> Heinz Schulz: Bomben auf Walsum 1944

Heinz Schulz: Bomben auf Walsum 1944

Dieser Eintrag stammt von Heinz Schulz (*1932) aus Duisburg-Walsum, April 2011:

Wir wohnten in Walsum, Teichstr. 39. Der 14. Oktober 1944 ist mein 12. Geburtstag. Gegen 8 Uhr 30 heulten die Luftschutzsirenen zum Voralarm. Ohne Vollalarm kam sofort das Signal akuter Alarm. Es ging sofort los. Die erste Welle Bomber war schon da. Über dem Schulhof der Dittfeldschule stand der Christbaum (so nannte man das Angriffszeichen, eine Leuchtbombe an einem Fallschirm). In der Luft war ein unheimliches Brummen von mehreren 100 viermotorigen Bombenflugzeugen.

Meine Mutter stand in der Haustür und rief nach uns Kindern. Rolf, mein Bruder, und ich waren aber im Keller. Mein Bruder rief: "Mama, wir sind hier unten." Unser Vater kam als Letzter die Treppe herunter. Er hatte das Radio auf dem Arm.

Zu dem Motorengedröhne kam nun ein dumpfes Blubbern von den sich überschlagenden Bomben, das ging in Geheul über, dann ein Geräusch als würden 10 Autos eine Notbremsung machen, dann als würden 20 Eisenbahnzüge bremsen. Dann krachten die Bomben. Es war ein Inferno. Der Boden im Keller hob sich, und wir wurden hoch geschleudert. Vater wurde vom Luftdruck mit seinem Radio in den Schutzraum geschupst. Das Licht ging aus. Mutter leuchtete mit ihrer Taschenlampe. Der ganze Raum war voll Mörtelstaub.

Eine 5-Zentnerbombe hat das Haus Nr. 43 getroffen. Um atmen zu können, bekamen wir feuchte Handtücher vor den Mund. Es heulte und krachte in einem zu. Jetzt wurde es leiser. Man hörte das Brummen der Bomber, und es war ein Pfeifen in der Luft. Das war die zweite Welle mit Brandbomben und Phosphorkanistern.

Nun ertönten Schritte auf der Treppe. Eine junge Frau kam rein und schrie: "Die ganze Straße brennt, Jesus Maria hilf uns, wir müssen alle sterben." Meine Mutter sagte mit ruhiger fester Stimme: "Bitte Ruhe, machen Sie mir die Kinder nicht verrückt. Wir haben alle Angst! Setzen Sie sich bitte." Mutter leuchtete mit ihrer Taschenlampe auf einen Stuhl. Uns Kinder versicherte sie, dass für uns keine Bombe gebaut sei.

Die dritte Welle war jetzt mit Sprengbomben an der Reihe. Es krachte und tobte. Wir flogen von dem Feldbett, auf dem wir saßen. Das Haus Nr. 41 wurde von einer 10-Zentnerbombe getroffen. Vater nahm den Vorschlaghammer und schlug die Steine aus dem Durchbruch zum Nachbarhaus. Er leuchtet mit der Taschenlampe in den Keller. Es erschien ein alter Mann. Der olle Schott. Er rief: "Schulz, kömt röver." Bei Schott waren die Stützstempel umgefallen. Herr Schott wurde zu uns gebeten. "Herr Schott, setzen Sie sich bitte dort auf den Ofen." (für die Winterzeit stand ein kleiner Ofen in der Ecke). Schott sagte mit fester Stimme: "Danke, aber ich will im Stehen sterben!"

Das Krachen der Sprengbomben hörte auf. Auch das Brummen der Flugzeugmotoren entfernte sich. Es war plötzlich ein anderes rauschendes Geräusch zu hören. "Gustav, das ist Wasser!" (ein paar Tage zuvor waren auf der Rheinstraße Menschen im Keller verschüttet. Durch geborstene Wasserleitungen lief der Keller voll. Die Leute ertranken bevor die Retter kamen). Vater raus aus dem Luftschutzkeller. Vom Kellerflur aus sah er, was los war. Bei Techtemeier auf der Rheinstraße brannte der Dachstuhl. Nach vorne sah er gegenüber die Wohnung Isenberg! Stand in Flammen. Als ein brennendes Stück Holz vor das Kellerloch fiel, wusste er auch, dass es bei uns brannte.

Alles raus, war sein erster Befehl. Die Haustür konnte nicht benutzt werden. Die Trümmer des Hauses Nr. 41 versperrten den Weg. Durch das Flurfenster konnten wir raus. Mutter und ich versuchten etwas aus dem brennenden Haus zu retten. Rolf hat mit Vater versucht, die Familie Baumeister aus den Trümmern zu befreien. Nachdem die beiden einen Teil der Steine bei Seite hatten, stellten sie fest, die Decke des ersten Obergeschosses lag unterhalb der Erdgeschossdecke. Sie gaben den Rettungsversuch auf. Unsere Wohnung war mittlerweile ausgebrannt.

Wir vier lebten. Unsere Habe konnten wir tragen. Im Keller des Hauses Nr. 41 sind, soweit ich mich erinnern kann, 10 Menschen ums Leben gekommen. Das Erlebnis vom 14. Oktober 1944 hat sich in mir festgesetzt. Immer wieder erlebe ich das schreckliche in meinen Träumen.

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