In den letzten 20 Jahren von Victorias Herrschaft fand ihr Hof wieder Anschluß an die Gesellschaft. Die Jubiläumsjahre 1887 und 1897 boten Gelegenheit für ein großartiges Zeremoniell mit der Königin im Mittelpunkt und brachten Repräsentanten aller europäischen Mächte und der Kolonien nach Großbritannien. Aber die Öffnung des Hofs beschränkte sich nicht auf die Jubeljahre: In den 1880ern und 1890ern hellte sich die Stimmung der Königin insgesamt auf - immerhin war Albert mittlerweile ebensolang tot, wie ihre ganze Ehe gedauert hatte -, und so wurde der Hof in Maßen und auf veränderte Weise erneut zum Zentrum der gesellschaftlichen Elite.
Gegen Ende von Victorias Herrschaft hatte sich der Hof gänzlich von der Vorstellung verabschiedet, lediglich das erste "große Haus" unter den führenden großen Häusern der Aristokratie zu sein, der Ort, wo sich eine kleine und vertraute Elite außerhalb des gesellschaftlichen und politischen Lebens der Hauptstadt und der Landsitze versammelte. Der Prozeß der Spaltung zwischen den Interessen der Monarchie und der Aristokratie, den Albert begonnen hatte, war durch die langen Jahre von Victorias Abgeschiedenheit vollendet worden. In derselben Zeit erweiterte sich auch die Elite. Die Einführung bei Hof wurde zum Ziel eines immer größer werdenden Kreises von Leuten, darunter auch Geschäftsmagnaten, koloniale Würdenträger, die freien Berufsstände der Mittelklasse, Bankiers und amerikanischer Geldadel. Für die jungen Töchter gesellschaftlich ehrgeiziger Eltern war das Ritual der Einführung bei Hof mit seiner Kleiderordnung, den vor Buckingham Palace vorfahrenden Kutschen, den überfüllten Sälen und dem stummen Knicks vor der Königin (oder ihrer Stellvertretung) der Schlüssel, der ihnen die Türen zu Festen, Bällen und anderen gesellschaftlichen Ereignissen öffnete, bei denen heiratsfähige Ehepartner gesucht werden konnten. Die Protokolle über solche Einführungen bei Hof, die Nancy Ellenberger ausgewertet hat, beweisen, wie sehr die Anzahl junger Frauen, die ihre Einführung bei Hofe für nötig oder wünschenswert hielten, im Laufe der Jahre gewachsen ist: Nur zweimal im Verlauf der 1840er Jahre überstieg die Zahl der eingeführten Frauen 400, aber nur einmal fiel diese Zahl in den 1890ern unter 800 (nämlich 1892, als der Tod des ältesten Sohns des Prince of Wales, Herzog von Clarence, zu einer empfindlichen Störung des Jahresablaufs führte).() Selbst in dieser Periode war Victoria nicht auf allen Empfängen selbst zugegen, und wenn sie da war, blieb sie in aller Regel höchstens eine Stunde, bevor sie sich zurückzog und es einer ihrer Töchter oder Schwiegertöchter überließ, die Vorstellung der Debütantinnen abzunehmen.
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