5. Porträts

Die Kinder auf diesen Bildern gleichen Millionen anderen in den Barackenstädten, Flüchtlingslagern und Landarbeitersiedlungen Lateinamerikas, Afrikas, Asiens und Europas. Sie scheinen beliebig ausgewählt. Aber ihre Abbilder zeigen auf einer anderen, sehr wirklichen Ebene zugleich stolze Individuen, die sich ganz bewusst photographieren lassen wollten.

An irgendeinem Tag ihres Lebens sahen sie einen Fremden mit einem Photoapparat, ein Ereignis, das sie in helle, lärmende Aufregung versetzte. Damit sie den Photographen in Ruhe arbeiten ließen, wurden sie eingeladen, sich für ein Porträt aufzustellen. Plötzlich änderte sich ihre Haltung. Eins nach dem anderen trat vor die Kamera und entschied für sich, wie es dargestellt werden wollte.

Kinder sind die Hauptleidtragenden in jeder Krise. Sie haben keine Macht über ihr Schicksal, sind also Unschuldige per definitionem. Auch wenn ihr Schicksal immer das ihrer Eltern ist, erfahren und erzählen sie doch ihr Leben auf ganz eigene Weise. Ihre Kleider, ihre Haltung, der Ausdruck ihrer Augen sprechen von Trauer und Leid, manchmal aber auch von Humor und Hoffnung. Zumindest sehen wir das so.

Tatsächlich können wir nur vermuten, was sie fühlen. Immerhin sehen wir sie hier so, wie sie selbst gesehen werden wollten. Im Universum der Photographie stehen sie ganz allein da. Und vielleicht zum ersten Mal in ihrem jungen Leben können sie sagen: "Ich bin".

 

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© Sebastião Salgado, Amazonas Images