Obgleich die Heirat zwischen Vicky und Friedrich (Fritz) den ehrgeizigen Plänen von Prinz Alberts Heiratspolitik entsprungen war, galt sie bis zum Tode von Fritz als überaus glücklich. "Es war nicht Politik, es war nicht Ehrgeiz, es war mein Herz, äußerte Fritz als Bräutigam; er vertraue auf sein häusliches Glück und habe keinen anderen Wunsch."(3) Schon in den ersten Wochen in ihrer neuen Heimat schrieb Prinz Albert seiner Tochter Briefe, in denen er sie mit ungewöhnlich harten Worten auf ihre künftige Rolle vorbereitete. Ungewöhnlich hart insoweit, als er durch seine eigene Rolle als deutscher Prinz in England ihre Gefühle des Heimwehs und der Zerrissenheit zwischen zwei Ländern verstehen mußte. So schrieb Albert am 17. Februar 1858: "Das Publikum wird, gerade weil es entzückt und enthusiastisch war, nun zur schärferen Kritik übergehen und Dich anatomisch zerlegen. Dies wird zu beachten sein, obgleich Du Dich nicht davor zu fürchten brauchst, denn Du bist nur Deinem natürlichen Triebe gefolgt und hast nichts äußerlich 'affichiert'. ... Dein Platz ist der der Frau Deines Mannes und der Tochter Deiner Mutter; Du wirst nichts anderes verlangen, aber auch von dem, was Du Mann und Mutter schuldig bist aufgeben."(4)

Der preußische Kronprinz hatte die zehnjährige Victoria auf der Londoner Weltausstellung 1851 kennengelernt und war schon damals von ihrer Intelligenz und Persönlichkeit angetan. 1855 verlobte sich Fritz in Balmoral mit der 15jährigen Vicky. In den folgenden Jahren bis zu ihrer Heirat wurde Vicky von ihrem Vater auf ihre künftige Rolle als preußische Kronprinzessin vorbereitet. Sie sprach nicht nur fließend Deutsch, sondern bekam von ihrem Vater auch eine umfassende kosmopolitische Bildung vermittelt, von deren Fortschreiten sie ihm in täglichen Essays berichten mußte. Als 17jährige übersetzte Vicky Droysens Abhandlung Der Herzog von Sachsen-Weimar und die deutsche Politik. Ihre geistigen Interessen pflegte sie zeitlebens. Neben Geschichte und Staatsbürgerkunde beschäftigte sie sich mit Kunst, Musik, Medizin und Religion. Es ist jedoch erstaunlich, daß Prinz Albert, der die deutschen politischen Verhältnisse sehr gut kannte und selbst als deutscher Prinz in England erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt war, seiner Tochter ein so naiv-glorifizierendes Bild von Preußen vermittelte. Victorias Ziel und das ihrer Eltern war die Einführung einer konstitutionellen Monarchie nach englischem Vorbild in Preußen.