Als aus Anlaß der silbernen Hochzeit des Kronprinzenpaares Kunstwerke aus Berliner Privatsammlungen ausgestellt werden, brillieren dort vor allem die bisher in Berlin nicht vorhandenen und wahrgenommenen Kunstwerke aus den "bürgerlichen" Sammlungen, etwa eines Oskar Hainauer oder Oskar Huldschinsky. Ein echter Überblick über das, was Friedrich Wilhelm und Victoria im Laufe einer Generation zusammengebracht haben, ist zu jener Zeit aber nicht zu erhalten. Ja, es scheint die Verweigerung der Robert-Tornow-Sammlung für das Kunstgewerbemuseum dazu geführt zu haben, die Sammlungen der Kronprinzessin gering einzuschätzen. Erst nach ihrer Übersiedlung in das darauf zugeschnittene Sommerschloß der Kaiserinwitwe in Kronberg werden sie nun auch durch Bode bekannt gemacht und somit wahrgenommen werden, nicht unbedingt zu ihrem Vorteil, wie die kurz nach dem Tode der Kaiserin auf Grund Bodes Publikation erfolgte Auswahl zum Verkauf beweisen wird.16Die Sammlung der Kaiserin, verbessert durch die des Ferdinand Robert-Tornow, umfaßt in nuce all das, was die großen Kunstgewerbemuseen, in London, Wien und nun auch das Berliner, in ihren Spezialsammlungen bewahren, von mittelalterlichen Skulpturen aus Holz und Bronze über Glas, Keramik, bis hin zu Gold- und Silberschmiedewerken aus allen Zeiten und Epochen. Gewisse zeittypische Sammlungstendenzen sind trotzdem zu erkennen: so bei der Renaissance-Keramik mit Creußener Steinzeughumpen, venezianischem Glas des 16. und 17. Jahrhunderts oder Kleinbronzen, Medaillen und Bleiabschlägen. Auffällig ist die Vorliebe für das 18. Jahrhundert. So ist eine sehr schöne Sammlung von Berliner Porzellanen des 18. Jahrhunderts enthalten, ebenso Sammlungen von Schnupftabakdosen, unter anderen zwei friderizianische Halbedelsteindosen in reicher Goldfasssung. Das Preußische scheint gewollt und nicht nur latent durch. Gerade auf dem Gebiet der Möbelkunst ist der preußische Anteil besonders eindrücklich; auch hier wirken die Robert-Tornowsche Ein- richtung seines kleinen Palais aus dem 18. Jahrhundert und die Vorliebe des Kronprinzen für Friderizianisches nach. Diesem Faktum trägt dann die Kaiserin bei der Einrichtung ihres Sammlungsschlosses Friedrichshof Rechnung.17 Aus der großen Sammlung angewandter Kunst aus allen Epochen, die aber erst im Schloß Friedrichshof ihren endgültigen Platz und ihre überwältigende Wirkung erhalten sollte, sticht die Robert-Tornow-Sammlung durch die Qualität ihrer Objekte heraus.
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