Die Kronprinzessin und Kaiserin als Sammlerin alter KunstDas Kronprinzenpaar richtet sich seit 1858 in seinem neuen Palais so gut es geht ein. Aus der Mitgift, den Mitbringseln aus England, aus den sehr zahlreichen Geschenken zur Hochzeit wird eine für die Mitte des Jahrhunderts typische "Häuslichkeit" geschaffen. Nach der silbernen Hochzeit des hohen Paares 1883 ist dann aber ein Revirement in der Möblierung notwendig, als die Stände und Städte des Landes, aber auch Einzelpersonen ganze Saloneinrichtungen, Prunkklaviere und vieles Sperrige mehr schenken, das alles in das eher enge Palais eingepaßt werden muß.9 Vermischt sind solche Einrichtungsgegenstände mit Sammlerobjekten, vor allem Möbel und Kunsthandwerk der Renaissance. Hinzu kommt das notwendige Ausstattungsgut eines Haushalts, der repräsentieren muß. Dazu waren unmittelbar nach der Hochzeit Silbergeschirre bei Berliner Silberschmieden, unter anderem bei Hossauer und Sy und Wagner, allerdings nur im dringend benötigten Umfang, fern allen Luxus, bestellt worden. Victoria schätzt für sich allerdings solch modernes Gebrauchsgut nie sonderlich hoch, auch wenn es, wie beim sogenannten "Hochzeitssilber" für ihren Sohn, mit auffällig großem künstlerischen Aufwand gemacht war. Der Stil des nach Vorzeichnungen von Julius Lessing im Auftrag der Städte und Länder des Deutschen Reiches erstellten und von Berliner Silberschmieden angefertigten Services kam wohl eher dem Geschmack ihres Mannes entgegen, bei dem ein wenig Neid durchklingt, wenn er in einem Brief an seine Frau vermerkt, daß sie selbst solche Aufsätze und solches Prachtsilber nie besessen hätten.10 Wie zum Trotz wird sie die Tafel ihres Speisesaals im Schloß Friedrichshof dann mit altem Silber und Glas herrichten.
Doch von einer geordneten Sammeltätigkeit ist im Kronprinzenpalais zunächst wenig zu verspüren. Man reist viel und kauft dann auch in den Kunsthandlungen, was sich dort an attraktiven Dingen aus allen Bereichen der Kunst finden läßt. Hinzuunterwirft sich das Kronprinzenpaar natürlich den "Modetendenzen", wie der aufkommenden Vorliebe für die Renaissance-Kunst und das Rokoko, wobei ihnen die Beratung durch Sammler und Museumsleute wichtig wird. Der Umgang etwa mit dem englischen Sammler Sir Richard Wallace, dem Gründer der Wallace Collection in London, der Besuch seiner Sammlungen in Paris (vgl. Kat.Nr. IV/20) und London, die enge Freundschaft mit der Herzogin von Galliera machen natürlich Eindruck und verleiten dazu, sich mit französischen Möbeln und Kunstwerken des 18. Jahrhunderts oder zumindest mit deren Nachbildungen zu versorgen, zu denen nach Fertigstellung des Schlosses Friedrichshof als Geschenke des Sohnes Wilhelm Kopien friderizianischer Möbel kommen.
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