Die Elemente des Wirtschaftswunders waren vielfältig
und zunächst zusammenhangslos. Zur Mitte der fünfziger Jahre
waren sie allerdings glückhaft miteinander verbunden. Der Marshallplan
war eine nicht zu unterschätzende Initialzündung. Aber was
die eine Hand gab (4,5 Milliarden Dollar), nahm die andere: Reparationszahlungen,
Besatzungskosten, Kohleexport und Schuldendienst. Für die achtzehn
westeuropäischen Länder standen im Finanzjahr 1950/51 etwa
12 Milliarden Dollar zur Verfügung. Hinzu kamen die Rohstoff- und
Sachschenkungen, einen legendären Stellenwert nahm dabei das Care
Paket ein. Ein weiteres Element war die vom französischen Außenminister
Robert Schuman im Sommer 1950 entworfene Montanunion. Es war ein Vorschlag
zur Friedensordnung in Europa. In ihr sollten die deutsche und französische
Kohle- und Stahlproduktion überwacht werden - eine Art supranationale
Rüstungskontrolle. Im April 1951 wurde das Vertragswerk unterzeichnet.
Es bremste zunächst den Wirtschaftsaufschwung, da die Bundesrepublik
ihre Kohle nun unter Weltmarktpreisen verkaufen mußte und sie
für die eigene gestiegene Stahlproduktion von dort teuer zurückkaufte.
Dennoch - die breite Zustimmung der westlichen Nachbarn zu einer übernationalen
Wirtschaftsführung und ergänzende Verhandlungen bildeten in
den kommenden Jahren die Voraussetzung für die Europäische
Wirtschaftsgemeinschaft. Sie begann 1957 mit den Römischen Verträgen
(EWG), die für Westdeutschland die Märkte in den Benelux-Staaten,
Frankreich und Italien öffneten. Der Verlust der Agrarflächen
in Ost- und Mitteldeutschland war dadurch kompensiert, und die Einfuhr
aus jenen Ländern erweiterte spürbar unter anderem den Speiseplan
für die Westdeutschen in den kommenden Jahren.
Mit dem Angriff des kommunistischen Nordkorea auf
Südkorea begann am 25. Juni 1950 der Koreakrieg - und in seiner
Folge der "Koreaboom". Dieses Ereignis am anderen Ende der Welt nahm
auf die weitere wirtschaftliche und politische Entwicklung der Bundesrepublik
entscheidenden Einfluß. Die beiden Weltmächte USA und UdSSR
standen sich auf dem Kriegsschauplatz Korea gegenüber. Die Furcht
vor einer vergleichbaren kommunistischen Expansion in Europa beschleunigte
die Diskussion um eine Wiederbewaffnung Westdeutschlands. Die ersten
Überlegungen zu einer Europaarmee mit deutscher Beteiligung kamen vom
britischen Premierminister Winston Churchill im Sommer 1950. Diese Vorschläge
stießen auf eine breite Ablehnung - nicht nur unter den demilitarisierten
Deutschen, auch in Frankreich weckte die Vorstellung einer Bewaffnung
seines "Erbfeindes" alte Ressentiments. Die jahrelangen Verhandlungen
über eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft brachte schließlich
die französische Nationalversammlung 1954 zu Fall - eine große
Enttäuschung für Konrad Adenauer. Seit 1954 war aber durch
die Pariser Verträge auch ein Beitritt der Bundesrepublik zur NATO
alternativ geebnet worden, hier gab es den größten Widerstand
von den Oppositionsparteien des Bundestages, der evangelischen Kirche
und den Gewerkschaften.
Der Beitritt zur NATO im Mai 1955 war nach dem
wirtschaftspolitischen nun auch ein militärpolitisches Bekenntnis
zum Westen. Für viele schien damit mutwillig und endgültig
die Tür zur Wiedervereinigung durch die Regierung Adenauer zugestoßen
worden zu sein. Eigene Verteidigungsfähigkeit und die Einbindung
der militärischen Schutzmächte in Westeuropa - vor allem der
Amerikaner - war aber seit 1949 ein unverrückbares Ziel der Ära
Adenauer (1949-1963). Eine militärische Neutralität, verbunden
mit einer Option auf die Wiedervereinigung, wie sie die DDR-Regierung
propagierte, stieß angesichts der sowjetischen Expansionspolitik
seit 1945 bei führenden Politikern im Westen auf tiefstes Mißtrauen.
So wertete die Regierung Adenauer auch die Stalin-Note vom März
1952, die einen Friedensvertrag und die Wiedervereinigung von Bundesrepublik
und DDR skizzierte, als taktisches Störmanöver der Sowjetunion,
um die auf den Weg gebrachte Westintegration zu torpedieren. Ob dies
ein ernstgemeintes Angebot war und die Bonner Ablehnung tatsächlich
eine Chance vertan hatte, läßt sich bis heute nicht eindeutig
klären. Auch das "Tauwetter" im Ost-West-Konflikt nach Stalins
Tod im März 1953 änderte nichts an den unverrückbaren
Zielen des ersten Kanzlers der Bundesrepublik. Die Viermächtekonferenz
über einen deutschen Friedensvertrag in Berlin im Januar 1954 gaben
ihm recht. Die Konferenz scheiterte an der Forderung der Westalliierten
nach freien gesamtdeutschen Wahlen - dies hätte das Ende der SED-Diktatur
und der Sowjetisierung bedeutet. Daran konnte die UdSSR kein Interesse
haben. Inzwischen hatte sich auch die innerdeutsche Grenze zu einer
Staatsgrenze zwischen zwei feindlichen Blöcken verwandelt. Schon
seit Februar 1951 patrouillierte der Bundesgrenzschutz mit 10000 Mann
entlang der Grenze. Ihm standen 50000 Mann der kasernierten Volkspolizei
in der DDR gegenüber.