Susanne Netzer


Die Mediceer des deutschen Kunstgewerbes - Kronprinz Friedrich Wilhelm und Kronprinzessin Victoria

Das preußische Kronprinzenpaar als Nachfolger der Florentiner Mäzene - dieser Vergleich, von Zeitgenossen nicht zufällig gewählt, spielte auf die Vorliebe von Friedrich Wilhelm und Victoria für die italienische Renaissance an.1 Ein verspäteter Lobgesang, denn zu ihren Lebzeiten war vor allem an "der Engländerin" heftige Kritik geübt worden. "Mit dem Namen des Kronprinzenpaares Friedrich Wilhelm und Viktoria verknüpft sich für alle Zeiten diese großartige Entwicklung des öffentlichen Sammlungswesens und des Kunstgewerbes, die Deutschland in einigen kurzen Jahrzehnten aus den Tiefen künstlerischer Verkommenheit und bureaukratischer Engherzigkeit zu einer maßgebenden Stellung im allgemeinen Wettbewerb der Nationen geführt hat."2Kronprinz Friedrich Wilhelm hatte bis zu seiner Vermählung mit der ältesten Tochter der englischen Königin Victoria im Jahre 1858 wenig Interesse an Kunst erkennen lassen. Dies sollte sich unter dem Einfluß seiner Gemahlin nach und nach ändern.3 Auf ausdrücklichen Wunsch seiner Schwiegermutter war er es dann sogar, der 1862 die zweite Weltausstellung in London eröffnete, nachdem Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, Initiator der ersten derartigen Ausstellung im Jahre 1851, kurz vor der Eröffnung gestorben war.Weitreichendere Wirkung für Kunst und Kunstgewerbe in Preußen hatte der Umstand, daß der bereits 40jährige preußische Kronprinz nach der Reichsgründung im Jahre 1871 das Protektorat über die Berliner Museen übernahm - eine Aufgabe, die zuvor der König selbst wahrgenommen hatte. Zunächst scheint Friedrich Wilhelm das Amt eher unwillig angenommen zu haben, ahnte er doch, daß es seinem Vater und dem Reichskanzler Bismarck vor allem darum ging, ihn, den "Liberalen", von der Politik fernzuhalten.