Obsessionen – Alptraum:

Mystische und surreale Phantasien
in der Kunstfotografie des 19. und 20. Jahrhunderts

Die Kunstfotografie setzte sich seit dem 19. Jahrhundert
mit den Themen Hexen, Zauber und Feuer auseinander.
Vor wenigen Jahren wurden in Frankreich
Fotocollagen aus dem mittleren 19. Jahrhundert entdeckt.
Der Titel »Obsessionen« entsprach den dargestellten Motiven
und den mutmaßlichen Absichten des Urhebers.
Sie erfüllen sehr konkret und auffällig konsequent
die vom Thema »Hexenwahn« hervorgerufenen Erwartungen.

Mystische und surreale Phantasien waren aber
nicht nur künstlerische Themen des 19. Jahrhunderts.
Das Feuer faszinierte die Menschen seit jeher.
Künstler stellten es in Malerei, Grafik und Fotografie
in emotionaler Beziehung zur menschlichen Psyche dar.
Das »Brennen« verkörperte das »Ausmerzen« des Bösen.
Ausgewählte Fotografien der amerikanischen Avantgarde
der 1960er und 1970er Jahre zeigen eine starr geregelte Welt.
Hinter der scheinbaren Idylle lauert wartend das Böse.

Auch hier geht es um ein Klima von Angst und Bedrohung,
um das Ausrotten des Bösen sowie um verhexte Gegenstände.
Francesca Woodman, Ralph Gibson, Duane Michals und Les Krims
führen vertraute Gegenstände und reale Situationen
als etwas Geheimnisvolles, Entrücktes, fast Surreales vor.

Sie stellen die Realität als Thema der Fotografie in Frage
und setzen an ihre Stelle eine imaginäre Welt,
in der Modelle nach ihren Anweisungen agieren.
Für sie ist die Fotografie die angemessene Technik,
um ihre künstlerischen Ambitionen auszudrücken.
Fotografien illustrieren dramatische Gefühlswelten
und verleihen den Mysterien von Leben und Tod Gestalt.

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Obsessionen
Bei den auf etwa 1860 zu datierenden Arbeiten handelt es sich um teilweise kolorierte Fotocollagen, die vermutlich aus der Gegend von Lyon stammen. Die insgesamt 68 Fotocollagen sind Bestandteil eines ursprünglich 50 Doppelseiten umfassenden privaten Albums. Entdeckt wurden sie 1994 anlässlich von Aufräumarbeiten auf dem Dachboden eines Hauses in Burgund und gelangten über den Kunsthandel zunächst in die USA und
dann nach Deutschland. Den Hinweis auf den Ursprungsort gibt ein Detail auf einer der Fotocollagen: Auf einer Zeitung lässt sich deutlich das Wort „Lyon erkennen. Ansonsten gibt es weder direkte oder verborgene Hinweise auf die Autorschaft noch intentionale Anhaltspunkte hinsichtlich der dargestellten Motive.
Die Fotocollagen behandeln in auffällig konsequenter Weise das Thema „Hexen und Henker. Mittels fotografischer Technik sind mehrere Frauengestalten ganzfigurig dargestellt. Ebenso fotografisch, aber ursprünglich unabhängig davon, entstanden mehrere Aufnahmen von gestapelten Holzscheiten, die der unbekannte Autor mittels Collage zu eindrucksvollen Scheiterhaufenmotiven kombinierte. Dabei liegt der besondere künstlerische Reiz weniger in der Gestaltung des Einzelbildes als vielmehr in der systematisch anmutenden Wiederholung des Motivs mit wechselnden Darstellern und kompositorischen Rhythmen.
Mystische und surreale Phantasien beziehungsweise existentielle oder pseudoreligiöse Obsessionen waren als Themen des 19. Jahrhunderts bald Gegenstand der Fotografie. Mit der Vereinfachung der Werktechnik durch die Fotografie rissen schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts die inzwischen zahlreich vorhandenen Amateure die gestalterischen Möglichkeiten der Fotocollage an sich und machten sich die Reproduzierbarkeit der Abzüge sowie die leichte Handhabung des papiernen Bildträgers geschickt zunutze. So ist es nicht unwahrscheinlich, dass es sich bei dem Autor der vorliegenden Collageblätter um einen Amateur handelte, der sich an der bildlichen Umsetzung seiner skurrilen und möglicherweise auch obsessiven Phantasie delektierte.

 

Ohne Titel

Les Krims (*1943)
New York 1969

Les Krims ist nicht daran interessiert, irgendetwas zu dokumentieren. Er stellt seine Modelle, meist Freunde und Familienmitglieder, posierend inmitten der zu Bildgegenstand und Aussage gehörigen Umgebung dar.

Er fotografiert meist gestellte Bilder. Seine Serien sind keine Sequenzen, sondern eine Aneinanderreihung verschiedener Aspekte ein- und desselben Sujets, bei denen jedes Foto als Einzelbild selbständig ist. Viele Bilder Les Krims' zeigen absurde und bizarre Situationen, die den Betrachter teils amüsieren, teils schockieren. In nur einem Bild gelingt es ihm dabei, eine Person in Rauch aufzulösen oder an der Decke schweben zu lassen. Seine Motive bezieht er aus den Themen der inneren Phantasien und (Alp-)Träume.