen Militär ungetaufte Juden nicht das Offizierspatent erwerben konnten, hat er, ebenso wie die Tatsache, daß die Taufe überhaupt als Eintrittskarte in den Staatsdienst behandelt wurde, zwar in Höre, Israel! einer klaren Kritik unterzogen; diese Kritik hinderte ihn jedoch nicht daran, im gleichen Aufsatz den deutschen Juden die Anpassung an die Lebensform und die Werte einer "militärisch straff erzogenen und gezüchteten Rasse" zu empfehlen.6

Diese Bewunderung des preußischen Adels und seiner militärischen Tugenden erfuhr einige Jahre später, vor allem in dem 1904 veröffentlichten Aufsatz Von Schwachheit, Furcht und Zweck, noch eine erhebliche Steigerung durch die Konstruktion eines universalhistorischen Dualismus, in dem Rathenau zwei Menschentypen einander gegenüberstellte, deren ganze Existenz vom Mut bzw. der Furcht beherrscht sein sollen. Der Mutmensch ist der Starke, der die Ehre zur obersten Richtschnur seines Handelns nimmt, der seinem Instinkt folgt, zur Offensive neigt und nicht über den nächsten Tag hinaus denkt. Der Furchtmensch dagegen ist schwach, aber klug; er versucht, vor der Gefahr zu fliehen, und wenn er das nicht kann, sucht er Hilfsmittel, um die Gefahr abzuwehren. Seine Furcht ist so groß, daß er sogar zukünftige Gefahren zu verhindern versucht, indem er sein Denken in die Zukunft richtet und sich Zwecke setzt, zu deren Verwirklichung er die Mittel sucht: »Er sinnt und sorgt, strebt und begehrt, forscht und grübelt. So schmiedet er sich zu der Wehr der Furcht eine neue Waffe des Verstandes.«

Fußnoten