Seit 1871 ist der preußische Kronprinz von seinem kaiserlichen Vater zum Protektor der Königlichen Museen ernannt worden, wohl auch, um für den erfolgreichen Militär in zu erwartenden Friedenszeiten eine zivile Aufgabe zu finden. Dies ist nicht zu einem geringen Teil darauf zurückzuführen, daß man gerade dessen Frau ein Faible für die Künste nachsagt und sie auf diese Weise gleich mitbeschäftigen will. Die Institution eines "Protektors" zur Förderung der Museen ist für ein Mitglied der Herrscherfamilie nur verständlich, weil der Herrscher selbst kein Sammler und Förderer der Künste mehr ist wie noch seine Vorgänger. Museumsleute wie Wilhelm von Bode bestimmen nun das Geschehen, brauchen jedoch noch immer den Mittler und werden von diesem auch in ihrem Selbständigkeitsgefühl bestärkt. Zur Aufwertung der königlichen Gemälde- und Skulpturensammlungen gegenüber den ausländischen Sammlungen in London, Paris oder Wien ist der Protektor selbst dazu bereit, den nicht mehr bewohnten Schlössern bedeutende Gemälde und Bildwerke zu entnehmen. Er setzt sich für eine Erhöhung des Erwerbungsetats ein, verschafft den Museen ein neues Statut, stärkt die Fachleute im Verhältnis zu ihren vorgesetzten Dienststellen. Hier verspüren wir den Einfluß der Kronprinzessin, die nun auch stärker in den Mittelpunkt des künstlerischen Geschehens in Berlin, bei Künstlern und Ausstellungen und auch bei den Erwerbungen gerät. Seit den 1880er Jahren allerdings hat sie mit wachsendem Besitzerdrang mehr die eigenen Sammlungen im Blick. An ihnen mißt sie die Bedürfnisse der Berliner Museen.13

Natürlich wollen Friedrich Wilhelm und Victoria auch über das Sammelgeschehen in Berlin selbst informiert sein. Zwei bedeutendere Privatsammlungen von Kunstgewerbe, das im Gefolge der Londoner Weltausstellung und einer ihr folgenden Gründungswelle von Kunstgewerbemuseen in ganz Europa immer mehr ins Bewußtsein der internationalen Öffentlichkeit gerät, hat Berlin aufzuweisen: die Sammlung des Grafen Wilhelm von Pourtalès, des Neffen des preußischen Botschafters in Berlin, von Geburt ein sehr wohlhabender Neufchâteler mit internationalen Verbindungen, befreundet mit den Schwiegereltern der Kronprinzessin.