> Karl Deubel: Kämpfe mit Vlasov Truppen im Mai 1945

Karl Deubel: Kämpfe mit Vlasov Truppen im Mai 1945

Dieser Eintrag von Karl Deubel (karldeubel@t-online.de, *1923) aus Niederheimbach, März 2011:

/lemo/bestand/objekt/deubel_01 Als im November 1944 General Andrej Vlasov auf der Prager Burg vom deutschen Staatsminister im Protektorat Böhmen und Mähren, Karl Herrmann Frank, eingeladen war, stand ich in der Ehrenkompanie. Zu diesem Zeitpunkt war Vlasov noch hitlertreu. Die Gesamtstärke seiner von ihm gegründeten und befehligten Russischen Befreiungsarmee betrug Anfang 1945 rund 900.000 Mann. Ihre Uniform war feldgrau wie die der deutschen Soldaten.

Anfang Mai 1945 wechselte Vlasov die Seite und ging zu den Tschechen, weil er wohl glaubte, er könne so seinem Schicksal entrinnen. In diesem Durcheinander im mai 1945 gab es in der Tschechoslowakei viel Bewegung. Deutsche Soldaten aller Waffengattungen, Flüchtlinge, Nachrichtenhelferinnen und Vlasov-Truppen drängten nach Westen und wollten zu den Amerikanern in Gefangenschaft gehen. Es waren chaotische Verhältnisse.

Als ich von meinem Eid entbunden war und sich die regulären Wehrmachtseinheiten auflösten, trat ich mit 22 entschlossenen Männern den Weg nach Westen an. Wir waren ausgerüstet mit Handfeuerwaffen und ein paar Handgranaten und hatten uns vorgenommen, lieber in amerikanische statt sowjetischer Gefangenschaft zu gehen. Auf unserem Weg dorthin halfen wir den Menschen, die Hilfe brauchten. Dies waren Flüchtlinge und Verwundete, die schutzlos diesen Verhältnissen ausgeliefert waren. Wir behielten einigermaßen die Übersicht in diesem kopflosen Durcheinander.

Als wir uns einer Ortschaft näherten, vernahmen wir Gewehr- und Maschinengewehrfeuer. Einige Landser, die uns kurze Zeit vorher mit ihren Fahrräder überholt hatten, kehrten zurück und berichteten uns, dass in der Ortschaft geschossen wird. Sie wollten sich unserer Einheit anschließen. Vom Kirchturm aus wurde mit Maschinengewehren (MG 42) auf uns geschossen. Auch von Häusern entlang eines Bahndammes fielen Schüsse, es entwickelte sich ein Häuserkampf. In einem Vorgarten stand mir plötzlich ein Tscheche gegenüber, die Taschen vollgefüllt mit deutschen Sturmgewehrmagazinen. Ich machte ihm die Lage klar und ließ ihn laufen.

Nach kurzer Zeit wurde mittels Lautsprecher im Ort durchgesagt, dass sich sämtliche tschechische Ordnungstruppen auf ihre Stützpunkte zurückziehen - eine vernünftige Entscheidung. Das MG 42 im Kirchturm wurde durch ein leichtes Flakgeschütz auf SfL ausgeschaltet. Dieses "Privatfahrzeug" gehörte drei Männern, die auch unbedingt zu den Amerikanern wollten.

In erster Linie hatten wir es mit tschechischen Ordnungstruppen zu tun. Bei weiterem Vordringen in den Ortskern kamen wir an eine große Mühle. Auf der Straße davor stand ein Pakgeschütz, das den Vlasov-Truppen gehörte. Augenzeugen berichteten uns von sechs deutschen Soldaten, die zu dem Pakgeschütz gegangen waren, um sich verbinden zu lassen. Sie waren angeschossen worden und glaubten, auf Verbündete zu treffen. Statt Hilfe zu leisten, wurden sie von den Vlasov-Truppen erschossen und unter die Rampe der Mühle geworfen.

Aufgeregt kam eine Tschechin zu mir und machte mir klar, dass in unmittelbarer Nähe etwas Schlimmes passiert sei. Ich ging mit dem Obergefreiten, der wie eine Klette an mir hing, den ich vorher noch nie gesehen hatte, in einen Hohlweg. Dort stand ein Pkw und in unmittelbarer Nähe lag eine junge Frau mit ihrem Kind, bestialisch zugerichtet. Als wir näher kamen, stiegen zwei Vlasov-Soldaten aus dem Auto, schnappten ihre Gewehre und wollten schießen. Unsere Warnschüsse waren schneller und so machten sie sich aus dem Staub.

Diese entsetzlichen Bilder mag die Amerikaner dazu bewogen haben, dass wir unsere Waffen behalten durften, um uns selbst zu verteidigen. Wie sich später herausstellte, hatten wir bereits ein Jahr vorher gegen diese US-Einheit in der Normandie gekämpft. Mit Respekt sind wir uns begegnet. Wir saßen bis spät in die Nacht hinein bei den Amerikanern an den Panzern. Ihre Geschützrohre waren gen Osten gerichtet. Sie haben immer dafür gesorgt, dass wir auf der amerikanischen Seite blieben, auch wenn die Russen bereits da waren. So ging das vier Tage lang, bis wir in einen anderen Divisionsbereich kamen. Eine unglaubliche Geschichte.

In dieser Zeit brachte eine Tschechin eine deutsche Nachrichtenhelferinnen zu uns. Diese berichtete, dass sie von den Vlasov-Soldaten in einem Waldstück gefangengehalten worden war. Als der Captain hiervon Kenntnis bekam, machte er seinen Jeep mit all seinen Flaggen und Fähnchen startklar. Mein Kamerad sicherte mit einer Maschinenpistole nach vorne ab, ich sicherte mit einem Schnellfeuergewehr nach hinten ab. So kurvten wir zwischen Kriegern herum, die nichts mehr zu verlieren hatten. Wir erreichten einen der neun Generäle der Vlasov-Truppen. Dieser war mit seinen Offizieren in einem Bauernhof untergebracht. Er berichtete, dass er nicht eingreifen könne, da die Soldaten auf eigene Faust handelten. Trotzdem gelang es uns, den Lastwagen mit den Nachrichtenhelferinnen frei zu bekommen.

Unsere bisherigen guten Erfahrungen mit den Amerikanern wurden durch die Überstellung in einen anderen amerikanischen Divisionsbereich jäh beendet. Ein neues Kapitel voller Leid und Enttäuschung wurde aufgeschlagen. Am nächsten Tag lieferten uns die Amerikaner den Russen aus. Dies war wohl in Jalta so beschlossen worden.

lo