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Das zunächst in Rosenheim und später in München anhängige Entnazifizierungsverfahren zog sich bis 1953 hin und endete schließlich mit der Einstufung Schönsteins als "Mitläufer" und mit einem von 2.000,- DM auf 500,- DM verminderten Sühnebetrag. /43/ Zuvor war er 1948 als Nutznießer und Propagandist des NS-Regimes als "Belasteter" angeklagt und in einem ersten Urteil in die Gruppe II des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 als "Minderbelasteter" eingestuft worden mit einer Bewährungsfrist von sechs Monaten, innerhalb derer er unter anderem kein Unternehmen als Inhaber leiten durfte. /44/

Durch den Verkauf der Raumbild-Erzeugnisse an die amerikanische Besatzungsmacht, nach einiger Zeit auch wieder an die eigenen Landsleute, wurden noch einmal bescheidene Gewinne erzielt. Neben Landschafts- und Städteaufnahmen standen jetzt kunstgeschichtliche und religiöse Themen im Vordergrund. Aber auch unpolitische Werke aus der Zeit vor 1945 wurden neu herausgebracht. 1950 erhielten die einzelnen Dependancen innerhalb Oberaudorfs wieder ein gemeinsames Domizil, und zwar im Gebäude der Raiffeisenbank in der Rosenheimer Straße. Schönstein hatte damals immerhin zwölf angestellte Mitarbeiter. Vor 1945 waren es wesentlich mehr gewesen, 1943 zum Beispiel insgesamt 38. /45/ Dann aber ließ das Interesse an den Schönsteinschen Verlagserzeugnissen nach. Der Verlagsinhaber hatte zwar immer neue Ideen, brachte fast hektisch fortlaufend neue Artikel heraus. Letztlich konnte er aber mit all dem nicht verhindern, dass seine Umsätze stetig zurückgingen und es zu einer zunehmenden Verschuldung kam. Maßgeblich dafür war auch, dass in den 1950er Jahren in der Fotografie das Farbbild und in der Stereoskopie insbesondere das Farbdia weite Verbreitung fanden. Aus den USA kamen die Viewmaster- Bildscheiben mit farbigen Stereo-Kleindias nach Europa, die übrigens der aus München nach den USA ausgewanderte Wilhelm alias William Gruber erfunden hatte. Mit diesen konnte Schönsteins Konzept, das auf Original-Schwarz-Weiß-Fotos auf Papier basierte, nicht mehr konkurrieren. Es ließ sich offenbar auch nicht der neuen Entwicklung anpassen. So musste die Zahl der Mitarbeiter laufend vermindert werden, bis nur noch drei übrig geblieben waren.

Bereits 1951 hatte Otto Schönstein sich einem Vergleichsverfahren unterziehen müssen mit dem Ergebnis, dass er "sämtliche Werte und Außenstände" seiner Bank übereignen musste. /46/ Trotzdem startete er im folgenden Jahr noch einmal eine große Aufnahme-Aktion. Begleitet unter anderen von zwei Fotografen, Fritz Gutscher und Wolfgang Speckmann, reiste er zu den XV. Olympischen Spielen nach Helsinki (Abb. 9, Abb. 10, Abb. 11, Abb. 12), um diese in 3D zu dokumentieren. Das Ergebnis war einer der letzten Raumbild-Bände, die er herausbrachte. Unter dem Titel "So kämpften sie" erschienen zwei verschiedene Ausgaben: eine mit 100 Raumbildern und deutschsprachigem Textteil von Valentin Reisdorf [2.37] und eine ohne zusätzlichen Text mit 120 Raumbildern für den englischsprachigen Markt [4.19]. Doch auch hier blieb der finanzielle Erfolg ganz offensichtlich aus, und in der Folgezeit ging es mit dem Verlag immer weiter bergab. Ein gutes halbes Jahr bevor Schönstein am 1. August 1958 starb, war die Überschuldung so groß, dass er überhaupt nicht mehr weitermachen konnte.

   
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