> Bernhard Randerath: Als Kriegsgefangener in Holland zum Minenräumen eingesetzt

Bernhard Randerath: Als Kriegsgefangener in Holland zum Minenräumen eingesetzt

Dieser Eintrag stammt von Bernhard Randerath (*1927 ) aus Mönchengladbach , März 2005 :

Am 4. Mai 1945 hat dann auch unser Kessel Holland kapituliert. Wir mussten mit unserem gesamten Material und Waffen nach Ijmuiden an der holländischen Nordseeküste. Die Stadt war im Rahmen des Atlantikwalles zur Seefestung ausgebaut. Hier wurde ein riesiges Gefangenenlager in den Dünen eingerichtet. Zum Glück hatten die meisten noch eine Zeltplane gegen Regen. Nun glaubten wir der Krieg wäre für uns beendet, doch es kam anders. Es wurde die sogenannte Pionierbrigade Draeger aufgestellt die die Aufgabe haben sollte, in ganz Holland die Landminen zu räumen. Dazu wurden alle, die in einer Pioniereinheit gedient hatten und außerdem alle jungen ledigen Leute herangezogen. Also war ich schon wieder dabei. Weil man aber nach dem Genfer Abkommen keine Kriegsgefangenen als Minenräumer einsetzen durfte, wurde unser Status geändert und wir waren keine Kriegsgefangene mehr, sondern Internierte. Der Unterschied bestand nur darin, dass wir kein PW auf dem Rücken stehen hatten. Die technische Leitung wurde deutschen Pionieroffizieren übertragen.

Unsere Ausrüstung bestand aus einigen Metallsuchgeräten aus Wehrmachtsbeständen und den Suchstöcken, die wir uns selbst anfertigen mussten. Schutzkleidung gab es ebenfalls nicht. Unsere Kleidung wurde durch den ständigen Einsatz im Gelände immer schlechter. Das Beseitigen der Minen an der Nordseeküste ging verhältnismäßig gut, weil die Lagepläne der deutschen Wehrmacht noch vorhanden waren. Man konnte dort nach den Plänen ausmessen und die Stellen, wo Minen verlegt waren, ziemlich genau bestimmen. Wegen der Dünen, die sich ja ständig verändern, musste man aber oft tiefe Löcher graben um die verlegten Minen zu finden. Wenn ein Teil der Küste als geräumt erklärt wurde, bekamen wir einen sogenannten freien Tag. Da durften oder mussten wir uns in dem geräumten Bereich einen Tag aufhalten. Wir konnten baden, laufen, in der Sonne liegen, nur nicht weglaufen. Wir mussten also mit dem eigenen Leben als Tester für die Minenfreiheit herhalten.

Im Herbst des Jahres 1945 war die Küste weitgehend von Minen frei und wir glaubten bald in die Heimat entlassen zu werden. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir alle noch nichts von unseren Angehörigen in der Heimat. Man hatte uns bisher nicht erlaubt, zu schreiben. Wahrscheinlich hatte man von alliierter Seite Sorge, dass diese lebensgefährliche Arbeit von Kriegsgefangenen öffentlich würde. Jetzt sollte sogar eine noch gefährlichere Arbeit auf uns zukommen. Wir wurden in die ehemaligen Kampfgebiete an der deutsch-niederländischen Grenze verlegt. Unsere Einheit kam nach Roermond. Ich war hier ca. 35 KM. von meiner Heimat Mönchengladbach entfernt und hatte immer noch keine Verbindung aufnehmen können.

Die Arbeit auf den Minenfeldern wurde deshalb sehr schwierig, weil die Front im Winter 1944/45 öfters hin und her gegangen war. Dann hatten die Deutschen und dann wieder die alliierten Minen verlegt. Einmal waren es Panzerminen, einmal Schützenminen. Viele Minen waren gegen Wiederaufnahme gesichert, so dass sie hochgingen wenn man nach unten nicht richtig kontrolliert. Hier gab es alles an Minen, was das menschliche Gehirn bisher ausgedacht hatte: Holzkastenminen, Streuminen, mit Spanndraht verlegte Minen, u.s.w. Die Verluste wurden immer höher. Viele Kameraden haben hier ihr Leben lassen müssen oder wurden für ihr restliches Leben verstümmelt. Unser Brigadegeneral Draeger hatte mit den Alliierten vereinbart, dass die toten Kameraden, auf einem deutschen Friedhof beerdigt werden dürften und unsere Verwundeten in einem deutschen Krankenhaus behandelt würden. Für die Bestattungen wurde der grenznahe Ort Elmpt bei Niederkrüchten und als Lazarett wurde das Süchtelner Irmgardis Krankenhaus ausgewählt.

Über diese Adresse: P.O. W. Hospital, Haus IrmgardisSüchteln / Rhld. konnten wir jetzt Verbindung mit unseren Angehörigen aufnehmen. Die Ordensschwestern in diesem Krankenhaus haben die Post abgeschickt und auch die ankommende Post empfangen und gesammelt für den Weitertransport in unser Gefangenenlager nach Holland. Unsere Bewachung wusste natürlich nichts von diesem Trick und haben es auch nie erfahren. Sehr traurig war es natürlich, wenn jemand Verbindung mit den Angehörigen aufgenommen hatte und die Angehörigen freuten sich über das Lebenszeichen und kurz danach wurde er von einer Mine getötet. Die Einzelheiten über das Sterben im Minenfeld sollen hier nicht weiter kommentiert werden. Es war einfach grausam.

Am Weihnachttag 1945 sollten wir Gelegenheit haben, den Gottesdienst zu besuchen. Wir wurden unter Bewachung am Heiligen Abend in eine katholische Kirche in Roermond geführt. Der Pastor, ein Niederländer, sprach über Frieden und Versöhnung und wir waren echt gerührt. Als wir aber die Kirche verlassen hatten, wurden wir von einer Menge Jugendlicher empfangen, die uns mit Steinen bewarfen und mit Knüppeln traktierten. Das war Weihnachten 1945.

Viele Kameraden hatten wir bis dahin verloren. Die Plätze auf unseren Strohlager, auf dem Dachboden einer Roermonder Schule, wurden immer großzügiger. Es war schon frustrierend wenn immer wieder Schlafplätze frei blieben. Die Verluste durch Tote und Schwerverletzte, wurden damals mit 24 % beziffert. Das heißt, fast jeder 4. von uns hatte den Krieg zwar überlebt, nicht aber die Gefangenschaft.

Im Januar 1946 sollten wir endlich nach Deutschland entlassen werden. Wir glaubten es aber immer noch nicht, als wir zur Bahn geführt wurden und in Viehwagen verladen wurden. Zu oft waren wir schon enttäuscht worden. Es herrschte eisige Kälte an diesem Januartag 1946. Ein altes Benzinfass hatten wir organisiert und daraus einen Ofen gebastelt, den wir im Waggon aufstellen durften. Brennmaterial lag auch überall rum und so konnten wir uns etwas wärmen. Die Fahrt zu einem unbekannten Ziel ging los. Am nächsten Morgen bei einem Halt hörten wir draußen deutsche Stimmen. Wir öffneten etwas die Waggontür und tatsächlich, wir waren in Deutschland. Wir fielen uns in die Arme und waren überglücklich.

In Hannover kamen wir wieder in ein Lager. Hier wurden wir in die sogenannten Nissenhütten untergebracht, hatten aber sonst jede Bewegungsfreiheit. Am 13. Februar 1946 wurde ich in die Heimat entlassen. Ich war damals 18 Jahre und 6 Monate alt.

 

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