Herbert Eiden

Vom Ketzer- zum Hexenprozess
Die Entwicklung geistlicher
und weltlicher Rechtsvorstellungen
bis zum 17. Jahrhundert

Inquisition, Ketzerverfolgung und Hexenprozesse - mit diesen Schlagworten wird gewissermaßen eine zeitliche Abfolge in der Identifizierung und Aburteilung von religiösen oder gesellschaftlichen Dissidenten über einen Zeitraum von einigen hundert Jahren umrissen. Zusammen mit der Zulassung der Folter zur Geständniserzwingung gilt die Ketzerinquisition als prozessrechtliches Fundament für die späteren Hexenprozesse. Tatsächlich ist die Entwicklung jedoch nicht so gradlinig verlaufen, wie es auch der Titel dieses knappen Überblicks suggeriert. Erst die Verschmelzung verschiedener geistes- und rechtsgeschichtlicher Strömungen führte zur Herausbildung eines theologisch und juristisch begründeten Hexereibegriffs, der unmittelbar an den Ketzerbegriff anknüpfte. Die Ketzerinquisition musste aber nicht zwangsläufig im Hexenprozess münden. Welches waren die Knotenpunkte beziehungsweise ‚Scharniere', an denen die Entwicklung auch anders hätte verlaufen können? Welche Autoren konnten sich mit ihren Auffassungen durchsetzen?

Zunächst gilt es jedoch, zwischen dem kanonischen (geistlichen) Recht und dem weltlichen Recht zu unterscheiden sowie der Frage nachzugehen, wie es zur Ausbildung der Vorstellung von Hexerei kam und worauf sie sich gründete. Geschaffen wurde der Inquisitionsprozess durch Papst Innozenz III. († 1216) als eine Art Disziplinarverfahren gegen hochrangige Kleriker wie Erzbischöfe, Bischöfe oder Äbte, denen man Amtsmissbrauch, Simonie, Verstoß gegen die Sitten oder Abweichung von der Glaubenslehre (Häresie/Ketzerei) vorwarf. Die bis zu diesem Zeitpunkt angewandten rechtlichen Maßnahmen erschienen dem um eine Reform der Kirche bemühten Innozenz nicht ausreichend. Zur Eröffnung eines Akkusationsprozesses (accusare = anklagen) fehlte vielfach ein Kläger, der bereit war, gegen solche mächtigen Personen aufzutreten. Zudem trug der Kläger in diesem Verfahren die ganze Beweislast und musste im Falle einer Niederlage vor Gericht selbst mit Bestrafung rechnen. Auch der Infamationsprozess (infamia = Ehrlosigkeit) erwies sich zunehmend als ungeeignet. Zwar waren die Kirchenoberen verpflichtet, im Falle eines Gerüchts über den schlechten Ruf eines Klerikers ein Infamationsverfahren von Amts wegen (ex officio) einzuleiten, der Beklagte konnte sich jedoch durch einen Eid, der von einer unterschiedlichen Anzahl von Eideshelfern unterstützt werden musste, von den Vorwürfen reinigen. Dieser unbefriedigenden Situation sollte das von Innozenz III. ausgebildete Inquisitionsverfahren Abhilfe schaffen. Die wesentlichen Merkmale dieses Prozesses waren:

- Einleitung des Verfahrens von Amts wegen (Offizialmaxime).

- Untersuchung (inquisitio) zur Ergründung der materiellen Wahrheit (Instruktionsmaxime); insbesondere der Zeugenbefragung kam das Gewicht eines Beweismittels zu.

- Beschuldigungen konnten nicht mehr durch einen Reinigungseid ausgeräumt werden.

- Die Angeklagten verfügten über weitgehende Verteidigungsmöglichkeiten (Bekanntgabe der Anklagepunkte und der Namen der Zeugen, Zulassung von Eingaben).

Dieses Verfahren, das seine gemeinrechtliche Sanktion durch das 4. Laterankonzil im Jahre 1215 erfuhr, war keine völlige Neuschöpfung. Vielmehr fügte Innozenz III. verschiedene, bereits im römischen Recht und in der von dem Bologneser Mönch Gratian († vermutlich 1150) angelegten kirchlichen Rechtssammlung (Decretum Gratiani, 1140) vorhandene Elemente zusammen beziehungsweise arbeitete sie für seine Zwecke aus. Zwar handelte es sich bei der Inquisition zunächst nur um eine prozessrechtliche Korrektur des unzulänglichen Infamationsverfahrens, aber damit wurde ein Instrumentarium geschaffen, das durch einige entscheidende Änderungen auch gegen andere Feinde der Amtskirche eingesetzt werden konnte: die Ketzer.

Seit der Entstehung des Christentums vertraten Einzelne oder Gruppen immer wieder Positionen, die von der anerkannten Glaubenslehre abwichen. Mit der Übernahme als Staatsreligion im Römischen Reich erhielt die Bekämpfung der Häresie eine andere Qualität. Ein Vergehen gegen den Glauben war zugleich ein Vergehen gegen die kaiserliche Majestät und damit gegen den Staat; es wurde mit Verbannung, Infamie, Konfiskation und in schweren Fällen auch mit dem Tod geahndet. Gerade die Rezeption dieses Gedankens sollte infolge des vermehrten Auftretens häretischer Gruppen seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts eine wichtige Rolle spielen.

Im Mittelalter lag die Verfolgung von Ketzern lange Zeit in den Händen bischöflicher Sendgerichte; der Reinigungseid oder bei Laien auch das Ordal (Gottesurteil) blieben bis zum 4. Laterankonzil anerkannte Mittel, um sich vom Vorwurf der Häresie zu reinigen. Die weltlichen Fürsten zeigten zunächst kaum Interesse, sich an einer Verfolgung der Ketzer zu beteiligen. Dies änderte sich erst im letzten Drittel des 12. Jahrhunderts. Das 3. Laterankonzil (1179) unter Papst Lucius III. († 1185) erteilte der weltlichen Macht die Erlaubnis zur Konfiskation von Ketzerbesitz. Kurz danach, im Jahre 1184, kam es in Verona zu einem Zusammengehen zwischen Kaiser Friedrich I. Barbarossa († 1190) und Lucius III. in der nun als vordringliche Gemeinschaftsaufgabe angesehenen Bekämpfung der Häretiker. Zwar ist von den dort beschlossenen Gesetzen die kaiserliche Order (constitutio) nicht mehr erhalten, wohl aber das päpstliche Gegenstück, das Dekretale Ad abolendam. Darin wurden die Bischöfe zu regelmäßigen Visitationen und Befragungen in den Gemeinden verpflichtet, um Ketzer ausfindig zu machen und abzuurteilen. Kamen sie dieser Aufgabe nicht nach, mussten sie mit einer dreijährigen Amtsenthebung rechnen.

Innozenz III. hielt im wesentlichen an dieser Methode der Ketzerverfolgung fest, fügte aber dem Delikt der Häresie neue Aspekte hinzu, die sich einige Jahrzehnte später so verheerend auswirken sollten. So bezeichnete er in seiner Dekretale Vergentis (1200) Ketzerei als crimen laesae majestatis divinae (Verbrechen gegen die göttliche Majestät). Doch erst einige Jahre nach Innozenz' Tod († 1216) und nach Beendigung des von ihm angeregten Ketzerkreuzzuges im Süden Frankreichs (1209-1229) kam es zur Ausbildung der Ketzerinquisition als Sonderform des Inquisitionsprozesses. Eine entscheidende Etappe in dieser Entwicklung ist das erste Auftreten von Inquisitoren, von ‚Sonderermittlern', die mit besonderen päpstlichen Vollmachten ausgestattet waren. In der Literatur lässt man diese Phase mit dem Jahr 1231 beginnen, als Konrad von Marburg († 1233) für Deutschland und Robert le Bougre († vor 1263) für Frankreich zu Ketzerrichtern ernannt wurden, deren einzige Aufgabe im Aufspüren und in der Aburteilung von Häretikern bestand. Allerdings stießen ihre, meist in Konkurrenz zur bischöflichen Gerichtsbarkeit stehenden Nachforschungen noch auf Widerstand in den Diözesen. Konrad wurde im Juli 1233 in der Nähe seines Heimatortes von aufgebrachten Rittern erschlagen, während Robert nach heftigen Vorwürfen gegen seine Willkürjustiz zu lebenslanger Klosterhaft verurteilt worden war. Diese ersten Inquisitoren hatten noch nicht die Befugnisse und prozessualen Mittel, wie sie einige Jahre später im so genannten summarischen Verfahren (‚kurzer Prozess') zur Verfügung standen. Dazu bedurfte es noch der Aufbereitung durch geistliche und weltliche Rechtsgelehrte.
Bereits im ausgehenden 12. Jahrhundert finden sich für Bereiche der iberischen Halbinsel weltliche Bestimmungen zur Ketzerverfolgung. So erklärte König Alfons II. von Aragón († 1196) im Jahre 1194 Häretiker zu Feinden des Volkes und des Staates. Sie seien als Hochverräter Majestätsverbrecher (crimen laesae majestatis) und daher unter Konfiskation ihrer Güter des Landes zu verweisen. Drei Jahre später verschärfte Alfons' Sohn, Peter II. († 1213), diesen Erlass. Um die Bevölkerung zur Mithilfe bei der Verfolgung zu animieren, versprach er Denunzianten ein Drittel des Ketzerbesitzes. Vor allem aber führte er die Strafe des Feuertods (Corpora eorum ignibus crementur) für verurteilte Häretiker ein. Damit erfüllte erstmals ein Herrscher die Forderung der Kirche, die selbst kein Blut vergießen durfte, nach der Bestrafung der Ketzer durch den weltlichen Arm. Ein direkter Bezug zwischen diesen Edikten und der Dekretale Vergentis lässt sich zwar ebenso wenig nachweisen wie eine Rezeption durch kaiserliche Rechtsgelehrte, erscheint aber angesichts der weiteren Entwicklung als sehr wahrscheinlich.

In den kaiserlichen Ketzergesetzen von 1219/1220 wurde dann erstmals auf Reichsgebiet die Häresie zum Majestätsverbrechen erklärt und die Verbrennung als Strafe festgesetzt. Friedrich II. († 1250) nutzte diese Bestimmungen zunächst, um gegen aufsässige oberitalienische Kommunen vorzugehen. Deren Widerstand bezeichnete er in der Constitutio contra haereticos Lombardiae (Gesetz gegen die Häretiker der Lombardei, 1224) kurzerhand als häretisch motiviert. Damit vergingen sie sich gegen ihn, den Kaiser, und gegen Gott. Da bei Schwerverbrechen, zu denen Hochverrat zweifellos zählte, schon das antike römische Recht die Folter erlaubte, fand dieses fatale Mittel der Beweiserhebung Eingang in die Ketzerverfolgung. In der von Friedrich II. initiierten, umfassenden Gesetzgebung für das Königreich Sizilien (Konstitutionen von Melfi, 1231) flossen alle bis dahin im Rahmen der Ketzerverfolgung ausgearbeiteten Rechtspositionen zusammen: Das Dekretale Vergentis von Innozenz III. wurde wörtlich übernommen, Majestätsverbrechen mit Verbrechen gegen die göttliche Majestät gleichgesetzt, die Folter als Mittel der Wahrheitsfindung erlaubt und der Feuertod als Strafe festgeschrieben. Ein Jahr später erlangten diese Regelungen im gesamten Gebiet des mittelalterlichen Deutschen Reiches Geltung.

Auch in der Kanonistik kam es zu einer Vereinheitlichung der Rechtsentwicklung des weltlichen und des geistlichen Bereiches. 1234 ließ Papst Gregor IX. († 1241) die kaiserlichen Ketzergesetze in seine Dekretalensammlung aufnehmen. Damit wurde die Todesstrafe für Ketzer auch kirchlich sanktioniert. Zudem übernahm er den von Innozenz III. aufbereiteten Inquisitionsprozess, führte ihn aber unter den Ausnahmeverfahren (processus extraordinarius) an. Ausnahmeverfahren erlaubten außergewöhnliche Mittel. Diese wurden dann schließlich mit der Bulle des Papstes Innozenz IV. († 1254) Ad extirpanda (1252) festgeschrieben:

- Einleitung des Verfahrens von Amts wegen durch besonders bevollmächtigte Inquisitoren.

- Zur Verfahrenseinleitung war eine einfache Denunziation ausreichend; durch Unterlassung einer Anzeige machte man sich selbst strafbar.

- Als Ankläger und Zeugen waren alle Personen zugelassen, also auch solche, die in einem ‚normalen' Verfahren keine Rechtsfähigkeit besaßen (Frauen und Kinder sowie Kriminelle, Ehrlose, Komplizen, Unfreie etc.).

- Zulassung der Folter als Beweismittel zur Geständniserzwingung.

- Verurteilung war auf bloßen Verdacht hin möglich.

- Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten der Angeklagten (Namen der Zeugen durften geheim bleiben; der Richter brauchte Advokaten nicht zuzulassen; zudem konnten die Advokaten durch ihre Tätigkeit selbst in den Verdacht geraten, Ketzer zu unterstützen).

- So genannte relapsi (ursprünglich vom Häresieverdacht gereinigte, aber rückfällige Ketzer) waren unverzüglich der weltlichen Gerichtsbarkeit zur Exekution zu überantworten.

Zwar betonte Innozenz IV., dass Wiedergutmachung eines Schadens, Sühne und Buße Vorrang vor Strafe habe, aber angesichts der als existentielle Bedrohung empfundenen häretischen Bewegungen zielte die Ketzerinquisition eindeutig auf die Vernichtung dieser Menschen. Die Verfolgung von Ketzern oblag also in erster Linie der Kirche, die Prozesse wurden vor geistlichen Richtern geführt, und allein die Vollstreckung des Urteils fiel dem weltlichen Arm zu; durchaus anders verlief die sich im Spätmittelalter entwickelnde Hexenverfolgung.

Wie kam es zur Ausbildung der Vorstellung von Hexerei und worauf gründete sie sich? Weder die Bibel noch die Römer kannten den Begriff der Hexe oder des Hexenmeisters. Allerdings war der Glaube an Zauberer und die Wirkung magischer Handlungen offenbar in allen Kulturen und zu allen Zeiten vorhanden. Bereits im Zwölftafelgesetz, den ältesten römisch-rechtlichen Strafbestimmungen, finden sich Verbote von Schadenzauber und Zauberflüchen. Verstarben Menschen infolge von Zauberei, so stand darauf der Tod; konnte eine Schädigungsabsicht nicht nachgewiesen werden, sollten die Täter weniger hart (ohne, dass dies näher spezifiziert war) bestraft werden. Nach einer kaiserlichen Verordnung aus der Zeit Konstantins des Großen († 337) waren Schadenzauber sowie Erweckung sexueller Begierden mit Hilfe von Zauberei ebenfalls mit der Todesstrafe zu ahnden, während die Anwendung magischer Heilmittel als durchaus nützlich angesehen wurde. Kaiser Constantius führte dann 357 generell die Exekution durch das Schwert für alle zauberischen Praktiken und für Wahrsagerei ein. In den Quellen werden Zauberer und Wahrsager meist allgemein als malefici (male facere = Böses tun) bezeichnet.

Bestimmungen gegen Schadenzauber - meist Ernte- oder Saatzauber - existierten ebenfalls in den Volksrechten und Rechtssammlungen des Mittelalters, die eine Komposition (Schadensausgleich durch Sühnegeld) und in Fällen von Nichtleistung des Ausgleichs den Feuertod vorsahen. Für die Hinrichtung von Zauberern und Zauberinnen, mitunter auch für Fälle von Lynchjustiz, gibt es das gesamte Mittelalter hindurch einzelne Beispiele. Aber die Verurteilung erfolgte nur wegen Schadenzauber. Dämonen spielten in der magischen Volkskultur des Mittelalters zunächst offenbar keine Rolle. Damit aus einer "Zauberin" eine "Hexe" wurden, bedurfte es noch der Durchsetzung der Positionen einflussreicher geistlicher Autoren.

Mit der immer wieder zitierten Schlüsselstelle aus dem Bundesbuch im Alten Testament "Eine Zauberin sollst Du nicht leben lassen" (Exodus 22, 17) - so die korrekte Übersetzung des hebräischen Originals - erhielt die Verfolgung solcher Menschen gewissermaßen göttliche Autorität und Auftrag. Gemeint waren hier Personen, die heidnische Praktiken betrieben wie Astrologie, Totenbeschwörung und Magie, um deren Bekämpfung sich das Christentum von Anfang an bemühte. Die Kirche sah im Schadenzauber, den sie für durchaus real hielt, einen Beweis für den Götzendienst der Zauberer und Zauberinnen. Auf diesen Grundlagen entwickelte der Hl. Augustinus († 430) seine verhängnisvolle Theorie des Teufelspaktes. Seiner Ansicht nach bereite es dem Teufel regelrechte Freude, mit seinen ‚Gehilfen', den Dämonen, Menschen zu Übeltaten zu verleiten. Dazu schlichen sich die Dämonen mittels ihrer luftigen Körper in Schlafende; lüsterne Nachtdämonen (so genannte incubi) stellten Frauen nach. Durch den Pakt mit dem Teufel/Dämon erhielten Menschen die Möglichkeit, sich in Tiere zu verwandeln oder Wetterzauber und anderen Schadenzauber zu betreiben. Das Vorgehen der Kirche gegen heidnische Vorstellungen im Früh- und Hochmittelalter war allerdings noch wenig beeinflusst von den dämonologischen Vorstellungen des Hl. Augustinus. Zwar wurde die Existenz eines teuflischen Zauberwesens nicht prinzipiell in Frage gestellt, der Glaube daran aber doch weitgehend als Aberglaube verurteilt, der durch Kirchenstrafen wie Bußen oder - in schweren Fällen - durch Ausschluss aus der Gemeinschaft geahndet werden sollte. Am deutlichsten bringt diese Position der Canon Episcopi, eine Zusammenstellung des Synodal- und Kapitularienrechtes, zum Ausdruck, den Regino von Prüm († 915) im Jahre 906 für den Trierer Erzbischof Ratbod († 915) verfasst hatte. Darin wird unmissverständlich der Glaube an Zauberei und Nachtfahrten der Göttin Diana mit ihrem Gefolge als heidnische Irrlehre und Einbildung verurteilt. Über Burchard von Worms († 1025) und Ivo von Chartres († 1115/1116) fand der Canon Episcopi Aufnahme in die kanonische Rechtssammlung des Gratian und blieb bis zum 13. Jahrhundert die herrschende Auffassung.

In diesen weitgehend harmlosen Bahnen hätte die Entwicklung weiter verlaufen können, wenn nicht der althergebrachte Zauberglaube von den Gelehrten der Hochscholastik - allen voran Thomas von Aquin († 1274) - mit der spätantiken Dämonenlehre in Zusammenhang gebracht worden wäre. Anknüpfend an die Teufelspakttheorie des Hl. Augustinus und unter Berufung auf mehrere Bibelstellen über die Gefährlichkeit der Zauberer entwickelte Thomas von Aquin die Vorstellung von einer teuflischen ‚Gegenkirche', die schärfstens bekämpft werden müsse. Demnach herrsche der Teufel als gefallener Engel mit Duldung Gottes über einen Dämonenstaat. Seinen Anhängern unter den Menschen, den von Gott abgefallenen Zauberern und Wahrsagern, verleihe der Teufel übernatürliche Kräfte, mit deren Hilfe diese ihre Mitmenschen schädigen konnten. Der Pakt werde durch Geschlechtsverkehr der Zauberer und Zauberinnen mit männlichen und weiblichen Nachtdämonen (incubi und succubi) bekräftigt, aus dem sogar Teufelskinder hervorgehen könnten. Mit ihrem Abfall vom christlichen Glauben und dem Pakt mit dem Teufel machten sich die Zauberer der schwersten Untat schuldig: des Verbrechens gegen die göttliche Majestät. Damit geraten nun die Ketzer wieder in den Blick.

Hervorgerufen durch das starke Anwachsen der Ketzerbewegungen in Südfrankreich und Oberitalien entstand als prozessrechtliche Neuerung die Ketzerinquisition, die eine leichtere und effektivere Bekämpfung dieser Gruppen ermöglichte. Zur Aufrechterhaltung der Verfolgungsanstrengungen war die Kirche bemüht, die Gefährlichkeit der Häretiker für die etablierte Ordnung in immer grelleren Farben zu malen. So unterstellte man ihnen magische Praktiken, Teufelsanbetung, Opferung von Neugeborenen und wollüstige Ausschweifungen. All dies geschehe in nächtlichen Versammlungen, auf denen der Teufel in Menschen- oder Tiergestalt erscheine. In diesem Glauben an das Treiben der Ketzersekte liegt die Keimzelle für die späteren Vorstellungen des Hexensabbats. Jetzt war es nur noch ein kleiner Schritt, den traditionellen Zauberglauben mit Häresie in Verbindung zu bringen. Denn wenn Ketzer Schadenzauber verübten und den Teufel anbeteten, wenn Zauberei nur durch Glaubensabfall mit Hilfe des Teufelspaktes bewerkstelligt werden konnte, dann hatte man es in beiden Fällen mit ähnlich schweren Verbrechen zu tun. Die Zauberei wurde zu einem Sonderfall der Ketzerei. Da war es nur folgerichtig, dass man auch den Zauberern vorwarf, ihre Praktiken nächtens nach Art einer ‚organisierten Untergrund-Sekte' zu betreiben. Allmählich kristallisierte sich mit Schadenzauber, Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft und geheimen Versammlungen ein neuer Verbrechenstatbestand heraus: das crimen magiae (Verbrechen der Zauberei), das als crimen exceptum (außerordentliches Verbrechen) geradezu die Aufmerksamkeit der Ketzerinquisitoren verlangte.

Ein weiteres Mosaiksteinchen in dieser Entwicklung fügte Papst Johannes XXII. († 1334) hinzu. In seiner aus dem Jahr 1326 stammenden Bulle Super illius specula ordnete er an, dass Schadenzauber nach den Strafbestimmungen für Ketzer zu ahnden sei. Im Verlauf des 14. Jahrhunderts gewann die Vorstellung einer Zauberersekte immer mehr an Boden. Ein Mann der Praxis, der Dominikaner und Inquisitor Nicolaus Eymericus († 1399), fasste in seiner Schrift Directorium Inquisitorum (gedruckt 1503), einem Handbuch für Kollegen, systematisch die den Zauberern zur Last gelegten Verbrechen zusammen. Zu großen Verfolgungen von Zauberern durch die Inquisition kam es erstmals zwischen 1320 und 1350 in Südfrankreich. Seit der Wende zum 15. Jahrhundert folgten Prozesse gegen ‚Teufelsbündler' und ‚Hexensekten' in der Schweiz, wiederum in Südfrankreich, Nordostspanien, den französischen Alpen, der Dauphiné, Savoyen und Burgund; um die Mitte des Jahrhunderts fanden auch vereinzelte Verfolgungen in Lothringen und der Erzdiözese Trier statt.

Der Begriff "Hexe" erscheint erstmals in einem deutschsprachigen Gerichtstext im Jahre 1419 in Luzern. Auch wenn sich diese Bezeichnung natürlich nicht überall durchsetzte und in anderen Sprachräumen andere Begriffe benutzt wurden (zum Beispiel in Frankreich sorcière oder in Italien strega), so bestätigt das Auftauchen dieses Terminus doch, dass ein Wahrnehmungs- und Substanzwandel gegenüber dem alten Begriff der Zauberei stattgefunden hat. Während in den früheren Schadenzauberprozessen einzelne Delikte zur Aburteilung gelangten, wurden nun Teufels- und Dämonenlehre, Volksaberglauben, zauberische Praktiken, Vorstellungen vom nächtlichen Flug der Unholde und von den Ketzersabbaten zu einem "rechtlichen kumulativen häretischen Hexenbegriff" subsumiert. Hexen handelten nicht als Individuen, sondern als Mitglieder einer großen Verschwörung. Die ihnen zur Last gelegten Übeltaten verdichteten sich immer mehr zu fünf Kerndelikten - Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Hexenflug, Hexensabbat und Schadenzauber -, die von allen Hexen gemeinsam begangen wurden. Darin liegt auch die große Bedeutung, die der durch Folter erpressten Angabe von Namen vermeintlicher Mittäter in den Hexenprozessen zukam. Denn zur Verschwörung bedurfte es Komplizen auf dem Hexensabbat.

In der Entwicklung des neuen, rechtlich und theologisch begründeten Hexenbegriffs gilt die Spanne von 1435 bis 1500 als entscheidendes Stadium, wobei die Erfindung des Buchdrucks eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Verbreitung dieses Gedankengutes spielte. Die in diesem Zeitraum entstandenen Traktate des Wiener Theologieprofessors und Dominikaners Johannes Nider († 1438), des französischen Inquisitors Nicolas Jacquier († 1472) oder des deutschen Arztes Johannes Hartlieb († 1468) trugen zur Festigung dieses Konstrukts bei. Der entscheidende Durchbruch der Hexenlehre sollte aber dem berüchtigten Hexenhammer (Malleus Maleficarum) aus dem Jahre 1487 vorbehalten bleiben. Mit dieser systematischen Zusammenfassung der Hexenlehre des Dominikaners Heinrich Kramer (genannt Institoris, † 1505) findet die scholastische Diskussion ihren Abschluss. Kramer hatte den Hexenhammer als Kommentar zur Bulle Papst Innozenz' VIII. († 1492) Summis desiderantes affectibus (1484), die auch der Buchausgabe vorangestellt ist, verfasst. Mit der Bulle waren Kramer und sein Kölner Mitbruder Jakob Sprenger († 1495) zu päpstlichen Inquisitoren in Deutschland bestellt worden, um gegen das Verbrechen der teuflischen Zauberei vorzugehen. Bei ihren Nachforschungen in den Diözesen stießen die Inquisitoren aber auf den Widerstand der Amtskirche. Der Bischof von Brixen, Georg Golser († 1489), hielt Kramer offenbar für nicht ganz zurechnungsfähig und verwies ihn im Jahre 1486 des Landes. Wohl aus diesen Erfahrungen und als Rechtfertigung seiner von ihm vertretenen Hexenlehre schrieb der Inquisitor den Hexenhammer.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Die ersten beiden Teile befassen sich mit der ‚Realität' der Hexen und ihrer vermeintlichen Verbrechen (Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Hexensabbat und Schadenzauber). Eine bedeutende Neuerung gegenüber der scholastischen Tradition ist die Verengung der Hexereivorstellung auf Frauen. Hier tritt dem Leser ein abstruses Sammelsurium von Aberglaube, Wahnvorstellungen und Frauenhass entgegen. So doziert Kramer, dass es in der Natur der Frauen liege zu lügen, dass fast sämtliche Reiche der Welt durch Frauen zerstört worden seien oder dass Frauen weniger gläubig und daher anfälliger für die Versuchung durch den Teufel seien, denn schließlich - so die krude Etymologie - komme das Wort femina (Weib) von fe minus (fides mina = geringgläubig).

Als besonders folgenreich erwies sich der dritte Teil des Hexenhammer der dem prozessualen Verfahren der Hexenverfolgung gewidmet war. Durchaus korrekt stellte Kramer zunächst fest, dass Inquisitoren nur dann gegen Hexen vorgehen könnten, wenn es in ihren Verbrechen einen Bezug zur Ketzerei gebe. Zur Entlastung der Inquisitoren und der Bischöfe, aber auch wegen der immensen Gefahr, die von den Hexen ausgehe, empfahl er der weltlichen Gerichtsbarkeit dringend, sich mit diesem Verbrechen zu beschäftigen. Dazu diskutierte er drei mögliche Verfahrensarten: Den Akkusationsprozess hielt er für ungeeignet, da dem privaten Kläger die Beweislast aufgebürdet war. Erfolgversprechender erschien ihm die Einleitung eines Verfahrens von Amts wegen aufgrund einer Denunziation. Das probateste Mittel sah Kramer jedoch im summarischen Ketzerinquisitionsprozess. Und hier zählte er das gesamte Arsenal an Ausnahmeregeln und Sondervollmachten auf, das den Ketzerrichtern seit der Mitte des 13. Jahrhunderts zur Verfügung stand. Dementsprechend einfach war die ‚Überführung' der Hexen. Neben Zeugen und Indizien kam vor allem dem durch die Folter erzwungenen Geständnis die entscheidende Beweiskraft zu. Und für den Einsatz der Tortur gab es in einem Ausnahmeverfahren (processus extraordinarius) kaum rechtliche Hürden. Kramers Sorge, die Hexen könnten durch die Hilfe der Dämonen der Folter widerstehen, führte ihn zu dem Gedanken, dass ein Richter eine Hexe auch ohne Geständnis verurteilen solle, wenn er von deren Schuld überzeugt sei. Das entsprach ebenfalls der aus der Ketzerinquisition bekannten Verdachtsstrafe. Da die Hexen nicht nur geistige Verbrechen begingen, sondern durch den Schadenzauber materielle Schäden verursachten, forderte Kramer die weltlichen Richter ausdrücklich auf, dieses nach dem gemeinen säkularen Recht unzulässige (Ausnahme-)Verfahren anzuwenden. Damit förderte er nachhaltig einen Trend, der seit etwa 1400 zu beobachten ist: eine allmähliche Zunahme der Hexenprozesse vor weltlichen Gerichten, während sich die geistliche Gerichtsbarkeit aus diesen Verfahren langsam zurückzog.

Entscheidend begünstigt durch Buchdruck und sinkende Papierpreise erlebte die gelehrte Diskussion zum Hexenglauben im 16. Jahrhundert einen starken Anstieg. Auf die in der Forschung immer noch kontrovers geführte Debatte, welche Auswirkung die Reformation auf die Hexenverfolgung gehabt hat, kann hier nicht näher eingegangen werden. Etwa zeitgleich mit der Reformation meldeten sich jedoch erste kritische Stimmen aus beiden Lagern. So lehnten etwa der Arzt und Philosoph Agrippa von Nettesheim († 1535) oder der Humanist Erasmus von Rotterdam († 1536) den Glauben an Hexerei dezidiert ab, eine Auffassung, die auch einige Reichsstädte wie Nürnberg oder Territorien wie die Landgrafschaft Hessen vertraten. Die schärfste Kritik stammte aus der Feder des klevischen Arztes Johann Weyer († 1588), der in seiner Schrift Über die Blendwerke der Dämonen Hexenprozesse als "Blutbadt der unschueldigen" anprangerte. Durchgesetzt haben sich allerdings die Befürworter der Hexenlehre. In dem Traktat De la démonomanie des sorciers (Von der Teufelsmanie der Hexen und Hexenmeister) bot der berühmte französische Staatsrechtslehrer Jean Bodin († 1596) mit großer Verve eine Zusammenfassung des vermeintlichen Wissens über Hexerei. Weitere führende Dämonologen waren der Jesuit Martin Del Rio († 1608), der lothringische Generalprokurator Nicolas Remy († 1612) und der Trierer Weihbischof Peter Binsfeld († 1598). Sie beriefen sich direkt oder indirekt auf die damals wie heute juristisch und theologisch anfechtbaren Argumente des Hexenhammer. Ein wichtiges Bindeglied für die Rezeption der Überlegung Kramers, die Hexenverfolgung in den Bereich der weltlichen Gerichtsbarkeit zu verlagern, bildete der Layenspiegel des pfalz-neuburgischen Landvogts Ulrich Tengler († 1509/1510). In dieser Zusammenstellung des säkularen Rechts befasste sich Tengler auch mit der angemessenen Bestrafung der Hexerei, wobei er sich an den Vorgaben des Hexenhammer orientierte.

Eine andere Richtung schlug das wichtigste deutsche Strafgesetzbuch jener Zeit, die Constitutio Criminalis Carolina, die Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. († 1558) von 1532, ein. Ausschließlich in römisch-rechtlicher Tradition argumentierend wurde dort in Artikel 109 festgelegt, dass nur bei erwiesenem Schadenzauber - sämtliche andere ‚Hexenverbrechen' sind nicht Gegenstand des Gesetzes - die Verurteilung zum Scheiterhaufen erfolgen durfte. Strafwürdig war zwar bereits eine beabsichtigte Schädigung, trat diese aber nicht ein, lag eine Strafzuweisung unterhalb der Todesstrafe im Ermessen des Richters. Zum Beweis eines erfolgreichen Schadenzaubers bedurfte es entweder der Bestätigung zweier Tatzeugen, was bei einem so ‚verborgenen' Verbrechen wie der Zauberei natürlich nicht möglich war oder eines glaubwürdigen Geständnisses. Ein solches Geständnis erreichte man auch mit Hilfe der Folter; ihrer Anwendung durch die Gerichtsorgane waren jedoch Grenzen gesetzt.

Obwohl die Carolina zumindest formal in den meisten deutschen Territorien galt, hat sich diese vergleichsweise moderate Position in der weiteren Rechtsentwicklung des 16. Jahrhunderts kaum durchgesetzt. Landesrechte beziehungsweise städtische Gesetze bildeten das juristische Fundament für die Durchführung von Hexenprozessen, wobei die jeweilige Prozesspraxis eine "Gemengelage aus akkusatorischen und inquisitorischen Elementen" aufweisen konnte, die im Einzelfall zu prüfen ist. Zudem lassen sich Rückwirkungen der Hexenprozesse auf das Delikt der Hexerei selbst beobachten. Offenbar haben sich die Verfahren ihren Gegenstand teilweise erst geschaffen. Generell ist eine Strafverschärfung durch eine Verlagerung der Strafbarkeit vom Schadenzauber zum Teufelspakt festzustellen. Die erste Territorialgesetzgebung, die nicht nur den Schadenzauber, sondern auch den Teufelspakt mit der Todesstrafe belegte, war die Kursächsische Kriminalordnung von 1572.

Die Richter sahen ihre Aufgabe weniger darin, einzelne, eines Verbrechens für schuldig befundene Personen ihrer Strafe zuzuführen, als vielmehr in der ‚Reinigung' ihrer Gemeinschaft von unchristlichen, teuflischen Elementen. Dabei kam das Verfolgungsbegehren nicht nur von der Obrigkeit, sondern oft von unten. Die Menschen glaubten an die Existenz von Hexen, die Krankheiten, Tod und Elend über sie brachten. Gefestigt wurden sie in diesem Glauben sicherlich auch durch die Predigten ihrer Pfarrer und Pastoren. Glaube und Profit schlossen mitunter eine beklemmende Allianz. Hexenprozesse ließen sich leicht instrumentalisieren und konnten sowohl von Gerichtsherren als auch von Nachbarn und Verwandten zum eigenen Vorteil genutzt werden. Die verheerende Dynamik, die in der Logik der Hexenprozesse lag - die herausgefolterten Namen von vermeintlichen Komplizen führten meist zwangsläufig zu neuen Verfahren -, wurde wohl zunächst nur von den wenigsten Zeitgenossen erkannt.

Zum Abschluss ist noch einmal kurz auf die Entwicklung der kirchlichen Inquisition zurückzukommen. In den ersten zweieinhalb Jahrhunderten ihres Bestehens war die Inquisition noch keine feste römische Behörde. Bei Bedarf ernannte der Papst bevollmächtigte Inquisitoren. Ein ständiges Tribunal wurde erstmals 1478 auf Initiative der Herrscher von Kastilien und Aragón auf der iberischen Halbinsel eingerichtet. Die Hauptaufgabe dieser halbstaatlichen Institution bestand in der Überwachung der zwangsgetauften jüdischen und muslimischen Bevölkerung Spaniens. Einerseits führte die ‚Spanische Inquisition' diese Konvertiten, denen sie den Rückfall in ihren alten (Un)glauben unterstellte, zu Tausenden auf den Scheiterhaufen, andererseits zeigte sie sich sehr skeptisch gegenüber Hexereibeschuldigungen und trat der Durchführung von Hexenprozessen in Nordspanien sogar entgegen.

Mit der Bulle Papst Pauls III. († 1549) Licet ab initio (1542) wurde ein Kardinalskollegium eingesetzt, das für die Reinhaltung der Glaubenslehre in der gesamten Christenheit - mit Ausnahme Spaniens und Portugals - zuständig sein sollte. Die institutionelle Verankerung als römische Behörde fand ihren Abschluss mit der Errichtung der Congregatio sanctae Inquisitiones haereticae pravitatis (Kongregation der Heiligen Inquisition gegen verstockte Ketzerei) durch Papst Sixtus V. († 1590) im Jahre 1587. Wie schon aus dem Namen hervorgeht, bestand die Aufgabe der Kardinalinquisitoren in der Bekämpfung der Ketzerei; damit fiel aber auch die Verfolgung von Zauberei und Hexerei als Sonderfall der Häresie in ihren Zuständigkeitsbereich. Zwar glaubten die Kardinäle durchaus an die Realität magischer Verbrechen, aber insgesamt wurden erstaunlich wenige Hexenprozesse vor der Kardinalsinquisition geführt. In den mittlerweile der Öffentlichkeit zugänglichen Quellen der Congregatio lässt sich sogar vielfach ein großes Maß an Unverständnis der römischen Inquisitoren für das Ausmaß der Hexenverfolgung nördlich der Alpen erkennen.

Die um das Jahr 1620 entstandene römische Anweisung zur Praxis in Zauberei- und Hexereiverfahren (Instructio pro formandis processibus in causis strigum, sortilegiorum et maleficiorum) fasste den Rahmen für solche Prozesse recht eng. So musste ein konkreter Schadensfall - Tod oder Krankheit - vorliegen, um ein Verfahren einzuleiten; eine einfache Denunziation oder Besagung reichte nicht aus. Ein Arzt sollte feststellen, ob es keine natürlichen Ursachen für die Schädigung gab. Erst wenn der Arzt sowie ein zweiter medizinischer Gutachter keine Erklärung fanden, wurde der Prozess eröffnet. Beklagte besaßen die Möglichkeit, die Zeugen schriftlich zu befragen oder Eingaben zu ihrer Verteidigung zu verfassen. Grundsätzlich war der Einsatz der Folter zur Geständniserzwingung erlaubt, diese durfte jedoch nur in der relativ milden Form durch Aufziehen an Seilen erfolgen. Zwar konnte auch die Inquisitionsbehörde als Strafe den Feuertod verhängen, sie war aber offenbar wesentlich stärker an einer Läuterung der von Gott abgefallenen Zauberer und Hexen sowie deren Rückführung in die christliche Gemeinschaft interessiert. Die massenhaften Prozesse während des Höhepunkts der west- und mitteleuropäischen Hexenverfolgungen im Zeitraum zwischen 1560 und 1700 mit ihren hohen Hinrichtungsraten waren jedoch das Werk weltlicher Richter.