Der Bau einer neuen Sommerresidenz in Osborne auf der Isle of Wight und der Ankauf und Umbau von Balmoral im schottischen Hochland demonstrierten in Stein und Mörtel die emotionale Distanzierung des Hofs von der Metropole; die räumlichen Entfernungen und die Beschwerlichkeit der Reisen, die Unbehaglichkeit der Unterbringung von Höflingen und Besuchern (über die manche Bemerkung fiel) unterstrichen sämtlich den Wunsch Victorias und Alberts, ein ungestörtes "Privatleben" zu führen; die Beharrlichkeit, mit der selbst weit entfernt von den Zentren symbolischer Inszenierungen noch auf Etikette und die Einhaltung von Rang und Hierarchie geachtet wurde, beweist jedoch, daß die vielgepriesene Häuslichkeit der königlichen Familie wenig mit dem zu tun hatte, was man gemeinhin darunter versteht. In deutlichem Kontrast zu dem Bild von Victorias Hof als einem Hort von häuslichen und familiären Werten standen die großen Staatsbesuche von oder bei Herrschern ausländischer Höfe. Am bemerkenswertesten während dieser Zeit waren der Besuch von Napoleon III. und Kaiserin Eugénie 1855 in Großbritannien und der Gegenbesuch von Victoria und Albert in Paris im selben Jahr, mit denen die Allianz für den Krimkrieg besiegelt wurde. Hier wurden spektakuläres Zeremoniell und formale Etikette zu einem kraftvollen Bild nationaler Macht verknüpft, das sich in den Personen der Monarchen symbolisierte. In einer Welt, in der sich infolge von Revolutionen und dynastischen Veränderungen die politischen Strukturen neu formierten, bezeugten Victoria und Albert die Langlebigkeit und Kontinuität der britischen Monarchie und bekräftigten ihre Vorrangstellung unter den bedrängten Königshäusern Europas. Als ihre älteste Tochter 1858 Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen heiratete, machte Victoria ihre Auffassung von der relativen Stellung der britischen und der preußischen Krone mit aller Klarheit deutlich, indem sie alle Forderungen, die Hochzeit in Berlin abzuhalten, kategorisch ablehnte: "Was immer auch bei preußischen Prinzen Sitte sein mag, man heiratet nicht jeden Tag die älteste Tochter der Königin von England."()

Unter Albert schüttelte der britische Hof also endlich den Ruf der Sittenlosigkeit ab und erwarb sich statt dessen eine Aura häuslicher Tugend, die durch Victorias Kult um den verstorbenen Gatten und namentlich durch die Veröffentlichung zweier Auswahlbände aus ihren Tagebüchern - Leaves from a journal of our life in the Highlands (1868) und More Leaves (1884) - in den folgenden Jahrzehnten noch gesteigert wurde. Wenn der Hof zu Alberts Lebzeiten schon öde, ernst und glanzlos gewesen war, so kam er durch seinen Tod am 14. Dezember 1861 vollends zum Stillstand.