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Qingdao (Tsingtau) -
Ein Zentrum deutscher Kultur in China?

von Klaus Mühlhahn

Die historische Forschung hat hinter dem neuzeitlichen Kolonialismus stets und beinahe ausschließlich wirtschaftliche, politische und militärische Faktoren als Antriebskräfte für die Expansion Europas in der außereuropäischen Welt gesehen. Eine solche Sichtweise läßt jedoch all jene Aktivitäten der Kolonialstaaten außer acht, die der spätere deutsche Kolonialminister Bernhard Dernburg 1907 als "die wichtigste Hilfswissenschaft" für den Kolonialismus bezeichnete: Technologie, Wissenschaft und Bildung.1 Sie stellten im kolonialen Alltag Schlüsselfaktoren dar, ohne die die koloniale Präsenz in weit entfernten Gegenden und in einer häufig als feindlich und unwirtlich empfundenen Umwelt kaum hätte über längere Zeit aufrechterhalten werden können. Erfindungen und Innovationen wie das Maschinengewehr, der Telegraph, die antiseptische Operation usw. erleichterten die neuzeitliche Kolonialisierung. Kultur spielt auch eine wichtige Rolle in dem Verhältnis der Kolonialmacht zu den Beherrschten: Über Elementarschulen, Berufsschulen und höhere Schulen in den Kolonien sollte unter der einheimischen Bevölkerung eine Gruppe herangezogen werden, die über moderne Bildung und Kenntnisse in den Wissenschaften verfügte und die die Kolonialmacht in Verwaltung und Wirtschaft einsetzen konnte.2 Solche Aktivitäten der Kolonialstaaten hatten weitreichende soziokulturelle Wirkungen zur Folge: Westliches Wissen wurde in außereuropäischen Regionen eingeführt, entsprechend veränderten sich einheimische Traditionen in Erziehung, Wissenschaft und Kultur. Die neuen Bildungswege führten außerdem zur Herausbildung neuer Eliten, die nach Ablösung der traditionellen Eliten strebten und in Führungspositionen vordrangen.
Auch für das Gouvernement Kiautschou läßt sich feststellen, daß neben Machtpolitik und Profitstreben kulturelle und wissenschaftliche Aktivitäten einen großen Raum einnahmen.3 In Bezug auf die deutschen Maßnahmen in Kultur und Wissenschaft müssen dabei grundsätzlich drei Unterscheidungen gemacht werden. Erstens gab es die religiös motivierten Aktivitäten der deutschen katholischen und protestantischen Missionen, die faktisch seit 1898 inner- und noch früher außerhalb des deutschen Pachtgebietes Missionsschulen, Elementar- und Mittelschulen sowie Priesterseminare unterhielten. Diese werden im folgenden ausgespart, da sie Teil der supranationalen, breiten und vielschichtigen westlichen Missionsbewegung in China sind, die mit der Verbreitung des Evangeliums andere Ziele als die weltliche Kolonialmacht verfolgte. Zweitens wurde in Kiautschou seit etwa 1905 von den staatlichen Stellen damit begonnen, eine eigenständige säkulare Kulturpolitik zu entwickeln und im deutschen Pachtgebiet schulische Einrichtungen für die chinesische Bevölkerung zu etablieren. Das wichtigste Projekt hierbei war die Deutsch-Chinesische Hochschule, die von China als Institution höherer Bildung anerkannt wurde. Drittens ist die gezielte Förderung wissenschaftlicher Tätigkeiten in Qingdao zu berücksichtigen, die der systematischen Erforschung der chinesischen Welt in naturwissenschaftlicher und geisteswissenschaftlicher Hinsicht dienen sollte. In diesem Zusammenhang ist auch die Etablierung der Sinologie als gegenwartsbezogene Wissenschaft zu sehen.4 Der Kolonialismus führte zu einem erhöhten Bedarf an ausgebildeten Chinaspezialisten ebenso wie an konkreten Informationen über China und die chinesische Gesellschaft. Dadurch wurden bestimmte Formen des Wissens über China generiert, die in Gestalt von Chinabildern zum Teil bis heute zu beobachten sind. Diese letzten beiden Bereiche, staatliche Kulturpolitik und Wissenschaft, sind Gegenstand des vorliegenden Beitrages.

Planungen und Konzeptionen der deutschen Kulturpolitik
In den ersten Jahren nach der Besetzung chinesischen Territoriums standen der bauliche Aufbau der Stadt Qingdao, der Ausbau der Infrastruktur sowie Einrichtungen des Militärs im Mittelpunkt der Politik des Gouvernements. Diese Arbeiten sollten die Voraussetzungen für die wirtschaftliche Entwicklung der Kolonie schaffen. Nach 1905 rückte dann jedoch der Faktor Kultur als weiterer Bestandteil der deutschen Politik im Gouvernement Kiautschou immer mehr in den Mittelpunkt des Handelns.5 Zu dem eigentlichen Ziel der Entwicklung Kiautschous als Handelszentrum kam die Entwicklung eines "deutschen Kulturzentrums"6 in China hinzu. Die vom Deutschen Reich in Kiautschou durchgeführte systematische Kulturpolitik hatte dabei eine breit angelegte Intention. Sie ging davon aus, daß Kulturpolitik neben Diplomatie und Außenwirtschaftspolitik eine dritte Säule in den Beziehungen zu China werden sollte. Mit Hilfe der Kulturpolitik sollten die Leistungen und Erfolge der deutschen Kultur und Wissenschaft demonstriert und damit ein positives Bild von Deutschland in China vermittelt werden.7 Die eigenständige Kulturpolitik des Staates, die in Ergänzung zu den religiös motivierten Aktivitäten der Missionen in den ländlichen Gebieten stand, sollte insbesondere zukünftige Eliten in Schlüsselpositionen ansprechen und bei ihnen eine deutschfreundliche Einstellung verbreiten. Seit 1905 begannen daher die deutschen Kolonialbehörden in Qingdao aus eigener Initiative kulturpolitische Planungen und Konzeptionen zu entwickeln. In einem grundlegenden Positionspapier aus dem Jahre 1905 wurde die Kulturpolitik als eine der wichtigsten Aufgaben für die deutsche Politik in China und Kiautschou genannt. Hier heißt es: "Die Aufgaben, die uns Deutschen in dieser Kolonie auf diesem wichtigsten Gebiet des Kulturlebens moderner Völker, dem Erziehungswesen, gestellt sind, lassen sich nach dem Vorhergehenden kurz zusammenfassen. Soll deutscher Einfluß über die engen Grenzen unseres Gebietes hinaus in Schantung sich bahnbrechen, so gilt es, den Mächten, die dort am Werke sind, durch planmäßige und tatkräftige Interessenvertretung ein Gegengewicht zu schaffen. In unserer Kolonie dürfen wir uns nicht wie in Hongkong darauf beschränken, solche Chinesen heranzuziehen, die in der Schulbildung nur das Rüstzeug zu einem leichteren Lebensunterhalte finden, sie soll vielmehr in umfassender Weise auf Geist und Charakter einwirken und das Mittel sein zu einer Durchtränkung der ganzen Provinz, des von Tsingtau wirtschaftlich abhängigen Hinterlandes mit deutschem Wissen und deutschem Geiste."8
Aus diesen Ausführungen wird deutlich, daß die Aufstellung einer systematischen Kulturpolitik des Deutschen Reiches in China in engem Zusammenhang stand mit der großen Bedeutung, die dem Kulturbegriff in den akademischen Diskussionen in Deutschland um die Jahrhundertwende zugeschrieben wurde. Zeitgenössische Publizisten und Wissenschaftler wie Soziologen, Ethnologen und auch Sinologen betonten übereinstimmend die ausschlaggebende Rolle der Kultur für die Entwicklung einer Gesellschaft.9 In bezug auf die deutsche Politik in China wurde in Übereinstimmung mit einer solchen Argumentation hervorgehoben, daß Kultur- und Bildungspolitik Grundlage für jede Form der wirtschaftlichen und politischen Einflußnahme darstellten, das heißt, Grundlagen für die deutsche koloniale Präsenz in Shandong überhaupt. Der einflußreiche Publizist Paul Rohrbach, ein Wortführer bei der Forderung nach der deutschen Kulturmission, betonte die prinzipielle Rolle und Aufgabe, die die deutsche Kultur in dem historischen Prozeß der Modernisierung Chinas auszuüben habe.10 In der Fähigkeit zur Kulturmission in China erwiesen sich für Rohrbach die Reife der deutschen Kultur und die Fähigkeit zu weltpolitischem Handeln. Institutionell wurden diese Aktivitäten von zahlreichen deutschen Auslandsvereinen getragen. So wurde zum Beispiel 1906 in Berlin der "Ausschuß zur Förderung der deutschen Kulturarbeit in China" gegründet.11 1909 wurde der "Chinesisch-Deutsche Verkehrsausschuß" gegründet, der das Studium chinesischer Studenten in Deutschland förderte.
Für die Herausbildung der deutschen Kulturmission ist jedoch auch die Entwicklung in China als Faktor miteinzubeziehen. Nach der Abschaffung des traditionellen chinesischen Prüfungssystems 1905 begann China, eine tiefgreifende Reform des Erziehungswesens in Angriff zu nehmen mit dem Ziel, ein modernes, teilweise an westlichen Vorbildern angelehntes Schulsystem zu etablieren. Darin sahen nun alle in China engagierten ausländischen Mächte eine Möglichkeit, durch bewußte Propagierung des eigenen Bildungswesens Einfluß auf diese innerchinesische Entwicklung zu gewinnen.12 Mit seinen Schulplänen befand sich das Deutsche Reich folglich in Konkurrenz zu anderen westlichen Mächten, insbesondere zu England und Amerika, die zum Teil seit langem in organisatorischer und didaktischer Hinsicht Erfahrungen mit Schulen in China gesammelt hatten. Den überwiegend privaten Initiativen aus England und Amerika wollte das Deutsche Reich jedoch eine gezielte staatlich initiierte und organisierte Kulturpolitik entgegensetzen, um den Vorsprung der anderen Mächte aufzuholen.
Die deutschen Pläne in Qingdao waren somit von der grundsätzlichen Vorstellung geprägt, daß Deutschland in umfassender Weise auf die chinesische Gesellschaft geistig-kulturellen Einfluß ausüben wollte. Dabei sollten aber nicht abendländische Kultur oder westliche Bildung in China pauschal verbreitet, vielmehr ein spezifisch deutsches Kulturprogramm propagiert werden. Eine auf Disziplin, Strenge, Tiefe und Gründlichkeit hin orientierte deutsche Pädagogik sollte der pragmatisch-utilitaristischen "Oberflächlichkeit" und "liberalen Radikalität" anglo-amerikanischer Erziehung entgegengesetzt werden.13

Erziehung und Kultureinfluß:
Die deutsche Schul- und Bildungspolitik im Schutzgebiet

In den ersten Jahren nach der Besetzung wurden in Qingdao zunächst kulturelle Institutionen geschaffen, die den unmittelbaren aktuellen Bedürfnissen der deutschen Bevölkerung nach schulischer beziehungsweise kultureller Versorgung entsprachen. Eine Gouvernementsschule wurde 1899 gegründet, die die Kinder von in Ostasien ansässigen deutschen Eltern aufnehmen sollte.14 1902 wurde sie in eine höhere Schule reorganisiert, die nun den Anforderungen eines deutschen Reformrealgymnasiums entsprach. 1913 hatte die Gouvernementsschule 227 Schüler. Als Schüler waren ausschließlich Deutsche zugelassen. Als 1905 der Herausgeber der chinesisch-sprachigen Zeitung "Jiaozhou Bao" (Jiaozhou-Zeitung), Li Shi'en, versuchte, seine Kinder die deutsche Schule besuchen zu lassen, erhob sich ein Sturm des Protestes gegen ein solches Ansinnen. Die ansässigen Deutschen wehrten sich vehement gegen jede Vermischung von deutschen und chinesischen Schülern.15 Parallel zur städtebaulichen Trennung von Europäerviertel und Chinesenviertel sollte auch im Schulsystem eine strikte Rassentrennung durchgesetzt werden. Eine andere Institution betraf die Versorgung der Soldaten mit deutschen Lesestoffen. Aus Spenden der deutschen Bevölkerung wurde die "Kiautschou-Bibliothek" ins Leben gerufen. In den späteren Jahren stand diese auch der chinesischen Bevölkerung offen. Sie sollte einen Überblick über das gesamte zeitgenössische deutsche Bildungsgut vermitteln und Zugang zu den Wissenschaften aller Disziplinen bieten.16
Im Laufe der Zeit wurden aber auch separate Erziehungs- und Ausbildungseinrichtungen für die chinesische Bevölkerung geschaffen. Sie dienten in der ersten Zeit vor allem einem praktischen Zweck: Es sollten geeignete Arbeitskräfte zur Verwendung in den deutschen Betrieben und Behörden ausgebildet werden, die der deutschen Sprache mächtig waren. So wurde bereits 1898 durch das Gouvernement die Gründung einer Schule für Chinesen durch die Berliner Mission angeregt und finanziell unterstützt mit dem Ziel, deutschsprechende Arbeitskräfte auszubilden.17 Das Gouvernement benötigte aber auch technisch gut ausgebildete Arbeitskräfte. An der Werft in Qingdao wurde daher eine Lehrlingsschule eröffnet, die im April 1902 erstmals Lehrlinge aus dem deutschen Kolonialgebiet Kiautschou und der chinesischen Provinz Schantung aufnahm. Der Ausbildungsplan sah morgens und abends den Besuch der Schule vor. Unterrichtet wurden dort Chinesisch, Deutsch und Naturwissenschaften. Tagsüber arbeiteten die Lehrlinge auf der Werft. Insgesamt nahm die Lehrlingsschule in zehn Jahrgängen etwa 1200 Lehrlinge auf. Aber nur die Hälfte davon beendete ihre Ausbildung und legte die Gesellenprüfung ab.18 Eine ähnliche Lehrlingsschule war den Reparaturwerkstätten der Schantung Eisenbahngesellschaft in Sifang angegliedert. Durch Bau von Wohnungen versuchte man, die ausgebildeten Gesellen in Kiautschou zu halten, aber viele zogen es vor, in der Provinz Schantung gut bezahlte Arbeitsplätze anzunehmen.19
Einer über den praktischen Zweck hinausgehenden Intention der kulturellen Beeinflussung breiter Schichten diente vor allem die Einrichtung von Volksschulen für die chinesische Bevölkerung. Die vom Gouvernement in den ländlichen und städtischen Gebieten Kiautschous eingerichteten Volks- und Hauptschulen unterrichteten nach dem neu erlassenen chinesischen Lehrplan von 1904, ergänzt um Unterricht in der deutschen Sprache.20 Noch mehr als die Maßnahmen in der Elementarausbildung sollte aber die Gründung einer Institution höherer Bildung in Qingdao in der Lage sein, zukünftige Eliten Chinas auszubilden.21 Der Plan ging zurück auf eine Idee des deutschen Gesandten in Peking, Rex, die vom Staatssekretär des Reichsmarineamtes, Tirpitz, befürwortet wurde.22 Tirpitz' Unterstützung ist im Zusammenhang mit der allgemeinen Neuorientierung der deutschen Chinapolitik zu sehen, die sich seit 1905 im Bereich der Politik, des Handels, der Eisenbahn- und Bergbauunternehmen usw. um eine kooperative Politik gegenüber China bemühte. Hingegen gab es im Gouvernement zunächst einige Vorbehalte gegenüber diesem Plan. Zum einen würde eine solche Gründung sehr teuer werden. Zu ihrer Realisierung müßten daher anderweitig Gelder eingespart werden.23 Zum anderen wollte man im Gouvernement weiterhin lieber praktisch orientierte Schulprojekte durchführen, die der Kolonialmacht gut ausgebildete Arbeitskräfte zur Verfügung stellten. Die chinesischen Absolventen einer Hochschule hingegen würden im Pachtgebiet selbst keine Verwendung finden können.24
Unabhängig von der Haltung des Gouvernements beschloß Tirpitz, die Pläne zur Gründung einer Hochschule weiter zu verfolgen. Am 11. Dezember 1907 wurde da- her der chinesische Gesandte in Deutschland, Sun Baoqi, über die Pläne der deutschen Regierung informiert. Es wurden Verhandlungen über ein gemeinsames Statut betreffend die Gründung einer höheren Schule in Qingdao vorgeschlagen.25 Auf chinesischer Seite stand man dem deutschen Ansinnen generell mit Interesse gegenüber, aber bereits Ende Januar 1908 wies das Erziehungsministerium in einer Stellungnahme darauf hin, daß die deutsche Schulgründung keinesfalls als ausländische Universität auf chinesischem Boden anerkannt werden könne.26
Im April 1908 wurde Otto Franke, der frühere Gesandtschaftsdolmetscher und Sinologe an der Universität Hamburg, zum Sonderkommissar des Reichsmarineamtes mit dem Auftrag bestellt, die Verhandlungen mit China über die Gründung einer höheren Schule in Qingdao zu führen. Ziel der Verhandlungen sollte sein, daß China die Schule finanziell unterstützt und die Abschlüsse der Schule, entsprechend denen ausländischer Universitäten, anerkennt. Die Verhandlungen zwischen Otto Franke und dem in dieser Angelegenheit zuständigen Leiter des Erziehungsministeriums, Zhang Zhidong, begannen Ende Mai 1908. Obgleich auf chinesischer Seite prinzipiell ihre Beteiligung und Anerkennung der Schule zugestanden wurden, gab es langwierige Verhandlungen über Standort, Organisation und Stellenwert. Beide Seiten mußten Zugeständnisse machen, aber die Hauptforderung der deutschen Seite, nämlich die Gleichstellung der Schule mit einer ausländischen Hochschule, wurde von der chinesischen Seite nicht zugestanden. Mit der Ernennung eines chinesischen Co-Direktors sowie der Auswahl der Schüler durch chinesische Behörden wuchs der chinesische Einfluß auf das Schulprojekt. Als das Gouvernement von den Vereinbarungen erfuhr, übte Gouverneur Truppel vehement Kritik daran, daß China in bezug auf Mitsprache bei der Hochschule so großes Entgegenkommen gezeigt worden sei.27
Die Hochschule wurde am 25. Oktober 1908 eröffnet. Sie gliederte sich in eine Ober- und eine Unterstufe sowie vier Abteilungen für Staats- und Rechtswissenschaften, Medizin, Ingenieurwissenschaften und Forst- und Landwirtschaft. Die Schule war ausgestattet mit Büchereien, Laboratorien, einem Museum und einem landwirtschaftlichen Versuchsgelände. Zu Anfang wurden 54 Studenten aufgenommen. Ihre Zahl wuchs kontinuierlich auf mehr als 400 im Jahre 1914. Georg Keiper, ein Professor für Geologie und Beamter der Marine, wurde zum deutschen Direktor der Schule ernannt.28 1912 unterrichteten 26 deutsche und 6 chinesische Lehrer an der Hochschule.29
Es gab auch private Bestrebungen zur Gründung von Schulen in Kiautschou, beispielsweise die Shufan-Mädchen-Schule30 in Qingdao, die im wesentlichen von Paul Rohrbach initiiert wurde. Er war es auch, der die notwendigen Gelder in einer aufwendigen Sammel- und Werbeaktion in Deutschland auftrieb. Unterstützung erhielt das Projekt von dem 1900 gegründeten Ostasiatischen Verein. Ein gemeinsames "Komitee" entwarf 1910 einen Spendenaufruf zugunsten der deutsch-chinesischen Mädchenschule, mit Hilfe dessen innerhalb eines Jahres die notwendigen Gelder gesammelt werden konnten.31 Die Schule wurde im Herbst 1911 mit 20 Schülerinnen eröffnet. Der zugrundeliegende Gedanke war, daß die Frau in China eine so wichtige Rolle bei der Kindererziehung spielt, daß über sie eine effektive Einflußnahme auf die chinesische Kultur möglich wäre. Die Mädchen sollten daher mit den "höchsten Ergebnissen der deutschen Kultur bekannt werden, damit von diesen Einflüssen in ihren künftigen Familien etwas Gestalt gewinne".32 Die Schule wandte sich daher insbesondere an die Töchter "besserer" Familien. Im Lehrplan wurde ausdrücklich kein christlicher Religionsunterricht vorgeschrieben.
Die deutschen Maßnahmen in der Bildungspolitik führten zur Etablierung eines differenzierten, mehrgliedrigen Schulsystems. Dieses System wies drei Säulen auf: Elementarausbildung, Berufsschulwesen und weiterführendes höheres Schulwesen. Es wurde in den in Qingdao gegründeten Schulen außerdem versucht, deutsche und chinesische Bildung miteinander zu kombinieren. Neben der Unterweisung in den chinesischen Klassikern durch chinesische Lehrer stand die Ausbildung in modernen Wissenschaften. Als Unterrichtssprache dienten sowohl Chinesisch als auch Deutsch. Von den deutschen Dozenten wurde erwartet, daß sie in chinesischer Sprache unterrichten konnten.

Erforschung und Erschließung Chinas:
Wissenschaft in Qingdao

Parallel zum Ausbau Qingdaos als deutsches Kulturzentrum sollte nach den Plänen der Kolonialverwaltung ab 1905 die deutsche Kolonie auch zu einem Zentrum deutscher Wissenschaft in China ausgebaut werden. Naturwissenschaften, Humanwissenschaften und Sozial- und Geisteswissenschaften waren dabei gleichermaßen vertreten. Zum einen bestand auch hier die grundlegende Motivation darin, Stand und Leistungsfähigkeit der Wissenschaften in Deutschland zu demonstrieren. Zum andern sollten die in Qingdao vertretenen Disziplinen Deutschland mit Informationen und nachprüfbarem Wissen über China versorgen. Dieses Wissen sollte dann als Grundlage für künftige kolonial- und weltpolitische Entscheidungen dienen.
Wissenschaftliche Arbeiten zur Erforschung der natürlichen, sozialen und politisch-rechtlichen Gegebenheiten des besetzten Gebietes und seines Hinterlands wurden von Beginn an von der deutschen Verwaltung gefördert und finanziert. Seit 1898 enthielt jede der jährlich vom Reichsmarineamt als Tätigkeitsbericht herausgegebenen Denkschriften einen Abschnitt "Wissenschaftliche Arbeiten". Darunter fielen naturwissenschaftliche Arbeitsbereiche wie bakteriologische Untersuchungen, astronomische und meteorologische Beobachtungen, geologische Forschungen und botanische Arbeiten sowie auch sprachwissenschaftliche und demographische Forschungen.33
Eines der naturwissenschaftlichen Projekte in Qingdao war das Observatorium.34 Seit 1909 war es in einem eigenen vierstöckigen Gebäude untergebracht. Es war mit modernsten Instrumenten ausgestattet, darunter Apparate zur Messung des Erdmagnetismus und ein Seismograph. Die regelmäßige wissenschaftliche Tätigkeit bestand aus meteorologischen Beobachtungen, Wettervorhersagen für die Schiffahrt, Gezeitenbeobachtungen, seismographischen Messungen, Messungen des Erdmagnetismus sowie astronomischen und geophysikalischen Beobachtungen. Geleitet und aufgebaut wurde das Observatorium seit 1909 von dem Astronomen Bruno Meyermann (1876-1963), einem Schüler des bekannten Astronomen Karl Schwarzschild. Er hatte mehrere chinesische Mitarbeiter, darunter zwei Assistenten sowie zwei Kalkulatoren.35 Das Observatorium hatte auch für die Schiffahrt eine wichtige Funktion. Es versorgte die Schiffe mit Wettermeldungen, Gezeitenberechnungen, Informationen über erdmagnetische Störungen usw.
Auch unter den an der Deutsch-Chinesischen Hochschule tätigen Lehrern gab es anerkannte Naturwissenschaftler. Der bekannte Mathematiker Konrad Knopp (1882-1957), Mitbegründer der "Mathematischen Zeitschrift" und Verfasser von Arbeiten über komplexe Funktionen, lehrte in den Jahren 1910 und 1911 an der Hochschule in Qingdao.36 1914 nahm ein Schüler von Max Planck, der Quantenphysiker Karl Erich Hupka, einen Ruf nach Qingdao an. Kurz vor seiner Abreise nach Kiautschou hatte er eine einflußreiche und weithin beachtete Arbeit über Röntgenstrahlen abgeschlossen.37 Der Botaniker Wilhelm Wagner leitete die forstwissenschaftliche Abteilung der Deutsch-Chinesischen Hochschule. Er führte Forschungen über den Einfluß geophysikalischer Umweltbedingungen auf die Verbreitung von Nutzpflanzen durch.38
Einen besonderen Schwerpunkt stellten die Medizin und die medizinische Forschung dar. Bereits im Dezember 1898 begann das Gouvernement mit der aufwendigen Errichtung eines modernen Marinelazaretts. 39 Der erste einstöckige Pavillon (Pavillon I) des im Pavillonsystem konzipierten Lazaretts wurde Ende 1899 fertiggestellt. Ein "Isolirpavillon" wurde im Frühjahr 1899 übergeben. Dies war eines der ersten großen Bauprojekte in Qingdao überhaupt. 1900 wurde ein zweiter Pavillonkomplex (Pavillon II) mit einem modernen Operationssaal fertiggestellt. 1901 wurde der dritte Pavillon (Pavillon IV) bezogen, der Platz bot für 30 Betten auf einer Fläche von 664 qm. Bis 1904 wurde der vierte große und massive Pavillon (Pavillon III) errichtet mit besonderen Abteilungen für Augen- und Ohrenerkrankungen, Psychiatrie und einem "Röntgenkabinett". Der fertige Komplex wies eine Kapazität von 265 Betten auf und war besser und moderner ausgestattet als die meisten Spitäler im Deutschen Reich. Dem Lazarett angegliedert wurden außerdem folgende Nebengebäude: Ökonomiegebäude (Küche), Vorratsräume und Wohnräume für das Personal, Verwaltungsgebäude und Beamtenwohnungen, Waschhaus mit Desinfektionsraum, Remisengebäude und Leichenhaus.40 1908 wurde weit ab von der Stadt Qingdao an der Stelle des alten Höhenlagers eine "Quarantänestation" eröffnet, "um bei dem plötzlichen Ausbruch einer schnell um sich greifenden Seuche gerüstet zu sein".41 In einem massiven, neu errichteten Gebäude wurden ein Dampfdesinfektionsapparat sowie ein "transportabler Rattenvertilgungsapparat" aufgestellt. In den Holzbaracken sollten "verdächtige Personen" untergebracht werden. Es wurde dabei ausschließlich an Chinesen gedacht. Die Quarantänestation war abgesichert durch einen Erdwall, Zaun und Stacheldraht und ähnelte wahrscheinlich eher einem Gefangenenlager als einem Lazarett.42
1909 bis 1911 wurde das Lazarett in Qingdao von dem Gouvernementsarzt Walther Uthemann geleitet, der auch in der medizinischen Forschung aktiv war. Das Gouvernementslazarett hatte neben der Versorgung der Erkrankten auch wissenschaftliche Aufgaben, insbesondere im Bereich Bakteriologie und Epidemiologie: Ein modernes bakteriologisches Laboratorium für die wissenschaftliche Forschung nahm gegen Ende des Jahres 1900 seine Arbeit auf. In den darauffolgenden Jahren wurde es kontinuierlich modernisiert und ausgebaut. Das Labor sollte an der Isolierung von Erregern und an der Entwicklung von Sera gegen die im Schutzgebiet vorkommenden Infektionskrankheiten wie Typhus, Ruhr, Cholera, bestimmte leichtere Formen der Malaria, aber auch Pest und Lepra arbeiten. Dafür wurde seit 1899 speziell ausgebildetes Personal nach Kiautschou entsandt.43 Zu den Aufgaben gehörten Kontrollen an importierten Lebensmitteln.44 Die Motive für die kostspieligen Maßnahmen im Bereich medizinischer Forschung lagen zum einen begründet in der Angst vor epidemischen Infektionskrankheiten, aber auch in dem wissenschaftlichen Interesse, in Europa unbekannte Krankheiten, Erreger und Übertragungswege zu studieren.
Die Kolonialverwaltung in Qingdao war somit stets bemüht, engagierte und bei namhaften Fachvertretern ausgebildete jüngere Naturwissenschaftler für Qingdao zu gewinnen, die den neusten Forschungsstand und die modernsten Methoden kannten. Es ist daher anzunehmen, daß die naturwissenschaftliche Ausbildung in Qingdao auf einem hohen Niveau erfolgte.
Von den Sozialwissenschaften waren insbesondere Rechts- und Verwaltungswissenschaften an der Deutsch-Chinesischen Hochschule vertreten. Leiter der juristischen Abteilung war der frühere Richter Kurt Romberg. Er initiierte mehrere Projekte, durch die die deutsche Rechtswissenschaft und das deutsche Rechtssystem in China bekannt gemacht werden sollten: Seit 1911 wurde die "Deutsch-Chinesische Rechtszeitung" in deutscher und chinesischer Sprache herausgegeben. Weitere Projekte waren ein "Enzyklopädischer Grundriß für Rechts- und Staatswissenschaften für Chinesen" sowie eine "Chinesisch-Deutsche Gesetzessammlung". Die letztere Arbeit enthielt einen Vergleich neuerer chinesischer und deutscher Gesetzestexte. Überhaupt bestand der Forschungsschwerpunkt der rechtswissenschaftlichen Abteilung im Rechtsvergleich. Man erhoffte sich von der wissenschaftlichen Arbeit der Abteilung eine besondere Wirkung auf China, denn "gerade die auf monarchischer Basis beruhenden Verhältnisse des deutschen Staatslebens und der deutschen Verfassung (eignen sich) für China weit besser (…) als die mehr in republikanischen Formen sich darstellenden englischen und amerikanischen Vorbilder".45
Das koloniale Engagement des Deutschen Reiches in China führte auch zu einem großen Bedarf an Wissen und Informationen über China sowie an chinesischsprachigen Beamten. Die Anfänge der systematischen wissenschaftlichen Beschäftigung mit Geschichte und Gegenwart Chinas in Deutschland lassen sich daher auf die deutsche Kolonialzeit in China zurückverfolgen. An dem 1887 gegründeten "Seminar für Orientalische Sprachen" in Berlin erhielten Beamte und Offiziere, die für den Dienst in Kiautschou vorgesehen waren, eine Zusatzausbildung in chinesischer Sprache sowie chinabezogener Realienkunde (Landeskunde, politische Organisation, Wirtschaft).46 In Kiautschou selbst bekleideten Sinologen und Dolmetscher wie Wilhelm Schrameier, Emil Krebs, Friedrich Wilhelm Mohr, Heinrich Mootz, Erich Michelsen usw. wichtige Positionen als Beamte, die für die Regelung der die chinesische Bevölkerung betreffenden Angelegenheiten zuständig waren.47
Die Abteilungen an der Deutsch-Chinesischen Hochschule gaben Schriftenreihen heraus, in denen von Fachleuten über aktuelle Entwicklungen in Politik und Kultur in China informiert wurde.48 Somit wurden Wissen und Informationen über China einer deutschsprachigen Öffentlichkeit näher gebracht. Auch die Schaffung sinologischer Lehrstühle in Deutschland, wie zum Beispiel 1909 jenes am Kolonialinstitut in Hamburg, auf den der ehemalige Gesandtschaftsdolmetscher Otto Franke berufen wurde, ist in diesem Zusammenhang zu sehen.49
Obwohl die Tätigkeit der Sinologen Wissen und Verständnis gegenüber China vermehrte, blieben diese oftmals den vorurteilsgeprägten Perspektiven verhaftet: Die kulturellen Aktivitäten in und um Kiautschou standen stets in engem Zusammenhang mit weit verbreiteten Auffassungen über die zivilisatorische Mission Deutschlands bei der Modernisierung Chinas.50 Dieses Chinabild hat weit über die Kolonialepoche hinaus Bestand gehabt. Vorstellungen von der kulturellen Superiorität und der zivilisatorischen bzw. modernisierenden Mission deutscher Kultur prägten bis weit ins 20. Jahrhundert die Vorstellungen von China in Deutschland.51

Chinesische Perspektiven auf die deutsche Kulturmission
Von chinesischer Seite wurde den westlichen Schul- und Ausbildungsplänen generell großes Interesse entgegengebracht. Mit der Abschaffung des jahrhundertealten kaiserlichen Prüfungssystems 1905 begann eine Reform des chinesischen Schulsystems.52 Die Auseinandersetzung mit westlichen Bildungssystemen spielte dabei von Anfang an eine wichtige Rolle. Von konservativen chinesischen Reformern wurde Deutschland als Vorbild genannt. 1898 empfahl Kang Youwei in seinen "Throneingaben" während der 100-Tage-Reform das preußische Bildungssystem als Vorbild für China.53 Es lag jedoch im chinesischen Interesse, eine Monopolisierung des Ausbildungswesens durch eine einzelne fremde Macht zu verhindern. Daher sollten die westlichen Mächte im Schulsektor miteinander konkurrieren, um einseitige Abhängigkeiten zu verhindern und die eigene Unabhängigkeit zu bewahren.
Natürlich wußten die chinesischen Behörden um das eigentliche Motiv der deutschen Kulturmission, aber die chinesische Administration war dennoch bereit, für einen möglichst zügigen Aufbau eines modernen Erziehungssystems mit ausländischen Institutionen, sowohl der Mission als auch der Staaten, zu kooperieren. China wollte Zugang zu westlichem Wissen auch für Studenten, die sich kein teures Studium im Ausland leisten konnten oder wollten. Die Gründung deutscher Schulen wurde daher durchaus begrüßt, im Falle der Deutsch-Chinesischen Hochschule in Qingdao sogar finanziell gefördert. Jedoch wurde Wert darauf gelegt, daß China sowohl bei der Organisation als auch bei den Lehrinhalten Mitsprache hatte.54
Nach 1911 stieg die Zahl der Schüler in den deutschen Schulen im Pachtgebiet überproportional an.55 Jetzt kamen viele ehemalige hohe chinesische Beamte nach Qingdao, die wegen der republikanischen Revolution in China geflüchtet waren. Diese standen der Deutsch-Chinesischen Hochschule interessiert gegenüber, da die Lerninhalte als wichtig und nützlich erachtet wurden. Viele der Schüler bekleideten in der Zeit der Republik (1911-1949) in Kultur, Politik und Wirtschaft wichtige Posten. Auffallend ist, daß die meisten später der nationalistischen Partei (Guomindang) nahestanden.56 Zur neuen politischen Führung, insbesondere zu Sun Yatsen, später zu Chiang-Kai-Shek, hatte das Deutsche Reich ein ausgezeichnetes Verhältnis. Dabei spielte das von der deutschen Kulturpolitik bewußt verbreitete Bild des deutschen Sonderwegs eine wichtige Rolle,57 welche die nachholende und beschleunigte Modernisierung im Deutschen Reich im späten neunzehnten Jahrhundert charakterisierte. Die Entwicklung Kiautschous sollte dabei als Demonstration dieses Weges auf kolonialem Gebiet gesehen werden.
Die große Wirkung der deutschen Kultur- und Wissenschaftspolitik zeigte sich bei dem überraschenden Besuch des ersten Präsidenten der Republik China, Sun Yatsen, in Kiautschou im Oktober 1912. Er äußerte sich bei seinem Aufenthalt außerordentlich positiv über den Aufbau Qingdaos und empfahl in einer Rede vor den chinesischen Studenten an der Deutsch-Chinesischen Hochschule Deutschland als Vorbild für die nationale Modernisierung Chinas. Nach dem Bericht des Gouverneurs Graf Meyer-Waldeck sagte Sun Yatsen wörtlich: "Hier in der Hochschule hätten die Schüler die schöne Gelegenheit, unter der Leitung bedeutender und namhafter deutscher Lehrer modernes Wissen sich anzueignen. Deutschland sei unter den Staaten der Welt durch seine Leistungen auf kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet, durch die Vollkommenheit seiner Gesetze das berühmteste Land. Die Schüler sollten sich Deutschland für das neue China zum Vorbild nehmen. Aber das Studium auf der Hochschule sollte für die Schüler nicht die einzige Quelle der Bildung bleiben. Auch außerhalb der Mauern fände sich hier eine Fülle des Wissens und Nachahmenswerten. In den zwei Tagen, die er hier weile, habe er gesehen, daß China trotz tausendjähriger Kultur nichts geleistet habe, das sich mit dem vergleichen ließe, was Deutschland in einer Spanne von zwölf Jahren zustandegebracht habe. Straßen, Häuser, Hafenanlagen, sanitäre Einrichtungen, alles zeuge von Fleiß und Streben. Was die Schüler hier sähen, solle sie zur Nacheiferung anspornen, und es müsse ihr Ziel werden, dieses Musterbeispiel auf ganz China auszudehnen und ihr Vaterland in gleicher Vollendung auszugestalten."58
Es ist deshalb festzustellen, daß als Ergebnis der deutschen Kultur- und Wissenschaftspolitik im frühen 20. Jahrhundert Deutschland neben den USA als wichtigster politischer, wirtschaftlicher und kultureller Kooperationspartner in China gesehen wurde.

Kultur und Kolonialismus
Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß Kultur ein wesentlicher Bestandteil der Expansion des Deutschen Reiches in China war. Die deutschen Behörden waren bestrebt, Qingdao zu einem Zentrum deutscher Kultur und Wissenschaft auszubauen. Unmittelbares Ziel war die kulturelle Beeinflussung der chinesischen Bevölkerung in Kiautschou und im Hinterland. Chinesen sollten für Tätigkeiten in der Kolonie ausgebildet, gleichzeitig sollte eine Elite mit deutsch-freundlicher Einstellung herangezogen werden. Die deutschen Behörden erhofften dadurch, die deutsche Herrschaft langfristig zu stabilisieren und damit die wirtschaftlichen und politischen Interessen des Deutschen Reiches in China zu fördern. Aus der wissenschaftlichen Beschäftigung mit fremder Gesellschaft und fremder Umwelt in China ergaben sich für die Entwicklung der Natur- und Sozialwissenschaften wichtige innovative Impulse, die auf Deutschland zurückwirkten.
Die kulturelle Expansion führte jedoch auch zu Konflikten zwischen Deutschen und Chinesen. Die von deutscher Seite durchgesetzte Apartheid ist ein Beispiel dafür, daß kulturelle und ethnische Grenzen und Abgrenzungen konstruiert wurden, die im kolonialen Alltag wirksam waren.59 Dahinter standen rassistische Vorstellungen von der Überlegenheit der "weißen Rasse", das heißt die evolutionstheoretisch abgeleitete Pflicht der Weißen, die "niederen Rassen" zu unterwerfen und zur Zivilisation zu erziehen. Auf chinesischer Seite sah man die deutsche Kulturpolitik daher stets als ein Instrument des Imperialismus.
Daher läßt sich feststellen, daß die koloniale Form des Kulturkontakts nicht zu Verständigung, sonder eher zur Festschreibung kultureller Distanz führte. Auf beiden Seiten existierte eine Reihe von Stereotypen und Vorurteilen, die Kultur und Wissenschaft in Qingdao eher bestätigten als überwanden.



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Tsingtau: Apotheke

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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