Das Herzogtum Sachsen-Coburg war damals das, was William Thackeray einen "Pumpernickelstaat" genannt hat. Die Haupt- und Residenzstadt Coburg war ein armseliges Nest, als Albert 1819 geboren wurde, in einem armseligen und ständig skandalumwitterten Herzogtum. Der Vater, Herzog Ernst I., bot dem Gesellschaftsklatsch Stoff für Jahrzehnte. Dadurch holte er sich als Heiratskandidat zweimal einen Korb, und als es dann schließlich doch zu einer Ehe kam, scheiterte sie nach wenigen Jahren: Als 33jähriger heiratete er 1817 die 16jährige Prinzessin Louise aus Gotha - wodurch dann 1826 nach einer Erbauseinandersetzung das Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha entstand. Louise gebar "pünktlich" 1818 und 1819 zwei Söhne, Ernst und Albert. Dann trennten sich die Eltern, die Herzogin wurde praktisch verbannt. 1826 wurde die Ehe geschieden. Einer war dem anderen untreu gewesen. Männer, zumal Fürsten, durften das, Frauen nicht.

Das war die Welt und die Familie, in die Albert hineingeboren wurde: eine Kindheit ohne Mutter, mit einem Schürzenjäger als Vater. Die Erinnerungen daran haben später auf Alberts Moralvorstellungen erheblichen Einfluß gehabt. Doch der Vater hatte, was immer man sonst über ihn sagen mochte, ein Verdienst: Er kümmerte sich um eine gute Ausbildung seiner Söhne. Sie erhielten in Christian Florschütz einen Erzieher, der in Jena Philosophie und Theologie studiert hatte und ganz im Geist der Aufklärung und der Liberalität aufgewachsen war. Florschütz lebte 14 Jahre lang mit seinen beiden Zöglingen auf engstem Raum zusammen, in drei bescheidenen Dachkammern des idyllischen Schlößchens Rosenau, er begleitete sie auf Reisen und blieb bei ihnen bis zum Ende ihres Studienjahres in Bonn. Sein Lehrplan umfaßte von Mathematik bis zu Fremdsprachen und von musischen Fächern bis zum Sport weit mehr, als man Gymnasiasten jener Jahre, geschweige denn Prinzen zumutete. Dabei entwickelte besonders Albert einen schier unermüdlichen Lerneifer. "Ich will ein nützlicher Mensch werden", schrieb er als Elfjähriger in sein Tagebuch.