II. Rückschau auf den Ursprung und die
Entwicklungstendenzen des deutschen Medaillenschaffens
von der Renaissance bis zur Gegenwart

3. Das 16. und das 17. Jahrhundert


Der offenbar in weiten Bevölkerungskreisen ununterbrochen steigende Bedarf an Medaillen aller Art ließ im 16. Jahrhundert neben der Gußmedaille auch die Prägemedaille mit ihren größeren Stückzahlen aufleben. Tradition besaßen darin die erzgebirgischen Münzprägestätten um Joachimstal, die, ausgerüstet mit gut ausgebildeten Eisenschneidern, das Publikum seit 1527 vorrangig mit Geprägen religiöser Thematik, zum Teil mit Amulettcharakter, versorgt hatten.9
Während des Erstarkens der Territorialfürsten im 16. Jahrhundert trat dann das Bürgertum als Auftraggeber zurück. Fortan dominieren Medaillen der fürstlichen Repräsentation.
Die inzwischen Firmencharakter annehmenden Medailleurwerkstätten berücksichtigten die veränderte Situation und bedienten alle Bevölkerungskreise. Sie fertigten zu Geschenkzwecken geeignete anonyme Gelegenheitsmedaillen an, sogenannte Miscellanea, die freudige Themen des Lebenszyklus von Freundschaft, Liebe, Ehe, Geburt, Taufe, Hochzeit glorifizierten. Die zumeist aus Silber geprägten Medaillen fanden zahlreiche Käufer. (Katalog-Nr. 6, 7)

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Während die Fürsten im 16. Jahrhundert ihre Medaillen oft in Form von Gnadenpfennigen und Medaillenkleinoden, vielfach mit wertvollen goldenen Ketten versehen, in der Regel als Auszeichnung und Gnadenbeweis vergaben, bedienten sich die Fürsten des 17. Jahrhunderts zu-
nehmend der Medaille als Propagandamittel zur Verherrlichung der eigenen Person und der mit ihr in Zusammenhang stehenden Ereignisse. Seither herrschten idealisierte Bildnisse und eine mehr und mehr emblematisierte Bildersprache voller Allegorien vor. Pomp und Glorie bestimmten die barocke Epoche. Als in Frankreich der "Sonnenkönig" Ludwig XIV. ab 1663 an der Pariser Staatsmünze mit einer permanenten Medaillensuite zur Verherrlichen viele deutsche Fürsten längst neugierig auf den französischen Absolutismus geschaut. Der Neugierde folgte sogleich die Nachahmung, wennschon nicht in der Regierungsform, so aber ab und an in Medaillen. Medailleure, die keine eigenen Werkstätten unterhielten, waren auf die Münzstätten der Fürsten und prägeberechtigten Städte angewiesen. Nur dort erlangten sie Zugang zu den für die Prägemedaillen erforderlichen großen Spindelpressen. Allerdings stellten die Potentaten recht selten einen guten und teuren Medailleur fest an, am ehesten dann, wenn er gleichzeitig die erforderlichen Münzstempel schnitt, was sich wiederum in einem feineren Münzstil niederschlug. Unter diesen Bedingungen blieben nur wenige der äußerst zahlreichen Barock-Medailleure dauerhaft im Medaillengeschäft.

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Im fürstlichen Repräsentationsbedürfnis nahmen Gedenkfeiern des Lebenszyklus, wie Geburt, Taufe, Regierungsantritt, Huldigung, Hochzeit, Tod, eine Zentralstellung ein. Demgemäß gibt es zahlreiche dynastische Medaillen, die vorrangig diese Ereignisse im persönlichen Leben eines Potentaten verherrlichen. (Katalog-Nr. 10, 11, 13, 15)
Zu den bekanntesten Medailleuren des 17. Jahrhunderts zählten Christian Maler (1604-1640), Sebastian Dadler (1586-1657), Martin Brunner (1659-1725), Philipp Heinrich Müller (1655-1718) und Christian Wermuth (1661-1739). Exemplarisch sei der Augsburger Philipp Heinrich Müller genannt. Es gab kaum ein die Gemüter bewegendes Zeitereignis, das es ihm nicht wert war, im Medaillenrund festgehalten zu werden. Hier knüpfte er an Traditionen an, die sich bereits bei den Ereignismedaillen des Dreißigjährigen Krieges, vornehmlich den Friedenswunsch und Friedensfreude ausdrückenden Schaustücken, bewährt und ausgezahlt hatten. (Katalog-Nr. 5)

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Zum Thema "Krieg und Frieden" hatte sich im 17. Jahrhundert eine spezielle Medaillengruppe herausgebildet. Ihre Wurzeln hatte sie in den Beutepfennigen des 16. Jahrhunderts, die aus erbeutetem Edelmetall geprägt worden waren, in den Not- und Belagerungsmünzen und in den Gedenkmünzen, die an die Kriegsereignisse erinnerten. Im Zusammenhang mit Kriegen entstand nunmehr eine Fülle von Medaillen. Es galt Kriegsvorbereitungen, Kriegsverlauf, Siege und Niederlagen ebenso zu dokumentieren, wie die Feldherren in Wort und Bild vorzustellen. Bemerkens-
wert zahlreich sind die Medaillen, die während der Türkenkriege im 17. Jahrhundert, in den spanischen Erbfolgekriegen und den nordischen Kriegen an der Wende zum 18. Jahrhundert entstanden. Nicht weniger Medaillen feiern dann folgerichtig die Friedensschlüsse und deren Jahrestage. (Katalog-Nr. 14, 19)
Einer der schaffensfreudigsten Barock-Medailleure war Christian Wermuth, dessen Œuvre sich auf viele hundert Medaillen beläuft. Er bediente regelmäßig Messen und Märkte, versandte illustrierte Angebotskataloge an Händler, Sammler und Münzkabinette. Wenngleich natürlich auch bei Wermuth dynastische und politische Ereignismedaillen vorherrschten, mischte sich gerade bei ihm merklich die satirische Behandlung des Stoffes unter. (Katalog-Nr. 9)
Spektakuläre Ereignisse und Katastrophen lösten manches Mal eine wahre Medaillenflut aus. Epidemische Erkrankungen und wundersame Genesung von denselben, Blitz- und Hagelschlag, Heuschreckenplage, früher Wintereinbruch, spätes Frühjahr, Springfluten und Trockenheit, Mißernten und Teuerungen - alles galt es zur eigenen Warnung und der Nachwelt zur Mahnung im Gedächtnis zu behalten. Die Bildersprache der Medaille ermöglichte es. (Katalog-Nr. 23, 42)

Katalog-Nr. 9

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