1894 erklärte sie Lord Rosebery, dem liberalen Premierminister ihrer Wahl, er solle "stets daran denken, daß die Verfassung vor 57 Jahren ihrer Obhut anvertraut wurde und daß sie, zu Recht oder zu Unrecht, ihre eigenen Ansichten [über] die Erfüllung ihrer Treuhandschaft hegt". Die Verfassung, die ihrer Obhut übergeben wurde, lag jedoch nicht in einer heiligen Bundeslade versiegelt. Schon vor ihrer Thronbesteigung 1837, als Victoria noch jung war und viele ihrer Minister, wie Melbourne, bereits in vorgerücktem Alter, wurden gewichtige Veränderungen vollzogen: 1832 wurde mit der Reformakte die Zusammensetzung des Parlaments geändert, um dem Bürgertum und den neuen Industriestädten zu einer Stimme zu verhelfen, und auch die - in gewissem Sinn wegbereitende - Einsetzung der Katholiken in die bürgerlichen Rechte, die der konservative Herzog von Wellington 1829 im Parlament durchsetzte, hatte bereits die Wächter der vermeintlich "traditionellen" Verfassung von Kirche und Staat auf den Plan gerufen. Der radikalkonservative Herausgeber einer Tageszeitung in Birmingham versah die Zeitung am Tag der Katholikenemanzipation mit einem schwarzen Rand und druckte einen Nachruf auf "Mr. Constitution" ab, der bedauerlicherweise im "Haus der Unheilbaren" - gemeint war das Unterhaus - zu Tode gekommen sei. In ihrer Antrittsrede 1837 gelobte Victoria nicht nur, "die Verfassung meines Heimatlandes" zu achten und zu lieben, sondern verpflichtete sich auch zur Wahrung "der reformierten Religion, wie es vom Gesetz bestimmt ist", versprach jedoch "gleichzeitig für alle [ihre Untertanen] den ungeteilten Genuß der Religionsfreiheit sicherzustellen". Diese zweite Aufgabe bereitete ihr wesentlich weniger Schwierigkeiten als die Verteidigung der Verfassung gegen "Ehrgeiz" und "Parteigeist", wie sie es nannte. Obschon sie theologischen Disputen und vermeintlicher religiöser Heuchelei mit Widerwillen begegnete, zeigte sie ein leidenschaftliches Interesse an der Besetzung von Kirchenämtern und der Aufrechterhaltung der Staatskirche. Während der Zeit ihrer selbstgewählten Isolation beschwerte sie sich 1869 bei einem ihrer Minister, daß "die Regierung und viele Menschen im Land ... gegenüber den alarmierenden Anmaßungen und der Zunahme der Römisch-Katholischen in England, ja in der ganzen Welt mit vollständiger Blindheit geschlagen scheinen. Der Papst war noch nie so mächtig, und die Königin ist fest entschlossen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um dies zu verhindern."
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