PFAHLHEIM: EINE AUSGRABUNGSRUINE DES 19. JAHRHUNDERTS
 
Die Funde
Die Kenntnis der genauen Lage des Friedhofes ist für die Bewertung der Grabfunde in Zusammenhang mit der historisch-archäologischen Situation um Pfahlheim im 7. Jahrhundert nicht unwichtig. Die eingehende Betrachtung einiger weniger Gräber macht deutlich, dass es sich bei dem Reihengräberfeld am Mühlberg kaum um den Begräbnisplatz einer bäuerlichen Bevölkerung handeln kann, wie sie während des Mittelalters und bis in die jüngste Zeit in Pfahlheim ansässig war.
 
 
 
 


Männergrab (Mitte 7 Jahrhundert)

Das relativ gut dokumentierte Grab gehört zu den auffälligsten Bestattungen im Friedhof. In einer 2,50 Meter langen und 1,30 Meter breiten Grabgrube fanden sich in einer Tiefe von 1,40 Metern, neben geringen Skelettresten, eine Reihe auffallender Beigaben. Am östlichen Rand, das heißt, am Fußende der Grabsohle, stand eine getriebene Bronzeschale. Rechts daneben lagen, mit der Spitze nach unten, eine Lanzenspitze mit lanzettförmigem Blatt und facettierter Schärfe, etwas oberhalb die Reste eines Pferdezaumzeugs mit Trense und Beschlägen. Die Ornamente auf den Zierbeschlägen, die auf der Rückseite mit Nietstiften versehen sind, wurden mit einem Stahlstichel in das Eisen eingegraben, in die dann Silberfolie bzw. Messingdraht eingehämmert wurde. Das Pferdekopfgeschirr wurde den Toten "pars pro toto", also anstelle eines Reitpferdes ins Jenseits mitgegeben. Zum Reitzeug dürften weiterhin drei große bronzene Riemenzungen mit facettiertem Rand und drei perldrahtgefassten Nieten gehört haben, die ebenfalls in der Nähe der Trense lagen und wahrscheinlich zusammen mit zwei Bronzeringen Teile des Sattelzeugs waren. Vom Gürtel des Toten sind die eisernen Beschläge mit Silbertauschierung und goldener Perlrandfassung erhalten, qualitätvolle Besatzstücke eines in dieser Zeit modernen Gürtels mit Nebenriemen. Diese Mode in der Männertracht geht auf Einflüsse aus dem südosteuropäischen, wenn nicht gar mittelasiatischen Raum zurück. Von den ursprünglich zwölf Beschlägen sind nur noch acht erhalten, die Gürtelschnalle selbst ist verloren gegangen. Die Nebenriemen mit den aufgesetzten Zierbeschlägen waren symmetrisch im Frontbereich des Gürtels angebracht. Die Zahl der Nebenriemen und die Aufwendigkeit der Gürtel waren wahrscheinlich bezeichnend für den Rang ihres Trägers.
Nicht bekannt ist die Grablage von weiteren bronzenen und eisernen kleinen Beschlagstücken, eines zerbrochenen Tongefäßes mit Rädchenverzierung und eines Saxes, einem kurzen einschneidigen Hiebschwert. In der Mitte des Grabes stand eine bauchig gegossene, auf der Werkbank gedrehte Bronzeflasche mit umlaufend eingepunzten Friesen von geometrischen und pflanzlichen Mustern sowie der Darstellung von Meerestieren. Das Gefäß wurde um 600 n. Chr. in Italien oder im östlichen Mittelmeergebiet hergestellt. Fabrikmäßig produzierte Bronzegeschirre dieses sogenannten koptischen Typs wurden vor allem im 7. Jahrhundert in relativ großer Zahl aus dem Mittelmeergebiet in die Länder nördlich der Alpen importiert. An der linken Grabseite befand sich noch ein kleiner goldener Fingerring mit gefasster Goldmünze, einem Solidus. In Fingerringe gefasste Goldmünzen waren eine Modeerscheinung der Mitte des 7. Jahrhunderts. Sie kommen hauptsächlich in reichen Männergräbern Südwestdeutschlands vor und haben ihre Vorbilder in goldenen Siegelringen, wie sie bei langobardischen Adeligen in Italien getragen wurden. Am Kopfende des Grabes lagen noch die Bruchstücke eines eisernen Schildbuckels und am Fußende die Reste eines kleinen Bronzesporns. Was im Grab fehlt, aber bei der qualitätvollen Ausstattung unbedingt zu erwarten gewesen wäre, ist das große zweischneidige Langschwert, die Spatha, Hauptwaffe des merowingerzeitlichen Kriegers. Schon die Ausgräber bemerkten, dass das Füllmaterial im Schacht dieses Grabes anders als bei den übrigen Gräbern aussah, und man darf vermuten, dass das Grab bereits in alter Zeit beraubt war. Trotz Plünderung und mangelhafter Fundbeobachtung ist dieses Grab in seiner Ausstattung außergewöhnlich. Die Beigaben und damit der Besitz des Pferdegeschirres mit seinen gleißenden Zierbeschlägen, der Sattel, der kostbare Leibgurt, der Sporn und die Waffen zeichnen den Toten als vornehmen Reiterkrieger aus. Sein wahrscheinlich in Grundbesitz wurzelnder Reichtum und die damit verbundene gesellschaftlich hohe Stellung dokumentieren sich auch in der Beigabe des Bronzegeschirrs. In dieses soziale Milieu verweist auch der goldene Ring, der darüber hinaus eine sichere Datierung des Grabes zulässt.

Männergrab (Mitte 7. Jahrhundert)

Bereits 1883 wurde in einem Doppelgrab ein weiteres Reitergrab im Friedhof auf dem Mühlenberg entdeckt, jedoch unsachgemäß geborgen. Der Tote war mit seiner vollen Waffenausrüstung, nämlich Schwert, Sax, Lanze, Schild sowie Pfeil und Bogen bestattet. Daneben war das Pferdekopfgeschirr beigegeben. Auch hier fanden sich Bronzegeschirre. Das erste ist eine schwere gegossene Pfanne. Sie besitzt einen langen bandförmigen Stil mit Endhaken und einen durchbrochen gearbeiteten Standring. Die Innenseite der Pfanne ist poliert und mit horizontalen Rillen verziert. Das zweite Gefäß, eine bauchige Kanne, ist ebenfalls massiv gegossen und hat einen abgesetzten Standboden, auf dem drei Stollen herausgearbeitet sind. Der geschweifte Henkel ist eingesetzt. In der handwerklichen Qualität reichen sie nicht an das Geschirr in Grab 1891/4 heran, wohl aber im Materialwert. Das Reitergrab von 1883/4 weist aber noch weitere Besonderheiten auf. Einmal ist es der schmale Goldblechstreifen, der als Balken eines Kreuzes interpretiert werden kann und den Toten als Christen kennzeichnet, zum anderen ist es ein Paar zierlicher Steigbügel aus Bronze, die zusammen mit drei Bronzeringen gefunden wurden, die eindeutig zum Sattelzeug gehören. Die Steigbügel sind eine äußerst seltene Beigabe und waren vor dem 7. Jahrhundert in unseren Breiten nicht bekannt, zumindest gelangten sie nicht in die Gräber. Ihr Auftreten deutet die Verbesserung der Reit- und Kampftechnik im 7. Jahrhundert an, die das Reitervolk der Awaren aus Mittelasien über den Donauraum nach Westeuropa vermittelt hat. Die Zierlichkeit der Steigbügel erklärt sich damit, dass nach reiternomadischer Tradition nicht der ganze Fuß, sondern nur die Fußspitze in den Bügel gesetzt wurde.

Röhrenausgußkanne (7. Jahrhundert; Mittelmeerraum)
Bronze H 15,5 cm Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum (Pfalheim Grab 1883/9)
Bei den Grabungen von 1883 wurde ein drittes Bronzegefäß von exotischem Aussehen entdeckt, das bis heute ein Unikat geblieben ist.

Funde aus verschiedenen Männergräbern (Mitte 7. Jahrhundert)

Reitergräber dieser Qualitätsstufe grub 1893 auch das Berliner Museum für Völkerkunde in Pfahlheim aus. Leider sind die erhaltenen Grabfunde nicht nach Inventaren zu trennen, doch müssen mindestens zwei der angeblich fünf Gräber Reiterbestattungen gewesen sein. Herausragende Stücke sind eine zweigliedrige Knebeltrense mit messingtauschierten Stangen und einem ebenso verzierten Backenriemenbeschlag sowie zwei silbertauschierte, scheibenförmige Riemenverteiler eines Kopfgeschirres aus anderem Fundzusammenhang und einer eisernen silbertauschierten Phalere des Brustriemens eines aufwendigen Sattelzeugs, zu dem möglicherweise noch zwei längliche, silbertauschierte Eisenbeschläge gehörten. Auf einen Reiter weist auch ein bronzenes Sporenpaar hin. Langschwert, Sax, Schild und Lanze sowie diverse silbertauschierte Gürtelbeschläge gehören zu diesen, nicht nach Bestattungen getrennten Reitergrabinventaren, wobei ein eisernes, silbertauschiertes Pektoralkreuz als eindeutiges Zeugnis des Christentums zu werten ist.

Männergrab (Mitte 7. Jahrhundert)

Auf der linken Seite einer 3,30 Meter langen, 2 Meter breiten und 1,75 Meter tiefen, West-Ost-orientierten Grabgrube lagen die Skelettreste. Der Schädel ruhte auf einer Steinplatte. Rechts des Oberkörpers fand sich ein Schildbuckel, etwas oberhalb zahlreiche Bestandteile des Pferdegeschirrs. Am Fußende lag rechts nach unten gerichtet die Lanzenspitze, nach links folgten zwei schlüssellochförmige Beschläge, ein tauschierter Eisenring und Scherben eines großen Tongefäßes. Oberhalb davon lagen zwei weitere schildförmige Beschläge, und wiederum oberhalb dieser war ein Knickwandgefäß. Bei den Unterschenkeln fanden sich bronzene Riemenzungen, an den Knien der Sporn. In der Gegend der Oberschenkel war mit der Spitze nach unten die Spatha mit Scheide deponiert, im Hüftbereich fanden sich eine tauschierte und eine unverzierte Eisenschnalle sowie zwei Bronzeschnallen. Oberhalb der Spatha lag mit der Spitze zum Kopf der Sax mit den Scheidenziernieten, des weiteren fanden sich hier drei Bronzeschnallen und noch mehrere Beschläge. Vom Leibgurt des Reiters haben sich die Reste von acht schlüssellochförmigen Riemenzungen erhalten.

Zwei Sporenpaare (Mitte 7. Jahrhundert)
Aus unbekanntem Fundzusammenhang haben sich vom Pfahlheimer Gräberfeld diese beiden Sporenpaare erhalten.

Männergrab (Mitte 7. Jahrhundert)

Vom ursprünglich sicher reichen Inventar des Grabes waren erhalten beziehungsweise wurden tumultuös geborgen die Beschläge einer vielteiligen Gürtelgarnitur. Sie sind mit Tiergeflechten in Perlrahmen messingtauschiert. Vom Pferdekopfgeschirr stammen ein vierpassförmiger Riemenverteiler, ein Backenriemenbeschlag mit Silberplattierung und Spiralbandmessingtauschierung sowie ein weiterer, andersartig verzierter Backenriemenbeschlag.

Männergrab (2. Hälfte 7. Jahrhundert)

Noch vor den "planmäßigen" Ausgrabungen wurde aus einem Doppelgrab diese ursprünglich wahrscheinlich reichste Bestattung geborgen. Herausragendste Funde sind die Messingbeschläge eines aufwendigen Schwertgurtgehänges. Die Beschläge haben als Dekor gravierte beziehungsweise punzierte Tierköpfe, florale und geometrische Muster sowie als Augen eingelegte kleine Almandine auf gewaffelter Goldfolie. Die hemisphärischen Zierniete sind mit silbernem Perldraht gefasst. Von ähnlicher Qualität sind auch die Metallteile eines prachtvollen Gürtels mit Nebenriemen aus Eisen mit Silberplattierung und Messingtauschierung. Um ein Feld mit unterschiedlichen Tauschiermustern aus Tiergeflecht, S-förmigen Tierzeichen, Waben- und Dreiecksbändern sowie einmal mit verballhornten lateinischen Buchstaben ist ein schmales Punktband als Abgrenzung zum breiten Randdekor aus silberplattiertem Dreiecksband zwischen Messingstegen gelegt. Alle Beschläge haben als zentrales Medaillon ein Almandinrundell in Messingfassung, die Seitenkanten sind bichrom streifentauschiert. Wenn auch vom ehemals sicher vorhandenen Pferdegeschirr nichts erhalten blieb, so weist der eiserne Sporn mit Streifentauschierungen und bichromen Schlaufen- und Tierornamenten auf den Reichtum und die ritterlich-reiterliche Lebensweise des Besitzers hin.

Die Reitergräber
 
 
 


Lanzenspitzen


Acht Riemen-
zungen der
Gürtelgarnitur



Fingerringe



Becken und
Flasche


Topf mit Räd-
chenverzierung























Zaumzeug



Kreuzanhänger
und Beschläge




Schlaufensporn
und Zaumzeug
















Spathagurt

  Naturgemäß sind nicht alle Männergräber im Friedhof so reich ausgestattet, wie die als "adelig" zu bezeichnenden Bestattungen der oben beschriebenen Art. Es gibt auch Reitergräber mit einfacher Zurüstung. Die Waffenausrüstung der alamannischen Krieger im 7. Jahrhundert bestand in der Regel aus einem zweischneidigen Langschwert, einem einschneidigen Hiebschwert, einer Lanze, dem Schild und häufig noch Pfeil und Bogen. In den Gräbern haben sich nur die Metallteile der Waffen erhalten; die lederüberzogenen Holzscheiden der Schwerter, die Holzschäfte der Lanzen und Pfeile sowie der Bogen sind vergangen. Von den lederbespannten Holzschilden haben sich nur der eiserne Griff und der Schildbuckel erhalten, der zum Schutz der Grifföffnung aufgenietet war. Es ist nicht zu entscheiden, ob die Waffenkombination in Verbindung mit der Beigabe von Pferdegeschirr allein die soziale Stellung des Bestatteten bezeichnet. Kriterien können auch die Aufwendigkeit und der materielle Wert der Trachtbestandteile sein, wobei modisch bedingte Zeiterscheinungen zu berücksichtigen sind.

Männergrab (2. Hälfte 6. Jahrhundert)

Wurfbeile wie in diesem Grab sind zu der Zeit längst außer Gebrauch, und es ist anzunehmen, dass das Grab eines der ältesten im Friedhof ist, worauf auch das handgemachte Rippengefäß mit Gitterstempel- dekor hinweist.

Männergrab (um 600)

Die Beigaben weisen auf das Begräbnis eines gewöhnlichen berittenen Kriegers hin, der mit Spatha, Sax, Lanze, Schild, Pferdegeschirr sowie Speise und Trank für die Fahrt ins Jenseits gerüstet war. Von der Spatha sind Griff, Parierstange und Knauf aus organischem Material ebenso vergangen wie die Holzscheide mit umwickeltem Wehrgehänge. Erhalten blieb die Klinge mit Griffangel. Das zweischneidige Blatt ist in der Mitte beidseitig gekehlt und damasziert, das heißt, die Elastizität der Klinge ist durch aufgeschmiedete Bänder aus kompliziert zusammengeschweißten Weicheisen- und Hartstahlstreifen erhöht, wobei sich auf der ursprünglich polierten Klinge ein regelmäßiges Ziermuster abzeichnete (wurmbunte Klinge). Die Herstellung einer derartigen Klinge setzte großes Geschick und metallurgische Kenntnisse des Schwertfegers voraus. Das zweite Schwert, der Sax, eine einschneidige Hieb- und Stichwaffe, wurde im Gegensatz zum zweischneidigen Langschwert, das stets ein gesondertes Wehrgehänge besaß, am Leibgurt getragen. Der breite Rücken geht in eine lang ausgezogene Spitze über. Auf der Klinge befinden sich zwei Blutrillen. Die lange Griffangel zeigt, dass der Sax für Hieb und Stich beidhändig geführt wurde. Von der Scheide, die häufig mit Bronzenieten verziert war, haben sich in diesem Fall keine Reste erhalten. Die schmale Lanzenspitze mit rautenförmigem Querschnitt gehörte ursprünglich zu einer leichten Stoßlanze. Relikt des lederbezogenen hölzernen Rundschildes ist der kalottenförmige Eisenbuckel. Man kann davon ausgehen, dass die Schilde ursprünglich bunt bemalt waren und die Muster wahrscheinlich eine vorheraldische Bedeutung hatten. Das beigegebene Pferdezaumzeug muss von einfacher Art gewesen sein, da Zierbeschläge fehlen und nur die eiserne Trense erhalten ist. In einem Tongefäß, einem großen Krug mit kleeblattförmigem Ausguss aus hartgebranntem, grauen Ton, war dem Toten ein Getränk als Wegzehrung für die Reise ins Jenseits beigegeben. Das Gefäß ist in einer einheimischen Werkstatt auf der Drehscheibe hergestellt, die Verzierungen auf der Gefäßschulter sind mit einem Rollrädchen vor dem Brand aufgebracht.

Männergrab (um 600)

Unterhalb einer jüngeren Bestattung fand sich das gut erhaltene Skelett des etwa 60jährigen, der einen 50cm langen Sax und Pfeile mitführte. Seinen Leibgurt zierte eine dreiteilige eiserne Gürtelgarnitur mit halbkugeligen Messingziernieten. Ein schwarz-grauer Knickwandtopf mit Rädchendekor vervollständigte die spärliche Ausstattung.

Männergrab (1. Hälfte 7. Jahrhundert)

Die gleiche Waffenkombination fand sich in diesem Männergrab. Das Skelett lag in nur 0,50 Meter Tiefe in einer 2 Meter langen und 1,30 Meter breiten Grabgrube. Die Pfeilspitzen fanden sich gebündelt am linken Oberarm, neben dem rechten lag der Sax. Im Beckenbereich wurden eine dreiteilige eiserne Gürtelgarnitur mit silberner Leiterbandtauschierung und halbkugeligen Messingziernieten sowie zwei Messer und ein Feuerstahl gefunden. Zum Leibgurt, an dem der Sax mit nietenverzierter Scheide getragen wurde, gehören noch zwei bronzene Riemendurchzüge.

Männergrab Mitte 7. Jahrhundert

Die Grabgrube maß 2 Meter in der Länge, 1,50 Meter in der Breite und war nur 0,70 Meter tief. Der lange Sax lag neben dem rechten Oberschenkel und vier Pfeilspitzen über den Knien. Dass dieser Krieger mit gleichartiger Waffenkombination aus Sax und Pfeilen mindestens eine Generation später verstorben ist als die Männer mit den martialischen dreiteiligen Leib- gurtgarnituren, zeigen die einfachen Eisenbeschläge seines Gürtels.

Mit diesen relativ einfachen Gräbern ist eine soziale Schicht erfasst, die wohl weit unter den reichen Reitergräbern rangiert; dabei ist zu berücksichtigen, dass sicher noch Zwischenstufen in der materiellen Wertigkeit der Grabausstattungen vorhanden waren, wie sich auch in den Funden aus der Grabung des Völker- kundemuseums in Berlin zeigt. Aus nicht mehr rekonstruierbaren Grabzusammenhängen stammen bi- chromtauschierte Beschläge einer Schwertgurtgarnitur, trianguläre Bronzebeschläge, dreiteilige Gürtelgarnituren, Kämme und Schwertscheidenbeschläge, die beweisen, dass in dem Friedhof von Pfahlheim eine kriegerische Population bestattet war. Obwohl sich das Gräberfeld einer Gesamtbewertung aus den obengenannten Gründen entzieht, zeigt sich im Beigabenspektrum eine straffe soziale Gliederung, die in der Gefolgschaftsstruktur spätgermanischer Prägung begründet war.
Kriegergräber
 



3 Pfeilspitzen

















Lanzenspitze
und Schildbuckel














Saxe
 

Ohne räumliche Trennung von den Männern sind die Frauen auf dem Friedhof am Mühlberg bestattet. Alten Ausgrabungsberichten zufolge wurden Frauen auch in Gemeinschaftsgräbern beigesetzt, während Kindergräber in Pfahlheim aufgrund der mangelhaften Grabungstechnik nicht beobachtet wurden. Moderne Ausgrabungen an anderer Stelle haben gezeigt, dass Kindergräber meist wenig in den Boden eingetieft sind, spärliche Beigaben enthalten oder nur in einem begrenzten Teil eines Friedhofes angetroffen werden.

Frauengrab (1. Hälfte 7. Jahrhundert)

Inventar und Schmuckensemble dieses Grabes sind symptomatisch für die Frauengräber in Pfahlheim. Die 2,50 Meter lange und 1,30 Meter breite Grabgrube wurde etwa 2 Meter südöstlich des reichen Reitergrabes 1891/4 angetroffen. Vom Skelett waren nur noch wenige Teile erhalten, eine allgemeine Erscheinung in diesem Friedhof, die offensichtlich mit den Bodenverhältnissen am Nordhang des Mühlberges in Zusammenhang steht. Am Kopfende, im Westen der 1,40 Meter tiefen Grabsohle, lag eine prächtige goldene Scheibenfibel. Sie besteht aus einer bronzenen Grundplatte, auf der Nadel und Nadelhalter angebracht sind. Die Schauseite ist zweizonig gegliedert: Außen ein Wulst aus vier doppelköpfigen Schlangentieren, die in ihren Mäulern Almandinen in erhabener Fassung halten, innen ein Radkreuz mit zentraler Steinfassung und rautenförmigen kleinen Steinfassungen an den Kreuzarmenden. Die Konturlinien sind mit Goldfiligranen zusätzlich verziert. Christliches Kreuz und heidnische Doppelkopfschlange kommen in der Merowingerzeit häufig zusammen auf einem Schmuckträger vor und sind Zeugnis für die Verschmelzung heidnischer und christlicher Symbolik am Übergang von der Antike in das christlich-abendländische Mittelalter. Unterhalb der Scheibenfibel, die im übrigen zu einer Gruppe rein alamannischer Broschen gehört, lagen 68 Perlen einer Halskette aus einfarbigen braunen, roten, gelben, blauen und weißen Glaßflüssen. Im Becken fand sich eine einfache eiserne Gürtelschnalle, darunter in dichtem Abstand zwei rotbraune Perlen, die eine doppelkonisch mit gelber Strichverzierung, die andere zylindrisch mit drei blaugefassten weißen Punkten. In Richtung Fußende lag ein kleines eisernes Messer mit verziertem Beingriff in einer Lederscheide und eine zierliche kleine Bronzenadel mit Tierkopfende. Weiter unten folgten ein Paar bronzene Riemenzungen mit farcettiertem Rand und Würfelaugenzier, und am Fußende lag auf den Resten von grobem Leinen ein Bronzering mit eingefasster, durchbrochen gearbeiteter bronzener Zierscheibe, in dessen Näher noch eine größere Riemenzunge und ein Paar kleine Riemenzungen lagen. Daneben standen ein Henkelgefäß aus rotem Ton, das nicht erhalten ist, und ein schwarzes Gefäß mit Kreuzstempeln auf dem Schulterumbruch. Im Grab verteilt fanden sich noch einige kleine Bronzebeschläge, die funktional nicht eindeutig zugewiesen werden können, wahrscheinlich aber zum Gürtelgehänge gehören.
Aufgrund dieses Befundes kann die Tracht der Pfahlheimer Dame aus Grab 8 in Analogie zu vergleichbaren alamannischen Funden in wesentlichen Zügen rekonstruiert werden: Über einem leinenen, knapp über die Knie reichenden Kleid, dessen Ausschnitt am Hals durch die goldenen Scheibenfibeln zusammengehalten wurde, trug die Tote eine Kette aus verschiedenfarbigen Perlen. Um die Taille schlang sich ein Leder- oder Textilgürtel mit einfacher Eisenschnalle, von dem an der linken Seite lederne, verschieden lange Bänder herabhingen, an denen das Messer, die beiden Perlen und schließlich die Riemenzungen sowie die durchbrochene Zierscheibe mit Ring befestigt waren, wobei der Zierscheibe und den beiden Perlen Amulettcharakter beigemessen werden darf. Die Beine steckten wahrscheinlich in Leinenstrümpfen, die unterhalb der Knie von einer Art Strumpfhalter, den "Wadenbinden" gehalten wurden, während bronzene Riemenbeschläge unter dem Rocksaum hervorlugten. Das lederne Schuhwerk war mit Riemen versehen, die ebenfalls in bronzenen Zungen endeten. Die kleine Bronzenadel mit
Tierkopfende, die im Bereich der Oberschenkel gefunden wurde, hielt vermutlich einen Umhang oder ein Leichentuch zusammen. Zur alamannischen Frauentracht des 7. Jahrhunderts, so wie sie sich in diesem Grab darstellen lässt, gehören normalerweise noch Ohrringe.
Wenn auch die Ausstattung dieses Frauengrabes im Vergleich zu den Männergräbern bescheiden anmutet, so darf doch angenommen werden, dass die Tote der gleichen sozialen Schicht angehörte wie die Reiter. Allgemein ist festzustellen, dass der Trachtenschmuck in der Frauenmode des 7. Jahrhunderts weit weniger aufwendig war als in der älteren Merowingerzeit, wo das archäologische Bild von paarig getragenen Bügel- und Scheibenfibeln, Haarpfeilen, Halscolliers, Handgelenksringen und weiteren Accessoires bestimmt ist. Der grundlegende Wandel in der Frauenmode vollzog sich im späten 6. Jahrhundert und hatte die beinahe stereotype Schmuckkombination Ohrringe, Brosche, Perlenkette, Gewandnadel, Gürtelgehänge, verzierte Strumpfbandenden und Schuhriemengarnituren zum Ergebnis.

Frauengrab (Mitte 7. Jahrhundert)

In diesem Grab fanden sich am Schädel ein Paar silberne Ohrringe mit Polyederverschluss und im Halsbereich eine Kette aus 32 Glasfritteperlen. Zum Schuhzeug gehörten verzinnte Bronzeschnällchen mit den entsprechenden Beschlägen und flechtbandverzierten Riemenzungen.

Frauengrab (7. Jahrhundert)

Unterhalb einer Männerbestattung mit Sax und Lanze fand sich eine weibliche Grablege, von deren Schmuck sich im Schädel zwei silberne Ohrringe, in der Hüftgegend die Bronzenadel mit S-Tierkopf und ein Messer, bei den Knien die geöste Tigermuschel sowie zwischen den Unterschenkeln die bronzene, durchbrochene Zierscheibe mit spiegelbildlicher Menschendarstellung, ein Bronzering und ein Paar tierstilverzierte Pressblechriemenzungen der Strumpfbänder erhalten hatten. Zum Schuhzeug gehörten dreieckige Riemenbesätze und punzverzierte Riemenzungen.

Frauengrab (Anfang 7. Jahrhundert)

Eine weitgehend entsprechende Trachtausstattung weist auch dieses Grab auf. Der silberne Polyederohrring, die Halskette aus 32 Glasfritteperlen und einem Bergkristall sowie die bronzene Gewandnadel mit Polyederkopf, Strumpfband- und Schuhriemengarnitur sowie die durchbrochene Zierscheibe aus Bronze mit Elfenbeinring passen in den üblichen Beigabenkanon. Ungewöhnlich ist ein sogenanntes "Webschwert" das aus einer damaszierten zweischneidigen Spatha hergerichtet ist. Das 41 cm lange Gerät gehört zu den Utensilien häuslicher Frauenarbeit und findet sich als symbolträchtige Beigabe eigentlich nur in reichen Frauengräbern der älteren Merowingerzeit. Außergewöhnlich sind schließlich der bandförmige goldene Fingerring mit Filigrandekor und ein offener silberner Fingerring mit Punzverzierung, die auf die möglicherweise besondere Stellung der Toten innerhalb der Sozialstruktur der Pfahlheimer Bevölkerung des frühen 7. Jahrhunderts hinweisen.

Scheibenfibel (1. Hälfte 7. Jahrhundert)
Die runde Eisenplatte mit tauschierten Treppenbändern und Pilzzellen sowie einem zentralen Niet ist einer bronzenen Grundplatte mit vergoldetem umlaufenden Tierfries aufgesetzt.

Gewandnadel (7. Jahrhundert)
Ein Einzelfund ist auch die bronzene Gewandnadel mit Silbermanschetten, facettiertem und gepunztem Schaft, deren Kopf aus zwei gegenständigen Schlangentieren gebildet ist.


Frauengrab (1. Hälfte 7. Jahrhundert)


Nicht nur von seiner Lage im Bereich der reichen Reitergräber her muss auch dieses Grab ursprünglich ein außergewöhnliches Beigabenspektrum gehabt haben. Ein Unikat ist das Unterteil eines konischen, fußlosen Bechers aus transluzidem kobaltblauem Glas mit aufgeschmolzenem Netzwerk aus glatten und gekniffenen dicken Glassträngen. Genaue Parallelen sind im gesamten Fundmaterial der Merowingerzeit nicht zu erbringen, so dass eine Herkunft aus fernen Ländern anzunehmen ist. Unscheinbar, aber doch bedeutsam sind die Bruchstücke einer zylindrischen Amulettkapsel mit rechteckiger Ösenplatte aus Bronzeblech. Sie wurde am Gürtelgehänge getragen und enthielt vermutlich geweihtes Harz, Kerzenwachs, Kräuter oder Textilien.
Bruchstück eines blauen Glasbechers Glas; H 8,2 cm (FG 362) (Abb.)

Besondere Bedeutung haben die Gürtelgehänge. Durchbrochene Zierscheiben, Tigermuscheln, Ketten- gehänge und die Amulettkapsel weisen auf die magische, von Ängsten geprägte Vorstellungswelt ihrer Trägerinnen hin. Dabei ist aber nicht zu entscheiden, ob die Amulette im Heidnischen oder Christlichen begründet sind. Tierornamentik und Kreuzzeichen kommen auf denselben Schmuckträgern vor, Broschen sind eindeutig mit dem Kreuz verziert. In allen Bereichen des Lebens zeigt sich auch bei den Alamannen aus dem Reihengräberfriedhof von Pfahlheim ein ausgeprägter Synkretismus, der bei den Frauenbestattungen besonders deutlich ist. Ob Glaube oder Aberglaube, Christen waren diese Alamannen im 7. Jahrhundert aber allemal.

Frauengrab (Ende 7. Jahrhundert)


Das fortgeschrittene Christentum dokumentiert schließlich auch eines der spätesten Frauengräber im Friedhof, das in geringer Tiefe oberhalb einer älteren Männerbestattung angelegt war. Am Schädel fanden sich verschiedenartige, große Ohrringe aus Bronze, die das Grab in das späte 7. Jahrhundert datieren, und auf der Brust eine Brosche mit Pressblechauflage über eiserner Grundplatte. Ein zentrales Perlkreuz im Flechtbandring mit drei passähnlichen Schlaufen zwischen den Kreuzarmen ist das Ziermotiv. Die Beigabenarmut dieses Grabes mit ansonsten gut erhaltenem Skelett deutet auf das allmähliche Abflauen der Beigabensitte in der Zeit um 700 nach Christus und ist nicht relevant für seine soziale Einstufung.


In der zweiten Hälfe des 7. Jahrhunderts wurden aufwendige Kettengehänge getragen und entsprachen funktional den Gehängen mit durchbrochener Zierscheibe. Wie diese hatten sie eine für die Träger schutzbringende, unheilabwehrende Bedeutung. Der Typus der Pfahlheimer Kettengehänge ist regional auf das nördliche und östliche Alamannien in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts beschränkt und in seinem Vorkommen an reiche Frauengräber gebunden.

Kettengehänge (2. Hälfte 7. Jahrhundert)
Das dreistrangige Kettengehänge ist aus bronzenen Ringgliedern mit drei durchbrochen gearbeiteten, im germanischen Tierstil verzierten Verteilerplatten her- gestellt. Die Ketten enden in Blechtutuli, in die klöppelartige Röhrchen eingearbeitet sind. Wie das Gehänge am Gürtel befestigt war, ist aus der Konstruktion nicht eindeutig ablesbar.

Kettengehänge (2. Hälfte 7. Jahrhundert)
Ein ähnliches Kettengehänge besteht ebenfalls aus drei Strängen mit Ringgliedern, endet in Blechtutuli, besitzt aber nur zwei Verteilerplatten, wobei die funktionale Zuordnung einer gestielten, kreuzförmig durchbrochenen Bronzehohlkugel unklar ist.

Kettengehänge (2. Hälfte 7. Jahrhundert)
Ein drittes Kettengehänge wurde bei den Grabungen des Museums für Völkerkunde in Berlin 1893 gefunden. Von einer ovalen Verteilerplatte mit zwei antithetischen Tieren führen drei kürzere Ketten aus Ringgliedern zu einer runden Verteilerplatte mit vier kreuzförmig angeordneten menschlichen Figuren in Adoranten-Haltung. Die eisernen Verzierungen an den Kettenenden sind nicht erhalten.

In der Zusammenschau der Pfahlheimer Frauengräber zeigt sich keine allzubreite Fundvielfalt. Ohrringe, Broschen, Glasperlenketten, Strumpf- und Schuhbänderbesätze sind Bestandteile des zeitgenössischen Frauenschmuckes.

Die Frauengräber
 



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Frauengrab-Fund
7. Jahrhundert



Frauengrab-Fund
Anfang
7. Jahrhundert




Scheibenfibel




Glasbecher


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Kettengehänge

 
 
                         
 
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