Die Familienkrise wuchs sich zu einer internationalen Staatsaffäre aus, als die Bismarcks ankündigten, der Kaiser wünsche England zu besuchen, und sowohl die Königin wie auch der Prince of Wales einhellig erwiderten, sie zögen erst dann in Betracht, ihn zu empfangen, wenn er sich entschuldigt habe. Ihrem Premierminister Lord Salisbury erklärte Victoria, Wilhelms Beschwerde, sein Onkel habe "seinen Neffen nicht als Kaiser" behandelt, sei "zu vulgär und zu absurd und außerdem unwahr, als daß man sie glauben kann. Wir sind stets sehr innig mit unserem Enkel und Neffen gewesen, und nun den Anspruch zu erheben, er sei nicht nur öffentlich, sondern auch privat als 'Seine Kaiserliche Majestät' zu behandeln, ist vollkommene Tollheit!"22 Der Durst nach Rache befiel die gesamte englische Königsfamilie und vergiftete auch die Haltung der nächsten Generation. So schrieb etwa die Princess of Wales an ihren Sohn, den späteren Georg V., Wilhelm sei "persönlich schrecklich unverschämt & impertinent gegen Papa" gewesen und habe sich "tatsächlich geweigert, ihn in Wien zu treffen!! Er ist ganz und gar gegen England aufgebracht, dieses Biest. ... Oh, er ist wahnsinnig & ein eingebildeter Esel - der außerdem behauptet, Papa & Großmama behandelten ihn nicht mit dem einem Kaiser des allmächtigen Deutschland gebührenden Respekt! Aber meine Hoffnung ist, daß auf den Hochmut eines Tages auch der Fall kommt!! - Was würden wir uns dann freuen."23

Wenn wir uns vergegenwärtigen, wie nahe diese Episode zeitlich mit des Kaisers Freude über die Admiralsuniform zusammenliegt, wird deutlich, wie schwer die Widersprüche in seiner Einstellung England gegenüber aufzulösen sind. Allen gegenteiligen Anzeichen zum Trotz hielt Wilhelm zeit seines Lebens an dem Glauben fest, daß seine "Frau Grossmutter", was immer die britischen Staatsmänner und Presseorgane gegen ihn einzuwenden hatten, stets eine "außerordentliche Liebe" für ihn, ihren "Lieblingsenkel", empfand.24 Er war daher wiederholt tief getroffen, als die Königin ihn nach der Krüger-Depesche und bei anderen Gelegenheiten wissen ließ, daß er in England nicht willkommen sei.25 Er versuchte, solche feindlichen Signale zu rationalisieren, indem er zwischen ihrer Haltung als "Souverän" und als "Großmutter" unterschied.26 Eulenburg gegenüber gestand der Kaiser: "Das [deutsche] Volk ahnt ja nicht, wie lieb ich die Königin habe. ... Wie tief sie mit allen meinen Kinder- und Jugendgedanken verflochten ist!"27, und 1901, kurz nachdem sie in seinen Armen gestorben war, schrieb er: "Ich habe jetzt erst erfahren können, wie sie mich geliebt und wie hoch sie von mir gedacht hat."28 Wie schon Eulenburg sagte, als er des Kaisers Telegramm an Bülow weiterleitete: "Welche merkwürdige, kindliche, rührende Naivität liegt in [diesen] Worten."29