> Rolf Arnold: Die Luftangriffe auf Hamburg 1943 überlebt

Rolf Arnold: Die Luftangriffe auf Hamburg 1943 überlebt

Dieser Eintrag stammt von Rolf Arnold (*1932 ) aus Hamburg, November 2006:

Der große Schrecken der apokalyptischen Nächte begann in der Nacht vom Samstag zum Sonntag, dem 24. zum 25. Juli 1943. Es waren Sommerferien. So befanden sich die Hamburger Schüler, die zum Schutz vor den Bombenangriffen mit ihren Schulen in die Kinderlandverschickung nach Bayern übersiedelt worden waren, zumeist bei ihren Eltern in Hamburg. Zunächst erschien alles ganz normal zu sein. Wie fast jede zweite oder dritte Nacht gab es kurz nach Mitternacht Luftalarm mit dem an- und abschwellenden Sirenenton. Im Drahtfunk, den wir dann immer gleich einschalteten, hieß es, dass starke feindliche Bomberverbände im Anflug auf Hamburg seien. Mit dem Drahtfunk war eine Verbindung über das Telefonkabelnetz zu den "Volksempfängern" eingerichtet worden, damit der Feind nicht mithören konnte, wie es bei der Ausstrahlung über den Radiosender der Fall war.

Nachts flogen die Engländer ihre Angriffe gegen die Zivilbevölkerung und tagsüber die Amerikaner gezielte Angriffe auf Rüstungsobjekte, wodurch sie höhere Verluste in Kauf nehmen mussten. In Hamburg gab es regelmäßig Alarm, weil sich die Bomberverbände in der Regel von England über die Nordsee näherten, denn dort konnten sie auf ihrem Anflug nicht von der Flak unter Beschuss genommen werden. Von dem breiten Elbmündungstrichter flogen sie dann ihre Ziele im nördlichen Teil Deutschlands an. So konnten wir kaum eine Nacht durchschlafen, ohne dass es Alarm gab und wir in den Keller mussten. Die wichtigsten Papiere und Utensilien standen immer griffbereit in einem kleinen Koffer an der Wohnungstür. Wir schliefen meist halb angezogen, damit wir möglichst schnell den Keller aufsuchen konnten. Einen großen, mehrstöckigen Betonbunker, von denen viele in Hamburg standen und heute noch stehen, gab es in unserer Nähe nicht. Der größere der beiden Flakbunker vom Heiligen-Geist-Feld war für die Aufnahme von 18.000 Menschen gedacht, hinter die meterdicken Wände flüchteten sich jedoch 50 - 60.000 Menschen.

Unser Haus besaß - wie alle Häuser in dem Block - vier Stockwerke mit jeweils 3 Wohnungen. Für die Bewohner des Hauses war im Keller notdürftig ein Schutzraum eingerichtet worden, indem man wie in einem Bergstollen die Decke durch dicke Holzbohlen abgestützt hatte. In dem relativ kleinen Raum gab es sechs Holzpritschen mit jeweils zwei Betten übereinander sowie diverse Stühle, auf denen wir meistens saßen. In dem Raum befand sich in der tragenden Mauer zum Nachbarhaus in Bauchhöhe ein kleiner, viereckiger Durchbruch zum Keller der Nachbarn, der nur leicht vermauert war, so dass er im Ernstfall aufgeschlagen und zur Flucht genutzt werden konnte.

Dieses Mal flogen die Bomber gegen die Regel von Süden an. Hamburg würde das Angriffsziel sein, das merkten wir schnell, als wir an den Treppenhausfenstern vorbei die Treppe hinunterliefen, um den Keller aufzusuchen. Die vielen Scheinwerfer zogen ihre Lichtbahnen hektisch über den Himmel, um einen Bomber in ihren Lichtkegel zu bekommen. Die Flugabwehrkanonen (Flak) schossen wie wild Sperrfeuer, ihre Radarortungsgeräte waren orientierungslos durch erstmals von den Bombern abgeworfene große Mengen von Aluminiumfolien, die in Form schmaler, länglicher Staniolstreifen durch die Luft wirbelten.

Drei ältere Männer, die einzigen Männer, die noch im Hause wohnten, weil sie wegen ihres hohen Alters nicht zur Wehrmacht eingezogen worden waren, gingen mit Stahlhelmen und Eimern mit Feuerlöschpatschen die Treppe hoch, um auf dem Dachboden eventuell ausbrechende Feuer zu löschen. In dieser Nacht mussten sie tatsächlich etwas löschen, und zwar in unserer Wohnung in der vierten und obersten Etage des Hauses. Durch das Dach und durch die Decke unserer Wohnstube war eine Stabbrandbombe eingeschlagen und hatte auf unserem stabilen, weil ausziehbaren Wohnzimmertisch einen Brand entfacht, den die Männer glücklicherweise noch löschen konnten, indem sie auch einige in Brand geratene Einrichtungsgegenstände aus dem Fenster warfen. Davon erfuhren wir, als einer der Männer ganz aufgeregt in den Keller kam, um aus dem Notfallschrank Verbandszeug zu holen. Er sagte, da draußen sei die Hölle los, es würde überall brennen.

So saßen wir alle voller Angst stumm und geduckt auf unseren Stühlen im Keller, als es plötzlich einen fürchterlichen Schlag tat, und das Haus körperlich spürbar zur Seite schwankte, wie ein Segelboot, das seitlich von einer Welle getroffen worden ist. Wir dachten alle, das Haus würde umkippen oder in sich zusammenfallen. Aber es kam zurück und fiel nicht in sich zusammen. Ich betete inbrünstig: "Lieber, lieber Gott, hilf uns, lass uns nicht sterben..." Es war kaum eine Sekunde vergangen, als es wieder einen fürchterlichen Schlag gab. Das Haus schwankte auf die andere Seite, kippte aber wieder nicht um, kam zurück in seine Normallage und fiel gegen jede Erwartung auch nicht in sich zusammen. Wir hatten alle vor Schrecken weit aufgerissene Augen und offene Münder und konnten nicht begreifen, dass wir noch lebten.

Nach dem Angriff zeigte sich, dass wir ungeheures Glück gehabt hatten. Zwei schwere Luftminen hatten unser Haus jeweils nur um wenige Meter verfehlt. Eine Luftmine war auf der Straße vor dem Haus explodiert und hatte einen gewaltigen Trichter aufgerissen, und eine zweite Luftmine hatte auch nur knapp das Haus verfehlt und war im Hof hinter dem Haus auf das Aschhaus gefallen, in dem die Asch- und Abfalleimer für mehrere Häuser des Blocks standen. Von dem Aschhaus war nichts mehr zu sehen, statt dessen befand sich dort ein tiefer, breiter Trichter. In dem Trichter auf der Straße vor dem Haus lag ein umgestürzter Kübelwagen des Luftschutzes. Ein Kübelwagen war die militärische Variante des Volkswagens, er war offen, also ohne Dach, und ist während des Krieges anstelle des Volkswagens in großer Stückzahl von Ferdinand Porsche in Wolfsburg gebaut worden. Der Fahrer, der mit abgedeckten Scheinwerfern gefahren war, die nur in einem schmalen Streifen Licht durchließen, hatte offenbar den Trichter zu spät gesehen. Er und sein Beifahrer waren tot.

Die Verdunkelung nahm im Kriege in den Städten eine große Rolle ein. Jeder musste bei Strafe durch lichtundurchlässige Rollos und andere Maßnahmen seine Fenster so abdichten, dass kein Licht nach außen drang, damit die feindlichen Bombergeschwader die Städte nicht durch das ausgestrahlte Licht erkennen konnten. Oft gingen Luftschutzwarte durch die Straßen, um die korrekte Verdunkelung zu überprüfen. Aber schon in diesem Luftangriff auf Hamburg nützte das auch nichts mehr, denn die Leitbomber warfen sogenannte Christbäume ab, die die Stadt für die Bombenabwürfe hell markierten.

Als wir nach dem gleichmäßigen Ton der Entwarnungssirenen den Keller verließen, bot sich uns am ersten Fenster des Treppenhauses, das den Blick zum Hof in Richtung Harvestehude öffnete, ein fürchterliches Bild: alles brannte, wohin wir auch sahen. Der Grindelberg brannte auf beiden Straßenseiten, die uns zugewandten Teile der Oberstraße, der Werderstraße, der Brahmsallee, der Hansastraße und der Hallerstraße, alles brannte. Es war ein geschlossenes Flammenmeer. Diese Bereiche wurden so gründlich vernichtet, dass man nach Abräumen der Trümmer in diesem Bereich die alten Straßenverläufe nicht wiederherstellte. Es wurde eine große Grünfläche angelegt, auf der dann nach dem Kriege elf Hochhäuser errichtete wurden, die durch Fußwege miteinander verbunden waren. Diese sogenannten Grindelhochhäuser waren die ersten Hochhäuser Hamburgs, sie hatten 16 Stockwerke. In einem dieser Häuser arbeitete meine Schwester Ingrid eine Zeit lang im Postscheckamt. In einem der anderen Hochhäuser wohnte sie zu der Zeit in einer kleinen Wohnung zur Miete. Kürzer konnte der Weg zum Arbeitsplatz kaum sein.

Doch zurück zur apokalyptischen Nacht des 24. zum 25. Juli 1943.

Als wir oben in unserer Wohnung ankamen und nach dem Öffnen der Wohnungstür durch die offene Küchentür sahen, die durch den Luftdruck der Sprengbombe aus den Angeln gerissen worden war, erschraken wir. Auch der gegenüberliegende Häuserblock auf der anderen Straßenseite der Schlankreye brannte lichterloh in seiner ganzen Länge, so dass wir uns sehr ängstigten, auch unser Block könnte Feuer fangen, was jedoch, Gott sei dank, verhindert wurde. Als wir in unser Wohnzimmer kamen, in das die Stabbrandbombe eingeschlagen war, erkannten wir es nicht wieder, es war unbewohnbar. Das Mobiliar und die Gardinen waren teilweise verbrannt bzw. angebrannt oder vom Löschwasser beschädigt. Durch die zerstörten Fenster und das Loch in der Decke strich der Wind. Der Explosionsdruck der Bombe hatte in der Wohnung die Fenster zerstört und alle Türen aus den Angeln gerissen.

In der ersten Nacht der vier Nächte dauernden Luftangriffe der Engländer (die Amerikaner flogen drei Tagesangriffe) waren die westlichen Stadtteile Hamburgs, nämlich Altona, Eimsbüttel, Hoheluft und der an den Grindelberg angrenzende Teil von Harvestehude weitgehend zerstört worden. Ewa 10.000 Menschen sollen in dieser ersten Angriffsnacht getötet und 155.000 obdachlos geworden sein. Dicke, schwarze Rauchwolken verdunkelten den Himmel und ließen es morgens nicht hell werden. Die Sonnenstrahlen des ansonsten wolkenlosen Sommertages konnten nicht durch die geschlossene Rauchdecke hindurchdringen. Der Tag wurde zur Nacht. Überall brannte es noch, und an vielen Stellen wurde verzweifelt nach Verschütteten gegraben. In der Hoheluftchaussee auf der linken Seite gleich hinter der Bismarckstrasse waren es vierzehn Personen, die man nur noch tot aus dem Keller bergen konnte.

Für meine Mutter stand fest, so konnte und wollte sie mit uns Kindern in der demolierten Wohnung und in der brennenden und durch Sprengbomben zerstörten Stadt nicht bleiben, zumal die Frauen im Drahtfunk aufgefordert wurden, mit ihren Kindern die Stadt zu verlassen und sich zu diesem Zweck an Sammelpunkte zu begeben. Der nächstgelegene Sammelpunkt war für uns der ZOB, der zentrale Omnibusbahnhof beim Hauptbahnhof. Meine Mutter holte Ingrids alten Kinderwagen vom Dachboden, füllte ihn mit den wichtigsten Dingen, vor allem Kleidung, und verließ mit uns am Morgen nach der Schreckensnacht das Haus. Als wir aus der unzerstörten Gustav-Falke-Straße, in der wir wohnten, in die Grindelallee einbogen, bot sich uns ein Bild totaler Zerstörung. In dieser Straße hatten Sprengbomben die Häuser auf beiden Seiten zerrissen. Wir konnten uns nur mühsam in der Mitte der Straße bewegen, denn die Bürgersteige waren durch Berge von Trümmern meterhoch verdeckt. Die Oberleitung für die Straßenbahn lag auf der Straße und die Straße war mit Trümmerstücken so übersät, dass wir den Kinderwagen mehr tragen mussten, als dass wir ihn schieben konnten.

Als wir endlich entkräftet und verrußt auf die Lombardsbrücke kamen, bot sich uns ein unauslöschlicher Eindruck. Die schweren Rauchwolken lösten sich über dem Wasser der Alster auf, und wir kamen in einen schönen, strahlenden Sonnentag. Und es war Sonntag. Vom sonnenüberfluteten Ostufer der Alster kamen uns sonntäglich fein gekleidete Sonntagsspaziergänger neugierig entgegen um zu sehen, was auf der anderen Seite der Alster passiert war. Es war eine verrückte Situation. Wir schämten uns plötzlich, weil wir so verdreckt und verrußt waren und wie Landstreicher mit den Habseligkeiten im Kinderwagen daherkamen.

Weder wir noch diese Spaziergänger konnten wissen, dass sie in der übernächsten Nacht, vom 27. auf den 28. Juli, noch Schlimmeres erleiden würden. Denn beim zweiten nächtlichen Angriff der Engländer auf die östlichen Stadtteile verbanden sich dort in den eng bebauten Arbeiterwohngebieten, insbesondere in Hamm, Hammerbrook und Rotenburgsort, die Flächenbrände zu den berüchtigten Feuerstürmen, die mit Kaminwirkung brüllend Orkanstärke übertrafen und Menschen unwiderstehlich in ihr Zentrum, in ihre Feuerschlote hineinzogen. Der Sog der Kaminwirkung war so stark, dass die Flammen wie aus Flammenwerfern waagerecht aus den Fenstern in die Straße schossen. Temperaturen von über 1000 Grad, die Glas zum Schmelzen brachten, und ein dichter Funkenregen ließen alles in Flammen aufgehen und verbrannten die Menschen, die im verflüssigten Asphalt der Straßen stecken blieben oder denen das Flammeninferno den Sauerstoffs zum Atmen genommen hatte. Selbst in den Kellern erstickten die Menschen an Sauerstoffmangel, so 370 Menschen in Barmbek im Keller des Kaufhauses Karstadt. In dieser einen Nacht des Feuersturms sollen mindestens 35.000 Menschen getötet worden sein.

Die Engländer hatten für die Entwicklung der Feuerstürme eine teuflische Strategie entwickelt. In der ersten Angriffswelle wurden extrem schwere Sprengbomben, so genannte Blockbuster, Wohnblockknacker, abgeworfen, die die Häuser aufrissen, die umliegenden Dächer abdeckten, und im weiten Umkreis die Fenster zerstörten, um den Kamineffekt zu verstärken. In der zweiten Angriffswelle setzten sie dann diese "geöffneten" Häuser mit Unmengen von Stabbrandbomben in Brand, so dass in kürzester Zeit eine gigantische Feuerwalze entstand. Die dann abgeworfenen "Phosphor-Brandbomben" ließen die Brände immer wieder auflodern, wenn sie schon gelöscht waren. Die Mischung einer speziellen Gummilegierung mit Phosphor geriet immer wieder in Brand, wenn sie mit Sauerstoff in Verbindung kam. Selbst das Wasser brannte, nämlich dann, wenn diese Phosphorkautschukmasse auf ihm schwamm. Das war eine verheerende Waffe, sie ließ sich vom Körper nicht entfernen, verätzte die Haut und fing immer wieder an zu brennen. Wenn ihre Dämpfe eingeatmet wurden, zerstörten sie die Lunge.

Ein Klassenkamerad aus dem KLV-Lager, der während des Angriffs in Hamm wohnte, hat sich mit seiner Mutter nur durch einen Sprung von einer Brücke in ein Fleet retten können. Dort über dem Wasser war noch Sauerstoff zum Atmen und Schutz davor, von der Gewalt des Feuersturmes in den Kamin eines Feuerschlotes gerissen zu werden. Wir haben diesen Jungen später im KLV-Lager bewundert, weil er mit elf Jahren der einzige war, der es wagte, im Schwimmbad vom 10-Meter-Sprungbrett zu springen. Das hatte er in Hamburg im Feuersturm gelernt. Dort auf der östlichen Alsterseite in Hammerbrook lebte unsere Oma Henriette Arnold in einem Stift für alte Damen an der Landwehr. Als ihr Stift in Brand geriet und rundherum alles brannte, konnte sie sich nur retten, weil unmittelbar am Stift ein Park lag, auf dessen Wiesen noch ausreichend Sauerstoff zum Atmen verblieb.

Doch zurück zu unserer Flucht vor diesem Inferno. Als wir mit meiner Mutter den ZOB am Hauptbahnhof erreichten, kletterten wir auf einen der vielen dort bereitgestellten, offenen Wehrmachtslastwagen und wurden, als die Ladefläche mit Menschen gefüllt war, nach Bergedorf vor eine Schule gefahren. Dort verbrachten wir die Nacht mit vielen anderen Menschen in der Turnhalle auf aufgeschüttetem Stroh. Am übernächsten Tag, als wir uns ein wenig vom Schrecken erholt hatten, fuhr unsere Mutter mit uns nach Finkenthal in Mecklenburg zu ihren Eltern.

Erst sehr viele Jahre später habe ich in Hamburg auf dem Friedhof Ohlsdorf das "Mahnmal für die Opfer des Bombenkrieges" gesehen. Das gewaltige Massengrab ist kreuzförmig um ein Mausoleum herum angelegt. In den breiten und langen Achsen des Kreuzes sind ungefähr 40.000 anonyme Opfer der Luftangriffe der letzten Juliwoche des Jahres 1943 nach Stadtteilen getrennt beigesetzt worden. Große hölzerne Querbalken tragen die Namen der Stadtteile, aus denen die Opfer stammten. Die unterschiedlichen Abstände der Stadtteilbalken voneinander lassen deutlich erkennen, welche Stadtteile am meisten Opfer zu beklagen hatten. An den Rändern dieser Massengräber sind von Privatleuten individuelle Gedenkplatten und Kreuze angebracht worden, auf denen immer wieder zu lesen ist: "Gefallen am 27/28. 7. 1943". Es wird deutlich, dass sehr oft ganze Familien bis auf den Vater getötet wurden. Der entkam offenbar, weil er an der Front war.

Wie viele Opfer insgesamt zu beklagen waren, ist nie ermittelt worden. Es gibt Schätzungen, dass die vom 25. Juli bis zum 2. August 1943 dauernde "Operation Gomorrha" mehr als 60.000 Todesopfer forderte. Allein aus einem Bunker, den man für sicher gehalten hatte, wurden 1.500 Leichen geborgen. Die Menschen, die dort Schutz gesucht hatten, waren an der zu großen Hitze und am Sauerstoffmangel zugrundegegangen. Zum Schluss sollen die Toten nicht mehr gezählt worden sein. In den östlichen am schlimmsten betroffenen Stadtteilen konnten die Toten nicht mehr schnell genug geborgen werden, es waren zu viele. Angetrieben durch die hochsommerliche Hitze breitete sich ein fürchterlicher Verwesungsgeruch über den Osten der Stadt aus. Noch wochenlang soll über den angrenzenden Stadtteilen dieser unangenehme Verwesungsgeruch gelegen haben. Aus Sorge vor dem Ausbruch von Seuchen wurden die Zugänge zu diesen Stadtteilen zugemauert. Niemand durfte sie betreten. Von SS bewachte Trupps von KZ-Häftlingen aus dem KZ Neuengamme mussten in diesen Vierteln unter ständiger Lebensgefahr Blindgänger, Bomben mit Zeitzünder und Leichen bergen. Insgesamt sollen in Hamburg um die 14.000 Blindgänger und Bomben mit Zeitzündern oder gar Langzeitzündern niedergegangen sein. Ungefähr 2.000 von ihnen sollen noch heute in Hamburgs Boden liegen, auch nach 60 Jahren immer noch ein permanentes Restrisiko. Es vergeht kein Jahr, ohne dass wieder einige von ihnen bei Baggerarbeiten gefunden werden.

In den insgesamt zehn Tage und Nächten dauernden Angriffswellen wurde mehr als die Hälfte der Häuser und Wohnungen zerstört, nämlich 300.000 von 500.000 Wohneinheiten. Weit mehr als eine Million Menschen flohen aus der Stadt.

In Deutschland wurden durch den Bombenkrieg unter dem Oberkommando des britischen Luftmarschalls Sir Arthur T. Harris 160 größere und viele kleinere deutsche Städte weitgehend zerstört, wobei weit mehr als 400.000 Menschen ihr Leben verloren. Harris war der Auffassung, daß die Flächenbombadierung deutscher Städte die Reichsregierung zur Kapitulation zwingen würde.

Was meistens nicht bekannt ist, ist der Umstand, dass 110.000 Mitglieder alliierter Bomberbesatzungen ihr Leben bei ihren Einsätzen über Deutschland verloren, jeder zweite kehrte von seinen Einsätzen nicht zurück. Andere Quellen sprechen sogar von noch wesentlich höheren Verlusten. Das ist eine erstaunlich hohe Verlustquote, die nur mit der des deutschen U-Boot-Krieges vergleichbar ist. Auch deswegen sprechen viele in der britischen Bevölkerung vom "Butcher" (Schlächter) Harris. Das hat die Königin Elizabeth allerdings nicht davon abgehalten, ihn 1953 zum Baronet zu ernennen und 1992 ein Denkmal für ihn zu enthüllen, das von Veteranen finanziert worden war.

Zu den vorgenannten Opfern unter den Bomberbesatzungen zählte auch der Sohn meines amerikanischen Cousins Harry Schmidt. Er kehrte als Bomberpilot von einem Einsatz über Deutschland nicht zurück. Sein Vater war als junger Mann in den zwanziger Jahren von Hamburg nach Amerika ausgewandert. Theoretisch könnte er auch einer der ungefähr 300 über Deutschland abgeschossenen Bomberinsassen sein, die sich mit dem Fallschirm retten konnten, dann aber von Deutschen gelyncht wurden.

lo