> Florentine Brendecke: Raus!

Florentine Brendecke: Raus!

Dieser Eintrag stammt von Florentine Brendecke (*1929) aus Henstedt-Ulzburg, August 2002:

Im Landdienst der HJ herrschte Zucht und Ordnung. Wir, die Mädchen des Landdienst-Jahres 1943/44, sollten zu ordentlichen Frauen heranreifen und später tüchtige Bäuerinnen im Ostland werden. Der "Führer" erwartete von uns, dass wir das eroberte Gebiet im Osten fruchtbar machen und mit arischem Nachwuchs bevölkern sollten. Natürlich wollte ich später diese edle Aufgabe erfüllen, Bäuerin sein und dem Volke dienen. Nur der Weg dorthin war mit unerträglichem Drill gepflastert. Das Antreten am Morgen war schon lästig genug, und das Zurückmelden nach dem Arbeitseinsatz war abhängig von der Laune der Lagerführerin. Manchmal ging's glatt. Anklopfen, warten auf das : "Herrreieinnn!" die Tür forsch öffnen, strammstehen, die Hand in Augenhöhe zum deutschen Gruß, laut und deutlich sprechen: "Landdienstmädel Florentine Bluhm meldet sich vom Einsatz zurück." Warten auf den Befehl: "Abtreten!" Rechtswendung und raus. Bei übler Laune der Führerin lief es anders ab: Nach dem Melden ein Anpfiff, begleitet von einem durchdringenden Blick: "Dein Daumen ist abgespreizt, kapierst du nie den Deutschen Gruß? Rrrraus! Nochmal, aber anständig", brüllte sie.

Nächster Versuch: Vor der Tür tief luftholen, erneut anklopfen, eintreten, noch ein Anpfiff: "Soll das ein strammer Arm sein? Der hängt runter wie ein schlaffer Sack. Rrraus! Nochmal." Sie wies mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger zur Tür.

Dritter Versuch mit zurückgehaltenen Tränen und zitternder Stimme. Das Gesicht der Führerin lief rot an, als sie brüllte: "Hier wird deutlich gesprochen., Heulsusen braucht der Führer nicht. Rrraus!"

Dieses Spiel trieb sie mehrmals hintereinander, und keines der Mädchen blieb davon verschont. Irgendeine Schikane hatte sie immer parat. Wie gut, dass es meinem Jahrgang, den Jahrgängen davor und dem "Ostland" erspart geblieben ist, was der "Führer" mit uns und dem Land vorhatte.

 

Haus meiner Kindheit

Der Krieg hat dich verschlungen

Im Traum wärmst du mich

lo