Der Kronprinz und noch mehr seine Frau legen es darauf an, die Gesellschaftsräume von den Wohnräumen strikt zu trennen. Das ist vor allem im Neuen Palais zu beobachten, wo die Prunkräume, im Unterschied zur Zeit Wilhelms II., kaum verändert als reine Staatsräume genutzt werden, während die Familie sich in die Zimmer des Obergeschosses hinter den Ochsenaugenfenstern zurückzieht. Doch auch hier ist der Wille zu erkennen, den Rokoko-Stil des Palais als Ausgangsform für die Möblierung zu nehmen.3 So werden Möbel und Bilder der Friedrich-Zeit mit Ererbtem und Hinzuerworbenem verwoben. Eine durchorganisierte, gestaltete "Wohnlichkeit", wie wir sie etwa in den Zimmern des Prinzen Albert in Osborne House finden, ist bei den Kindern nirgendwo zu entdecken.
Auf dem Gebiet der Gartengestaltung scheint sich Victoria sicherer zu fühlen: Im Park des Neuen Palais verwirklicht Victoria eigene Vorstellungen von "moderner Gartenkunst". Die Lennéschen Anlagen in Sanssouci werden als unzeitgemäß empfunden, ein Mitglied der Gärtnerdynastie Sello nach England gesandt, um dort die neuesten Tendenzen im Gartenbau zu studieren. Ihre ganz persönliche Vorstellung von Gartenkunst wird die verwitwete Kaiserin im Schloß Friedrichshof verwirklichen.4
Die Kronprinzessin und Kaiserin als ausführende Künstlerin
Zu den Prinzipien der gebildeten Stände und auch der höheren Kreise gehörte es generell, die Kinder in den künstlerischen Techniken und musikalisch ausbilden zu lassen. Von einer musikalischen Ausbildung der Princess Royal und späteren Kronprinzessin von Preußen wissen wir wenig, anders steht es mit den Bildenden Künsten. Zwei Formen der Auseinandersetzung mit der Kunst, passiv und aktiv, sind es, die an den Höfen seit dem 18. Jahrhundert gepflegt werden, das "Selbermachen" und das Sammeln. Victoria hat sich auf beides verlegt, wohl angeleitet von ihrem Vater, der solche und viele andere praktische Übungen als Schulung für Geist und Auge für unbedingt erforderlich hielt.
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