> Karl-August Scholtz: Mit Gelbsucht im Lazarett 1943

Karl-August Scholtz: Mit Gelbsucht im Lazarett 1943

Dieser Eintrag stammt von Karl-August Scholtz (*1920) aus Hamburg , Juli 2003 :

Mit Gelbsucht musste ich am 13. Mai 1943, also genau an meinem Geburtstag, meine Einheit an der Wolchow-Stellung verlassen. Über den Troß, zur Abgabe meiner Waffen u.a., quälte ich mich noch einige Kilometer weiter zur Straße, von dauerndem Erbrechen aufgehalten. An der Straße hielt ich ein bespanntes Sanitätsfuhrwerk an, das mich mit zwei Verwundeten vom Regiment 319 nach Nikochowo zum Hauptverbandsplatz nahm.

Am nächsten Morgen wurden wir in Podberesje in die Güterwagen des Lazarettzuges verladen. Über Grigorowo, wo wir den ganzen Vormittag liegen blieben, ging es nach Luga. Sankas brachten uns zur Krankensammelstelle. Am folgenden Sonntagmorgen entschied der dortige Arzt bei der Untersuchung, mich noch weiter ins Hinterland zu schicken. Ich träumte schon von der Heimat! Nach der Entlausung folgte ein herrliches Mittagessen (Kartoffelbrei mit Spinat und anschließend Speise). Nach der Kaffeemahlzeit brachte uns das Sanitätspersonal wieder zum Bahnhof. Der behelfsmäßige Lazarettzug 003 nahm uns auf. Inzwischen hatte mein ganzer Körper eine knallgelbe Farbe bekommen, so daß ich als "Sensation" galt. Keiner der anderen Gelbsüchtigen, mit denen ich zusammen in der zweiten Klasse fuhr, konnte es in dieser Beziehung mit mir aufnehmen.

Vor uns lief ein Zug auf Minen. Deshalb lagen wir ca. 12 Stunden in Pleskau fest. Ein Generalstabsarzt benutzte die Gelegenheit zur Besichtigung des Zuges und entschied die "Dünabasis" für uns als Endstation. Also vorbei mit den Träumen von der Heimat! In der zweiten Nacht, die ich in diesem Zug verbrachte, weckte man mich. Ein Arzt verlangte unsere Krankenpapiere und hieß uns Gelbsüchtige aussteigen. Omnibusse brachten uns durch eine mecklenburgisch anmutende Landschaft ins Ortslazarett Balvi an der russisch-lettischen Grenze.

Saubere Betten, ein netter Arzt und ein brüllendes Radio auf dem Flur waren die Kennzeichen der Baracke "Innere Abteilung" neben dem Hauptgebäude, einem früheren Gymnasium. Wir alle bekamen zunächst 14 Tage Bettruhe. Die ärztlichen Untersuchungen ergaben bei mir galliges Blut im Urin; überhaupt war ich der "schlimmste Fall unter den Gelben". Leberdiät und Kakao als Verpflegung genügte mir anfangs reichlich, ich hatte nur auf Kekse Appetit. Aber schließlich stellte sich doch wieder Hunger ein. Während die anderen schon offiziell aufstehen durften, schlich ich mich öfter heimlich in den Park, weil ich nicht mehr liegen mochte.

Endlich durfte auch ich das Bett verlassen und bekam ausgiebigere Kost. Heimliche Läufe im freien Gelände und Park und auch noch heimliches Baden in dem großen See, der an unser Grundstück grenzte, bekam mir und den anderen Kameraden ausgezeichnet. Die täglich hervorragende Verpflegung - allein vier Mal während meiner Gelbsucht bekamen wir pro Person ein drittel Hähnchen - auch oft Spiegeleier und Schokolade, gaben uns überschüssige Kräfte. In tüchtiger Toberei suchten wir den Ausgleich. Wenn auch andere Patienten meinten: "So was will krank sein!", so ließen wir Gelben uns jedoch keineswegs stören. Der Park wurde uns zur Toberei sogar bald zu klein.

Als wir schließlich zu krege wurden, gab man uns Ämter und Arbeit. So kam ich in die Küche, hatte das Essen von der Hauptküche zu holen und unter den Patienten auf unserer Station zu verteilen. Diese Aufgabe habe ich nie bereut. Meine Gewichtszunahme von 58 auf 65 kg ist ein Beweis dafür. Die lettischen Hausmädchen und Küchengehilfinnen erwiesen sich als große Schmutzfinken. Auch liebten sie Rauchen und Saufen mehr als Arbeit.

Donnerstag vor Pfingsten verließen zwei der Stubenkameraden als geheilt das Lazarett. Vorher gingen wir alle zusammen noch ins Kino und sahen den Film "Weiße Wäsche". Die Pfingsttage verlebte ich noch seelenruhig im Lazarett und leerte behaglich mit den Luftwaffeninfanteristen unsere beiden Flaschen Sekt. Am Tage darauf schlug dann auch unsere Abschiedsstunde. In der alten Stellung, von der aus ich meine Einheit an meinem Geburtstag verlassen hatte, lagen jetzt Esten. Ich musste noch weiter zum Brückenkopf wandern, wo ich mich endlich bei meiner alten Staffel nach einem Monat und fünf Tagen Abwesenheit wieder melden konnte.

lo