Rezeption im Nationalsozialismus

Radziwill schrieb in einem Brief an Niemeyer am 4. April 1937: "… Nun zu den Kriegsbildern. Es sind nun mit dem Stahlhelmbild 3 geworden. Dieses soll in der Mitte hängen und die beiden anderen Bilder ihm zur Seite. Mein Vorschlag ist nun folgender: Nachdem Gurlitt66 Dr. Kloos67 für die Kriegsbilder interessiert hat und Gurlitt für eine Ausstellung dieser Bilder nicht in Frage kommt, möchte ich gerne die 3 Bilder der Hamburger Kunsthalle leihweise zur Verfügung stellen. Ich nehme an, daß die Kunsthalle sich dazu bereit erklären würde. Vielleicht sprichst Du einmal mit Kloos oder auch mit Kleinschmidt. Und zwar solange zur Verfügung stellen, bis die Bilder angekauft werden von Hamburg oder sonst einer öffentlichen Stelle. Denn ich bin der tiefen Überzeugung, daß die 3 Bilder in der Hamburger Kunsthalle ihre Wirkung nicht verfehlen werden und meine auch, daß sie so am besten mein Wollen zeigen. Gestern, Sonntag waren eine ganze Anzahl Parteigenossen von der Gauleitung bei mir. Diese waren ganz begeistert und verstanden gar nicht, daß diese Bilder noch keinen Käufer gefunden haben. Also auch von dieser Seite wird man sicher einiges unternehmen. Man deutete an: Göring oder Luftfahrtministerium."68

Bereits Ende März 1937 hatte Niemeyer den Künstler in seinem Vorhaben bestärkt, das Triptychon an den Staat zu verkaufen: "Für den Staat aber erwächst daraus eigentlich die Pflicht und Aufgabe, Deinen Kriegsbildern einen öffentlichen weihevollen Raum zu schaffen."69 Trotz vielfachen Zuspruchs erwies sich der Versuch, es an eine öffentliche Institution zu verkaufen, jedoch als unerwartet schwierig.

Radziwill hatte also zu diesem Zeitpunkt die drei Kriegsbilder zu dem Tripytchon zusammengestellt. Im April 1937 nahm die Hamburger Kunsthalle das Angebot an, das Werk auszustellen. Bis 1939 blieb es dort hängen, ohne einen Käufer gefunden zu haben, und trotz der Klassifizierung Radziwills als "entarteter" Künstler im Jahre 1937. Dem Maler durften zwar ab Mai 1938 keine Personalausstellungen mehr ausgerichtet werden, er durfte jedoch einzelne, vorher von offizieller Stelle begutachtete Werke präsentieren.

Erfolgreicher war Radziwill mit einem anderen, 1939 geschaffenen großen Gemälde, der "Tankschlacht von Cambrai, 1917" 70. Der Auftrag, ein Bild für das Kasino der Cambrai-Kaserne der Panzerabwehr- und Pionier-Abteilung in Lübeck zu schaffen, war im März des gleichen Jahres durch Offiziere vermittelt worden. Radziwill versuchte, das Bild 1940 in der Großen Deutschen Kunstausstellung im Münchner Haus der Deutschen Kunst unterzubringen. Er nutzte dazu seine Kontakte zu dem zum "Staatsmaler" avancierten Werner Peiner und zu dem Freund und Radziwill-Sammler Emil Fahrenkamp, der 1939 zum Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie ernannt worden war. Beide sollten den Direktor des Hauses der Deutschen Kunst für das Vorhaben gewinnen. Peiner war von Radziwills Kriegsbild begeistert. Er arbeitete 1940 selbst an einer großen Tapisserie-Serie für die neue Reichskanzlei und fertigte für den siebten Teppich mit dem Thema "Weltkrieg" als Entwurf ebenfalls eine "Tankschlacht bei Cambrai".71 Peiner gratulierte seinem Kollegen zum Verkauf von sieben Aquarellen an das Reichsaußenministerium und setzte sich für ihn bei Hermann Göring ein. Radziwill war im Juni 1938 auch zu der offiziellen Einweihung der neugegründeten "Hermann-Göring-Meisterschule für Malerei" in Kronenburg eingeladen, die Peiner als Direktor leiten sollte. Seiner Frau schrieb Radziwill von den Feierlichkeiten: "Göring habe ich nicht gesprochen aber dafür gut gesehen. Aber aus seinem Stab habe ich die wichtigsten Männer kennengelernt und mich sogar mit ihnen sehr befreundet."72

Das Triptychon fand immer noch keinen Käufer. Der Versuch, Hitler dafür einzunehmen, blieb erfolglos.73 Anscheinend bekundete dann 1939 die Marine Interesse und stellte den Ankauf für die Aula der Marineschule Flensburg-Mürwick in Aussicht. Am Ende wurde hieraus ebenfalls nichts.
Radziwill entschloß sich, die thematische Konzeption vom Gefallenenkult auf das Gedenken der Waffengattungen an allen Fronten zu verändern. Eine neue Mitteltafel wurde entworfen, die die Kriegsmarine ins Zentrum stellte. So entstand 1939 das Bild "Der U-Boot-Krieg" 74, das 1941 unter dem Titel "Der totale Krieg" ausgestellt wurde.

Der "totale Krieg" war Titel und Thema eines Buches von Erich Ludendorff , der im Ersten Weltkrieg der 3. Obersten Heeresleitung (1916-1918) angehört und sich am Putsch von 1923 beteiligt hatte. Eine Textpassage aus dem 1935 erschienenen Buch, die sich mit dem Kampf zu Lande und zu Wasser im Ersten Weltkrieg beschäftigt, erklärt möglicherweise, warum Radziwill gerade diesen Titel für sein Triptychon als besonders geeignet ansah: "Die Heere und die Marinen bekämpften einander so, wie sie es früher taten, mochten Streitkräfte und Kriegsmittel auch gewaltiger sein als je zuvor. Anders aber als in den letzten Kriegen standen die Völker mit ihrer ganzen Kraft dicht aufgeschlossen hinter der Wehrmacht und durchdrangen sie … Wo die Kraft des Heeres und der Marine begann, die des Volkes aufhörte, war in dem jetzigen Kriege nicht mehr zu unterscheiden. Wehrmacht und Volk waren eins. Die Welt sah den Volkskrieg im buchstäblichen Sinne des Wortes. In dieser versammelten Kraft standen die mächtigen Staaten der Erde gegeneinander. Zum Kampf gegen die feindlichen Streitkräfte auf gewaltigen Fronten und weiten Meeren gesellte sich das Ringen gegen die Psyche und Lebenskraft der feindlichen Völker zu dem Zweck, sie zu zersetzen und zu lähmen."75

Radziwill hob in seinem veränderten Triptychon auf die vereinigten Anstrengungen des Heeres und der Marine ab. Die Bedeutungsdimension des Titels "Der totale Krieg" reichte jedoch weiter, weil der Begriff die Zurichtung des gesamten gesellschaftlichen Lebens für den Kriegszweck meinte. Für Ludendorff hatte der Erste Weltkrieg erstmalig diese neue Qualität. "Der totale Krieg, der nicht nur Angelegenheit der Streitkräfte ist, sondern auch unmittelbar Leben und Seele jedes einzelnen Mitglieds der kriegführenden Völker berührt, war geboren."76 1941, als der Zweite Weltkrieg bereits in sein drittes Jahr ging, war das Prinzip des totalen Krieges Wirklichkeit geworden. Radziwill versuchte vielleicht, mit dem erneut veränderten Titel für die Mitteltafel Anschluß an die historischen Ereignisse zu halten.

Aus den Quellen ist verbürgt, daß das Triptychon noch zweimal öffentlich gezeigt wurde. Das eine Mal durch den Einsatz des Gauleiters von Weser-Ems: "Carl Röver machte im Augusteum in Oldenburg eine Ausstellung ›Oldenburger Maler‹. Da waren drei Bilder, die den Krieg darstellten, das wagte ja keiner. Diese Ausstellung war zu Beginn des Krieges. Als die Bilder von mir nun hingen, da kam der Kulturdezernent der Partei, um die Ausstellung abzunehmen. Der hat dann gesagt, alle Bilder von Radziwill in den Keller. Als der Gauleiter Weser-Ems die Ausstellung dann eröffnen wollte, fragte er: Wo sind denn die Bilder von Radziwill? Woraufhin ihm gesagt wurde, das ginge nicht, der hat Ausstellungsverbot. Da hat Röver gesagt, alle Bilder wieder herauf und wieder aufhängen, wir wollen uns später nicht nachsagen lassen, daß wir bedeutenden Künstlern im Wege gestanden haben."77 Das zweite Mal war "Der totale Krieg" mit zwei anderen Bildern auf der "Großen Gauausstellung Weser-Ems" zu sehen. Bis 1946 blieb das die letzte öffentliche Präsentation von Radziwills Gemälden.