Franz Irsigler

Hebammen, Heilerinnen und Hexen

Seit 1985 belasten die abstrusen Thesen der Bremer Soziologen Gunnar Heinsohn und Otto Steiger in ihrem Buch Die Vernichtung der weisen Frauen. Hexenverfolgung, Kinderwelten, Menschenkontrolle, Bevölkerungswissenschaft, das vor allem in der Taschenbuchausgabe von 1987 zum Bestseller wurde, den notwendigen und sinnvollen Dialog zwischen seriöser wissenschaftlicher Forschung und einem an den Themen Hexen und Hexenwahn, Magie und Volksmedizin tief interessierten Publikum. Trotz der vernichtenden Kritik, die von Heinsohn und Steiger wütend zurückgewiesen, aber in keiner Weise widerlegt worden ist, finden ihre Thesen bei unkritischen oder militant-feministischen Leserinnen und Lesern immer noch Gefallen und Zustimmung, und das zwingt uns weiter zur Auseinandersetzung mit den Waffen kritisch geschulter Quellenanalyse und an strenge Methodik wie Logik gebundener Theorie.

Heinsohn und Steiger postulieren einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Hexenverfolgungen und dem Wissen um die Möglichkeiten und Praktiken von Geburtenkontrolle durch Empfängnisverhütung und Abtreibung; einem Wissen, das bei den weisen Frauen, den Heilerinnen, vor allem den Hebammen, konzentriert gewesen und angeblich durch die Hexenverfolgung beseitigt worden sei.

Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter mit der Unterstellung, "dass die Vernichtung der weisen Frauen ausdrücklich in bevölkerungspolitischer Absicht zur Unterbindung der Geburtenkontrolle von Kirche und Staat ins Werk gesetzt wurde." Der eher massenpsychologisch zu deutende Hexenwahn, Symptom und gleichzeitig Ventil in einer absoluten Krisensituation auf wirtschaftlich-sozialer, religiöser und mentaler Ebene, wird damit zu einem kühl-rationalen Komplott von eindeutig männlich bestimmten Eliten im religiösen und politischen Bereich, die auf diesem Weg auch die traditionell schwache Position der Frauen in der Gesellschaft als Wesen von - vermeintlich - minderer Intelligenz und schwacher Willenskraft zementieren wollten.

Dass die von Heinsohn und Steiger kühn behauptete demographische Zielsetzung nirgends erreicht wurde, sondern dass ganz im Gegenteil auf die Idee, Hexenverfolgung und Peuplierungspolitik miteinander zu verbinden, nicht einmal die phantasievollsten Theoretiker des Hexerei- und Zaubereidelikts gekommen sind, braucht hier nicht eigens dargelegt zu werden. Den Bremer Soziologen sind genügend Fehler und Missverständnisse in der Nutzung der Quellen und der einschlägigen Literatur nachgewiesen worden. Als Historiker kann man sie vergessen, als Demagogen muss man sie weiterhin ernst nehmen.

Es sei in keiner Weise bestritten, dass zu den Opfern des Hexenwahns auch eine signifikante Zahl von ‚weisen Frauen' gehörte, das heißt von heilkundigen, meist aber doch mit recht einfachen medizinischen Praktiken an Mensch und Tier vertrauten Personen. Dazu wird man natürlich die Hebammen rechnen, obwohl das Berufsfeld der in der Geburtshilfe tätigen Frauen auf dem Lande erst im späteren 16. Jahrhundert aufgebaut worden ist. In den meisten Dörfern agierten als Geburtshelferinnen zwei bis vier ältere Frauen aus der unmittelbaren Nachbarschaft oder Verwandtschaft. Soweit es die überlieferten Berufsangaben in den Hexenprozessakten erkennen lassen, waren Hebammen unter den Prozessopfern nur in marginaler Zahl vertreten; ihr Anteil lag im kleinen Promillebereich; unter den 60.000 Menschen, die vom 15. bis zum 18. Jahrhundert als vermeintliche Hexen und Hexenmeister hingerichtet worden sind, waren vermutlich nicht mehr als 200 Hebammen, eher weniger.

Im Gebiet der Reichsabtei St. Maximin, den umliegenden kurtrierischen Ämtern und in der Stadt Trier, wo die Quellen im 16. und 17. Jahrhundert etwa 800 weibliche Prozessopfer belegen, sind immerhin drei Hebammen als Hexen verbrannt worden, 1588 Werners oder Gobels Appolonia aus Detzem, Zei (Lucia) zu Mertesdorf und 1629 Barbel aus Kommlingen. Von den ersten beiden haben sich die Prozessprotokolle erhalten, auf Barbels Hinrichtung gibt es nur einen dürren Hinweis in der Akte eines anderen Opfers des Hexenwahns. So können hier nur Appolonia und Zei näher vorgestellt werden. Wie hoch die Dunkelziffer ist, wissen wir nicht, doch kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass eine beachtliche Zahl von Hebammen auch in der Hochphase der Verfolgungswellen völlig unbehelligt blieb. Einige waren sogar als Sachverständige an Hexenprozessen beteiligt, 1572 zum Beispiel eine Longuicher und eine Feller Hebamme in dem eigenartigen Hexenprozess gegen die Zeihen Eva aus Kenn, der als Kriminalprozess wegen des Verdachts der Abtreibung oder Kindstötung begonnen hatte. Obwohl Eva - unter der Folter - auch die Feller Hebamme als Komplizin bei einer Schadenzauberaktion besagt hatte, ging das Gericht dieser Beschuldigung nicht nach - Hebammen waren zu wichtig für das Leben im Dorf. Nach Heinsohn und Steiger aber müsste man diese Frau ebenso unter den Opfern finden wie die drei Hebammen der Stadt Trier, die 1595 auf Befehl des kurfürstlichen Statthalters die als Hexe angeklagte und von der Folter bedrohte Sunna von Lelligh ahn ihrem leib besichtiget, betastet unnd befuelet hatten, aber keine Schwangerschaft feststellen konnten. Eine der drei Frauen, Anna bei der Kürenzer Pforte, hatte schon 1592 zusammen mit einer Kollegin aus einem Trierer Hospital als geschworne hebamme den Nachweis erbracht, dass Kirsten Greth aus Mertesdorf nicht schwanger sei und daher weiter gefoltert werden könne. Greth wurde ebenso hingerichtet wie Sunna von Lelligh. Als Gutachterinnen in Kriminal- und Hexenprozessen, zum Beispiel bei der Suche nach dem Hexenmal, waren Hebammen auch in der lothringischen Bischofsstadt Toul tätig, ohne selbst in Verdacht zu geraten.

Einen auffallend hohen Anteil an Hebammen finden wir auf dem Höhepunkt einer kurzen Verfolgungswelle um 1630 nur in der Großstadt Köln; zehn von 18 beruflich genauer fassbaren Frauen, etwa ein Drittel der insgesamt in Köln hingerichteten Hexen, waren Hebammen. Aber dieser Ausnahmefall beweist wenig. Für 40.000 Einwohner brauchte man mehr Geburtshelferinnen als in Dörfern oder Kleinstädten. Auch die Ausbildung war in der Rheinmetropole durch Universitätsmediziner und praxisorientierte Chirurgen und Bader weiter fortgeschritten; die erste Hebammenordnung erschien bezeichnenderweise 1628.

Die Kölner Prozessakten belegen eindeutig, dass in schweren Krisensituationen Unglücksfälle, wie der Tod oder die ernsthafte Erkrankung von Neugeborenen, den Hebammen nicht als ‚Kunstfehler', sondern als Schadenzauber ausgelegt wurden. Dadurch wurden sie zu Hexen, nicht wegen der Verbreitung des Wissens über Möglichkeiten der Empfängnisverhütung beziehungsweise der Abtreibung in einem frühen Stadium der Schwangerschaft. Diese Themen spielen in den Akten kaum eine Rolle. Weil es Hebammen eher als anderen Frauen passieren konnte, dass ein mit ihrer Hilfe geborenes Kind in den ersten Tagen erkrankte und wenig später starb, waren sie in den Zeiten des Hexenwahns besonders gefährdet, und diese Gefährdung teilten sie mit anderen Heilkundigen, Frauen wie Männern. Da der ‚Krippentod' in den vergangenen Jahrhunderten etwas Alltägliches war, wenn auch in den meisten Fällen unerklärlich, mussten Hebammen und andere Geburtshelferinnen fast notwendig in die Sündenbockrolle geraten, wenn sich in Krisenzeiten die Unglücksfälle mehrten. Die Kölner Hebamme Enn (Anna) Konings wurde als Hexe beschuldigt, weil sie einmal einen Säugling, wohl bei der Taufe, angeblich zu fest gedrückt hatte; bald darauf war das Kind erkrankt und gestorben. Auch bei der Hebamme Enn Vollmers reichte eine Nichtigkeit zur Anklage: Am Tag nach der Taufe habe sie der Wöchnerin das Kind vom Schoß genommen, wahrscheinlich, um es noch einmal zu untersuchen; aber dann sei es krank geworden und nach wenigen Tagen "gar elendig gestorben". Wenn die Hysterie groß genug war, konnte auch sinnvolles, medizinisch gebotenes Handeln zum Hexenverdacht führen. Die aus den Spanischen Niederlanden stammende Hebamme Maria Renoit pflegte Neugeborenen kurz nach der Entbindung einen Klaps auf die Fußsohlen zu geben, um die Atmung in Gang zu bringen. Da man in Köln diesen Trick offenbar nicht kannte, wertete man ihn als Indiz für zauberische Absichten.

Maria Renoit war, was den Bildungsstand betraf, ihren Kölner Kolleginnen, die meist aus der Unterschicht stammten und nicht selten als Ammen zum Hebammenberuf gekommen waren, deutlich überlegen. Sie scheint auch als Heilerin gearbeitet zu haben, wobei sie - in bescheidenem Umfang - sogar magische Praktiken übte. Ob sie sich wirklich auf die ‚Kunst' des Riemen- oder Nestelknüpfens verstand und sie zum Schaden von Männern ausübte, was im Prozess von 1631 der Zeuge Moyses Moisir behauptete, der sie für den Verlust seiner Zeugungsfähigkeit verantwortlich machte, sei dahingestellt. Harmlos war ihr Rat an Wöchnerinnen, zum Abbinden der Nabelschnur nur Garn, das ohne Naßmachen von einer Jungfrau gesponnen sei, zu verwenden. Kritisch hätte hingegen die Aussage einer ledigen Dienstmagd gewertet werden müssen, Maria Renoit habe ihr gegenüber, als sie ungewollt schwanger war, bedeutet, sie könne machen …, dass sie ein thot kindt zur welt brechte, und [sie] hette viel stetiger leuth geholffen, dass es nit ausgebrochen, das heißt gar nicht zur Schwangerschaft gekommen sei. Aber die Kölner Untersuchungsrichter verfolgten dieses belastende Zeugnis nicht weiter. Maria Renoit wurde nicht als vermeintliche Hexe dem Hochgericht übergeben, sondern lediglich der Stadt verwiesen. Die einzige Kölner Hebamme, die mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit Verhütungspraktiken verbreitete und bei Abtreibungen half, wurde also nicht mit dem Feuertod bestraft. Das bestätigt die Grundannahme, dass nicht das Wissen um Empfängnisverhütung und Abtreibungspraktiken, sondern Unglücksfälle, die als Schadenzauber ausgelegt wurden und für die man einen Sündenbock brauchte, Hebammen und andere Heilerinnen in den Verdacht gebracht haben, Hexen zu sein.

Untersucht man die Verlaufsmuster der größeren Hexenprozesswellen in Dörfern und Städten, so stellt man fest, dass derartige Wellen nicht selten durch einen Unglücksfall, der als Schadenzauber an Menschen oder Tieren gedeutet werden konnte, ausgelöst worden sind. Hexenprozesse gegen Heilerinnen standen damit am Anfang massiver Verfolgungen, die sich aufgrund von Besagungen natürlich sehr bald auch gegen Frauen und Männer richteten, die nichts mit Geburtshilfe und Volksmedizin zu tun hatten.

Zu dieser Initialfunktion von Prozessen gegen Heilerinnen gibt es im Westen unseres Untersuchungsraumes aufschlussreiche, relativ frühe Belege aus dem. Jahrhundert, als noch vorrangig Fälle von Schadenzauber verfolgt wurden und die Umgestaltung der Verfahren zu echten Hexenprozessen mit den Elementen Abschwören des Glaubens, Teufelsbuhlschaft, Hexenflug und Hexentanz auf dem Hexensabbat erst im Anfangsstadium war. Ein erstes Zeichen von Argwohn gegen Hebammen finden wir 1487, im Erscheinungsjahr des Malleus maleficarum (Hexenhammer), in den Luxemburger Stadtrechnungen zum 6. Juli: Meister Thewalt, der Henker, erhielt für die Durchführung einer peinlichen Befragung Material (Harz, Keile, Werg und Seile) und Arbeitslohn. Auf die Leiter aufgezogen, vielleicht auch einer Brandfolter unterworfen wurden Kueckes Ailheit, Kueckes Schennet [Jeannette] und ain der heffeamen [Hebammen], die beruchtiget waren vor zauberssen.15 Da weitere Ausgaben, etwa für die Hinrichtung, nicht verzeichnet sind, kann man annehmen, dass die drei Frauen trotz des Zaubervorwurfs mit dem Leben davon kamen.

Ein interessantes Beispiel bietet um 1540 in den südlichen Niederlanden das schon weitgehend als Hexenprozess gestaltete Verfahren gegen eine Heilerin, überliefert durch den flämischen Juristen und Kriminalisten Joos de Damhouder († 1581). Opfer war eine alte Frau namens Katelijne aus Brügge, die als Heilerin und als fromme Christin zunächst ungewöhnlich hohes Ansehen genoß. Man verehrte sie - so Damhouder - wie eine Heilige oder einen der Apostel Christi, weil sie bei allen Menschen ganz erstaunliche Heilungserfolge hatte. Ihre Spezialität war die Behandlung von Kindern mit Rückenverkrümmungen und verrenkten oder gebrochenen Gliedmaßen, wobei sie als Heilmittel weder Medikamente noch sonstige erkennbare und nachvollziehbare Mittel einsetzte. Sie baute nach dem Vorbild der Apostel ganz auf Fastenübungen, Gebete, Messen und Wallfahrten, zum Beispiel nach St. Hubert in den Ardennen. Alles bewegte sich offenbar im Rahmen legaler, von der Kirche vollständig akzeptierter weißer Magie. Trotzdem geriet sie - aus welchen Gründen auch immer, aus Neid oder wegen eines missglückten Heilungsversuchs - in Verdacht. Eines Tages ließen sie die Brügger Schöffen mitten in der Nacht aus dem Bett holen und ins Gefängnis bringen. Sie wollten wissen, wie die wahre Natur der Mittel beschaffen sei, denen sie ihre Heilungserfolge verdankte. Sie bestand darauf, diese seien absolut ehrenhaft und sie werde zu Unrecht angeklagt. So verhängten die Schöffen die Folter, aber auch unter der peinlichen Befragung blieb sie dabei, dass der Teufel ihr in keiner Weise helfe.

Bei dieser Befragung stieß der Bürgermeister von Brügge, der an der Gicht litt, mehrmals schwere Seufzer aus wegen der stechenden Schmerzen, die ihm diese Krankheit bereitete. Die alte Frau bemerkte das und bot ihm an, ihn zu heilen. "Wenn Du dazu in der Lage bist", antwortete der Bürgermeister, "will ich Dir 2.000 Goldstücke zahlen, falls Du Erfolg hast." Das ging den am Verfahren beteiligten Juristen zu weit; sie ließen die Frau in Isolationshaft nehmen und warnten den Bürgermeister, sich auf das Angebot der Heilerin einzulassen; das sei zu gefährlich. Als sie einer der Juristen nochmals nach ihren Heilmitteln fragte, antwortete sie, es genüge ihr, wenn der Bürgermeister überzeugt sei, dass sie ihn heilen könne, und er dies offen erkläre.

Daraufhin waren die Rechtsgelehrten überzeugt, dass sie mit dem Teufel im Bunde stehe. Sie erklärten dem Bürgermeister und den Schöffen, die Apostel hätten immer im Namen Gottes Heilungen vollbracht, dieser Frau aber genüge es, wenn man an sie selbst glaube. Der Bürgermeister distanzierte sich sofort von seinem Angebot und die Angeklagte wurde, da es ja neue Indizien gab, auf Anweisung von Bürgermeister und Schöffen zum zweiten Mal der Folter unterzogen. Auch diesmal blieb sie standhaft. Sie gab zwar einige Vergehen harmloser Art zu, bestritt aber jeden Kontakt mit dem Teufel. So blieb sie weiter in Haft. Wenig später rechtfertigten weitere Indizien eine dritte Tortur, und auch diese überstand sie, machte sich sogar lustig über den Henker und ihre Richter, indem sie ihnen fröhlich zurief: "Was immer Ihr mit mir macht, wie grausam Ihr auch seid, von mir könnt Ihr nichts erfahren." Schließlich schlief sie mitten im Verhör ein.

Als nach kurzer Haftzeit auch der vierte Versuch scheiterte, durch Folter ein Geständnis zu erzwingen, ließ man Katelijne zum Zweck genauer Untersuchung am ganzen Körper rasieren. Man fand zwar kein Hexenmal, dafür aber in der Scheide oder im After ein Stück Pergament mit allen möglichen fremdartigen Namen und unbekannten, von Kreuzen umgebenen Buchstaben. Nun konnte das Verhör neu beginnen und angeblich gestand sie jetzt alles, was sie bei den vorhergehenden Befragungen abgestritten hatte. Sie erklärte, man hätte sie niemals dazu zwingen können, wenn man nicht das Pergament gefunden hätte, das sie mit Hilfe eines bösen Geistes gegen alle Folterqualen unempfindlich gemacht habe.

Der Jurist Damhouder, dem es vor allem darum ging, die Wiederholung der Folter zu rechtfertigen und die Folter als korrektes Prozessmittel zu verteidigen, das die Wahrheit ans Licht bringe, hat die Geschichte vom Zauberamulett der alten Heilerin vermutlich nicht einmal erfunden. Eher ist von einer Manipulation der Untersuchungsrichter oder des Henkers auszugehen; denn die vierte Folterung, bei oder nach der die Frau endlich zusammenbrach und gestand, war nur noch durch starke Indizien im Rahmen eines - nach den Maßstäben der Zeit - korrekten Verfahrens zu halten. Der Verdacht der Manipulation wird verstärkt, wenn man den Ausgang der Sache betrachtet: Das Urteil der Schöffen war uneinheitlich. Einige wollten, dass man die Frau als Hexe verbrenne, andere plädierten für Rücksichtnahme auf Alter und Geschlecht des Opfers, also für Strafminderung. Diese Schöffengruppe setzte sich durch. Die Frau wurde eine Zeitlang auf dem Richtplatz an den Pranger gestellt; man verbrannte eine Perücke über ihrem Kopf, um mit diesem symbolischen Akt deutlich zu machen, welche Strafe sie eigentlich verdient hätte, und dann verbannte man sie unter Androhung der Todesstrafe für immer aus der Stadt Brügge. Sie zog nach Zeeland und lebte einige Zeit in Middelburg. Als sie hier rückfällig wurde, das heißt wieder als Heilerin agierte, wurde sie vom bailli, dem Amtmann, festgenommen. Das Gericht nahm Einsicht in die Brügger Prozessakte, verurteilte die alte Frau zum Tod und ließ sie bei lebendigem Leib verbrennen.

Ein ungewöhnlicher, ein bedrückender Fall, in vieler Hinsicht merkwürdig: Wir wüssten heute auch gern, worauf - über Gebet, Segen, Fasten und Wallfahrt hinaus - die offenbar Neid erweckenden Heilerfolge der Frau beruhten; aber zum Bericht Damhouders, der offenbar an dem Prozessverfahren persönlich beteiligt war, fehlt uns die möglicherweise korrigierende Überlieferung in der Prozessakte. Das Prozessopfer war eine ungemein starke Frau, deren Leidensfähigkeit in der drei- oder viermaligen Folter vielleicht auch durch ihren festen Glauben an die Hilfe Gottes und der Apostel gestützt war und die Untersuchungsrichter zu der demütigenden und damit

den Widerstand brechenden totalen Leibesvisitation und dem wahrscheinlich manipulierten Amulettfund zwang, der nur scheinbar die Hilfe Satans dokumentierte. Merkwürdig ist auch die ‚Milde' der Brügger Schöffen - und vielleicht hoffte auch der gichtkranke Bürgermeister noch auf Heilung, wenn die Frau nach einer symbolischen Verbrennung mit dem Leben davonkam. Es bleiben viele Rätsel.

Die Zahl der heilkundigen Frauen, deren Rat und Hilfe so begehrt waren, dass sie von den gelehrten und den praktischen Medizinern, den Chirurgen, Badstubern und Barbieren als Konkurrenz empfunden wurden, war immer gering. Die meisten Frauen, die gerichtsnotorisch wurden - und nur von diesen wissen wir Genaueres -, waren des Lesens und Schreibens nicht mächtig; sie hatten also keinen oder höchstens mittelbaren Zugang zum Wissen der gelehrten Mediziner, die in ihren Schriften auch Erfahrungen der medizinischen Praktiker dokumentierten. Auch das in den Kräuterbüchern und diätetischen Schriften gesammelte Wissen blieb den weisen Frauen weitgehend verborgen. Einzelne Rezepte, Kräutermischungen oder sonstige Heilmittel wurden gelegentlich durch Heilerinnen und Heiler aus dem geistlichen Stand vermittelt, wie zum Beispiel durch Mitglieder von Pflegeorden oder Beginen, deren Rat oft gesucht wurde.

Aus den Hexenprozessakten erfahren wir nur ausnahmsweise Details über die Heiler- und Heilerinnenpraxis, die eine Einschätzung des Umfangs und der Qualität des medizinischen Wissens erlauben. Etwas mehr bieten Strafgerichtsakten von Verfahren, die nicht notwendig zu einem Hexenprozess führten. Sie zeigen eine eigenartige, manchmal gefährliche Mischung naturmagischer Praktiken, verbunden mit pseudochristlichen Segens- oder Zaubersprüchen, die aber nicht nur zur Heilung von Krankheiten, sondern auch als Liebeszauber, Wiederbringzauber, Wetter- und Brandsegen oder für den Blick in die Zukunft eingesetzt wurden.

Auffallend viele Hinweise auf volksmagische Vorstellungen und Praktiken geben Hexenprozesse des frühen 17. Jahrhunderts aus der von Luxemburg lehensabhängigen Eifelherrschaft Neuerburg. In dieser überwiegend ländlich geprägten, stadtfernen Region lag im Krankheitsfall die Durchführung von Heilungsversuchen bei Mensch und Vieh - von durchreisenden Wanderärzten und segenspendenden Ortsgeistlichen abgesehen - fast ausschließlich bei Frauen und Männern, welche die Anwendung von Kräutermedizin oder magischen Heilmitteln gewöhnlich mit einem Segensspruch, einer Heil- oder Beschwörungsformel verbanden. Zur Diagnose nutzten die Heilerinnen und Heiler - wie in anderen Gegenden auch - das so genannte ‚Messen', wobei das erkrankte Körperteil mit einem Kopftuch, Schleier oder Gürtel ‚abgemessen' wurde. Wichtig war dabei vor allem, den für die angenommene Krankheit jeweils als Helfer zuständigen Heiligen herauszufinden und einen möglichst wirksamen Heilungsspruch, der manchmal auch wie ein Fluch klingen konnte, zu kennen und formgerecht anzuwenden. Dieser zweifelhafte Gebrauch, wenn nicht gar Missbrauch von Heiligen, Gebet und segenspendenden Mitteln musste von der Amtskirche mit großem Argwohn betrachtet werden, zumal die Grenzen zwischen ‚weißer' und ‚schwarzer' Magie fließend waren.

Der verbreiteten Vorstellung von der gefragten und zugleich gefürchteten, meist abstoßend wirkenden alten Kräuterhexe entsprach die 1614 wegen Schadenzauber angeklagte Schneider Mergh (Maria) aus Utscheid in der Herrschaft Neuerburg. Sie hatte ein bewegtes Leben mit vielen Schicksalsschlägen hinter sich. Vor 15 Jahren hatte sich ihr Mann im Gefängnis das Leben genommen und war auf dem Schindanger begraben worden. 1612 verlor sie an einen Hochgerichtsschöffen ihr ganzes, bescheidenes Vermögen. Die früh gealterte Frau mit dem hageren Gesicht, dem krummen, mageren Körper und der abgetragenen Kleidung war durch ein blindes Auge zusätzlich entstellt. Viele Leute bekreuzigten sich bei ihrem Anblick, Kinder liefen schreiend davon. Nichtsdestoweniger war sie lange Zeit eine gesuchte Heilerin, die über wirkkräftige Segenssprüche verfügte; darunter waren, wie sie selbst ohne Folter bekannte, unterschiedliche Segen zur Heilung von Blutungen, Wurm (inneren Krankheiten), Panaricium (Nagelbettentzündung) und Grind. Nach Aussage der Zeugin Hilgers Maria, Hebamme aus Utscheid, die wenig später ebenfalls in den Verdacht geriet, Schadenzauber geübt zu haben, lautete der Wurmsegen wie folgt: Es wahr ein selige stundt, dho gott geborn wardt. Ich segen dich lindtwurm, ich segen dich grawer wurm, ich segen dich roder wurm. Der lieb her St. Job der lagh in einem mist, der rieff uff zum Himmel: Du mein lieber her Krist! O herr meister mein. Wie mannigh ist der wurm? Der wurm ist woll neun. Her meister mein. Ich gepiethe euch alle neun zusamen durch gott der Vather, durch gott den Sohn, durch gott den heiligen Geist, Amen. In dieser großen noth, zum dritten thodt. Dass sey wahr in Christus nahmen, Amen. Eine Zeugin berichtete, Mergh habe zum Heilzauber manchmal eine ungeweihte Kerze benutzt, die um den Kopf der erkrankten Person gebunden wurde.

Als Heilerin war auch Michels Grethe aus Utscheid aktiv; auch sie kannte zwei Wurmsegen, einen Grindsegen und eine Segensformel zur Blutstillung. Am 22. März 1614 wurde sie hingerichtet; vier Tage später folgte ihr Schneider Mergh, nach knapp einem Monat die schon genannte Utscheider Hebamme Maria Hilgers, die zunächst nur als Zeugin der Anklage gedient hatte. Auch ihr wurden Heilsegen, sofern die positive Wirkung ausblieb, als Schadenzauber ausgelegt. Von den Utscheider Heilerinnen verfügte die Hebamme sicher über das breiteste Repertoire. Sie dürfte auch kräuterkundig gewesen sein, aber diese reale Seite der Volksmedizin wird in der Prozessakte nicht angesprochen. Vermerkt sind im Wortlaut nur die Segensformeln. Bei Halserkrankungen wie der schöll (belegte, entzündete Mandeln), aber auch beim zapp (Angina) oder der breunt (Diphtherie) bemühte sie die Hilfe des heiligen Blasius, wobei sie eine geweihte Kerze vor das Gesicht des Kranken hielt und ihn durch die Flamme anblies. Bei Frauenleiden, unregelmäßigen Blutungen (die frickel) oder Gebärmutterentzündungen, pflegte sie im Segen die Krankheit und das erkrankte Organ durch die Gottesmutter als Personen anzusprechen: Es wahr ein gutte stundt, dho Gott geboren war, also wolle diese auch sein. Unß liebe frauw ging ueber landt, sie hub uff ihre gebenedeite handt, do begegnet ihr Frau Frickel und Frau Bermutter. Wohin geht ihr Frau Frickel, Frau Bermutter? Ich gehe ihm sein blutt zappen und gehe hit zum todt bringen. Dho sagt uns liebe frau, dass sollst du nit thun Frau Frickel, Frau Bermutter. Die Glocken seindt geklungen, die messen seindt gesungen und seindt darnach gelesen. Dann solle ihme sein bauch woll genesen. Die Vorstellung, die Gebärmutter sei ein eigenständiges, lebendiges Gebilde, das durch den ganzen Körper wandern könne, ein "Lebewesen im Lebewesen", ist seit der Antike nachweisbar; als Element populärer Vorstellungen findet sie noch im 17. Jahrhundert Beachtung. Maria Hilgers beherrschte auch die Kunst des ‚Messens' mit ihrem Kopftuch, wobei sie Heilige wie Gangolf, Valentin oder Lambertus anrief, sich als geeignete Segensspender zu zeigen. Dass sie einem kranken Pferd einen Trank aus Wasser und gesegnetem Wachs verabreichte, wobei sie den rechten Schuh einer Kindbetterin als Gefäß missbrauchte, dürfte keinen großen Schaden angerichtet haben, problematisch aber erscheint aus heutiger Sicht die Behandlung von kranken Menschen mit einer Mixtur aus Pferde-Urin und gesegnetem Wachs, sofern das Mittel innerlich Anwendung fand.

Als kräuterkundige und Pflanzen nutzende Heilerin ist in der Herrschaft Neuerburg nur die am 24. Januar 1621 hingerichtete Kunigunde Diederichs nachweisbar. Ihr wichtigstes Heilmittel, wirksam gegen Kopfleiden, war eine auf nassen Wiesen wachsende Pflanze mit drei Wurzeln, die als Teufelsabbiss (succisa pratensis oder morsus diaboli) bezeichnet wurde. Kunigunde erklärte, der Teufel beiße beim Herausziehen der Pflanze aus der Erde die kräftigere mittlere Wurzel ab, wenn man es nicht verhindere.

Keine der genannten Heilerinnen, auch nicht der auf innere Krankheiten (Wurm) spezialisierte Heiler Diederich Pintsch aus Neuerburg, der Kranke mit einer Salbe aus Weinessig und Baumöl (Nuß- oder Olivenöl) behandelte und dabei Segensformeln murmelte, wurde mit dem Verdacht konfrontiert, empfängnisverhütende Mittel oder gar Abortiva eingesetzt zu haben. Es gibt keinen einzigen Hinweis auf die Nutzung des Sadebaumes.

Was für die ländlich geprägte Eifel gilt, trifft wohl auch auf das Herzogtum Luxemburg zu. So wurde gegen die 1652 im luxemburgischen Neufménil durch grausame Folter und unmenschliche Haftbedingungen ermordete Hebamme Jehenne Lambert nicht etwa der Vorwurf der Abtreibung oder Empfängnisverhütung erhoben, vielmehr hatten es die Gerichtsschöffen des Ortes auf ihr Vermögen abgesehen. Mit unglaublicher Brutalität versuchten sie, die alte Frau zu einem Geständnis zu zwingen. Als dies misslang, ließ man die schwer verletzte und nahezu gelähmte Jehenne regelrecht in ihrem Kerker verhungern und verscharrte den Leichnam in ungeweihter Erde. Auch wurde keine der im 16. und 17. Jahrhundert gerichtsnotorisch gewordenen Kölner Heilerinnen und Magierinnen beschuldigt, Mittel zur Verhinderung oder frühen Beendigung von Schwangerschaften angeboten oder verabreicht zu haben - von der bemerkenswerterweise nicht als Hexe angeklagten Hebamme Maria Renoit einmal abgesehen. Dafür gab es bessere Adressen: Kupplerinnen und Dirnen, weil Prostituierte dringend darauf angewiesen waren, möglichst nicht schwanger zu werden, um im ‚Geschäft' bleiben zu können.

Wenn es eine Frauengruppe gab, deren Wissen um Empfängnisverhütung und Abtreibungsmöglichkeiten deutlich höher war als das der Masse der heiratsfähigen beziehungsweise verheirateten Frauen, dann waren dies die ‚feilen Frauen' in den städtischen Frauenhäusern und die heimlichen, die ‚Schlupfhuren' in den Straßen und Gassen, die man heute als Rotlichtviertel bezeichnen würde. 1629, auf dem Höhepunkt der Stadtkölner Hexenverfolgung, gestand eine nicht als Hexe angeklagte Dirne im Verhör, sie habe in Bier und Branntwein gesottenen Sadebaum und andere Sachen zu Abtreibungszwecken benutzt. Die Rezeptur verdankte sie einer Berufskollegin, die in ihrem Beisein die Mixtur selbst einnahm, um die Bedenken wegen des Gifts im Sadebaum zu zerstreuen, und die ihr erklärte, dass sie es auch gepraucht hette, zu dem endt, dass sie nit schwanger werden mochte und wan sie schwanger were, dass es alsdan die frocht abtreiben mochte. In einem Breslauer Prozess aus dem 16. Jahrhundert wegen Zuhälterei und Verführung eines jungen Mädchens zur Prostitution musste das Kupplerehepaar zugeben, einen Abortivtrank gebraut zu haben, der Bibergail, Sadebaum, Sonnenblumen und Bibernell enthielt. Diesen wollte das verführte Mädchen nicht trinken; es erstattete Anzeige und das Ehepaar wurde der Stadt verwiesen.

In seinem Kreutterbuch von 1555 schrieb Hieronymus Bock über den Sadebaum: Die Meßpfaffen und alte Huren genießen des Sevenbaumes am besten. Aber das Wissen um dessen abortive Wirkung ging weit über diese beiden Personenkreise hinaus und schon gar nicht war es vorrangig bei den Hebammen konzentriert. Der im Volksmund auch "Kindermord", "Mägdebaum" oder "Jungfernpalme" genannte Strauch, ein Verwandter des Wacholders, dessen Gipfeltriebe besonders viel von dem übel riechenden ätherischen Öl enthalten, das ausgekocht und innerlich angewandt seine stark toxische Wirkung entfaltet, stand auf Friedhöfen, in Weingärten, auch in privaten Kraut- und Baumgärten. Man konnte getrocknete Sadebaumspitzen sogar in Apotheken kaufen. Die Anwendung dieser ‚Medizin' war immer mit hohen Risiken verbunden.

Weithin bekannt war auch die fruchtschädigende Wirkung von schwarzer und weißer Nieswurz, von der Alraune (Mandragora) und der Haselwurz, während Raute, Muskatblüte und Muskatnuss oder auch der Beifuß zu den milderen Mitteln zählten, die vorwiegend bei Menstruationsstörungen eingesetzt wurden. Dass dabei, vor allem bei den als Blutstockung bezeichneten Beschwerden, unfreiwillig auch im Frühstadium befindliche Schwangerschaften beendet werden konnten, liegt auf der Hand. Nimmt man dazu die Vielzahl der möglichen indirekten Methoden oder Ursachen von Schwangerschaftsabbrüchen, unvorsichtiges Tanzen und Springen, harte Arbeit im Garten oder Weinberg, das Heben von schweren Gegenständen, die beliebten Aderlässe, Brechmittel und Klistiere zur ‚Reinigung' der Körpersäfte, nicht selten auch das brutale Verhalten der Ehemänner oder Liebhaber, dann werden die Grenzen zwischen natürlichen Fehlgeburten, der medizinisch gebotenen Abtreibung von toten Föten und der gewollten Abtreibung bei normal verlaufender Schwangerschaft fließend. Man versteht, dass es in der Frühneuzeit so selten zu Verurteilungen wegen Fruchtabtreibung kam - sie war viel schwerer nachzuweisen als der Kindsmord nach der Geburt.

Befragen wir nun die beiden Prozessakten gegen die als Hexen hingerichteten Hebammen im Trierer Raum, so zeigt sich, wie wenig darin die Frage der Empfängnisverhütung oder gar der Abtreibung eine Rolle spielte. Gegen die am 4. Januar 1588 angeklagte Hebamme Appolonia, nach ihren verstorbenen Ehemännern Werners oder Gobels Appolonia genannt, lag über böse Gerüchte und eine einzige Besagung durch den aus Ensch stammenden, kurz vorher hingerichteten Montzel Theiß hinaus kaum Konkretes vor. Als Zeuge im Prozess warf ihr der Detzemer Hochgerichtsschöffe Niklaß Hanß vor, man habe Argwohn gegen sie gehabt, weil sie als Hebamme dem hern pastor keinen eidt gethan und deshalb im Send, dem Gericht der Kirchengemeinde, schon gerügt worden sei. Den Nachbarn sei in den letzten Jahren viel Schaden am Vieh widerfahren.

Einen ganz massiven Vorwurf, nämlich den des vollendeten Giftmords, erhob Ludwichs Peter: Vor etwa fünf Jahren sei sein Sohn Hupricht, damals 14 Jahre alt, an einem Samstag in Appolonias Haus gewesen; er habe dort einen Trunk genommen, der ihm nicht bekam. Er meinte, sein Herz müsse im Leib verbrennen, habe nichts zu Abend essen können und sei am darauffolgenden Donnerstag gestorben. Vor seinem Tod habe er noch gesagt: vatter, hab ich euch erzurnet, verzeyget mir, dan ich muß sterben, und ist kein ander schultt dan dass ich in Wernerß Apolonien hauß getroncken hab … Als man den toten Jungen auf den Strohsack legte, sei schwartz ding, wohl schwarze Galle, aus ihm gelaufen, schier zwa massen kanden voll.

Das reichte, um Appolonia foltern zu lassen. In der peinlichen Befragung war aber keine Rede von dem Vergiftungsvorwurf; sie gestand auf die wie üblich sehr gezielten Fragen die klassischen Hexereidelikte (Verführung durch den Teufel, Teufelsbund und -buhlschaft, Verunehrung der Hostie, Hexensabbat), dann Schadenzauber an Tieren, zuerst bei ihrem eigenen Hund, der an der in einem Schinkenstück verpackten Teufelsschmier starb; dann habe sie versucht, nach einer Kuh im eigenen Stall auch eine Kuh der Meurer Trein umzubringen, was sie aber nicht geschafft habe, weil in deren Stall ein gesegneter Palmzweig (palm reiß) hing. Zu ihrer Verteidigung machte sie - ohne Erfolg - geltend: Wan sie ihm dem teuffel nit gefolgtt, und viell zur kirchen gangen, und guetz gethain, hat er sie geschlagen und getulfft. Hatt auch oft gewoltten, sie sull die kleine kinder umbringen und nit lassen zu erden [auf die Welt] kommen, was sie dem Teufel aber verweigert habe. Ob man sie danach gezielt gefragt hat, geht aus der Akte nicht hervor. Wahrscheinlich hat sie von sich aus darauf bestanden, auch unter der Folter zu erklären, dass sie gegen ihre Pflichten und Berufsehre als Hebamme nicht verstoßen habe. Der Hinrichtung durch Strangulierung und der anschließenden Verbrennung in der Stroh- und Reisighütte entging sie nicht.

Dem durch Heinsohn und Steiger aufgebauten Klischee von der wegen ihres Wissens über Empfängnisverhütung und Abtreibungspraktiken mittels Hexenprozess von der Obrigkeit ausgeschalteten Hebamme entsprach Appolonia ebenso wenig wie die am 20. Oktober 1588 hingerichtete Mertesdorfer Hebamme Zei. Sie war von mindestens fünf bereits hingerichteten Personen als Komplizin besagt worden; inhaftiert wurde sie aber erst am 17. Oktober aufgrund der schweren, in ihrer Abstrusität nur durch die Folter erklärbaren Beschuldigungen seitens der Sontags Barbara, mit der sie im Gefängnis konfrontiert wurde. Barbara sagte Zei ins Gesicht, sie habe auch verholffen, Nofell Treinen Kinder in der Mußmeierßen haus gesotten, gebratten und die Hertzer gessen. Mit den Kindern waren, wie aus dem weiteren Verlauf der Untersuchung hervorgeht, ungetaufte Tot- oder Fehlgeburten gemeint.

Zei, eine offenbar leicht verführbare Frau, gestand zunächst nur, während ihrer beiden Ehen mit mehreren Männern Ehebruch getrieben zu haben, vor allem, nachdem ihr zweiter Ehemann von ir hinwegk gelauffen und sie schwanger in Mertesdorf zurückgelassen habe. Nach mehrmaliger, zunehmend verschärfter Folter, blieb sie schließlich, körperlich und seelisch gebrochen, bei den ihr in den Mund gelegten Geständnissen, zumal auch eine - im Trierer Raum selten angewandte - Wasserprobe zu einem für Zei negativen Ergebnis geführt hatte: Also ins Wasser geworffen, hatt uff dem Wasser geschwommen wie ein Bloeß

[Blase], wie woll der Nachrichter sie etlich Mall zu Grondt gestossen, und mit Henden und Fueßen zusamen gebonden whar.

Sie gestand die mehrmalige Teufelsbuhlschaft, die Verleugnung Gottes und der Jungfrau Maria, die Beseitigung des Tauföls (Chrisam), zweimalige Verunehrung der Hostie, häufige Teilnahme am Hexensabbat auf unterschiedlichen Tanzplätzen sowie eine Reihe von teils erfolgreichen, teils missglückten Schadenzauberaktionen gegen Vieh, Feldfrüchte, Wein und Obst, an denen insgesamt 30 Komplizen in wechselnder Zusammensetzung beteiligt gewesen seien. Kein einziger der Schadenzauberfälle stand in irgendeinem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit Zei's als Hebamme. Auch die ihr schon von Sontags Barbara vorgeworfene Beteiligung an der ‚Nutzung' ungetauft gestorbener Kinder zu schwarzmagischen Praktiken hatte mit dem Hebammenamt nichts zu tun, abgesehen von dem Umstand, dass Zei wohl auch bei Totgeburten als Helferin gerufen wurde und vermutlich wusste, wo die ungetauften Kinder begraben waren. Unter der schweren Folter gestand Zei, sie habe eingewilligt, als eine Gesellschaft von Hexen und Zauberern vor einigen Jahren ein während der Geburt gestorbenes Kind des Hermans Hans zu Ruwer heruser gegraben und in der Schmiden Haus zu Rofer gesotten und gebratten und zu Eschen verbrennt, und haben die Eschen uff das Feldt gesprengkt, daruser Schnecken worden, so die Samen verderben sollen. Verantwortlich sei aber Metzen Barbara gewesen. Auch als die toten Kinder der Nofell Trein in ähnlicher Weise zu Zaubermitteln ‚verarbeitet' wurden, habe sie den anderen Weibern ihren Willen dazu gegeben, es aber gewiss nicht gern getan; sie sei dazu gezwungen worden.

Dass Zei so leicht in Verdacht und böses Gerücht, folglich so früh in Komplizenlisten bereits hingerichteter oder noch im Prozess befindlicher Personen beiderlei Geschlechts geraten konnte, lag nicht an ihrer beruflichen Tätigkeit, sondern offenbar an ihrem recht zügellosen Lebenswandel, den sie ohne großen Druck zu Beginn der Befragung durch das Gericht auch eingestand und zu büßen bereit war. Dass sie deswegen ihr Leben verwirkt habe, wollte sie nicht glauben, dieweill die Mhan die gemein Perschonen leben laessen. Der Amtmann, der Schöffenmeister und die Schöffen des Hochgerichts von St. Maximin sahen dies anders. Sie erkannten zu Rechtt …, dass gemelte Zey ihrer begangener und bekendter Ubelthatt, Ehebrochs und Zauberey halber mit dem Feur vom Leben zum Dodt zu straffen und hinzurichten seye.