Der Wiederaufbau

Englische Flagge English Summary Französische Flagge Résumé en français
Wiederaufbau der Südseite des Zeughauses
Wiederaufbau der Südseite des Zeughauses. Der Lindenflügel wurde als erster entkernt und im Inneren mit einem Stahlskelett versehen. Aufnahme 1950.
(Sächsische Landesbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek)

Von 1948-1950 erstreckte sich die erste Phase des Wiederaufbaus. Im Auftrag der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung sollte das Zeughaus nach den Entwürfen des Architekten Werner Harting (1904-1987) wieder aufgebaut und zum »Haus der Kultur« umgestaltet werden. Harting hatte in den Jahren 1946-1948 den Wiederaufbau des Weimarer Nationaltheaters geleitet und damit die Grundlagen für seine Spezialisierung auf dem Gebiet des Theaterbaus gelegt.

Die Zielsetzung beim Wiederaufbau des Zeughauses lautete, das Gebäude in seiner ursprünglichen Form wiederherzustellen, d. h. Rekonstruktion der Außen- und Hoffassaden, der Gewölbe im Erdgeschoß sowie Verzicht auf alle Ein- und Umbauten aus dem 19. Jahrhundert, wie der Kuppel über dem Nordflügel, der Wölbung des Obergeschosses, der Glasüberdachung und der Freitreppe im Innenhof.

Die Entscheidung für die originalgetreue Restaurierung der Außen- und Hoffassaden blieb konstant und war von dem in der Folgezeit häufigen Wechsel der geplanten Nutzungsfunktion und der leitenden Architekten nicht betroffen. Die Aufgabenstellung für die Nutzung als »Haus der Kultur« sah als Schwerpunkt ein Theater (Harting plante ein Raumtheater), ein Kino, einen Kammermusiksaal und Ausstellungsräume vor. Ferner war ein Dachgeschoß geplant, das u.a. ein Dachgartenrestaurant mit zwei Aussichtsplattformen an der Südseite aufnehmen sollte.

 Entwurf für ein "Haus 
        der deutschen Kultur" 
        im Berliner Zeughaus
Entwurf für ein "Haus der deutschen Kultur" im Berliner Zeughaus, von Werner Harting (1904-1987),

Im Juli 1949 begannen die Enttrümmerungsarbeiten am Zeughaus. Geplant war, daß zum 1. Juli 1950 das Erdgeschoß des Lindenflügels für eine Ausstellung »Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung« zur Verfügung stehen sollte. Nach dem Einsturz eines Pfeilers im Erdgeschoß des Lindenflügels am 3. April 1950, der vier Gewölbekappen mit sich riß, wurde die gesamte Statik des Gebäudes noch einmal geprüft. Die Untersuchungen ergaben, daß man von falschen statischen Berechnungen ausgegangen war. Die historischen Gewölbe des Erdgeschosses konnten aufgrund des schlechten Zustandes der Pfeiler, Gurtbögen, Gewölbekappen und Entlastungsdecken - die Druckfestigkeit des Gesteinsmaterials lag deutlich unter dem zulässigen Wert - nicht wie geplant erhalten werden. Nachdem man am 3. August 1950 mit den Abbrucharbeiten an der Westecke des Südflügels begonnen hatte und der katastrophale Zustand des Steinmaterials sich erneut bestätigte, wurde am 8. August 1950 mit dem Einreißen der Pfeiler begonnen. Sämtliche tragenden Teile, mit Ausnahme des Außenmauerwerks, wurden eingerissen und durch eine Stahlkonstruktion ersetzt, welche die gesamte Eigen- und Nutzlast aufnehmen sollte. Auch die alten Fundamente im Gebäudeinneren mußten durch neue ersetzt werden. Aus der Übernahme des alten Pfeiler-Pilaster-Systems ergab sich die Notwendigkeit der Überspannung großer Stützweiten. Deshalb entschied man sich im Erd- und Obergeschoß für eine Spezialdecke aus Stahlbetonfertigteilen, deren Längs- und Querrippen ohne Verschalung am Bau vergossen werden konnten.

Der Einbau des Stahlskeletts 
in den Südflügel (1950)
Der Einbau des Stahlskeletts in den Südflügel, Aufnahme 1950.

In der Folgezeit bestand der Wiederaufbau aus zwei Teilen; zum einen aus der originalgetreuen Wiederherstellung der Barockarchitektur der Fassaden unter Verwendung und Ergänzung der historischen Bausubstanz, zum anderen aus der Planung und Umsetzung einer völlig neuen Innenarchitektur. Letztere vollzog sich vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung und ist zugleich eine Widerspiegelung derselben. Mit der Gründung der beiden deutschen Staaten im Jahre 1949 kam es in der Folgezeit auch beim Wiederaufbau des Berliner Zeughauses zu Veränderungen sowohl in der inhaltlichen Aufgabenstellung als auch in der Person des leitenden Architekten und der Entwürfe für die Innenarchitektur. Anfang 1950 wurde der ursprüngliche Schwerpunkt vom Haus der Kultur, der Theaterbau, zugunsten weiterer Ausstellungsräume fallengelassen.

Der entkernte Ostflügel (1951)
Der entkernte Ostflügel, Aufnahme 1951.

Der Auftraggeber - inzwischen das Ministerium für Volksbildung der DDR - plante zu diesem Zeitpunkt, ein »Kulturhistorisches Museum« im Zeughaus einzurichten. Im Sommer 1950 spitzte sich die Frage zu, ob Harting, der im Westteil der Stadt lebte, weiterhin als leitender Architekt unter Vertrag genommen werden sollte. Da Harting nicht bereit war, in den Ostteil der Stadt überzusiedeln, wurde ein Vertrag mit dem Ministerium für Aufbau geschlossen, das seinerseits den Architekten Otto Haesler (1880-1962) mit dem Aufbau des »Museums der deutschen Geschichte« betraute, wie die inhaltliche Aufgabenstellung zu diesem Zeitpunkt lautete. In der Folgezeit des Wiederaufbaus blieb diese geplante Nutzung ab Mitte September 1950 konstant.

Dieser erneuten Veränderung der Nutzungsfunktion ging im Juli 1950 der III. Parteitag der SED voraus. Auf ihm wurden Fragen der Geschichte und der Entwicklung der marxistisch-leninistischen Geschichtswissenschaft behandelt und die Forderung nach der wissenschaftlichen Ausarbeitung der Geschichte Deutschlands und seiner Arbeiterbewegung »zur richtigen Erziehung der heranwachsenden Generation und zur Entfaltung des Kampfes für die nationale Einheit Deutschlands« erhoben. Der im Anschluß daran auf einer Sitzung des ZK der SED am 16. August 1950 gefaßte Beschluß, in Berlin ein »Geschichtliches Museum« zu gründen, bildete den Ausgangspunkt für die Gründung des Museums für Deutsche Geschichte. Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Mitarbeitern des Instituts für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED unter der Leitung von Eduard Ullmann, entwickelte dafür bis September 1950 erste inhaltliche und organisatorische Vorstellungen. Ein weiterer Beschluß des ZK der SED vom 18. September 1950 enthielt erste konzeptionelle Überlegungen zur inhaltlichen Aufgabenstellung des Museums sowie zum wissenschaftlichen Apparat. In der Frage der Namengebung entschied man sich für ein »Museum der deutschen Geschichte«, das seinen Sitz in dem im Wiederaufbau befindlichen ehemaligen Zeughaus haben sollte.

Diese Veränderung innerhalb der geplanten Nutzung des Zeughauses während seines Wiederaufbaus - 1948 »Haus der deutschen Kultur« und im September 1950 »Museum der deutschen Geschichte« - macht deutlich, daß die Gründung des Museums für Deutsche Geschichte (Bezeichnung seit September 1951) letztendlich eine unmittelbare Reaktion von seiten der DDR auf die politische Entwicklung des Jahres 1949, auf die Teilung Deutschlands war.

Das Hauptportal des Zeughauses (1979)
Das Hauptportal des Zeughauses, Aufnahme 1979.

Von Ende September 1950 bis Anfang 1952 dauerte die zweite Phase der Planung und Realisierung des Wiederaufbaus. In dieser Zeit entwickelte das »Kollektiv Haesler« - dazu gehörten Otto Haesler sowie Karl und Horst Völker - den Vorentwurf und den Entwurf. Otto Haesler hatte sich bereits in den 20er Jahren als ein Vertreter des Modernen Bauens einen Namen im sozialen Wohnungsbau gemacht. Daran konnte er nach 1945 beim Wiederaufbau der zerstörten Altstadt von Rathenow anknüpfen. Im Sommer 1950 wurde Haesler anläßlich seines 70. Geburtstages zum Professor ernannt und mit einer Ausstellung in Berlin offiziell geehrt. Mit Haesler hatte man für dieses wichtige Bauvorhaben nicht nur einen international anerkannten Architekten gewonnen, sondern auch einen, der sich nach 1945 zur Übersiedlung in die sowjetische Besatzungszone und zu deren Wiederaufbau entschlossen hatte. Dieser Schritt - der von allen als politisch motiviert interpretiert wurde - dürfte eine wichtige Voraussetzung dafür gewesen sein, daß er mit dem Projekt betraut wurde.

Seit den 20er Jahren arbeitete Otto Haesler mit Karl Völker (1889-1962) eng zusammen. Nach 1945 setzten sie ihre Zusammenarbeit in Rathenow und auch am Berliner Zeughaus fort. Anfangs stützten sie sich auf die von Harting entwickelten Pläne, entfernten sich jedoch zunehmend mit der endgültigen Klärung des Raumnutzungsprogramms davon. Im Erdgeschoß des Lindenflügels planten sie ein repräsentatives Foyer, von dem aus auf beiden Seiten einläufige Treppen in der Eingangshalle in einem Winkel von 90° zum Obergeschoß führten. Die Anordnung der Treppen ging auf Hartings Entwurf zurück, allerdings wurden sie von Haesler/Völker massiver geplant. Im Erdgeschoß des Ostflügels sah ihre Planung Ende 1951 einen Erfrischungsraum und einen Kinosaal vor, im Erdgeschoß des Westflügels eine Bibliothek. Die Nordhalle sollte für Ausstellungszwecke zur Verfügung stehen, ebenso das Obergeschoß mit einer Ausstellungsfläche von ca. 5800 qm, für das keine feste Raumeinteilung vorgesehen war. Im Dachgeschoß - es sollte erstmalig ausgebaut werden, eine Planung, die ebenfalls auf Harting zurückgeht - war ein innerer Umgang vorgesehen. Daran schlossen sich Verwaltungs- und Arbeitszimmer, Werkstätten und Ateliers an. Lagerräume mit Oberlichtbeleuchtung und abgeschrägter Deckenführung waren zu den Außenwänden hin geplant.

Das gemeinsame architektonische Werk von Haesler und Völker stand in den Traditionen der 20er Jahre. Ihre vom »Neuen Bauen« geprägte Architekturauffassung kam auch bei der von ihnen geplanten Innenarchitektur für das Zeughaus, unter Berücksichtigung der historischen Bausubstanz, zum Tragen. Ihre Entwürfe zeichneten sich durch Sachlichkeit aus. Sie waren in ihrem Wesen schlicht und zugleich durch eine interessante Farbigkeit kontrastiert - im Geist der klassischen Moderne.

Der Kalte Krieg fand auch in der Architekturentwicklung der DDR zu Beginn der 50er Jahre seinen Niederschlag. Mit der Gründung der Deutschen Bauakademie im Dezember 1951 war das neue Programm des »Nationalen Bauens« formuliert worden, das zugleich die Verurteilung des Formalismus des Bauhausstils und des Funktionalismus beinhaltete. Die Zeughaus-Entwürfe der Architekten Haesler/Völker wurden zwar Anfang 1952 nicht offiziell verworfen - »im Prinzip bestätigt« lautete die Formulierung -, aber praktisch nicht umgesetzt. Neben der dogmatischen Architekturauffassung gab es zu dieser Zeit in der DDR die Tendenz, freischaffende Architekten immer mehr zu verdrängen. An ihre Stelle traten VEB Projektierungsbüros; sie ermöglichten eine stärkere staatliche Kontrolle und deren Mitsprache, zugleich sollten sie kostensparend wirken.

Die Eingangshalle des Zeughauses (1979)
Die Eingangshalle des Zeughauses. Aufnahme 1979.

Der Vertragsabschluß mit dem »Entwurfsbüro für Hochbau II Berlin« vom 14. März 1951 leitete die dritte Phase des Wiederaufbaus ein. Der Chefarchitekt in dieser Zeit war Theodor Voissem. Ab März 1952 entstanden neue Entwürfe für die Innenarchitektur des Zeughauses, die im wesentlichen von der Raumaufteilung, wie sie Haesler/Völker gefunden hatten, ausgingen, aber eine historisierende Architektursprache im Sinne des »Nationalen Bauens« verwendeten. Die bis zum Frühjahr 1953 entwickelten Entwürfe für den gesamten Innenausbau des Gebäudes erfuhren aber nur eine eingeschränkte Umsetzung. Lediglich in der großen Empfangshalle des Lindenflügels, im Direktionszimmer, sowie bei der einheitlichen Innenarchitektur der Ausstellungsräume im Obergeschoß wurden sie realisiert.

Von 1959-1967 reichte die vierte und letzte Wiederaufbauphase des Berliner Zeughauses. Eine erneute Veränderung der Pläne ergab sich aus der Verzögerung des Innenausbaus, wegen des im Herbst 1953 beschlossenen Sofort-Wohnungsbauprogramms. Die finanziellen Mittel standen in der Folgezeit nur in eingeschränkter Form zur Verfügung. Ausgelöst durch den Tod Stalins im März 1953 und der schrittweisen Abkehr vom Stalinismus hatte sich Ende der 50er Jahre die Architekturauffassung vom »Nationalen Bauen« in der DDR überlebt. Man wandte sich ab von dem repräsentativen Historisierenden und fand zurück zu einer sachlichen Formensprache auch bei der Innenarchitektur des Zeughauses. Die neuen Entwürfe kamen bei der Gestaltung des Kinosaals, der Bibliothek sowie im Erdgeschoß der Nordhalle zum Tragen.

Da das Zeughaus flügelweise wieder aufgebaut wurde, konnte im Lindenflügel, der im Januar 1951 im Rohbau fertiggestellt war, im März 1953 die erste Ausstellung - »Karl Marx« - des Museums für Deutsche Geschichte eröffnet werden. Gleichzeitig wurden große Teile des Ostflügels entkernt und der Rohbau beendet; der Innenausbau verzögerte sich jedoch aus den oben genannten Gründen. Die West- und Nordflügel waren bis 1959 im Rohbau fertiggestellt. Der endgültige Innenausbau konnte 1967 abgeschlossen werden.

Der Wiederaufbau, in erster Linie der Innenausbau des Zeughauses, ist im Ergebnis ein Spiegelbild der politischen Entwicklung und des damit verbundenen Wandels der Architekturauffassung in der DDR innerhalb des ersten Jahrzehnts ihrer Existenz.

[Zurück zur DHM-Homepage]

[Zurück zur Zeughaus-Homepage]

[Weiter]