Queen Victoria unterstützte die Sammlung im ersten Jahr ihres Bestehens durch Schenkungen von Lackarbeiten und Seidengeweben.40 Diese direkten Stiftungen erscheinen freilich belanglos angesichts der politisch-administrativen Leistungen des Kronprinzen, die zum erfolgreichen Auf- und Ausbau des Museums geführt hatten.Die Auflösung der Königlichen Kunstkammer war 1875 nicht ohne Widerstände erfolgt. Alte Besitzverhältnisse und traditionelle Museumsformen waren seinerzeit auf einen neuen Museumstyp geprallt, dessen Intentionen sehr modern gewirkt haben müssen: Als Vorbildersammlung war er statt in die Vergangenheit in die Zukunft gerichtet, auf die künftige Gewerbeproduktion, zugleich erweiterte er das traditionelle eurozentrische Weltbild, um bewußt außereuropäische Kulturen als Anreger in die Sammlungen mit einzubeziehen. Die zuständigen Verwaltungsbeamten waren sich anfänglich ziemlich im unklaren darüber, was als "Kunst" und was als "Gewerbe" zu definieren sei.Das Sammlungsziel des Berliner Kunstgewerbemuseums wie der ihm verwandten europäischen Institute hat sich dann im Verlauf der ersten Jahrzehnte ihres Bestehens zunehmend gewandelt: An die Stelle möglichst lückenloser Vorbildersammlungen war erneut die Sammlung signifikanter, künstlerisch bedeutender Einzelstücke getreten. Die außereuropäischen Sammlungsteile in Berlin wurden später zum Grundstock eigenständiger Sammlungen. Auf Reproduktionen wurde verzichtet, da man glaubte, im internationalen Wettbewerb inzwischen bestehen zu können; verzichtet wurde in diesem Zusammenhang auch auf den Erwerb zeitgenössischer Werke der "Kunstindustrie" - ein Prinzip, das offenbar beim Londoner South Kensington Museum noch früher als bei der Berliner Sammlung angewendet wurde. In beiden Fällen hing dies eng mit dem Ausscheiden der Direktoren der Gründungsjahre zusammen und führte aus heutiger Sicht zu erheblichen Lücken im Bestand.Durch die Überlassung der Kunstkammerbestände, durch den Erwerb des Lüneburger Ratssilbers und nicht zuletzt durch die Errichtung eines eigenen Museumsbaus war der Sammlungstyp "Kunstgewerbemuseum" Anfang der 80er Jahre auch aus kunsthistorischer Sicht so weit konsolidiert, daß die Preußische Staatsregierung im Jahre 1885 einwilligte, das Museum in staatliche Obhut zu nehmen - 18 Jahre nach seiner Gründung.