> Hermann Lohmann: Einsätze bei Monte Cassino und Anzio/Nettuno 1943/44

Hermann Lohmann: Einsätze bei Monte Cassino und Anzio/Nettuno 1943/44

Dieser Eintrag stammt von Hermann Lohmann (1925-2016) aus Deutsch Evern, Februar 2010.

Am 16. November 1943 sind wir nach unserer Ausbildung in der "Panzer-Division Hermann Göring" per Eisenbahn nach Italien zum Fronteinsatz transportiert worden. Alle, auch die Offiziersbewerber, kamen aus Holland an die Front bei Monte Cassino.


Am 22.11.43 schickte ich meinen Eltern einen ersten Brief aus Italien:

"Liebe Eltern! Endlich habe ich nach 6 Tagen Bahnfahrt meine neue Unterkunft erreicht. Es war eine wunderbare Bahnfahrt durch die wunderschönen Alpen, dann die Weinberge an den Südhängen der Alpen und später als wir Oliven-, Apfelsinen- und Feigenbäume sahen, waren wir platt. Außerdem haben wir uns gewundert, dass uns auf fast jedem Bahnhof Rotwein angeboten wurde. Jetzt habe ich schon Rotwein in "Massen" getrunken und die ersten Feigen und Apfelsinen gepflückt. Hier blühen jetzt die Alpenveilchen draußen im Gebirge genauso wie zu Hause beim Gärtner. Wir liegen in einer Kapelle."


Wir waren kurzfristig hinter der Front für 1-2 Tage in einer katholischen Kapelle untergebracht, um dann den einzelnen Fronttruppenteilen als Ersatzleute zugeteilt zu werden. Es wurde gefragt, wer Abitur oder Notabitur habe. Von denen, die sich meldeten, wurden dann einige, wie auch ich, der Beobachtungsbatterie (BB) zugeteilt. Während der Verteilung fragte ich den einteilenden Major, ob nicht mein Schulfreund Hartwig Krumstroh aus Scharnebeck auch zur BB eingeteilt werden könne. Ich hatte ihn nachts auf dem Bahnhof in Bozen wieder getroffen. Er war mit mir zusammen eingezogen und in Amersfoort/Holland ausgebildet worden. So wurde auch Hartwig meiner Einheit zugeteilt. Glücklicherweise hat er mit leichter Verwundung den Krieg überlebt. Ich hätte mir sonst Vorwürfe gemacht, damals Schicksal gespielt zu haben. Ich bin heute der Meinung, dass man in einer so gefährlichen Lebensphase nicht in das Lebensschicksal eines anderen Menschen eingreifen sollte.


Die Aufgaben der Beobachtungsbatterie H.G. (BB-H.G.) waren:

1.) Die Aufklärung feindlicher Artilleriestellungen

a) durch die Lichtmessstaffel

b) durch die Schallmessstaffel.

Mittels eines Licht- und Schallmessverfahrens wurde der Abschussblitz bzw. der Abschussknall feindlicher Geschütze von 4-5 entlang der Front verteilten Messstellen aus beobachtet und gemessen. In der zentralen Auswertung wurde auf der Landkarte aufgrund der verschiedenen Beobachtungsrichtungen bzw. des zeitlich unterschiedlichen Eintreffens des Schalls bei den einzelnen Schallmessstellen der Standort der feindlichen Artillerie bestimmt.

2.) Bereitstellung von Wetterdaten für die Artillerie und Flakabteilungen der Division zur Ausschaltung ballistischer Einflüsse auf die Geschossbahnen.

Zur Erarbeitung genauer Schießbefehle für die Artillerie, um feindliche Geschützstellungen zielsicher und wirksam bekämpfen zu können, wurden auch Wetterdaten benötigt. Insbesondere waren dafür Windrichtung und Windgeschwindigkeit am Boden und in größeren Höhen wegen der dadurch erfolgenden Ablenkung der Geschosse in der Luft wichtig.

Die Messung erfolgte mittels mit Wasserstoff gefüllter roter Wetterballons, deren Auftriebsgeschwindigkeit vorher mittels angehängter Gewichte austariert wurde. Mit Hilfe eines Theodoliten (lt. Lexikon ein Instrument zum genauen Messen von Horizontalwinkeln für niedere und höhere Geodäsie) wurden durch anvisieren des roten Ballons und messen von Winkeln Windrichtung und Windgeschwindigkeit nach Auswertung im Auswertewagen bestimmt. Die Beobachtungen einschließlich gemessener Temperaturen wurden in einer Wettermeldung, der sogenannten "Barbarameldung" zusammen gefasst und telefonisch an das ArKo= Artilleriekommando durchgegeben, das die Feuerbefehle erstellte.

3.) Herstellung und Beschaffung von Kartenmaterial für die Stäbe und Truppe.

Dafür war in der BB-H.G. ein Druckerei- und Vermessungstrupp vorhanden, der Landkarten der jeweiligen Frontgebiete für die Division zu erkunden und zu drucken hatte.


Beim Wettertrupp

Ich hatte also großes Glück, einem solchen "Intelligenzhaufen" zugeteilt zu werden. Weiteres Glück hatte ich, als dann später bei der Einheit gefragt wurde, wer Ahnung von Wetterkunde habe. Ich habe mich gemeldet, weil ich mich schon immer für Meteorologie interessiert hatte und ich auch gerade im Johanneum in Lüneburg entsprechenden Unterricht gehabt hatte. So kam ich gemeinsam mit Franz Heieis als Ersatz zum Wettertrupp der BB-H.G. Der Wettertrupp bestand aus 8 Soldaten (1 Unteroffizier, 1 Kraftfahrer und 6 Wettermesser).

Es war eine schöne kleine relativ selbstständige Gruppe Wir Wetterfrösche, wie wir uns nannten, haben uns immer gut verstanden und uns gegenseitig geholfen. Mit den noch lebenden Kameraden habe ich heute noch Kontakt. Ich war also bei einer technischen Aufklärungseinheit, die normalerweise etwas rückwärtig der HKL (Hauptkampflinie) im Einsatz war.


Am 25.11.43 schrieb ich meinen Eltern aus Italien (Feldpoststempel 27.11.43):

"Ich bin nun auf meiner neuen Dienststelle angekommen. Ich habe es, glaube ich, sehr gut getroffen. Zu essen haben wir hier reichlich. Vor allem Apfelsinen, Wein, Schnaps, Zucker usw. Unsere Unterkunft ist hier sehr gut. Von den Italienern kann man noch alles andere bekommen, wie z.B. Feigen, Äpfel, Eier, geschlachtete Hühner usw."

Zur Beruhigung meiner Eltern habe ich damals wohl leicht übertrieben. Allerdings teilten wir uns damals bei St. Apollinare / Cassino mit Italienern ein Doppelhaus. Es war ein harmonisches Zusammenleben, welches allerdings nicht sehr lange dauerte. Die Ereignisse an der Front zwangen uns zum Stellungswechsel und die Italiener zum Verlassen ihres Hauses. Die Italiener hatten in ihrer Haushälfte einen Artillerietreffer in die dort noch übliche Kaminfeuerstelle bekommen. Entsetzt und rußgeschwärzt wie Schornsteinfeger kamen sie Hilfe suchend zu uns herüber. Glücklicherweise war aber niemand verletzt.

Weiter schrieb ich: "Hier bei uns regnet es fast jeden Tag. Neulich hatten wir fast 27° Wärme." Es war die Regenzeit in Süditalien. Tagelang regnete es so stark wie hier bei Gewitterregen. Das Wasser stürzte in den Hohlwegen in reißenden Bächen bergab.


Damit wir unsere Barbara-Meldung absetzen konnten, hatten wir einen Funktrupp zugeordnet bekommen. Das war für bewegliche Fronten schon wichtig, damit die Artillerie- und Flak-Batterien ihre Meldungen bekamen, die nach einem vereinbarten Schlüssel alle 2 Stunden gesendet wurden. Nachteilig für uns allerdings war, dass die Gegner ein hoch entwickeltes Funk-ortungsverfahren besaßen. So wurde der Standort unseres Funktrupps bereits nach dem 1. Funkspruch angepeilt und die ersten Granateinschläge der feindlichen Artillerie saßen verdammt genau.

Wir bauten dann eine Fernsprechleitung in Verbindung mit dem Fernsprechtrupp des Artillerie-Regiments bis zum Fluss Liri, der überquert werden musste. Für diesen Teil der Leitung mussten wir auch die Entstörung übernehmen, denn die Fernmelder vom Artillerie-Regiment konnten den Fluss wegen des Hochwassers nicht überqueren. So waren wir Tag und Nacht zusätzlich mit der Aufrechterhaltung der Telefonverbindung beschäftigt. Sehr oft ist es vorgekommen, dass ein Störtrupp noch gar nicht wieder zurück war und die Leitung schon wieder unterbrochen war. Vielfach lag die Störung auch auf der anderen Flussseite für die das Regiment zuständig war. So hatten wir große Probleme mit der Aufrechterhaltung einer Verbindung zu unseren Einheiten und wir entschieden uns schließlich für einen Stellungswechsel nach St. Giorgio.

Hier ein persönliches Erlebnis aus dieser Zeit: Es war wieder einmal unsere Telefonleitung zerschossen. Ich musste auf Störungssuche gehen. Mühsam bewegte ich mich mutterseelenallein in dem durch Artillerieeinschläge aufgewühlten, zerschossenen, matschigen Gelände, den Stahlhelm auf dem Kopf, die Telefonleitung in der Hand, sofern sie nicht gut zu sehen war, und das Feldtelefon umgehängt immer der Leitung entlang. Dabei war ich immer darauf bedacht, bei Artilleriebeschuss in den nächsten Einschusstrichter springen zu können.

Überhaupt konnte man bei Monte Cassino nicht einen Schritt tun, ohne vorher nach der nächsten Deckungsmöglichkeit zu suchen. Ich hatte von den alten, Front erfahrenen Kameraden schon gelernt und aus eigenem Erleben bestätigt bekommen: Bei langem Pfeifton sind die Artilleriegeschosse noch weit weg und du brauchst dich nicht einmal zu bücken. Wenn es kurz und energisch pfeift, schnell in Deckung werfen und wenn du das Pfeifen nicht hörst, bist du tot. Das Letztere habe ich glücklicherweise nicht erlebt. Das war so ein realitätsbewusster Soldatenschnack (Galgenhumor).

Als ich einmal bei der Nässe in all dem Dreck und Matsch endlich das andere Kabelende gefunden hatte und beide Leitungen an das Feldtelefon anklemmte, kriegte ich einen gewaltigen elektrischen Schlag. Am anderen Ende hatte mein Schulfreund Hartwig Krumstroh an dem Feldtelefon gekurbelt. Das war mein erster Kontakt mit meinem Schulfreund Hartwig, der in einem Schallmesstrupp gelandet war. Wegen des Stromschlags habe ich ihn damals tüchtig beschimpft. Ich war aber froh, nach mehreren zerschossenen Kabelstellen endlich die Störungssuche in dem matschigen, mit wassergefüllten Granattrichtern übersäten Gelände endlich beenden zu können. Wenige Tage später erkannte ich immer deutlicher, wie verheerend die Materialüberlegenheit der alliierten Truppen, bestehend aus Amerikanern, Engländern, Franzosen, Polen (Anders-Armee), Kanadiern, Neuseeländern, Marokkanern, Indern u. anderen Truppen war, die bei Cassino gegen uns kämpften. Wir konnten uns tagsüber kaum frei bewegen, ohne Gefahr zu laufen, von feindlichen Flugzeugen an jedem Ort des Frontgebietes selbst als einzelner Soldat angegriffen zu werden.

Hierzu ein am eigenen Leibe erlebtes Beispiel: Bei St. Giorgio, wohin wir inzwischen verlegt worden waren, war ich mittags mit einem Essenskanister auf dem Rücken zur Feldküche geschickt worden. Als ich mit dem mit Suppe gefüllten Kanister auf dem Rückweg war, griff mich bei strahlend blauem Himmel im Sturzflug, obwohl ich ganz alleine war, ein Jabo (Jagdbomber) an und klinkte 2 Bomben auf mich aus. Ich sehe heute noch, wie die Bomben auf mich losstürzten und sich dabei drehten und in der Sonne spiegelten. Geistesgegenwärtig sprang ich schnell in eine schmale Pflugfurche und machte mich ganz lang, nur der Essenskanister ragte wohl noch hervor. Eine Bombe schlug rechts und eine links von mir ein und dann lief es mir heiß über den Rücken. Ich dachte, ich wäre schwer verwundet und mein Blut liefe mir über den Rücken. Die Bombensplitter hatten aber nur den Suppenkanister durchlöchert und die heiße Suppe lief mir über den Rücken. Ich blieb dank meiner schnellen Reaktion unverletzt.

Persönlich habe ich die ganze Macht der feindlichen Artillerie gespürt, als wir 36 Stunden lang im Bereich eines Trommelfeuers lagen. Es wurde von den Alliierten vor allem der nahe liegende Monte Camino beschossen, auf dem nur ein Zug Soldaten von uns lag. Sie schossen auch mit Phosphorgranaten, so dass wir nachts sehen konnten, wie der leuchtende, brennende Phosphor den Berg herablief. Verwundungen durch Phosphorgranaten sind grausam und furchtbar schmerzhaft. Von deutscher Seite sind meines Wissens im 2. Weltkrieg keine Phosphorgranaten eingesetzt worden.

Damals, Anfang Dezember 1943, wurde mir sehr schnell klar, dass der Kriegsverlauf von den materiell weit überlegenen Alliierten diktiert wurde und wir Deutschen nur noch eine Zeitlang zur Verteidigung fähig sein würden. Der Krieg war nicht mehr zu gewinnen, sondern wurde nur noch verlängert. "Welch ein Wahnsinn" denke ich heute und wie viele Menschen sollten noch leiden und sterben müssen.

Wenn man heute auf dem deutschen Soldatenfriedhof Cassino die Namen der gefallenen Kameraden liest und die Soldatenfriedhöfe anderer Nationen rund um die Abtei Monte Cassino sieht, fragt man sich, warum das alles geschehen musste. Wie dankbar können wir sein, dass wir seitdem über 60 Jahre Frieden haben. Möge er uns noch lange erhalten bleiben.

Kurz vor Weihnachten, am 15. Dezember 1943, schrieb ich zwecks Beruhigung meiner Eltern: "Liebe Eltern, macht Euch bitte keine Sorgen um mich, wenn Ihr unter dem Tannenbaum sitzt. Da stellt nur Radio an und hört Weihnachtslieder. Wir haben hier nämlich auch ein Radio und zufällig auch Strom. Nur einen Christbaum haben wir nicht. Wir müssen schon einen Pinienbaum nehmen."


Weihnachten bei Monte Cassino

Wir waren inzwischen nach Pignataro, nahe der Abtei Monte Cassino, verlegt worden und hatten im Obergeschoß einer Mühle, wo die Wohnung unbewohnt war, Quartier bezogen. Zu Weihnachten war es uns gelungen mittels eines Stromaggregates der Beobachtungsbatterie elektrischen Strom zu erzeugen und diesen mittels mehrerer Telefonkabel in die Mühle zu leiten. So hatten wir Strom und die italienische Bevölkerung, soweit sie noch im Frontbereich geblieben war, konnte zu Weihnachten noch einmal Weizen zu Mehl mahlen. Aus der ganzen Umgebung kamen Menschen mit Getreidesäcken und waren glücklich, zu Weihnachten Weizenmehl zu bekommen.


Italien, den 19.12.43:

"Liebe Eltern, nach langer Zeit kann ich mal wieder bei elektrischem Licht einen Brief schreiben. In 5 Tagen ist schon Heiligabend. Aber hoffentlich macht Ihr Euch keine Sorgen. Ich habe nämlich alles, was Ihr Euch denken könnt: Süßwein, Braten, Nüsse, Apfelsinen, Christbaum und Süßigkeiten mit wunderbarem Kuchen. Wir haben nämlich hier eine italienische Familie kennen gelernt, die aus England vertrieben worden ist, als der Krieg kam und daher englisch spricht. Wir haben bereits Mehl, Süßwein, Weißwein, Rotwein und Weißbrot von Ihnen bekommen und Weihnachten wollen sie noch Kuchen für uns backen."


27.12.43

"Am ersten Weihnachtstag abends waren wir bei unseren Italienern eingeladen, von denen wir auch das Radio haben. Es gab Gänsebraten, Karnickelbraten, feines Gebäck und verschiedene Weine."


Neujahr 1944

"Liebe Eltern, hoffentlich seid Ihr alle gut ins neue Jahr gekommen, was ich von mir wohl behaupten kann. Wir haben zusammen mit der italienischen Familie gefeiert, die wir diesmal zu uns eingeladen haben. Zuerst haben wir jeder ein schönes Stück Lammbraten gegessen. Dazu gab es Rot-, Weiß- oder Süßwein. Zuletzt einen eisernen Schnaps, so dass wir um 22 Uhr schon fast alle etwas blau waren. Endlich war es 24 Uhr, wir hatten kaum unseren Steinhäger weg, als es plötzlich ein Krachen an der ganzen Front war. Der Tommy und wir schossen Salut. Auch wir schossen mit Karabinern in die Luft. Du schreibst mir, lieber Vater, dass ich in Lüneburg soweit angenommen bin für den höheren Forstdienst und meine Papiere in Berlin sind. Ich habe mich sehr gefreut. Vom Spieß (Hauptwachtmeister) habe ich auch schon Bescheid bekommen, dass ich mich untersuchen lassen muss."


Weihnachten und Neujahr war es an der Front bei Cassino relativ ruhig. Wir lebten deshalb auch als Soldaten verhältnismäßig gut.

Die Familie Rossi haben wir kurze Zeit später mit ihrem wichtigsten Hausrat auf einem Wehrmachtslastwagen zu Verwandten in die Nähe von Rom gebracht, als es in Pignataro immer gefährlicher wurde. Fritz Speckmann hat sie begleitet. Der Wehrmachtslastwagen musste aus der Nähe von Rom Material holen, so dass die Gelegenheit für die Familie Rossi günstig war. Eigentlich war es nicht erlaubt, Zivilpersonen auf Wehrmachtsfahrzeugen zu befördern. Aber es wurde wohl nicht so eng gesehen, wenn die Fahrzeuge sowieso leer ins Hinterland fuhren. Das Haus der Familie Rossi erhielt schon am nächsten Tag einen Artillerievolltreffer.

 

 

Wenn man heute dort oben auf dem Friedhof steht und der gefallenen Kameraden gedenkt, fragt man sich: Wozu musste das sein? Das war doch sinnlos.

 


Neujahr 1944 konnte ich einem Urlauber einen Brief aus Pignataro/Cassino mitgeben und daher das schreiben, was sonst wegen der Geheimhaltung verboten war:

"Liebe Eltern!
Ich bin kein Kanonier mehr, sondern Wettermesser und Prophet. Ich schimpfe mich zwar noch Kanonier, habe aber mit Kanonen nichts mehr zu tun. Wir sind hier im Wettertrupp 6 Wettermesser. Ich liege noch 15 km (ich habe 10 km in dem Brief mit 15 überschrieben, in Wirklichkeit waren es meistens ca. 5-7 km) hinter der Front, so dass wir nur ganz selten Beschuss kriegen. Von unserem Fenster aus kann ich Cassino sehen.
Viele Grüße aus Italien Euer Sohn Hermann"


Na ja, so beruhigt man seine Eltern. Ganz so harmlos war es dort, wenn auch ca. 5-7 km hinter der HKL (Hauptkampflinie), ja nun auch nicht. Unser roter Wetterballon, der nur ca. 1 m Durchmesser hatte und mit Wasserstoff aufgeblasen war, wurde oft von alliierten Fliegern abgeschossen. Oftmals gab es auch einen gezielten Feuerüberfall durch Artilleriebeschuss, wobei nur instinktives, schnelles sich auf den Boden werfen half, um den Granatsplittern zu entgehen. Einmal fegten sogar Splitter durch das hölzerne Dreibeinstativ des Theodoliten. Die verwachsenen Splittereinschläge in den benachbarten Bäumen waren 1975 nach 31 Jahren noch gut zu erkennen. Die Materialüberlegenheit der Alliierten war gewaltig.


Italien, 4.1.44
"Mit der Forstsache ist es ja sehr nett vorangegangen, denn auf dem Vordruck für die ärztliche Untersuchung stand schon, dass ich nicht erst zur Vormerkung sondern gleich zur Zulassung untersucht würde. Aufgrund der Aufforderung mich beim Arzt untersuchen zu lassen, war ich beim Truppenarzt, der aber hier nicht die nötigen Geräte hat. Ich fahre deshalb übermorgen in ein Lazarett, welches weiter rückwärts von der Front liegt."


Italien, 8.1.44
"Vorgestern war ich zur Untersuchung auf Forsttauglichkeit bei Rom mit dem Erfolg, dass ich forsttauglich geschrieben wurde."


Die Zulassung zum höheren Forstdienst wurde unmittelbar nach Kriegsende im Oktober 1945 durch das Landesforstamt in Sarstedt widerrufen, weil die Ostgebiete verloren waren. Außerdem mussten geflüchtete, sowie die aus der Wehrmacht entlassenen Förster und Forstanwärter vorrangig untergebracht werden. So war es für mich aussichtslos geworden, meinen Traumberuf ausüben zu können.

Am 22. Januar 1944 landeten die Alliierten mit 36.000 Mann und 3.250 Fahrzeugen bei Nettuno im Hafen von Anzio, unterstützt von 10 Kreuzern und 20 Zerstörern mit ihren Schiffsgeschützen. Wir wurden etwa am 31. Januar 1944 in die Nähe des alliierten Landekopfes zunächst nach Albano-Genzano bei Castel Gandolfo, dem Sommersitz des Papstes, verlegt.


Von dort schrieb ich am 2.2.44:
"Wir haben augenblicklich ein ganz prima Leben. Wir wohnen in einer wunderschönen Villa, von wo aus man an klaren Tagen einen wunderbaren Blick über die Ebene (gemeint sind die trockengelegten und kultivierten ehemaligen pontinischen Sümpfe) zum Mittelmeer hat. Ich wohne mit noch einem Kameraden zusammen in einem Zimmer mit wunderbaren Möbeln und Betten mit Federmatratzen. Außerdem ist in diesem Haus Wasserleitung und Zentralheizung, die aber nicht mehr funktioniert. Oben auf dem Dach ist ein wunderbarer Blick über riesige Olivenhaine. Wie vom Flugzeug aus sieht man alles und an klaren Tagen sogar die Schiffe auf dem Meer (die alliierte Landungsflotte, gegen die wir machtlos waren, weil wir kaum noch Flugzeuge hatten. Die Alliierten hatten die absolute Luftherrschaft.
Nun recht herzliche Grüße Euer Sohn Hermann."


Bei aller Begeisterung für die schöne Landschaft der Gegend um Albano waren wir ständig den Angriffen feindlicher Flugzeuge und dem Beschuss der Schiffsgeschütze mit den 40-cm-Granaten, die sehr große Löcher rissen, ausgesetzt. Kurz darauf wurden wir näher an der alliierten Landungsstelle Nettuno eingesetzt. Unsere Unterkunft war damals ein einzeln liegendes Haus bei Doganella/Ninfa. Wir wohnten dort gemeinsam mit einer italienischen Familie namens Scaini, die nicht geflüchtet war. Es war ein sehr harmonisches Verhältnis. Die Familie bestand aus 7 Personen: Großeltern, Eltern und 3 Kinder.

Eine kuriose Begebenheit fällt mir dabei ein: Als wir dort einzogen, gab es wie üblich keine Toiletten. Das erste, was wir Landser bauten, und zwar unter den staunenden Blicken der italienischen Landbevölkerung, war ein so genannter "Donnerbalken". Es wurde eine längliche Grube gegraben, über die in Sitzhöhe ein Holzbalken angebracht wurde. So konnte man bequem "Abprotzen", wie wir Soldaten das nannten. Manchmal war gegen umherfliegende Granatsplitter, wie auch bei Cassino, ein Splitterschutz aus Felssteinen erforderlich, um dabei Ruhe zu haben. Bei Verlassen der Stellung konnte man die Grube zuwerfen und somit die menschlichen Exkremente umweltfreundlich beseitigen. Bei längerem Aufenthalt an einem Ort wurde auch zwischendurch etwas mit Erde abgedeckt, um Geruchsbelästigungen und Fliegenplagen zu vermeiden.

 

 


Am 28.2.44 schrieb ich:
"Liebe Eltern! Heute Mittag erhielt ich die traurige Nachricht in einem Brief von Mutter vom 17.2. und außerdem einen von Vater, dass Heinz in Russland vermisst ist. Ich war zuerst recht niedergeschlagen, hoffe aber, dass er gesund in russische Gefangenschaft gekommen ist und später einmal nach dem Kriege nach Hause zurückkehren kann. Diese feste Hoffnung aber gibt mir weiterhin Kraft, dass ich über den Schmerz hinwegkomme. Wolle Gott, dass er einst nach diesem großen Kriege gesund in die deutsche Heimat zurückkehren möge.
Liebe Eltern, Ihr meint, dass ich Urlaub einreichen solle. Aber augenblicklich ist nichts zu machen, denn es ist Urlaubssperre."

 


Am 5.3.44 schrieb ich noch in einem flüchtigen Brief:
"Liebe Eltern! Ich will Euch schnell ein paar Zeiten schreiben, weil ich weiß, dass Ihr Euch ängstigt, wenn ich mal ein paar Tage nicht schreibe."


Kurz danach ist unsere Division aus dem Fronteinsatz im Raum Nettuno-Cisterna zwecks Auffrischung (Personal- und Materialergänzung sowie Kampfruhe) in den Raum Lucca, Pisa, Livorno, etwa 250 km nordwestlich von Rom, an die Küste Liguriens verlegt worden.

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