Kino im Zeughaus

Aktuelles Kinoprogramm


   

 

Filminhalte August 2004 | Filminhalte September 2004

 

 

Sergio Leone

Das populäre Kino hat in den letzen fünfzehn, zwanzig Jahren einschneidende Veränderungen erfahren. Nicht nur hat sich die Tendenz verstärkt, dass besonders erfolgreiche Filme, sogenannte Blockbuster, sich vor allem an ein jugendliches Publikum richten. Auch die Erzählweise dieser Filme zeigt deutliche Unterschiede zum »Mainstream-Kino« früherer Dekaden. Offenbar wird mit einer hohen Medienkompetenz der Zuschauer gerechnet; Anspielungen, formale Extravaganzen, Anleihen bei Comic und Fernsehen, eine gewisse ironische Grundhaltung gegenüber der klassischen Erzählung Hollywoods sind unübersehbar. Das Stichwort, unter dem diese Entwicklung diskutiert wird, lautet »Postmoderne«. Sie hat ihre Vorgeschichte.
In den sechziger Jahren gab es bereits einmal ein Kino, das sich von den Grundregeln des sogenannten klassischen Codes frei gemacht hatte, und zwar gerade im Aufgreifen bestimmter besonders stabiler Genres wie dem Western. Das »Demolieren« der Erzählung, ein unbekannt zynischer Grundton waren denn auch die Eigenarten, die dem Italo-Western kritische Aufmerksamkeit sicherten. Das Stichwort damals lautetet »posthistoire«.
Der bedeutendste Vertreter dieses sowohl populären wie formbewußten Kinos war Sergio Leone. Seine Genrefilme demolierten und erneuerten die Form zugleich.

 


Für eine Handvoll Dollar 
Per un pugno di dollari
I 1964, R: Sergio Leone (Bob Robertson), D: Clint Eastwood, Gian Maria Volonté, Marianne Koch, Wolfgang Lukschy, Pepe Calvo,
ca. 94’ | dt. Fass

Nach katastrophalen Testvorführungen läuft ohne jede Werbung in einem kleinen Kino in Florenz der Film an, mit dem der Siegeszug des ›Italo-Westerns‹ beginnt. Für eine Handvoll Dollar wird allein durch Mundpropaganda zum Überraschungshit in Europa und erobert bald darauf auch Amerika.
Die Geschichte ist an Akira Kurosawas Yoyimbo angelegt: Das Dorf San Miguel an der mexikanischen Grenze wird von zwei rivalisierenden Gangster-Banden terrorisiert. Ein einsamer Fremder (Clint Eastwood) erkennt die Situation und lässt sich von beiden anheuern. Doch dies dient nur dem Zweck, sie gegeneinander auszuspielen...
Als Sergio Leone 1964 diesen bahnbrechenden Italo-Western drehte, vertraute er nicht so recht darauf, dass das Publikum in dieser rein amerikanischen Domäne einen italienischen Film für glaubwürdig halten würde. Deshalb nannte er sich Bob Robertson, auch einige der Darsteller nahmen englische Pseudonyme an. Die Sorge war ganz unbegründet: »Leones Film wurde ein Welterfolg, und obwohl er nicht der erste Italo-Western war, so etablierte er ihn doch als eigenständiges Subgenre, und das zu einer Zeit, als dem US-Western merklich die Luft ausgegangen war« (www.prisma-online.de)

am 19.08.2004 um 18.15 Uhr, am 21.08.2004 um 18.15 Uhr

 

 

Für ein paar Dollar mehr 
Per qualche dollaro in più
I/BRD/Spanien 1965, R: Sergio Leone, D: Clint Eastwood, Lee van
Cleef, Gian Maria Volonté, Klaus Kinski, ca. 121’ | dt. Fass

Sergio Leones Trilogie Für eine Handvoll Dollar (1964), Für eine Handvoll Dollar mehr (1965) und Zwei glorreiche Halunken (1966) begründete das Genre des Italo-Western. Für eine Handvoll Dollar spielte mehr Geld ein als jeder italienische Film zuvor. In einem runden Jahrzehnt entstanden in Italien über 400 Italo-Western, die die Entwicklung und Auffächerung des Genres von der Unterhaltungsklamotte über den gediegenen Problemwestern bis hin zum anarchistischen Revolutionsstück durchmachten. Die Dollar-Trilogie führte mit Clint Eastwood einen neuen, zynischen, keiner gesellschaftlichen Moral und nur der eigenen Professionalität verpflichteten Helden ein. Seine Haltung wurde charakteristisch für das gesamte Western-Genre. Neben Eastwood wurde Kinski zu einem beliebten Gesicht auf der Leinwand. Auf die Frage, warum er Klaus Kinski engagiert habe, antwortete Sergio Leone:
»Es war schon lange her, dass ich ihn in den deutschen Filmen bemerkt hatte. Vor Per qualche dollaro in più wollte ich ihn für ein Remake von Fritz Langs M - Eine Stadt sucht einen Mörder (1931). Er hätte die Rolle von Peter Lorre übernommen. Als er meinen ersten Western gesehen hat, war er sofort einverstanden, mit mir zu arbeiten. Alle wollten mich vor ihm schützen. Er hatte den Ruf, sehr schwierig zu lenken zu sein, unendliche Streitigkeiten zu provozieren... Mit mir war er ein Engel. Die Folgsamkeit eines Babys! ... Pünktlich, sachlich, höflich und geduldig.«

Am 19.08.2004 um 20.30 Uhr, am 21.08.2004 um 20.30 Uhr

 

 

Spiel mir das Lied vom Tod 
C’era una volta il west
Once Upon a Time in the West

 I/ USA 1968, R: Sergio Leone, D: Henry Fonda, Claudia Cardinale, Charles Bronson, Jason Robards, ca. 167’ | OmU und dt. Fass

Es war einmal... Mythos, Legende, Märchen, Traum: Die Geschichten und Geschichte der amerikanischen Nation, die Geschichten und Geschichte eines amerikanischen Kinogenres, erzählt aus der Perspektive eines europäischen Western-Liebhabers. Leones Film ist eine große Oper, die von den großen Auftritten und Abgängen sowie von Ennio Morricones Musik lebt, die jeder Figur ein musikalisches Thema zuordnet und sich mit dem Mundharmonikamotiv in die Filmgeschichte hineingespielt hat.
Die schöne Jill (Claudia Cardinale), eine ehemalige Prostituierte, will nach der Heirat mit einem verwitweten Farmer ein neues Leben beginnen. Doch als sie auf der Farm ankommt, ist ihre neue Familie ermordet worden. Verantwortlich dafür ist ein Eisenbahnbauer, der im gnadenlosen Kampf um Grundbesitz für die Trasse den Killer Frank (Henry Fonda) und seine Bande auf den Farmer angesetzt hat. Doch Jill kämpft weiter um das Land: Freunde findet sie in dem Gauner Cheyenne (Jason Robards) und in einem Fremden (Charles Bronson), dessen Motive zunächst rätselhaft sind. Schließlich sind die Feinde besiegt, nur Frank und der Fremde stehen sich gegenüber. Was die Zuschauer längst ahnen: Frank hat, als sein Gegner ein kleiner Junge war, dessen Vater sadistisch ermordet und soll nun dafür büßen.
»Es ist eine Todesballade über die Geburt einer großen Nation, die durch die Stereotypen des Western-Genres (nicht die des Westerns!) gesehen wird.« (Sergio Leone)

A m 20.08.2004 um 19.00 Uhr: OmU, am 22.08.2004 um 19.00 Uhr: dt. Fass

 

 

Zwei glorreiche Halunken
Il buono, il brutto, il cattivo
I/ Spanien 1966, R: Sergio Leone, D: Clint Eastwood, Lee van Cleef, Eli Wallach, Aldo Guiffrè, ca. 156’ | OF

Dies ist der dritte Teil der ›Dollar-Trilogie‹ von Sergio Leone mit Clint Eastwod:
Zwei Revolverhelden leben von einem waghalsigen Geschäft: Tuco, der »Böse«, wird vom »Guten« an die Behörden gegen ein Kopfgeld ausgeliefert. Am Galgen schießt der »Gute« den »Bösen« vom Seil und flieht mit ihm im allgemeinen Gewusel. Die Beute wird dann geteilt - bis es zum Streit zwischen den Ganoven kommt. Beim folgenden Katz- und Mausspiel treffen sie in der Wüste auf einen Sterbenden, der ihnen von einer vergrabenen Geldkassette erzählt. Davon bekommt auch Desperado Senteza Wind, der den beiden fortan nicht von den Fersen weicht...
»Dass die Dollar- Filme eine Western-Welt ohne Frauen zeigen, war Leones erklärter Stolz. Dafür sind sie ins Sterben verliebt. Und folgerichtig führt das im dritten der Filme zu den Schlachtfeldern und Schützengräben des Bürgerkriegs und in jenes zeitlose KZ, wo die Folterer ein Orchester aufspielen lassen, um die Schreie der Opfer zu übertönen... Die Kämpfe und Duelle sind wie stets die Kadenzen des Regisseurs, voller Sorgfalt und Finessen ins Werk gesetzt, mit der Tonverstärkung von Schüssen, Gebrauch der Handkamera, unmerklicher Zeitlupe und den extremen Großaufnahmen von Mund, Augen oder Stiefelsporen.« (Brigitte Desalm)

am 26.08.2004 um 17.00 Uhr, am 28.08.2004 um 20.30 Uhr


 

 

Todesmelodie 
Giù la testa
 I 1970, R: Sergio Leone,
D: Rod Steiger, James Coburn, Maria Monti, Romolo Valli,
Antoine Domingo, ca. 158’ | OF

Brutalität und Zynismus – Wesenszüge des Italo-Western – treibt Leone hier auf die Spitze. Hunderte Menschen werden hingerichtet, erschossen oder in die Luft gesprengt. Den historischen Rahmen bildet die mexikanische Revolution 1911 bis 1914. Hier treffen der irische Revolutionär und Sprengstoffexperte Sean Mallory (James Coburn) und der Desperado Juan Miranda (Rod Steiger) aufeinander. Zwischen dem intellektuellen Revolutionär und dem bauernschlauen Juan entwickelt sich eine seltsame Freundschaft, in deren Verlauf Juan unbeabsichtigt zum Helden der Revolution wird.
»Von Verrat und Angst erzählt Todesmelodie und nichts verkörpert diese melancholische Stimmung so sehr wie die in plötzlichen Raum- und Zeitsprüngen eingearbeiteten Rückblenden aus Seans Vergangenheit. Ohne Dialoge, nur zu Morricones schwelgerischer Musik choreographiert, ersteht hier eine verlorene Welt der Hoffnungen noch mal. In seinen epischen Zerdehnungen und detailliert gestalteten Details weist dieses Verfahren schon auf Leones nächsten Film voraus: In Es war einmal in Amerika bestimmt nur noch die Erinnerung die Handlung, in seiner verzweifelten Kreisbahn rund um Freundschaft und Verrat wird die Zeit zum eigentlichen Hauptdarsteller.« (Christoph Huber)

am 26.08.2004 um 20.30 Uhr, am 28.08.2004 um 17.00 Uhr

 

 


Es war einmal in Amerika 
Once Upon a Time in
America I/ USA 1984, R: Sergio Leone, D: Robert De Niro,
James Woods, Elizabeth MacGovern, Larry Rapp, William Forsythe, ca. 229’ | dt. Fass

Es ist die nahezu ein halbes Jahrhundert umfassende Lebensgeschichte des New Yorker Gangsters Noodles (Robert De Niro), der sich in den 20er Jahren mit Gewalt und Korruption nach oben arbeitete, ehe ihn der Verrat seines Jugendfreundes Max stürzte. »Der Film erzählt die Geschichte eines Heimatlosen zwischen den Zeiten, die Geschichte eines Mannes, der in seinen Erinnerungen wehmütig umherirrt und voller Trauer die Stätten seines Lebens aufsucht, um das Rätsel seiner Vergangenheit zu lösen. Nie scheint sich Noodles irgendwo heimisch zu fühlen. Robert De Niro versteht es, durch kleinste Bewegungen der Augenbrauen oder winzige Gesten, wie beispielsweise ein kaum merkbares Senken des Kopfes, die Melancholie dieser Figur glaubhaft zu vermitteln.«
(Stefanie Weinsheimer)
Zwar folgt Leone den Mustern des Gangster-Genres, er bricht jedoch den Ablauf der Geschichte in einer komplexen Rückblendentechnik, wodurch die Veränderungen eines Charakters, der Prozess des Alterns und die kulturellen Umbrüche einer Stadt zwischen 1920 und 1968 sinnlich erlebbar werden. »Es ist ein nostalgischer Film in vielerlei Hinsicht: Der Held ist auf der Suche nach seiner verlorenen Zeit. Seine Stimmungen werden von Morricones Musik – schwermütigen Panflötenklängen, Violinen oder traurigen Klavierakkorden – behutsam unterstrichen. Gedämpfte Farben, überwiegend warme Braun- und Grautöne, erinnern an vergilbte und verblasste Photografien.« (Stefanie Weinsheimer)

am 27.08.2004 um 19.00 Uhr, am 29.08.2004 um 19.00 Uhr


 

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