Als 1887 sein Vater erkrankte, konnte Wilhelm den Wunsch, ihn von der Thronfolge auszuschließen, kaum noch zügeln, und der Haß auf seine Mutter, seine Großmutter und die englischen Ärzte erreichte ungekannte Tiefen. "Daß unser Familienschild befleckt und das Reich an den Rand des Verderbens gebracht ist durch eine englische Prinzessin, die meine Mutter ist, ist das Allerfurchtbarste!" wetterte er.16 Er beschimpfte seine Mutter und ihre Schwestern als "englische Kolonie", die Ärzte seines Vaters als "Judenlümmel", die von "Rassenhaß [und] Antideutschtum" besessen seien, und verunglimpfte Königin Victoria als "Kaiserin von Hindustan", deren Stunde allmählich geschlagen habe. Die Ärzte wären nicht nur dabei, seinen Vater umzubringen, sondern trügen auch die Verantwortung für die Verkrüppelung seines eigenen linken Arms. "Man kann nicht genug Haß gegen England haben!" rief er.17Als Wilhelm am 15. Juni 1888 den Thron bestieg, warnte der englische Botschafter vor der gewaltigen Macht, über die der neue Kaiser nun verfügte. "Wenn wir es mit einem Land zu tun hätten, in dem die Außenpolitik von der Regierung geleitet würde & nicht vom Souverän", schrieb er, wären die persönlichen Gefühle des Monarchen "eine Angelegenheit von geringer Bedeutung, aber dem ist nicht so. ... Seine Empfindungen werden in der Politik, die man uns gegenüber einschlägt, als ein wichtiger Faktor zählen."18 Nur zu bald sollte deutlich werden, daß die deutsch-englischen Beziehungen fortan von dunklen Gefühlen überschattet würden - von Familienrivalitäten, Eitelkeit und Neid, verletztem Stolz und dem Streben nach Anerkennung. Schon wenige Tage nach seiner Thronbesteigung beschwerte sich Wilhelm, daß Königin Victoria ihn "mehr als Enkel denn als deutschen Kaiser" behandle.19 Er bezeichnete seinen Onkel, den Prince of Wales, als einen "Idioten", weil er behauptet hatte, Kaiser Friedrich hätte womöglich eine Aussöhnung mit Frankreich angestrebt20, und verschlimmerte die ganze Sache weiter, indem er die beleidigende Forderung erhob, der britische Thronfolger habe Wien während seiner eigenen Anwesenheit dort zu verlassen. Königin Victoria war über Wilhelms Verhalten nicht weniger erbost als ihr Sohn Bertie. In einem Brief sprach sie von "dem höchst schändlichen Verhalten von Willie dem Großen (& wie ich fürchte, 'dem bösartigen') gegen Bertie. ... Den Prince of Wales - den ältesten Sohn eines der größten Souveräne der Welt Europas [sic] & seinen eigenen wohlmeinenden Oheim auf solche Weise zu behandeln ist eine der größten Schimpflichkeiten, die jemals begangen wurden!"21
![]()