II. Rückschau auf den Ursprung und die
Entwicklungstendenzen des deutschen Medaillenschaffens
von der Renaissance bis zur Gegenwart

2. Die Anfänge der deutschen Medaillenkunst


Kaum war die Medaille in Italien "erfunden", traf sie auch schon in Süddeutschland ein, inspirierte große Künstler wie Lucas Cranach d. Ä. und Albrecht Dürer, der den Umbruch in Kunst und Kultur als "itzige Wiedererwachsung" rühmte. Durch blühenden Handel erworbener Reichtum des aufstrebenden Bürgertums verfeinerte den Lebensgenuß und befruchtete das Mäzenatentum. So fiel auch der deutschen Medaille die Aufgabe zu, den Auftraggeber zu rühmen, ihm ein ewig währendes Denkmal zu setzen. Priorität besaß für die Künstler das Porträt, dem auf der Kehrseite, wenn sie nicht leer blieb, hauptsächlich Wappen oder Sinnsprüche gegenüberstanden. Die deutschen Renaissance-Medailleure Hans Schwarz (um 1492 - nach 1532), Christoph Weiditz (um 1500-1559), Friedrich Hagenauer (erwähnt 1520-1545), Matthes Gebel (tätig zwischen 1523 und 1574) schufen einen feingliedrigen Porträtstil. Der Augsburger Reichstag von 1518 brachte den Durchbruch. Schwarz hatte dort angesehene Persönlichkeiten der Handelswelt, beispielsweise Jakob Fugger II. (den Reichen), des Adels und auch einflußreiche Künstlerkollegen porträtiert, woraufhin die deutsche Renaissancemedaille einen regelrechten Siegeszug antrat. (Katalog-Nr. 2)

    Albrecht Dürer (Kat. Nr.60)

Lucas Cranach d. Ä.

In der humanistischen Gelehrtenwelt wurden Medaillen ebenfalls zum beliebten Kommunikationsträger. In Augsburg und Nürnberg bildeten sich bedeutende Zentren deutscher Medaillenkunst heraus. Daneben gab es weitere Brennpunkte und Hochburgen, an denen Medailleure tätig wurden. Gar nicht so selten kamen die "Konterfetter" aus dem Goldschmiedehandwerk. Einen hervorragenden Platz nimmt der für den sächsischen Hof arbeitende Hans Reinhart d. Ä. ein, der neben Porträtstücken aufwendige Medaillen und Plaketten mit biblischen Themen und Gleichnissen, zum Teil als vollplastische Goldschmiedearbeiten, schuf. Im Medaillenschaffen blieb die Religion über Jahrhunderte hinweg ein Zentralthema. Medaillen dienten der Heiligenverehrung und der Feier von Kirchenfesten. Taufpaten bekundeten ihre Verbundenheit mit dem geweihten Kind durch das Geschenk eines gravierten Taufpfennigs. (Katalog-Nr. 4) Während des Kirchenkampfes der Reformationszeit gelangten Spottmedaillen in Umlauf. (Katalog-Nr. 3) Aber auch in späterer Zeit kamen Themen des Glaubenskampfes wiederholt zur Darstellung. Auf das konkrete Ereignis Bezug nehmend, konnten derartige Medaillen gezielter politischer Beeinflussung dienen. (Katalog-Nr. 12)
Der offenbar in weiten Bevölkerungskreisen ununterbrochen steigende Bedarf an Medaillen aller Art ließ im 16. Jahrhundert neben der Gußmedaille auch die Prägemedaille mit ihren größeren Stückzahlen aufleben. Tradition besaßen darin die erzgebirgischen Münzprägestätten um Joachimstal, die, ausgerüstet mit gut ausgebildeten Eisenschneidern, das Publikum seit 1527 vorrangig mit Geprägen religiöser Thematik, zum Teil mit Amulettcharakter, versorgt hatten.1

1 Exemplarisch seien hier die sogenannten Wittenberger Pesttaler erwähnt, die überwiegend in der Münzstätte Joachimstal entstanden sind und als Pestamulett sehr beliebt waren, worau die zahlreichen gehenkelten Exemplare hinweisen.