Rita Voltmer
Franz Irsigler

Die europäischen Hexenverfolgungen
der Frühen Neuzeit -
Vorurteile, Faktoren und Bilanzen

 

"Die Hexenprozesse waren eine der schlimmsten von Menschenhand angerichteten Katastrophen der europäischen Geschichte." Dieser jüngst von Wolfgang Behringer und Günter Jerouschek formulierten Wertung ist sicher zuzustimmen. Trotz und vielleicht gerade wegen ihres katastrophalen Charakters sind die frühneuzeitlichen Hexenjagden immer noch ein großes Faszinosum für Wissenschaftler und interessierte Öffentlichkeit. Die Veröffentlichungen der modernen interdisziplinären Hexenforschung, die Arbeiten über Hexenglauben und Hexenverfolgung vermehren sich fast täglich und kommen gemeinsam mit Wiederabdrucken längst überholter ‚Hexenliteratur' auf den Markt. Nicht weniger intensiv befassen sich fundamental-feministische, esoterische und neuheidnische Zirkel mit den vermeintlichen Hexen der Vergangenheit. Gleichwohl überschneiden sich diese beiden Rezeptions-, Reflexions- und Diskurskreise kaum, wissenschaftliche Erkenntnisse werden von letzteren in der Regel nur interessengeleitet aufgegriffen, meistens jedoch völlig ignoriert oder abgelehnt. Daher verwundert es nicht, wenn in Film, Fernsehen, Yellowpress, historischen Romanen und Internetseiten immer noch mit großer Hartnäckigkeit Klischees, Vorurteile und Fehleinschätzungen über die frühneuzeitlichen Hexenverfolgungen verbreitet werden, die sich - provozierend formuliert - in einem Satz zusammenfassen lassen: Kirche und Staat hätten, motiviert von einer aggressiven Frauenfeindlichkeit, im Mittelalter zumeist rothaarige und besonders hübsche oder alte und besonders hässliche, insgesamt fast neun Millionen Frauen, vorzugsweise Hebammen und Heilerinnen, von lüsternen und perversen Inquisitoren als Hexen verfolgen, foltern und verbrennen lassen, um damit die weiblichen Mitglieder der Gesellschaft zu disziplinieren, ihr geheimes Wissen um Heilkunde, Verhütung und Abtreibung auszurotten und sie gleichzeitig aus dem Berufsleben zu vertreiben, um Männer, nicht zuletzt Ärzte, von unnötiger Konkurrenz zu befreien.
Gegen diese, allenfalls mit Halbwahrheiten geschmückte mythisierende Opfergeschichte, gepaart mit naiver Verschwörungstheorie, hat es die wissenschaftliche Erforschung der Hexenprozesse mit ihren vielschichtigen, keine einfachen Erklärungen anbietenden und oftmals auch divergierenden Ergebnissen immer noch schwer, in der breiten Öffentlichkeit gehört und rezipiert zu werden. Eine Einführung in die komplexe Thematik der europäischen Hexenverfolgungen kommt daher nicht umhin, sich gerade mit jenen historischen Fakten auseinander zu setzen, die den häufigsten Fehlinterpretationen unterworfen sind.

1. Der Begriff
Die Bezeichnung "Hexe" lässt sich erst 1419 in deutschsprachigen Gerichtstexten nachweisen. Glaubte man noch vor 1400 eher an einzelne Zauberer und Zauberinnen, die mithilfe magischer Handlungen Schaden-, aber auch Heilzauber vollbringen konnten, so entwickelte sich im Laufe des 15. Jahrhunderts ein ganz neues Bedrohungsszenario von einer im Geheimen agierenden, schadenstiftenden Hexensekte. Diese gelehrte ‚Erfindung' war Ergebnis einer Symbiose unterschiedlichster Vorstellungen. Hierher gehörten zum einen Geständnisse, die Inquisitoren seit dem 13. Jahrhundert bei Verfahren gegen Katharer und Waldenser erzielt hatten und in denen bereits die Rede von Teufelsanbetungen, nächtlichen orgiastischen Zusammenkünften, Huldigungsritualen an den bösen Geist und Kinderopfern war. Zum anderen flossen auch Elemente antijüdischer Einstellungen und Vorurteile ein in die Imaginationen über die neue Hexen-Ketzersekte, so zum Beispiel die Bezeichnung Sabbat oder Synagoge für den Hexentanz oder die Vorstellung vom Ritualmord an Säuglingen und kleinen Kindern. Theologen wie Augustinus († 430) und Thomas von Aquin († 1274) hatten bereits Theorien über den Teufelspakt entwickelt. Und natürlich gab es den uralten nichtchristlichen Glauben an das Wirken magischer und dämonischer Kräfte, an zauberisches Können, an Schadenzauber, bösen Blick, Tierverwandlung und nächtlichen Flug.

Der Dominikaner Johannes Nider († 1438) fasste diese Vorstellungen in dem um 1437 entstandenen Formicarius systematisch zusammen. Auf dem Basler Konzil (1431-1437), wo sich die hervorragendsten europäischen Gelehrten und Theologen trafen, konnte die Lehre von einem neuen, bisher unbekannten Verbrechen, nämlich der angeblich um 1375 in der Westschweiz zum erstenmal nachweisbaren Erzketzerei der Hexen, enorme Breitenwirkung entfalten. Überdies verlieh das neue Medium des Buchdrucks dem Glauben an die geheime Hexensekte, deren Adepten die christliche Gemeinschaft verlassen, Gott abgeschworen und einen auch durch Geschlechtsverkehr mit dem Teufel besiegelten Pakt geschlossen haben sollten, zusätzlichen Auftrieb und sorgte für Verbreitung. Schriften wie der verhängnisvolle Hexenhammer (Malleus maleficarum, 1486/87) des Dominikaners Heinrich Kramer, genannt Institoris6 († 1505), konnten nun in vielen Auflagen in die Klosterbibliotheken, Universitäten, Gerichte, Amtsstuben, aber auch privaten Haushalte Europas wandern und - geschrieben in der universalen Gelehrtensprache Latein - auch problemlos von den gebildeten Kreisen rezipiert werden.

Ein weiteres, eminent wichtiges Medium, über das der neue Hexenglaube besonders auch in die Köpfe einfacherer Menschen Einzug halten konnte, war die Predigt. So wurden etwa frühe Hexenhinrichtungen in Todi und Rom nach 1425 durch gezielte Predigtkampagnen Bernhardins von Siena († 1444) ausgelöst. Auch illustrierte Einblattdrucke und Flugschriften (so genannte Unholden-Zeitungen) sorgten für eine breite Zirkulation der Hexereikonstrukte; so erlebten Hexendarstellungen gerade um 1500 einen regelrechten Boom. Als Vermittlerinstanzen wirkten Männer wie der wortgewaltige Prediger Johannes Geiler von Kaysersberg, der 1509 ausführliche Kanzelreden über Formen von Aberglauben, Magievorstellungen und Hexenfurcht hielt und dabei sowohl einschlägige Schriften des Johannes Nider als auch den Malleus Maleficarum und die Hexenpredigten des Tübinger Theologen Martin Plantsch als Autoritäten heranzog. Diese Predigten kann Hans Baldung Grien gehört haben, der das so Erfahrene in Hexenbilder umsetzte und damit auch den 1516 erfolgten Druck der Hexenpredigten Geilers illustrierte.

Als Vermittler der neuen Hexenlehre diente auch der Kanoniker Wilhelm von Bernkastel, Chronist der Eberhardsklausener Marienwunder, der durch die Lektüre des Hexenhammer und des Formicarius ein regelrechtes Erweckungserlebnis erfuhr, lieferten ihm diese Werke doch endlich ein Erklärungsmuster für die Krisen seiner Zeit. Seine neu gewonnene Erkenntnis gab er sicher an die zahlreichen Pilger weiter, die das Kloster während des beginnenden 16. Jahrhunderts besuchten und die Muttergottes um Heilung von Verhexungen anriefen.

Während der Glaube an schadenstiftende Magie und gewiss auch die tatsächliche Ausübung magischer Handlungen als anthropologische Grundkonstanten bezeichnet werden können, die wohl in allen Kulturen nachweisbar sind, musste der Glaube an die gotteslästerlichen Hexen, die ihre Schandtaten nur mit Hilfe des Teufels und in der Negation Gottes vollbringen konnten, erst noch seine Verbreitung in Europa und der Neuen Welt finden. Die fünf Komponenten des so genannten elaborierten Hexereibegriffs (Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Hexenflug, Teilnahme am Hexensabbat und Schadenzauber) wurden dabei keineswegs gleichförmig rezipiert und anerkannt. Gerade lutherische Theologen zweifelten grundsätzlich an der Existenz eines Hexensabbats; auf den Britischen Inseln wurden Hexen hauptsächlich wegen angeblicher Schadenzauber verurteilt. Das kumulative Konzept von Hexerei wurde eher zögerlich adaptiert; erst im 17. Jahrhundert findet sich die Vorstellung vom Hexensabbat häufiger unter den Hauptanklagepunkten. Gerade die Verbreitung, Akzeptanz und Intensität des neuen Hexenglaubens bildete aber eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung massenhafter Verfolgungen.

2. Der Zeitraum
Die Wurzeln des Hexenglaubens reichen weit in die mittelalterliche Zeit zurück. Erste Hexenverfolgungen sind nach 1430 vor allem in den Landstrichen um den Genfer See (Herzogtum Savoyen, Piemont, Dauphiné, die Schweizer Kantone Wallis, Waadtland und Bern) festzustellen. Dabei legitimierten sich theologische Konstrukte über die angeblich existierende Hexensekte und eine Prozesspraxis, in deren Rahmen eifrig nach solchen Verbrechern gegen Gottes Weltordnung geforscht wurde, gegenseitig: Das intensive Suchen und Erfragen ‚erschuf' die Hexen gleichsam aus dem Nichts. Harmlose Zaubereibeschimpfungen, wie sie zu allen Zeiten vorgekommen sein mögen, konnten sich nun schnell in ein Hexereiverfahren wandeln und die unter der Folter erpressten Geständnisse bestätigten die Phantasien der inquirierenden Gerichte. Außerdem lieferten die darin geschilderten Wetter- und Schadenzauber eine schlüssige Erklärung für real existierende Krisen und Notzeiten; denn schließlich erlebten die Menschen im 15. Jahrhundert bereits eine erhebliche Klimaverschlechterung, die mit Wetterkatastrophen, Missernten, Teuerung, Unterernährung, Seuchen, Vieh- und Menschensterben verbunden war. Auch die bei den Hinrichtungen öffentlich verlesenen Geständnisse der angeblichen Hexen und Hexenmeister verfestigten das Bedrohungsszenario in den Vorstellungswelten sowohl der Eliten wie der Massen und erhöhten seine Plausibilität.

Von den ersten Hexenverfolgungen ‚infiziert' wurden bald auch die Gebiete am Bodensee und Oberrhein. Hier fanden schon vor 1500 Hunderte von Menschen den Tod. Eine fatale Rolle spielten dabei die prozesstreibenden Aktivitäten des Inquisitors Heinrich Institoris sowie die Rezeption seines in der Tat frauenfeindlichen Machwerks, des Hexenhammer.

Die frühen Hexenverfolgungen am Oberrhein und im Elsass können wahrscheinlich ebenso auf sein Konto gebucht werden wie die fast zeitgleichen Hexenjagden in Lothringen, in der Stadt Metz sowie im Rhein-Mosel-Raum. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts finden sich Verfolgungen in Oberitalien, im Baskenland und in Katalonien, aber auch in Lothringen, Luxemburg und im Deutschen Reich. Nach 1520/ 1530, möglicherweise infolge der Reformation, fanden die Hexenjagden in Zentraleuropa zunächst ein vorübergehendes Ende.

Doch um 1560 und erneut in Koinzidenz mit schweren Krisenphänomenen setzten jene massenhaften Hexenverfolgungen ein, die mit großen regionalen Unterschieden und zeitlichen Verschiebungen bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts reichen sollten, wobei ein absoluter Höhepunkt in der Periode zwischen 1580 und 1650 festzustellen ist. Die Hexenverfolgungen sind demnach eindeutig ein Phänomen der Frühen Neuzeit und nur bedingt des Mittelalters.

3. Die Gerichte
Mit besonderer Hartnäckigkeit hält sich das Vorurteil, Hexenprozesse hätten in ihrer großen Masse vor geistlichen Inquisitionsgerichten stattgefunden. Diese Behauptung kann nicht einmal für die Frühzeit der Hexenprozesse zwischen 1430 und 1500 als korrekt gelten; denn bereits hier waren neben Inquisitoren auch weltliche Gerichte an der Verfolgung angeblicher Hexen und Hexenmeister beteiligt. Gerade der schärfste kirchliche Propagandist von Hexenverfolgungen, Heinrich Institoris, erkannte, dass mit der geistlichen Gerichtsbarkeit keine Erfolge bei der Ausrottung der vermeintlich so gefährlichen Hexensekte zu erreichen waren, und er verlangte ausdrücklich, dass sich die weltlichen Gerichte der Städte und Territorien viel intensiver als bisher mit diesem Extremverbrechen beschäftigen müssten. In jenen Ländern, in denen die Verfolgung des Hexereidelikts weitgehend oder ganz in den Händen der kirchlichen Inquisition lag (Spanien, Portugal, Italien), kann man gerade bei den neuzeitlichen Inquisitionsbehörden einen gemäßigten, ja vorsichtigen Umgang mit dem Hexereidelikt feststellen, war es ihnen doch grundsätzlich nicht darum zu tun, Hexen zu verbrennen, sondern diese als Ketzer eingestuften ‚Verbrecher' reumütig in den Schoß der Kirche zurückzuführen. Auch wenn vor diesen Gerichten Hexerei und Magie verhandelt wurden, setzte die Inquisition meist nur sehr gemäßigt die Folter ein und die Verdächtigten erhielten einen Anwalt. Überdies galten Besagungen, d.h. die im Verhör und unter der Folter erpresste Nennung angeblicher Komplizen, nicht als beweiskräftiges Indiz. Todesurteile wurden deshalb nur sehr wenige verhängt, in Portugal zum Beispiel ordnete die Inquisition insgesamt nur drei Hinrichtungen angeblicher Hexen an. In Spanien erließ der Hohe Rat der Inquisition (supremà) 1536 eine Direktive, nach welcher der Hexenhammer nicht als maßgebliche Richtschnur zu gelten habe. Auf Empfehlung des spanischen Inquisitors Don Alonso Salazar Frias beendete die Supremà außerdem die baskischen Hexenjagden (1610-1614), die im französischen Teil des Baskenlandes schon so viele Opfer in weltlichen Hexereiverfahren gefunden hatten. Dieser obrigkeitlichen Vorsicht stand aber eine Bevölkerung gegenüber, die immer wieder auf Prozesse drängte, und das Verhalten lokaler Gerichte, die, wie zum Beispiel in Katalonien, noch bis 1630 illegale Hexenprozesse mit tödlichem Ausgang führten. Auch im Wirkungsbereich der römischen Inquisition ist eine mäßigende Handhabung des Hexenprozesses festzustellen. Im erzkatholischen Irland gab es nur wenige Hexereiverfahren, in Polen hielten sich die Hexenverfolgungen solange in Grenzen, wie das Hexereidelikt noch in den Bereich kirchlicher Jurisdiktion fiel. Erst nachdem in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sich verstärkt lokale weltliche Gerichte der Hexenverfolgung angenommen hatten, kam es hier zu intensiven Hexenjagden.

Dies darf natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die auf dem Gebiet der Hexenverfolgung moderate Inquisition auf der anderen Seite Juden, Ketzer und nur zum Schein bekehrte Mauren beziehungsweise Juden unnachsichtig verfolgte und dass ein Großteil der geistigen Brandstifter, der Dämonologen und Prozesstreiber aus dem Lager der katholischen wie auch der reformiert-protestantischen Geistlichkeit stammte. In diesem Umfeld wurde auch jenes Hexenstereotyp von der alten, alleinstehenden Frau herausgebildet, die als besonders anfällig für die Verführungskünste des Teufels galt.

4. Die Hinrichtungszahlen
Längst widerlegt ist die Annahme, während der großen Hexenverfolgungen seien neun Millionen Menschen verbrannt worden. Vorsichtige Schätzungen gehen inzwischen von europaweit 60.000 Hinrichtungen aus. Ganz gewiss lag das Zentrum der Hexenverfolgungen im Deutschen Reich und seinen nur noch formal dazugehörigen beziehungsweise später abgetrennten Gebieten im Westen (die Schweiz sowie die Herzogtümer Lothringen und Luxemburg). Statistisch korrekte Hinrichtungszahlen zu liefern scheitert für viele Verfolgungsräume an der zum Teil schlechten Überlieferung und der häufig noch mangelnden Aufarbeitung der Quellen. Ein sinnvoller Vergleich der absoluten Hinrichtungszahlen muss außerdem die Bevölkerungszahlen der jeweiligen Herrschaftsgebiete miteinbeziehen. Darüber hinaus erscheint es sinnvoll, nicht nur die Hingerichteten, sondern auch diejenigen als Opfer zu bezeichnen, die lebend aus einem Hexereiverfahren herauskamen, sei es, weil sie die Folter ungeständig überstanden hatten, sei es, weil sie lediglich verbannt und nicht verbrannt wurden. Diese körperlich und seelisch schwer geschädigten Menschen mussten fortan oft abseits der Gesellschaft ohne den Schutz sozialer Bindungen ihr Dasein fristen. Wie die nicht selten zu Krüppeln gefolterten Frauen und Männer in der Fremde ihren Lebensunterhalt verdient haben beziehungsweise ob und wann sie an den Folgen von Haft und Tortur verstorben sind, geben die Quellen kaum jemals wieder. Und schließlich kam es oft genug zu Lynchjustiz und illegalen Hinrichtungen von Hexereiverdächtigen oder Freigelassenen. Allein zu Beginn des 17. Jahrhunderts sollen auf diese Weise in den Ardennen 300 Menschen ermordet worden sein. Daher können die bislang in der Hexenforschung ermittelten Zahlen lediglich als Richtwerte dienen, die durchaus wieder nach oben oder nach unten korrigiert werden müssen.

Angesichts der 4.000 Verfahren, die allein im protestantischen Mecklenburg geführt wurden, relativiert sich auch etwas das vermeintliche Faktum, katholische Obrigkeiten hätten zumindest im 17. Jahrhundert mehr Verfolgungseifer gezeigt als ihre protestantischen Kollegen. Ein statistischer Überhang der katholischen Verfolgerpartei entstand allein durch die Tatsache, dass die Mehrzahl der 3.000 Herrschaften und Territorien des Deutschen Reiches auch nach Reformation und Religionskriegen die katholische Konfession beibehielt. Immerhin treten besonders die geistlichen Kurfürstentümer Trier (mindestens 1.000 Verfahren), Mainz (circa 2.000 Verfahren) und Köln (über 2.000 Verfahren) mit hohen Verfolgungsraten hervor. Nicht weniger intensiv waren die Hexenjagden in den fränkischen Hochstiften zwischen den Jahren 1626 und 1630 (Bamberg: circa 900 Verbrennungen; Würzburg: circa 1.200 Hinrichtungen). Insgesamt werden mittlerweile für das Deutsche Reich mindestens 25.000 Hinrichtungen angenommen. Doch auch in den zwischen Reich und Frankreich liegenden Herzogtümern Lothringen (circa 3.000 Verfahren) und Luxemburg (circa 3.000 Verfahren) sowie in der Schweiz (circa 4.000 Verfahren) gab es während des 16. und 17. Jahrhunderts einen extremen Verfolgungsdrang.

Zurückhaltender ging man in den europäischen Peripherien gegen die angeblichen Hexen vor. In ganz Skandinavien wurden insgesamt annähernd 2.000 Menschen hingerichtet (Schweden: 300; Finnland: 115; Norwegen: 350; Dänemark: circa 1.000). Zu relativieren sind diese absoluten Zahlen jedoch angesichts der im Vergleich mit Zentraleuropa wesentlich dünneren Besiedlung im Norden Europas. Während in Irland so gut wie keine Hinrichtungen vorkamen, verurteilte man in England etwa 500, in Schottland dagegen rund 1.000 Menschen wegen angeblicher Hexerei zum Tode. Auch hier ist die jeweilige Bevölkerungszahl zu beachten, lebten in England doch viermal so viele Menschen wie in Schottland. Im bevölkerungsreichen Flächenstaat Frankreich, der mit seinen elf Parlamenten bereits über eine starke zentralistische Verwaltungsstruktur und Kontrolle der lokalen Gerichte verfügte, kam es bei einer Einwohnerzahl von rund 20 Millionen zu höchstens 4.000 Hinrichtungen. Auch die Territorien in Osteuropa wurden, wenn auch verspätet, von den Hexenjagden ‚infiziert'. Dabei scheint es besonders in Polen zu massenhaften Verfolgungen mit bislang auf etwa 10.000 geschätzten Hinrichtungen im späten 17. und 18. Jahrhundert gekommen zu sein.

5. Die Konfession
Die Konfession der Gerichtsherren spielte für die latente Bereitschaft, Hexenprozesse zuzulassen beziehungsweise zu führen, offenbar nur eine untergeordnete Rolle. Die protestantische Kurpfalz verhinderte grundsätzlich jede Verfolgungstätigkeit, die calvinistischen Generalstaaten oder die lutherischen Reichsstädte Nürnberg und Rothenburg ob der Tauber standen den Hexenjagden eher ablehnend gegenüber. Andere protestantische Gebiete dagegen erlebten scharfe Verfolgungen. Entscheidend für die Häufung von Hexereiverfahren scheint daher weniger die Konfession als vielmehr die herrschaftliche und gerichtsrechtliche Zersplitterung eines Gebietes gewesen zu sein. Kleine und mittlere geistliche Territorien wie die Reichsabtei St. Maximin, die fränkischen Hochstifte (Fulda, Bamberg, Würzburg, Eichstätt) oder die Deutschordenskommende Mergentheim erlebten deshalb ebenso heftige Hexenverfolgungen wie kleinere, die hohe Gerichtsbarkeit beanspruchende weltliche Adels-, Stadt- und Gutsherrschaften in der Schweiz, im Westen des Deutschen Reiches, in Luxemburg, Lothringen, in Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Schlesien oder in Polen. Flächenstaaten, in denen lokale Gerichte eingebunden waren in einen von gelehrten Juristen kontrollierten Instanzenzug, erlebten dagegen eher weniger Hexenjagden. Das gilt für das Königreich Frankreich ebenso wie für die Herzogtümer Bayern und Sachsen oder die habsburgischen Stammlande.

6. Die Geschlechterverteilung
Ohne Zweifel sind den europäischen Hexenverfolgungen mehrheitlich Frauen zum Opfer gefallen, wenngleich es Gegenden gab, wo wesentlich mehr Männer als Frauen hingerichtet wurden. So adaptierte man in Island nicht das klassische westeuropäische Hexenstereotyp; zwischen 1604 und 1720 wurden hier 110 Männer, aber nur zehn Frauen wegen Hexereidelikten angeklagt. In Estland und Finnland bezichtigte man ebenfalls weitaus mehr Männer als Frauen der Hexerei. Während des 16. Jahrhunderts findet sich auch im westschweizerischen Waadtland ein Verfolgungsgebiet mit einem hohen Anteil männlicher Angeklagter. In einer jüngsten Studie konnte Rolf Schulte eine höchst bemerkenswerte Auffälligkeit bei der Geschlechterverteilung in Hexenprozessen nachweisen. So wurden in katholischen Regionen bis zu 30 Prozent Männer hingerichtet, während in reformiert-protestantischen Gebieten und Territorien (wie zum Beispiel Schweden, Dänemark, den Niederlanden, England und Schottland) 80 bis 90 Prozent weibliche Hingerichtete nachzuweisen sind. Schulte bietet dafür eine einleuchtende Erklärung an: Beeinflusst durch die Ketzerinquisition ging das Anfang des 15. Jahrhunderts in der Westschweiz, in Oberitalien und Nordfrankreich entwickelte Hexerei-Konstrukt noch davon aus, dass Männer wie Frauen gleichermaßen am Hexensabbat teilnahmen. Dies hatte direkten Einfluss auf die Prozesspraxis, mussten doch Personen, die in einen Hexenprozess geraten waren, als Mitglieder der angeblichen Hexensekte sowohl männliche wie weibliche Komplizen besagen. Der ganz auf ein weibliches Feindbild fixierte Heinrich Institoris definierte dagegen allein die Frau als Einfallstor des Teufels. Diese frauenfeindliche Zuspitzung wurde jedoch von katholischen Dämonologen des 16. Jahrhunderts wie zum Beispiel vom Trierer Weihbischof Peter Binsfeld († 1598) erstaunlicherweise nicht übernommen; auch er stellte sich den Hexensabbat als ein orgiastisches Treiben zwischen Frauen und Männern vor. Protestantische Theologen dagegen lehnten mehrheitlich die Vorstellung von einem tatsächlich stattfindenden Hexensabbat grundsätzlich ab. Als nicht weniger bedeutsam für die Ausbildung der konfessionellen Unterschiede erwies sich die uneinheitliche Übersetzung der fatalen Bibelstelle Exodus 22 Vers 17 (Vers 18 nach älteren Bibelausgaben). Legitimiert durch das Tridentinum benutzte die katholische Vulgata das männliche Genus ("die Zauberer sollst du nicht leben lassen"), während Luther die aus dem hebräischen Original stammende - grammatikalisch richtige - weibliche Form anwandte. Damit ging für Protestanten als getreue Bibelexegeten die Hexerei grundsätzlich von Frauen aus.

Wenngleich das von Dämonologen ausgebildete und übrigens auch von Gegnern der Verfolgung (Johann Weyer, Friedrich Spee) adaptierte Hexenstereotyp die arme, alte, verwitwete Frau als angebliche Teufelsbuhlerin in den Vordergrund stellte, wurde dieses Opfermuster jedoch schon bei frühen Verfolgungen wie auch den späteren massenhaften Hexenjagden gegen Ende des 16. und im Laufe des 17. Jahrhunderts immer wieder durchbrochen. Junge, verheiratete Frauen, Kinder, Jugendliche, Männer, Amtsträger und Geistliche gerieten zunehmend in den Hexereiverfahren unter Anklage. Obwohl heute immer noch in unkritischen (Print)medien klischeehaft verbreitet, gehörten jedoch gerade Hebammen nicht zu den bevorzugten Opfern der Hexenjagden.

Insgesamt bieten die europäischen Hexenverfolgungen der Frühen Neuzeit ein recht disparates Bild. Es gab keine große, zusammenhängende Verfolgung auf dem Kontinent über den gesamten Zeitraum hinweg; für die einzelnen regionalen, nicht selten endemisch auftretenden, sich oft aber auch epidemisch ausbreitenden Hexenpaniken ist immer eine Vielzahl verschiedener Ursachen verantwortlich. Nicht jede Hungerkrise führte zu Hexenprozessen, bei weitem nicht aus jedem Zaubereiverdacht entwickelte sich eine gerichtsrelevante Anklage wegen Hexerei; nicht jede Anklage wegen Schadenzauber unterstellte auch den Teufelspakt, nicht jedes Hexereiverfahren endete mit einem Todesurteil, und nicht jeder Zaubereiprozess zog automatisch andere Verfahren nach sich, deren Dynamik in Massenhinrichtungen endete.

Trotz aller zeitlichen und regionalen Unterschiede lassen sich jedoch mehrere gemeinsame Faktoren herausarbeiten, die in Europa intensive Hexenjagden auslösen konnten; in den einzelnen Verfolgungsgebieten mussten sie nicht immer vollzählig, nicht immer gleichzeitig und auch nicht immer in gleicher Intensität auftreten.

1. Die Krisenszenarien
Grundsätzlich muss für die Jahrhunderte zwischen 1400 und 1700 von einer intensiven Umbruchs- und Krisenzeit ausgegangen werden. Die bereits erwähnte, gern als ‚Kleine Eiszeit' bezeichnete Klimaverschlechterung bedingte langfristige Preissteigerungen. In vielen Regionen, wie zum Beispiel in Bayern, Kurtrier und Schleswig-Holstein, fielen Perioden extremer Teuerung mit Perioden extremer Hexenjagden zusammen. Dieser besonders von Behringer betonte Faktor wurde verstärkt durch die bekannten anderen Krisenphänome wie Pestilenz, andere Seuchen und Kriege. Hinzu kam eine tiefgehende Verunsicherung durch Reformation und Gegenreformation, die ihrerseits jeweils stärkere Disziplinierungsversuche bei Landesherren und Kirchen auslösten. In diesem Zusammenhang spricht Behringer von einer allgemeinen ‚Verdüsterung des Weltbildes'. So wurde Heinrich Institoris wohl sicher von apokalyptischen Ängsten vor dem nahen Ende der Welt getrieben und propagierte daher einen mit den Kohorten des Bösen, mit den Hexen, auszufechtenden Endkampf. Auch die Dämonologen des 16. und 17. Jahrhunderts beschworen immer wieder existentielle Ängste herauf. Dass die in gelehrten Kreisen verbreitete Vorstellung auch einfache Menschen erfasste, belegen die Worte eines moselländischen Winzers, der Ende des 16. Jahrhunderts seine Verzweiflung in einen schlichten Satz fasste: "Gott ist tot und der Teufel ist jetzt Meister!"

2. Die Diskurs- und Verbreitungswege von Hexenangst und dämonologischer ‚Ideologie'
Vor dem Hintergrund allgemeiner Ressourcenverknappung, Existenznot und religiöser Verunsicherung konnte der Glaube an und die Furcht vor den heimlichen Machenschaften einer vermeintlich weitverbreiteten Hexensekte auf fruchtbaren Boden fallen. Ein einfacher und unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen Krisenphänomenen und Hexenverfolgungen ist jedoch nicht herzustellen, vielmehr ist ein latentes Klima von Angst, Missgunst, Neid, Habgier und Existenzangst anzunehmen. Damit der neue Hexenglaube breite Akzeptanz finden konnte, bedurfte es der bereits erwähnten Kommunikationskanäle von Predigt und Buchdruck. So wurden in der Stadt Trier die Verfolgungswünsche der Bevölkerung Ende des 16. Jahrhunderts immer wieder von Predigten der Jesuiten angeheizt. Auch die große baskische Hexenjagd Anfang des 17. Jahrhunderts wurde erst durch entsprechende Predigten initiiert. Der Verfolgungskritiker Salazar fasste dies scharfsinnig so zusammen: "Es gab dort weder Hexen noch Verhexte, bevor darüber geredet und geschrieben wurde."
Waren die ersten Hexenprozesse in Gang gekommen, meist bedingt durch einen einzelnen Schadensfall oder durch verheerende Unwetter und Hagelstürme, die den Hexen angelastet wurden, verbreiteten auch die am Verfahren beteiligten Richter, Hexenkommissare, Hexenausschüsse und Zeugen auf ihren Reisen zu Prozessorten und Verhandlungsterminen die sich immer mehr verfestigenden Hexereivorstellungen.

Nicht selten waren Hexenjagden in einem Territorium vorbildgebend für Verfolgungswünsche im Nachbargebiet, ohne dass es hier zwingend einen besonderen Schadensfall oder extreme Krisenphänomene gegeben haben musste. Die Siedlungsdichte spielte sicher eine besondere Rolle, verbreiteten sich doch im dünn besiedelten Norden Europas die westeuropäisch geprägten Vorstellungen von Hexerei aufgrund längerer Kommunikationswege wesentlich langsamer als im dicht besiedelten Zentrum. Wahrscheinlich brachten erst die in den 1640er Jahren aus dem Dreißigjährigen Krieg heimkehrenden Soldaten die Vorstellungen von Teufelskult und Hexensabbat nach Schweden. Andererseits lösten die großen schwedischen Verfolgungen 1668-1676 auch in dem unter schwedischer Verwaltung stehenden Finnland und dort besonders unter der Schwedisch sprechenden Bevölkerung Hexenjagden aus. In Finnland, das als letztes der skandinavischen Länder von der Hexenverfolgung erfasst wurde, tauchte der elaborierte Hexereibegriff erst in den 1660er Jahren auf. Der verantwortliche Richter Nils Psilander hatte das von deutschen Vorstellungen geprägte Hexereidelikt in der baltischen Universität Turku kennen gelernt. Auch auf die polnischen Hexenverfolgungen, die überwiegend im Westen des Landes stattfanden, nahm die deutsche Auffassung des Hexereidelikts und seiner exemplarischen Bestrafung - wenn auch zeitlich verzögert - entscheidenden Einfluss.

Generell darf in diesem Kontext die Multiplikator-Rolle der Universitäten, an denen ganze Generationen von Juristen und Rechtsgelehrten ausgebildet wurden, die als Gutachter, Schöffen und Richter später mit Hexereiverfahren befasst waren, nicht unterschätzt werden. Diese Spezialisten in Sachen Hexenprozess konnten ihre Dienste in mehreren Territorien oder Regionen ausüben und damit entscheidend Beginn, Fortgang und Ende der Verfahren bestimmen.

3. Das Verfolgungsbegehren der Bevölkerung
Die Initiative zur Einleitung von Hexenprozessen ging in der Regel von einer durch Krisen und Anti-Hexen-Propaganda sensibilisierten Bevölkerung aus. Hexenjagden wurden selten von der Obrigkeit gegen den Willen und ohne Mitarbeit der Untertanen durchgeführt: Hexereiverfahren benötigten die belastenden Aussagen der angeblich durch Zauberei geschädigten Personen sowie Denunzianten und Zeugen, die den vermeintlichen schlechten Ruf der Angeklagten und ihr verdächtiges Verhalten bestätigten. Der Verfolgungswunsch ‚von unten' konnte unterschiedlich intensive Formen annehmen. So sind für weite Teile des Deutschen Reiches und für das Herzogtum Luxemburg so genannte Hexenausschüsse belegt, das heißt von den Gemeinden berufene Gremien mit dem expliziten Auftrag, gegen verdächtigte Personen Indizien und belastendes Material zu sammeln, um sie wegen Hexerei vor einem Gericht anklagen zu können. In anderen Teilen des Reiches, etwa in Schleswig-Holstein, kam es zu regelrechten Bürgerinitiativen, in denen die Gemeinde in erstaunlicher Geschlossenheit Prozesse gegen der Hexerei verdächtige Personen forderte. Zwar sind Hexenausschüsse in anderen europäischen Ländern nicht nachweisbar, doch konnte auch dort die an die Obrigkeit gerichtete Forderung, endlich Hexenprozesse zu führen, um die angeblichen Verursacher von Unwetter, Krankheiten und Missernten auszurotten, jenseits friedlicher Petitionen durchaus an Aufruhr grenzende Ausmaße annehmen. So drohten 1661 schottische Bauern dem Earl of Haddington, sein Land zu verlassen, wenn er die von ihnen als Hexen beschuldigten Frauen nicht vor Gericht stelle. Ähnlich drängten 1669 im schwedischen Mora Eltern von vermeintlich verhexten Kindern auf Prozesse. Einzelne Anklagen wegen Schadenzauber mussten aber nicht zwingend zu einer Prozesskette führen. Damit sich das Verfolgungsbegehren von ‚unten' zu massenhaften Verfolgungen auswachsen konnte, bedurfte es zumindest einer weiteren Komponente.

4. Die Verfolgungsbereitschaft der Obrigkeit
Nur wenn die Obrigkeit bereit war, ihren gesamten Justizapparat in den Dienst der Verfolgungen zu stellen, konnten Serien von Hexenprozessen geführt werden, das heißt Fürsten, landesherrliche Regierungen und über Hochgerichtsrechte verfügende Stadträte mussten Hexenjagden zumindest dulden. Dort, wo Obrigkeiten die Verfolgungswünsche der Bevölkerung konsequent unterdrückt und kontrolliert haben, wie zum Beispiel in der Kurpfalz, fanden auch keine Hexenprozesse statt. Bis auf wenige Ausnahmen wurde das Hexereidelikt vor weltlichen Gerichten abgehandelt, doch nicht alle europäischen Länder hatten sich das auf dem Römischen Recht fußende inquisitorische Verfahren mit seiner Zulassung der Folter angeeignet. Auf den Britischen Inseln wurden Hexenprozesse noch rein nach Gewohnheitsrecht vor Geschworenengerichten geführt, die Folter kam nur selten und dann im Grunde illegal zur Anwendung. Hier liegen wichtige Gründe, warum gerade in England nur vergleichsweise wenige Menschen hingerichtet worden sind. Auch in Schottland agierten Geschworenengerichte, doch hier musste der Urteilsspruch nicht einstimmig gefällt werden und überdies war die zentrale Kontrolle der lokalen Gerichte durch staatliche Instanzen geringer. Deshalb wurde hier die Folter häufiger eingesetzt, bezeichnenderweise erst, nachdem die Vorstellung vom Hexensabbat in den Geständnissen aufgetaucht war. Zudem verlangte das englische Gesetz (1542) für Ersttäter keine Todesstrafe, während ein schottischer Erlass (1563) sie für alle der angeblichen Hexerei überführten Personen forderte.

Nicht nur in Schottland bestand ein enger Konnex zwischen der Hexensabbatimagination, den durch die Folter erzwungenen Komplizennennungen (Besagungen) und den massenhaften Prozessen: Wenn die des Hexereidelikts Angeklagten neben dem gütlichen Verhör ohne körperliche Zwangsmittel auch der Tortur ausgesetzt wurden, mussten sie nun nicht nur ein Geständnis ihrer vermeintlichen Zaubertaten ablegen, sondern auch ihre Mitverschwörer nennen, die sie, wie man glaubte, ja beim gemeinsamen Hexentanz gesehen haben mussten. Besonders in einigen Teilen des Deutschen Reiches legte man großen Wert auf die Besagung angeblicher Komplizen, wurden sie doch als Ausgangspunkte für weitere Prozesse genutzt. Dabei galten diese abgepressten Bezichtigungen als beweisrechtliche Indizien, deren Schwere sich mit der Zahl der Besagungen, die sich gegen eine bestimmte Person richteten, erhöhte. Der Theoretiker der kurtrierischen Verfolgung Peter Binsfeld, dessen eiferndes Traktat im gesamten Erzbistum Trier (und damit auch in großen Teilen des Herzogtums Luxemburg), in Kurköln und bis nach Bayern rezipiert wurde, sprach sogar einer einzigen Besagung durch eine geständige Hexe oder einen geständigen Hexenmeister entscheidenden verdachtsleitenden Wert zu. Seiner Ansicht nach konnte ein solcherart diffamierter Mensch schon unter Hexereiverdacht vor Gericht gebracht werden.

Obwohl es auch in den fränkischen Hochstiften Hinweise auf Verfolgungsbegehren von unten gibt, sind die dortigen massenhaften Verfolgungen eher Beispiele für von der Obrigkeit angezettelte, gebilligte und geförderte Hexenjagden. Auch hier wurde den Besagungen vermeintlicher Komplizen große Bedeutung beigelegt.

5. Die Hexenjäger
Hexenprozesse konnten ohne eine große Anzahl von Spezialisten nicht durchgeführt werden. Dazu gehörten Rechtsgelehrte und Richter, Schreiber und Notare, aber auch Büttel und Henker. Bei allen großen europäischen Verfolgungen finden sich in diesem Bereich herausragende Förderer und Nutznießer der Hexenprozesse. So sind die burgundischen Hexenjagden eng mit dem Namen des Richters Henri Bouget († 1619), die baskischen Hexenprozesse mit dem seines Kollegen Pierre de Lancre († circa 1630), die Verfolgungen im Herzogtum Lothringen mit dem Generalprokurator Nicolas Remy († 1612) verknüpft. Zwischen 1645 und 1647 wurden in Ostengland Verfahren durch den ambitionierten Hexenfinder Matthew Hopkins († vermutlich 1647) vorangetrieben, isländische Hexenprozesse nach 1650 fanden unter der Leitung Sheriff Iporleifur Kortsson statt. Die Hinrichtungsrate im Hochstift Bamberg wäre ohne den fatalen Einfluss des Weihbischofs und Dämonologen Friedrich Förner († 1630) sicher weniger hoch ausgefallen. Verhängnisvolle Rollen spielten 1626 der Hexenkommissar Berend Nobis in Schleswig, sein Kollege Heinrich von Schultheiß († 1646) in den kurkölnischen Verfahren, der Hexenrichter Balthasar Nuß (oder Roß) († 1618) in der Fürstabtei Fulda und der Jurist Daniel Hauff († 1666) in Esslingen. Sie gaben sich als überzeugte Kämpfer gegen die auszurottende Hexensekte und sie zeigten kein Erbarmen mit ihren Opfern. Zusätzlich getrieben wurden sie von ausgeprägtem Sendungsbewusstsein, Geltungssucht und dem Drang, ihre in Hexenprozessen gemachten Erfahrungen publizistisch zu verbreiten und im Nachhinein zu legitimieren. So veröffentlichten Nicolas Remy 1591 seinen Bericht über die lothringischen Verfolgungen (Daemonolatria; Vom Teufelskult) und Henri Bouget 1602 seine Abhandlung über die Hexen (Discours des Sorciers). Ihnen folgte 1612 Pierre de Lancre mit einer Schrift über die Unbeständigkeit der bösen Engel und Dämonen (Tableau de l'inconstance des mauvais anges et démons). Friedrich Förner verfasste in den 1620er Jahren eine Sammlung mit Hexenpredigten für jeden Tag des Jahres, und Heinrich von Schultheiß bemühte 1634 die Buchdrucker mit seiner Anleitung, wie ein richtiger Hexenprozess zu führen sei. Die unzähligen Gerichtspersonen, Gutachter, Kommissare und Notare erlangten durch ihre Beschäftigung in Hexenprozessen oft eine bemerkenswerte soziale Machtstellung, die manchmal, wenngleich nicht immer, auch mit finanziellen Vorteilen verknüpft war. Bekanntlich spielte aber die Erlangung von sozialem Kapital eine mindestens ebenso wichtige Rolle wie der wirtschaftliche Zugewinn. Schon die Zeitgenossen haben diesen mittlerweile gern als Überzeugungstäter bezeichneten Männern Blutdurst und Profitgier vorgeworfen. Ihr heute kaum mehr begreifbares Verhalten blieb meist ungesühnt; nur einige von ihnen fanden ein unrühmliches Ende. So fiel Daniel Hauff wohl einem Mordanschlag zum Opfer und Balthasar Nuß (oder Roß) starb unter dem Henkersschwert. Einige Hexenrichter wurden sogar selbst der Hexerei angeklagt.

6. Die Herrschaftsdemonstration
Im Kontext der Herrschaftspraxis beeinflusste die Handhabung von Gerichtsrechten maßgeblich den Fortgang der Verfolgungen. Mit der gebotenen Intensität befasst sich deshalb die aktuelle Forschung mit Fragen nach dem in den einzelnen Hochgerichten und Verwaltungseinheiten jeweils vorherrschenden Gerichtssystem, nach der Verfahrenspraxis, dem vorgeschriebenen Instanzenweg, der Anbindung an übergeordnete Gerichte und nach dem Wirkungsbereich bestimmter Rechtskodifikationen. Schon Brian P. Levack betonte, dass gerade in Ländern, wo eine ausgeprägte zentrale Kontrolle die Willkür lokaler Gerichte bremste, Hexenverfolgungen keine massenhaften Ausmaße annehmen konnten. Bestes Beispiel dafür ist das Königreich Frankreich. So trug die Spruchpraxis des 1633 im eroberten Teil Lothringens eingerichteten parlement de Metz maßgeblich zum Ende der lothringischen Verfolgungen bei. Mit der Kontrolle über die Hexereiverfahren und der langsamen Entmachtung der lokalen Gerichtsgewohnheiten verfolgte diese Instanz aber auch ganz dezidiert das Ziel, Lothringen in den französischen Staat einzugliedern. In einem ähnlichen Kontext steht die von Ludwig XIV. 1669/70 durchgeführte Begnadigung von zwölf verurteilten Hexen aus Rouen, weil der französische König unter anderem die Autonomie der lokalen Gerichtsbarkeiten beschneiden wollte. Zwölf Jahre später verbot er generell die Führung von Hexenprozessen.

Wie bereits festgestellt, gab es schwere Hexenverfolgungen auffallend häufig in kleinen und mittleren Herrschaften und Territorien, wobei sich zum Teil hermetisch abgeschlossene Verfolgungsmilieus bildeten. Hier waren die persönlichen Kontakte zwischen Gerichtsherren, Amtleuten, Schöffen und Einwohnern groß und die Kommunikationswege kurz, was die Verbreitung von Hexereigerüchten und -denunziationen in fataler Weise förderte. Manchmal fühlte sich der Gerichtsherr selbst als Opfer von Schadenzauber und saß dann gleichzeitig als Zeuge, Geschädigter, Inquirierender und Richter über die Verdächtigten zu Gericht. Überdies waren die meist mit Männern ohne juristische Ausbildung besetzten Schöffengremien abhängig von seiner Willkür.

Noch ein zweiter Aspekt scheint besonders kleine geistliche und weltliche Herrschaften zu Zentren der Hexenjagd gemacht zu haben. Gerade beim Ausbau von Territorien und Landesherrschaften beziehungsweise der Ausbildung frühmoderner Staatlichkeit kam es darauf an, die hohe Jurisdiktion und damit die Kontrolle der Strafjustiz in landeshoheitliche Hand zu bekommen. Dem standen die vielen kleinen selbständigen Herrschaften entgegen, die umso mehr auf ihren ‚alten' Blut- und Hochgerichtskompetenzen beharrten, je mehr ihre Autonomie angefochten wurde. In solchen herrschaftlich-politischen Spannungs- und Konfliktsituationen konnten Hexenprozesse eine besonders exponierte Rolle einnehmen: Sie wurden genutzt, funktionalisiert, sogar absichtlich inszeniert. Offensichtlich dienten bereits die frühen Hexenprozesse, die im Luzerner Landgebiet, im Baselbiet, im Valle de Leventina, um Fribourg und im Waadtland geführt wurden, administrativen-politischen Zwecken wie der Durchsetzung, Sicherung und Demonstration von Herrschaftsansprüchen. Ähnliche Strukturen sind ebenfalls in Schlesien, Mecklenburg oder Schleswig-Holstein zu finden, wo sich gerade in den Gutsherrschaften auffallend häufig Hexenjagden nachweisen lassen. Anhand der Hexenverfolgungen im Fürstbistum Münster konnte gezeigt werden, dass Prozesse von adeligen Herrschaftsträgern im Sinne egoistischen Machtstrebens instrumentalisiert und absichtlich inszeniert wurden. Auch in dem von herrschaftlicher und gerichtsrechtlicher Pluralität gekennzeichneten Rhein-Maas-Mosel-Raum scheint es zu einer engen Verquickung von demonstrativer, auf Legitimation ausgelegter Herrschaftspraxis und hierfür nutzbarer Kriminal- beziehungsweise Hexenjustiz gekommen zu sein. Die Instrumentalisierbarkeit von Hexereiverdacht, Denunziation und Hexenprozess zumindest auf der Ebene persönlicher Vorteilnahme und zur Wahrnehmung sozialer Chancen muss als ein Katalysator neben vielen anderen Faktoren für massenhafte Verfolgungen angenommen werden. Doch zusätzlich gibt es nach neuesten Forschungen starke Indizien dafür, solche Motivationen auch auf der herrschaftlich-politischen Ebene zu vermuten.

Neben dem manchmal schwer erklärbaren Umstand, dass es in bestimmten Regionen zu massenhaften Verfolgungen kam, während gleichzeitig in anderen Gebieten kaum oder (noch) keine Prozesse stattfanden, muss auch das Faktum erwähnt werden, dass es zu allen Zeiten kritische und besonnene Stimmen aus allen konfessionellen Lagern und aus allen Bevölkerungsschichten gegen den Hexenglauben und gegen die Hexenjagden gegeben hat. Allerdings wurden diese Stimmen mit zunehmender Verfolgungstätigkeit immer leiser und scheuten nicht selten eine schriftliche Aufzeichnung, denn sich gegen den Strom zu stellen, war höchst riskant.

Überdies lag das durch obrigkeitliche Zensur kontrollierte Veröffentlichungsmonopol meist in den Händen der Verfolgungsbefürworter. Die Masse der überlieferten Prozessakten, Rechnungen, dämonologischen Traktate und Predigten repräsentiert deshalb die offiziell sanktionierte, meinungsdominierende Hauptrichtung in der Hexereidebatte, die gestützt wurde von obrigkeitlicher Macht und gesichtsloser Öffentlichkeit, von Mitläufern, Prozessgewinnlern und Menschen, die aus Angst um ihr Leben nicht wagen konnten, Hexenjagden zu kritisieren. Um so höher müssen daher die Zeugnisse jener bewertet werden, die mehr oder weniger offen Kritik am Verfolgungseifer übten, zeigen sie doch, dass es stets eine Alternative zu Hexenangst und Prozesswut gegeben hat, dass die Hexenfurcht nicht flächendeckend und nicht mit gleicher Intensität in Europa verbreitet war und dass auch mancher Zeitgenosse schon die unheilvollen Verfolgungsmechanismen durchschaut hat.
Der sprunghafte Anstieg der Hexenverfolgungen in manchen Gebieten war stets abhängig vom Zusammenspiel einer Vielzahl von Faktoren. Nicht weniger vielschichtig fallen die Erklärungsversuche aus, warum gegen Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts immer weniger Hexenprozesse in Europa stattfanden und schließlich ganz zum Stillstand kamen. Freilich bestätigten massenhafte Hexenhinrichtungen nicht nur die Plausibilität des Hexenglaubens, sondern riefen auch Kritiker auf den Plan, die an der Rechtmäßigkeit der Verfahren zu zweifeln begannen und den Mord an Unschuldigen vermuteten. Außerdem produzierten Massenprozesse eine Reihe von Rechtsbrüchen und Skandalen, die manchen zum Umdenken veranlassten und den Abbruch von Prozessserien initiierten. Im Zuge von Aufklärung und religiöser Toleranz wuchs die Skepsis. Auch wenn es bis ins 19. Jahrhundert hinein in einigen Ländern Hexerei als Straftatbestand gab, so führten doch die langsame Abkehr von der Torturpraxis, die Einbindung lokaler Gerichtseinheiten in eine zentralstaatlich organisierte Justiz und schließlich auch dezidierte landeshoheitliche Verbote von Hexenprozessen zu einem Rückgang der Verfahren. Hatte der Trierer Kurfürst 1652 noch verdeckt die Hexereiverfahren in seinem Territorium unterbinden lassen, untersagte sie der französische König offiziell 1682, und auch Maria Theresia konnte 1740 für die habsburgischen Länder faktisch ein solches Verbot durchsetzen. Doch trotz aller kritischen Stimmen unter Theologen, Gelehrten und herrschender Elite blieb der Hexenglaube im einfachen Volk virulent, selbst wenn auch hier Gegner der Verfolgungen zu finden waren und Prozesswünsche ‚von unten' allmählich nicht mehr auf einen willfährigen Justizapparat trafen. Einzelne Verfahren wurden noch bis weit hinein ins 18. Jahrhundert geführt; die letzte Hexenhinrichtung auf deutschem Boden ist für das Jahr 1755 bezeichnenderweise in einer kleinen Herrschaft, nämlich in der Fürstabtei Kempten, nachweisbar. Hier wurde zwar 1775 erneut eine Frau als angebliche Hexe zum Tode verurteilt, das Urteil jedoch nicht vollstreckt. Die letzte legale Hinrichtung in Europa fand nach bisherigen Erkenntnissen 1782 im schweizerischen Kanton Glarus statt. Langfristig trugen stabilere wirtschaftliche, politische und soziale Verhältnisse sowie bessere Bildung, medizinische Versorgung und staatliche Armenfürsorge dazu bei, nicht unbedingt dem Hexenglauben, aber der konkret gegen den Nachbarn gerichteten Furcht vor Verhexung und Schadenzauber den Nährboden zu entziehen. An bedrückender Aktualität hat das Phänomen der Hexenprozesse jedoch angesichts der Hexenjagden auf dem afrikanischen Kontinent nichts verloren.