> Kriegserinnerungen des Matrosen Helmut Heidbrink (3): "Aber der Krieg! Welch Unheil liegt in diesem Wort."

Kriegserinnerungen des Matrosen Helmut Heidbrink (3): "Aber der Krieg! Welch Unheil liegt in diesem Wort."

Dieser Eintrag stammt von Renate Nicklisch aus Hamburg, 2015

 

Einführung zu den Kriegserinnerungen des Matrosen Helmut Heidbrink (1923-1944)
      
Ich bin Jahrgang 1944 und die Nichte des Verfassers. Den Krieg kenne ich, wie viele meines Jahrgangs somit nur aus Erzählungen der Eltern (wenn sie denn darüber gesprochen haben) und später aus Filmen und Dokumentationen. In der Schule sind wir im Geschichtsunterricht bis zum 2. Weltkrieg nicht vorgedrungen und so kam das Interesse bei mir erst sehr viel später auf.
Durch meine Mutter, die nun mit ihren 90 Jahren anfängt in ihren Schubladen aufzuräumen, kam ich in den Besitz der Tagebücher meines Onkels. Beim Durchlesen festigte sich in  mir der Gedanke, dass man solche Aufzeichnungen nicht einfach in der Versenkung verschwinden lassen sollte. Auch für unsere Kinder und Enkelkinder müssen wir die Erinnerung an die deutsche Geschichte bewahren.
Ich weiß, es gibt schon sehr viele geschriebene und veröffentliche Tagebücher. Jedes für sich ist ein privates Zeitzeugnis. Das ist gelebte Geschichte, die nach dem Lesen mit Sicherheit im Gedächtnis bleibt.
Auch haben mich diese Aufzeichnungen selbst dazu gebracht, in der Zentralbibliothek und im Internet zu recherchieren, inwieweit sie mit dem Geschriebenen identisch sind.
Für mich war es eine spannende Sache, in die Vergangenheit einzutauchen.
In dem Werk VERDAMMTE SEE (Ein Kriegstagebuch der deutschen Marine) von
Cajus Bekker fand ich viele Ausführungen bestätigt.
Wichtig war mir auch aufzuzeigen, wie euphorisch die jungen Männer in die Ausbildung zum Soldat der deutschen Wehrmacht gegangen sind und an den Sieg geglaubt haben. Vielleicht haben sie auch letztendlich geahnt, dass sie den Frieden nicht mehr miterleben werden.
Die Tagebücher sind bis auf wenige Ausnahmen wortgetreu und nur durch wenige Änderungen in der Rechtschreibung übernommen worden.
 

Kriegserinnerungen des Matrosen Helmut Heidbrink
Begonnen mit dem Eintritt in die deutsche Wehrmacht am 30. November 1941

1. August 1942

Morgen werde ich 19 Jahre.
Nehme dies zum Anlaß einiger Zeilen.
Was liegt in diesen vergangenen langen u. doch so kurzen Jahren.
Eine sorglose Kindheit u. eine ebensolche Jugend. Und wäre der Krieg nicht gekommen, vielleicht wäre diese Jugend auch sorglos und schön zu Ende gegangen. Aber der Krieg!
Welch Unheil liegt in diesem Wort. Ich will nun nicht sagen, dass ich etwa Angst vor diesem Unheil habe. Als Soldat schon ist daran nicht zu denken. Aber für alle wäre es besser, der Krieg wäre aus oder gar nicht gekommen. Jedenfalls, die augenblickliche Zeit lastet auf mir wie ein Albdruck. Um ein Wort der Soldatensprache zu gebrauchen, bin ich diese „Gammelei“ satt. Entweder wünschte ich mir ein richtiges Frontkommando oder der Krieg wäre aus. Inzwischen ist es nun schon der 9. August.
Immer wieder wollte ich schreiben, aber immer keine Zeit oder Lust dazu. Es ist alles noch wie es war. Wir arbeiten jetzt meist für die 7. Schul-Flottille, welche demnächst wieder zum Übungsschießen herausfährt. Brennstoff, Öl, Proviant usw. verladen.
Das ist aber auch die einzige Arbeit, die man als kriegswichtig bezeichnen könnte. Außer dem etwas eingeschränkten Essen, Fliegeralarm u. den täglich hochgehenden Sperrballonen erinnert man sich kaum des Krieges. Und das als Soldat, während in Rußland ja wieder der Vormarsch rollt. Man erwartet noch dieses Jahr Rußlands völligen Zusammenbruch. Hoffentlich. Es wäre zu wünschen. Denn dann wäre sozusagen der Krieg auch aus.

England würde gegen Rußland ein Kinderspiel werden. Amerika wird dann wahrscheinlich von selbst aufhören. Denn wirtschaftlich halten wir es länger aus als Amerika. Das dürfte wohl jedem klar sein. Na, ich werde ja noch sehen, wie es weiterläuft.
Wenn ich auch manchmal denke, warum ich in dieser schweren Zeit lebe, so bin ich doch stolz u. froh, diese große und glorreichste Zeit Deutschlands mitzuerleben.


28. Sept. 1942

Da ich wieder mal Wache habe, komme ich dazu, ein paar Zeilen zu notieren. Bin noch immer hier. Versehe jetzt eine Dienststelle. Habe die Wäsche u. Handwerkersachen der 2. Komp. unter mir. Das haut hin. Allerdings nur morgens. Nachmittags ist jetzt wieder Militärdienst.
Die Unteroffiziere, die wir jetzt haben, sind schlechte Vorgesetzte. Sie ziehen den Gegensatz zwischen Vorgesetzte u. Mannschaften zu kraß. Jede Kleinigkeit melden sie höheren Stellen. Damit ziehen sie selbstverständlich den Haß der Mannschaften auf sich. Gott sei Dank sind das nur Ausnahmen. Wir hoffen, dass diese „Schussels“ uns bald wieder verlassen u. wir anständige Kameraden-Vorgesetzte kommen. –

Mein Vetter, Erwin R., welcher, als ich in Urlaub war, noch zu Hause war, ist auch eingezogen worden. Der Zufall wollte es, dass wir uns hier wieder trafen. Er macht auch einen T.W.L.-Lehrgang. Wir haben schöne Stunden verlebt. Allerdings kommt er nächste Woche wieder fort.
Folgende Zeilen vertraue ich nur diesem Buch an. Er hatte vor einigen Tagen Wache u. war daselbst eingeschlafen. Er erhielt hier für 3 Tage gelinden Arrest. Und gerade über heute, da meine Wachobliegenheit auch die Arrestanten zu versorgen u. zu überwachen ist, konnte ich ihm auch heute Gesellschaft leisten. – Ja, so schnell kann’s einem passieren.
Sonst ist noch alles klar, außer dass öfter wieder Fliegeralarm ist. Vorige Woche versuchten die Flieger nachts hier anzugreifen. Durch die dicken Bunkerwände konnten wir das donnernde Abwehrfeuer vernehmen. Allerdings konnten einige Brände durch abgeworfene Brandbomben nicht verhindert werden. Als wir nach der Entwarnung den Bunker verließen, lag die uns gegenüberliegende Seite in hellem Feuerschein. Wie wir später erfuhren, war es halb so schlimm. Bei Nacht sieht so etwas ja immer gefährlicher aus.

Der Feind musste dieses Unternehmen teuer bezahlen. 2 große Bomber wurden allein hier abgeschossen. Dieser Gegensatz zu den angerichteten Schäden ist also sehr hoch. So wie hier wird es wohl überall sein an den Fronten, in Rußland, am Kanal, in Afrika, im Ozean u. überall, wo Deutschlands Truppen stehen. –


17.10.42

Wieder Läufer. Zum ersten Mal als Gefreiter. Bin am 14. d. M. mit noch einigen Kameraden rückwirkend vom 1.10. befördert worden. Man fühlt sich! Der Winkel auf dem Ärmel macht’s.  2,- RM Wehrsold mehr gibt’s auch.

Fahre morgen wieder auf Urlaub. Ich hatte vor, erst zu Weihnachten zu fahren, aber – wer weiß, was in der Zeit alles kommen kann. Was man hat, hat man. Das kann einem niemand mehr nehmen. Vielleicht klappt es zu Weihnachten doch noch mal mit Festtagsurlaub. Na ja, das hat noch Zeit. Jedenfalls ist meine Freude riesengroß, die Heimat wiederzusehen.
Hier ist sonst noch alles im Lot. Fliegeralarm ist auch noch ab u. zu. Am 1. W. war wüst was los. Von 12 tief fliegenden 4-motorigen Bombern wurden innerhalb von 40 Minuten in der Nacht 8 Stück abgeschossen. Das war eine Sache!
Ein Inferno an Getöse der Flak. –
Muß nun aufhören, denn gerade kommt „Luftgefahr“ durch. Übrigens das zweite Mal heute Nacht. Bin mal gespannt, was es gibt.
Es war nichts, nicht einmal Alarm. Bin gespannt, wie es zu Hause wird.


1. 11. 42

Zum letzten Mal in Flensburg.
Ich war in Urlaub bis zum 29.10. Wurde zurückgerufen. Es geht an Bord zum hohen Norden - an den Feind. Es ist so weit. –
Der Urlaub war sehr schön. Habe ihn mit Emil Rose, einem weitläufigen Verwandten, verlebt. Er ist Obergefreiter u. weilte auch in Urlaub. Bei einer Einladung lernte ich die Anfangsbegriffe des Tanzens kennen. Hätte nie geglaubt, dass Tanzen so schön ist. Die Mädels waren in Ordnung. –
Bis zum 3. habe ich noch Zeit, dann geht’s los. Meine Erinnerungen werden jetzt wohl tatsächlich zu Krieg-Erinnerungen.

An Bord, den 15. 11.42

 

Nun bin ich da, wo ein deutscher Soldat im Kriege hingehört. Ich werde als Deutscher meine Pflicht erfüllen. Das Gesetz verbietet mir jedoch jede weiteren Aufzeichnungen.

 

Pillau, den 2. 4. 43

Beginne nun meine Aufzeichnungen wieder, da ich glaube, dieses jetzt wieder zu können. Bin hier jetzt in Pillau, wieder im Durchgang.
Wie ist es dazu gekommen? Eigentlich müsste ich noch an der Front sein. Aber das Schicksal hat es nicht gewollt.
Was ist in dieser Zeit vom 19.10.42, wo ich damals in den Urlaub fuhr, bis heute geschehen? Also, als ich den Urlaub fast beendet hatte, rief mich ein Telegramm zurück. Mir wurde dort bekannt, dass ich nach Norwegen zum Kreuzer „Admiral Hipper“
kommandiert werde. Ich freute mich im ersten Moment riesig, jedoch flaute dieses etwas ab. Warum, weiß ich bis heute nicht. Vielleicht war es das Gefühl, das wohl jeden Soldaten befällt, wenn es zum ersten Mal zur Front geht.
Nun, am 3.11.42 um 8 Uhr ging’s mit 10 weiteren Kameraden los. Von Flensburg nach Hamburg, wo wir gegen Mittag ankamen. Selbstverständlich hatten wir bis zum Abend Zeit. Noch einmal waren wir lustig u. ausgelassen. Wer wusste, was uns im Norden erwartete.
Bis Mitternacht waren wir unterwegs nach Lübeck. Eine sehr kalte Baracke war unsere Unterkunft. Im Morgengrauen marschierten wir wieder zum Bahnhof. Auf diesem Wege erkannten wir noch die Spuren jener Nacht, in der engl. Bomber diese Stadt fast zerstörten. Furchtbar muß es gewesen sein. Tausende tot u. verschüttet, 20 000 Menschen obdachlos.
Ruinen mahnen einen an. VERGELTUNG. –
Nun kommen wir gegen Mittag nach Güstrow i./Mecklenburg zur Norwegen-Transportsammelstelle. Auch hier wird die Gelegenheit der Freizeit, u. diese dauert fast 2 Tage, ausgenutzt. Wir sind mehr an Land als in der Kaserne.
Am 5. 11. geht der Transport los. Ein großer Sonderzug voll mit Soldaten aller Waffen. Es geht zurück über Lübeck, Hamburg, Flensburg, dann im Morgengrauen des 6. über die Grenze nach Dänemark.
Hier auf den Bahnhöfen das friedgewohnte Bild der Wurst-, Brötchen-, Süßwaren- und Zeitungsverkäufer.
Leider haben wir kein dänisches Geld.
Die Verpflegung im Zug ist gut. Ein extra Küchenwagen sorgt dafür.
Um die Mittagszeit kommen wir über die riesige Brücke, welche über den Kleinen Belt führt. Nun über Fünen, über den Gr. Belt; mit der Fähre zur Insel Seeland.
Abends sind wir in Kopenhagen. Es geht dann wieder mit der Fähre nach Schweden. Noch auf dem Wasser erkennen wir das ungewohnte Bild einer unverdunkelten Stadt. Wir kommen an Land. Was ist das? Spanische Reiter u. Drahtverhau sperren die Straßen, dahinter schwedisches Militär mit aufgepflanztem Seitengewehr.
Ebensolche Posten rasen am Transportzug auf u. ab. Alle Deutschen müssen ihre Handwaffen ablegen u. im Gepäck verstauen. Man kommt sich als Gefangener vor.
Na ja, zur Wahrung ihrer Neutralität müssen die Schweden es ja machen. Aber übertrieben ist es trotzdem.

Als alle im Zuge verstaut sind, geht’s los. Ich finde einen guten Platz in einem D-Zug-Wagen. Flieger, Marine u. Heer – alles durcheinander. Da es Abend ist u. alle sehr müde sind, macht man es sich bequem im Gepäcknetz usw. u. schläft ein. Gegen morgen werde ich wach und gehe auf den Gang hinaus. Draußen ist hier schon Schnee. Immer weiter rast die elektr. Bahn nach Norden. Immer vereinzelter werden die Ansiedlungen. Zuletzt nur noch riesige Wälder. Nordisches Wild huscht ab u. zu vorbei.
Essen u. Tabakwaren gibt es genug. Nach ein paar Stunden hält der Zug. Wir können aussteigen u. uns auslaufen. Dann geht’s weiter.

Es wird wieder Nacht u. wieder Tag. Es ist der 8. November. Mittags um 12 passieren wir den Polarkreis. Haben damit die nördl. kalte Zone der Erde erreicht. Und das merkt man gleich. Sehr viel Schnee u. eine eisige Kälte. Immer noch geht’s weiter nördlich. Auf einem riesigen See, welcher zugefroren ist, laufen Kinder Schlittschuhe. Ab u. zu taucht aus den Wäldern ein vereinzelter Schierläufer auf. Vielleicht ein Jäger oder so etwas.
Es wird Abend, Narvik entgegen.

Die Grenze ist passiert. Ich schaue zum Fenster hinaus. Steil ragen die Felsen der Fjorde auf. Auf einem dieser Fjorde rast der Zug entlang. Unter uns geht’s steil in die Tiefe. Es ist der Fjord, in dem deutsche Zerstörer nach heldenhaftem Kampf im April 1940 untergingen. Die Wracks sind noch zu erkennen.
Nun sind wir in Narvik, steigen aus. Die Bahnfahrt ist zu Ende. Wir betreten die „heilige Erde“, auf der die Helden von Narvik gekämpft u. geblutet haben.
Wir müssen erst zur Unterkunft, um weitere Befehle zu erhalten. Wir gehen eine lange Straße, über die Erzbahn, an den zerschossenen Häusern, welche noch nicht oder nur teilweise wieder hergestellt sind, vorbei. Wir kommen in ein Barackenlager. Hier erfahren wir, dass es noch höher hinauf geht. Wir müssen bis zum Morgen warten. Wir sitzen herum u. schlafen an den Tischen ein. Schlafgelegenheit ist keine vorhanden. Draußen ist hier Tauwetter. Das liegt wohl hier an dem Golfstrom.

In der Frühe marschieren wir zum Hafen. Ein Transporter wartet auf uns. Es muß ein ehemaliger norw. Frachtdampfer sein. Die Lagerräume sind zur Unterkunft hergerichtet. Es geht ziemlich abenteuerlich zu. Essen gibt es wieder reichlich. Nun gleitet der Dampfer aus dem Hafen. Ich stehe an Oberdeck.
Mastspitzen versenkter Schiffe  ragen wie Grabkreuze aus dem Wasser. Es geht zwischen Schären u. Fjorde hindurch. Ein fantastischer Anblick, die klarblaue Flut, die von Schnee u. Eis bedeckten Felsen, daran, wie angeklebt, Fischerhütten. Man wundert sich, wovon diese Menschen leben.
So geht es den ganzen Tag. Abends liegen wir vor Tromsö vor Anker bis zum Morgen, da nachts ein sehr schlechtes Fahren in den Schären ist. Mit Hellwerden fahren wir weiter. Durch das Radio hören wir von den Neuigkeiten aus Frankreich u. Nordafrika. Ganz Frankreich ist besetzt. Die französische Flotte hat sich selbst versenkt usw.
Die Fahrt geht wieder bis zum Abend. Immer das gleiche Bild. Zwischendurch kommen wir einmal ins offene Meer. Hier müssen wir Schwimmwesten antun, da U-Boot-Gefahr herrscht. Aber es geht alles glatt.

Nun sind wir in Alteidet. Wir bleiben bis zum nächsten Morgen auf dem Schiff. Dann werden wir ausgeschifft. Es geht bei schneidender Kälte im offenen LKW über eine Gebirgsstraße zu einem anderen kleinen Hafen. Am Nachmittag werden wir von einem Schlepper abgeholt. Dieser ist übervoll mit Soldaten. Wir sitzen unter Deck ganz eng. Es herrscht eine drückende Hitze. Bei Bukta* legen wir an u. steigen aus. Wir erkundigen uns nun, wie es weitergeht. Der Kreuzer liegt noch etwa 3 Std. Bootsfahrt weiter.
Also wollen wir bis zum nächsten Tag warten, wenn es hell ist. Dieses ist aber nur am Tage noch 4 – 6 Std. der Fall.
Wir wandern mit unserem Gepäck eine lange Straße entlang zum Soldatenheim. Hier werden wir gewahr, dass doch noch ein Boot von „Hipper“ kommt. Also wieder zurück zum Hafen. Hier warten wir nun ½ Std. Es wird kälter, uns friert. Dann setzt Schneefall ein. Er steigert sich zum Sturm. Polarschneesturm. 3 Std. stehen wir ungeschützt dazwischen. Endlich kommt das Boot. Wir müssen über einen Zerstörer klettern, um einsteigen zu können. Wir fahren los. Die Matrosen im Boot tragen Bärte. Unterwegs legen wir an mehreren Schiffen an, z.B. Kreuzer „ Köln“, aber ich bin durch die Kälte so apathisch geworden, dass mich das alles nicht mehr interessiert.
Endlich nach 3 Std. erreichen wir den schweren Kreuzer „Hipper“.
Es schneit noch immer. Wir gehen das Fallreep hoch und sind nun an Oberdeck. Wir staunen. So groß und modern hatten wir es uns nicht vorgestellt.
Es ist 1 Uhr nachts am 13.11.42. Unser Ziel ist erreicht, die weiteste Fahrt, die ich bisher gemacht habe, ist beendet. –

Wir werden die erste Nacht in einem Gefechtsstand unter Panzerdeck notdürftig untergebracht. Hierbei fällt uns die Enge eines Schiffes auf. Am nächsten Tag melden wir uns an. Man ist erstaunt und findet keine Erklärung, warum so viele Leute der Torpedowaffe zukommen sollen. Es ist alles voll mit alten erfahrenen Leuten, zum größten Teil seit der Indienststellung. Es muß eine Fehlkommandierung sein. Man telegrafiert an die Station. Aber es stimmt. Die „Alten“ sollen runter zur Uffz.-Schule usw. Also bleiben wir da. Ich bin bei denen, die gleich zur Torpedowaffe kommen. Einige kommen zur Flak, andere zu den Gefechtsposten. Die ersten Wochen ist es mir sehr schwer gefallen, mich an das Bordleben zu gewöhnen. Sei es die Enge der Niedergänge,
die Hängematten, der Dienst oder auch die ganze Umgebung. Wir liegen im Kaafjord.

Eins habe ich noch vergessen! Das NORDLICHT.
Ich habe es hunderte Male bewundern können. Ich kann mir vorstellen, dass die Naturvölker des Nordens diese Erscheinung für Götterwerk hielten.
Ich kann das ganze mit den Worten des Dichters Ben van Eysselsteijn (1898-1973) in seinem fabelhaften Buch „Die kleine Margot u. die Seefrau“ schildern:
                  „Die Nacht währt schon Monde. Schwerfällig läuft der große Bär
                   in seiner ewigen Tretmühle über den fernen Polarstern.
                   Die Gipfel der Eisberge glitzern u. zittern silberweiß,
                   als seien die Gestirne herabgestürzt u. als schwebten
                   sie noch auf dem endlosen Eise fort.
                   Aus der unergründlichen Nacht steigen Lichtstreifen herauf,
                   sie erstrahlen in grün u. rot, ein Wehen entfaltet sie,
                   als ließen unsichtbare Hände einen feurigen Vorhang
                   auseinander gleiten, um die fernsten Gestirne zu offenbaren.“                 
  
Die Bekleidung ist ebenfalls sehr gut, dicke Pelze usw.
Auch die Vorgesetzten sind in Ordnung. Man steht ja an der Front. Alle sind Kameraden. Jeder weiß das. Es kann ja mal sein, dass man plötzlich die Hilfe eines Kameraden braucht.
Einmal ist die Bereitschaft da. Klar zum Auslaufen. Ein Geleitzug ist gemeldet.
Wir müssen angezogen schlafen. Aber es wird nichts. Draußen soll der Sturm zu stark sein. Das alltägliche Leben nimmt seinen Fortgang.
Einen Kumpel aus Hagen habe ich auch getroffen. Ich kenne ihn aus dem Zivilleben von Ansehen. Überhaupt sind 80% der Besatzung Westfalen.

Alles Menschen, die wissen worauf es ankommt. Eines Abends haben wir Divisionsfest. Es ist schön. Die lustigsten Kameraden machen ihre Witze u. wir vergessen für kurze Zeit den Krieg. Dann erzählen wir Grusel- u. Märchengeschichten. Seemannsgarn wird gesponnen. Fabelhaft!

Wieder ist Weihnachten. Heiliger Abend. Ich habe Wache. Stehe an Land im Schnee. Das Nordlicht strahlt schöner denn je. Ich komme ins Deck zurück. Die Weihnachtsfeier hat begonnen. Der Lichterbaum, eine norwegische Föhre, erstrahlt. Die schönen Leckerbissen werden in Empfang genommen. Einen Brief erhalte ich auch von zuhause. Die erste Post! Die schönste Gabe.

Der Kommandant spricht durch die Rundfunkanlage. Ein fabelhafter Kerl, dieser Kapt.z.S. Hartmann. Wieder kommen die Gedanken an den Frieden. Wie im vorigen Jahr denke ich: wann?
Es gibt wohl kein Ende mehr.
Rußland ist zu groß. Der Winter kommt zu schnell.  Nur nicht den Glauben verlieren.
Wir werden siegen.
Am 1. Feiertag haben wir wachfrei. Die alkoholischen Getränke können nun ihren Weg gehen. Man kann es nicht beschreiben, so etwas. Es geht toll zu. Warum auch nicht. Einmal alles vergessen! Sich der größten Freude und Ausgelassenheit hingeben. Man versteht es.
Wochenlang nun schon kein vernünftiges Tageslicht sehen. Nur elektrisches, künstlich erzeugtes Licht. Es ist manchmal deprimierend.
Nun sind auch diese Tage vorbei. Die nächste Woche wird nicht viel getan. Dann ist Silvester u. Neujahr. Ein Jahr wird zu Ende gehen, ein neues anfangen. Wie immer.
Die letzten Tage des Jahres 1942 gehen zu Ende. Es ist der 30.12.
Was ist das? Einer flüstert etwas, wie ein Lauffeuer geht’s durch das Schiff: um 17 Uhr ist Seeklar. Ich glaube es nicht. Es ist schon zuviel geredet worden.
Ich glaube es erst, wenn wir fahren. Um 14 Uhr ziehe ich als Posten an Land auf. Ich beobachte  den Fjord. Boote kreuzen hin u. her. Die meisten legen bei „Hipper“ an.
Es sind die Kommandanten der Einheiten, die in der Nähe liegen. Unser Kreuzer ist ja
Flaggschiff. Der B.d.K. ist an Bord. Man wird wichtige Dinge besprechen.
Nun glaube ich daran. Sollte es etwa die bevorstehende, schon lange geplante Heimreise sein? Ich weiß es nicht.  Nun kommt ein Boot an Land. Das Leinenkommando. Die Leinen werden losgeschmissen. Nur an jedem Poller bleibt eine bis zum Auslaufen. Es ist selbstverständlich um diese Zeit Nacht. Nun leuchten die Topplichter am Mast auf.
Seeklar. Ein Leutnant kommt von der Straße her auf mich zu. Er will an Bord. Ich sage ihm, dass es nicht mehr geht. Ein Boot wird kommen. Die restlichen Leinen werden losgeworfen. Alle fahren zurück an Bord. Das Boot wird eingesetzt. Er ist erstaunt.

Dann vertraut er mir einen Brief mit geheimen Befehlen an, merkt sich meinen Namen und verschwindet. Das Boot kommt. Alle freuen sich, dass es losgeht; keiner weiß wohin.
Die Leinen fallen. Grell leuchten die Scheinwerfer den Fjord an. Schlepper umziehen den Kreuzer. Die Netzsperre ist aufgezogen. Es ist kurz vor 17 Uhr. Nun fahren wir hinüber. Das Fallreep ist eingezogen. Eine Jakobsleiter bringt die Matrosen an Bord.
Die Bootsbesatzung und ich bleiben im Boot. Wir werden samt Boot mit dem Kran hochgezogen. Das Boot wird fest eingesetzt. Wir steigen an Oberdeck aus. Als Letzter betrete ich das Schiff. Ich gebe meine Befehle ab, komme ins Deck. Alle sitzen herum.
Wir wissen nicht, was wir anfangen sollen. Es wird noch mal richtig gegessen.
Es gibt eine gute Suppe. Ich esse mich satt. Der Weihnachtsbaum ist verschwunden. Ebenso alles sonst lose herumliegende Gut. In einigen Decks sind Leinen aufgeschossen.
Dann kommt ein Pfiff: „ Kriegsmarschverschlußzustand“. Jeder rast auf seine Station.
Bulleyes, Schotten, Luken u. Lüfter werden geschlossen. Wir treten auf der Schanz an.
Die Artillerie, Flak u. Torpedowaffe. Der I. AO spricht: „Es ist mal wieder soweit“, beginnt er und eröffnet uns das Geheimnis.
Ein Geleitzug auf dem Wege nach Rußland soll angegriffen u. vernichtet werden. Nun ist es da. Jetzt kannst du zeigen, was du gelernt hast. Mit solchen Gedanken fahren wir in die Nacht hinaus. Wir sind auf hoher See. Der I. AO mahnt nochmals jeden an, seine Pflicht zu tun. Es ist nicht bestimmt, wie der Kampf verlaufen wird. Mit dem Ruf:
„Und damit Gott befohlen!“ schließt er seine Rede. Danach eine kurze Übung, damit ja alles klappt.
Dann empfangen wir zusätzlich Pelzwerk, Stiefel u. Gefechtsanzüge.
Nun wird auf Kriegsfrei-Wach-Schlafplatz umgezogen, damit im Alarmfall alle schnell auf Station sind. Wir ziehen mit unseren Hängematten ziemlich mittschiffs. Die Hängematten bleiben gezurrt liegen. Auf diesen wird angezogen geschlafen.
Um 20 Uhr zieht die Backbordwache auf, zu der ich auch gehöre. Ich stelle an den Gestirnen fest, dass wir genau nördlich fahren.
Wir wechseln uns ab. Einmal Ausguckposten, einmal Befehlsübermittler u. so fort bis null Uhr, dann zieht die Steuerbordwache auf.
Gegen 23 Uhr fängt der Kasten an zu schaukeln. Die ersten werden seekrank. Ich merke noch nichts. Ich stehe an Oberdeck als Ausguck. Es ist ein gespenstischer Anblick. Dieses aufgewühlte Meer. Der Wind pfeift ohrenbetäubend. Brecher spülen über Deck. Ich hänge an den Spanten um nicht mitgerissen zu werden. Dann wird es etwas ruhiger, dann geht’s wieder los. Ein beklemmendes Gefühl sitzt mir plötzlich in der Kehle. Die Seekrankheit fällt mich an. Noch ein paar Mal schwankt das Schiff u. mein gutes Essen vom Nachmittag ist draußen. Das erste Opfer für Neptun ist gebracht.

Ich sehe Schatten am Horizont. Sollte das etwa schon der Feind sein? Nein!
Es sieht aus wie eine Barke. Unwillkürlich denke ich an den „Fliegenden Holländer“, schaue nochmals genau hin, aber alles ist wieder verschwunden. So kann man sich täuschen. Ich übergebe mich noch einige Male bis ich nichts mehr im Magen habe.
Mensch, wenn das nun tagelang anhält, denke ich und bin geknickt. So hatte ich mir das Übelsein auf See doch nicht vorgestellt.
Endlich ist es null Uhr. Wir werden abgelöst. Im Deck kommt’s mir noch mal hoch. Aber nun lege ich mich hin. Es wird besser. Ich schlafe ein. Um 4 Uhr werden wir geweckt. Wieder müssen wir aufziehen. Die See ist nun ruhig. Gott sei Dank. Hunger habe ich keinen.
Hinter uns fahren der Kreuzer „Lützow“ u. nebenher 6 Zerstörer. Die Wache dauert bis
7 Uhr. Wir müssen nahe dem Feind sein, denn die Steuerbordwache, also Alle ziehen auf Station. Ich möchte nun doch etwas essen. Melde mich ab und gehe ins Deck. Kaum bin ich unten schrillen die Alarmglocken. Ich rase zurück durch die Decks nach oben.
Schotten auf, Schotten dicht. Es dauert etwas bis ich wieder oben bin am Rohrsatz.
Ich hocke mich in die Schutzhaube, nehme das Telefon um. Der Geleitzug ist in Sicht.
Rauchfahnen stehen am Horizont. Noch ist es zu dunkel und man will bis zur Dämmerung warten. Ganz hell wird es so wie so nicht.
   
Wir drehen ab. Durch dieses Manöver kommen wir und noch ein Zerstörer vom Hauptverband ab. Gegen 9 Uhr wird es heller. Die See ist etwas bewegt. Wir kommen dem Geleitzug wieder in Sicht. „Wir greifen an – Hipper allen voran!“ schallt der Ruf.
Wie stark ist der Feind? Vorerst sind es 8 englische Zerstörer, die den Geleitzug sichern. Wie stark dieser ist, ist nicht genau auszumachen.
Ich sehe nichts, denn an Steuerbordseite geht’s los. Ich sitze Backbord achtern.
Nun donnern unsere ersten Salven der Türme hinüber zum Feind.
Befehle, Richtzahlen, Entfernungen usw. gehen durch das Telefon, welches ich ständig umhabe. Salve auf Salve jagt heraus. Einige Dampfer sollen schon brennen. Verflucht, dass man nichts sieht. Plötzlich heißt es: „Torpedolaufbahn aus Richtung 20 Grad“.
Wir weichen aus. Unser Glück! 20 m achteraus schnurrt der feindliche Aal vorbei.
Dadurch kommt das Gefecht an Backbordseite. Endlich!  Rumms, donnern die Türme.
Durch den Luftdruck fällt die Scheibe unserer Schutzhaube raus. Beißender Pulverdampf dringt ein.
Nun greifen die 10,5 cm Kanonen direkt vor uns in den Kampf ein.
Wassersäulen steigen dicht beim Gegner auf, welcher nur als Schatten auszumachen ist.
Jetzt blitzt drüben Mündungsfeuer auf. Die feindlichen Zerstörer beginnen endlich zu antworten.
Uiih, kremm, wumm kommen die ersten Sachen angeschwirrt, hauen kurz vor uns ins Wasser, riesige Fontänen spritzen auf. Unser Zerstörer hinter uns feuert auch aus allen Rohren. Nun soll die Torpedowaffe ran. Alles ist klar. Der nächstliegende Zerstörer soll das Opfer sein. Aber der Engländer ist diesmal flinker. Er hat schon Torpedos geschossen, wieder vorbei.
Im Verlauf des Gefechts hat der Feind allein 13 Torpedos auf uns geschossen. Keiner hat getroffen. Wir haben aber auch dementsprechend gekurvt.
Wieder kracht eine Salve. Volltreffer auf dem feindlichen Schiff. Eine hohe Flamme schlägt heraus. Stücke der Aufbauten wirbeln durch die Luft. Der deutsche Zerstörer soll es durch Torpedoschuß versenken. Der Geleitzug bleibt gestoppt liegen.
Worauf wartet er?
Mehrere Dampfer brennen. Qualm liegt am Horizont. Jetzt erscheinen plötzlich 2 Kreuzer des Feindes. Also darauf warteten sie. Durch diese Sache verlieren wir auch noch unseren Zerstörer. Tatsächlich fehlte er später auf dem Rückzug.
Er war der plötzlichen Übermacht nicht gewachsen, obwohl er sich bis zuletzt gewehrt hat. Niemand konnte helfen. Leider!
Es war der Zerstörer „Friedrich Eckholdt“.
Jetzt müssen wir den Kampf weiterführen. Auf Biegen und Brechen geht es.
1:10 sind wir an Stärke unterlegen. Aber wir feuern und auch die feindlichen Kreuzer, die inzwischen an Backbordseite gelangt sind. Jaulend fegen die Salven des Gegners heran. Man denkt tatsächlich an nichts und ist konzentriert an seinem Gerät. Alles andere ist nebensächlich.
Immer näher schlagen die Granaten ein. Splitter schwirren umher.
„Treffer in K 3 Steuerbordseite“ kommt durchs Telefon. Jetzt wird’s aber Zeit, dass unser Verband zu Hilfe kommt. Unsere Türme donnern.
Der Gegner erhält schwere Treffer. Unsere Salven liegen gut. In einer Entfernung von 8 – 10 Metern spielt sich der Kampf ab. Wieder surrt eine Salve des Gegners heran.
„Treffer in Abt. 7 Zwischendeck Backbordseite“ heißt es.
Dann, Treffer in Flugzeughalle, Halle brennt. Verflucht, jetzt wird’s gefährlich.
Alle, die nicht gerade am Kampf beteiligt sind, eilen zum Löschen.
Wir nebeln uns ein. Dichter Rauch steigt aus der Halle. Funken stieben. Aber das Feuer ist schnell gelöscht.
Immer noch jagen die Geschosse heran. Eine Granate schlägt unter unserem ausgeschwenkten Rohrsatz ins Wasser. Der Druck des Wassers reißt Flurplatten u. Grätings hoch. Sekundenlang sitzen wir im Nassen. Die Pelze sind bleischwer davon.
Wir drehen ab u. zu. Endlich taucht „Lützow“ aus dem Dunst auf. Dabei die Zerstörer.
Sie greifen in den Kampf ein. Erst jetzt stellt der Gegner sein Feuer auf uns ein. Wir feuern noch einige Salven. Dann drehen wir ab, denn die Dunkelheit ist wieder hereingebrochen. Es hat weiter keinen Zweck.
Unser Verband kämpft hinter uns noch. Aber langsam flaut alles ab.
Der Engländer hat ebenfalls abgedreht als er unsere Helfer bemerkt hat. Wahrscheinlich sind seine Verluste doch zu hoch, um noch einem nicht geschwächten Verband eines Kreuzers mit 5 Zerstörern entgegen zu wirken.
In der Dunkelheit u. im Nebel verlieren wir nun den Gegner. Der Kampf ist zu Ende. Es ist um 13 Uhr herum.
Noch bleibt alles auf Kriegswache. Man rechnet damit, dass uns russische Kräfte den Weg abschneiden könnten, aber nichts dergleichen tritt ein.
Bis 17 Uhr sitze ich noch mit meinen Kameraden, einem 7. Mech.-Maat u. einem Mech.Gast, in der Schutzhaube zusammen.
Jetzt erst überdenkt man alles genau. Aber die Zeit wird wahnsinnig lang.
Die Backbordwache tritt weg. Ich habe großen Hunger. Man merkt doch, wenn man
24 Stunden nichts gegessen hat u. dazu noch alles, was man vorher in sich hatte, ungewollt raus gegangen ist. Wir hauen uns den Bauch voll. Ich gehe ins Vorschiff.
Durch die Erschütterungen der Artillerie liegen Backen u. Banken, Utensilienkästen zertrümmert an Deck. Im Abort sind fast alle Becken kaputt.
Um 18 Uhr lösen wir die Steuerbordwache ab bis 20 Uhr. Dann geht’s umgekehrt. Einige Verwundete sitzen im Deck herum. Wir legen uns hin und sind gleich eingeschlafen. Dann weckt uns eine Stimme: „GAS!“ Wir sind zu müde, Notiz davon zu nehmen, und wir werden auch weiter nicht gestört.
Durch die Schaumlöscherei müssen sich Gase gebildet haben, aber der Herd liegt unten bei der Maschine. Es ist 24 Uhr und wir müssen noch mal aufziehen. Eintönig weckt uns der berühmte Kriegsmarschpfiff. Ach ja, nun fällt es uns ein: wieder ist ein Jahr zu Ende. Solch ein Silvester habe ich noch nicht erlebt. Es war wohl der schönste Jahreswechsel. Wir wünschen uns ein „Prost Neujahr“ u. drücken uns die Hände.
Bis um  3 Uhr geht noch unsere Wache. Dann geht die gesamte Kriegswache ein. Wir haben unseren Fjord erreicht.
Als wir am 1. Jan. früh um 7 Uhr auf der Schanz antreten, um gleich die Aufräum-
arbeiten zu beginnen, liegen wir vor Anker im Kaafjord.
Vor einigen Stunden war die Segellast noch ausgebrannt.
Das Feuer musste sich aus der Flugzeughalle ungesehen nach dort durchgeschwelt haben. Das alles gilt es nun, wieder in Ordnung zu bringen.
Vor uns auf der Schanz liegen unsere gefallenen Kameraden. Es sind fünf Mann. Darunter ein blutjunger Kadett. Die Flagge ist halbmast gesetzt. Im Ganzen hatten wir 8 Mann an Toten. Zwei waren gefallen, vier durch Gas vergiftet, einer auf unerklärliche Weise außenbords gegangen u. ertrunken und ein Schwerverwundeter erlag nach 14 Tagen seinen Verletzungen.
So habe ich meinen ersten Kampf erlebt. Es war eine kurze aber harte Feuertaufe. Über das Gefecht meldete der O.K.W.- Bericht vom 2. Januar 1943 folgendes:

Am 31. Dez. griffen deutsche Streitkräfte bei der Bäreninsel im nördl. Eismeer einen aus Kreuzern u. Zerstörern bestehenden britischen Kriegsschiffsverband an, der einen Geleitzug sicherte. In mehrstündigem Kampf beschädigten unsere Kreuzer mehrere feindl. Kreuzer u. Zerstörer sowie Handelsschiffe durch Artillerie. Die Beobachtung des Erfolges wurde durch die Wetterlage erschwert. Ein im Kampf beschädigter feindl. Zerstörer wurde durch einen deutschen Zerstörer versenkt. Ein deutsches U-Boot torpedierte 4 Dampfer des Geleites, konnte aber wegen der Kampflage den Untergang nicht mehr beobachten. Einer unserer Zerstörer ist aus dem Gefecht nicht zurückgekehrt.

Heft I. abgeschlossen am 25. 4. 1943 (1. Ostertag)

                                         Matr. Gefr. Heidbrink

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Hier enden die tagebuchähnlichen Aufzeichnungen.

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