> Werner Mork: als LKW-Fahrer in Nordafrika 1942

Werner Mork: Als LKW-Fahrer in Nordafrika 1942

Dieser Eintrag stammt von Werner Mork (*1921) aus Kronach, Januar 2005:

/lemo/bestand/objekt/tobrukweisseshaus Am 7. September 1942 landete ich als Soldat in Tobruk, ich war auf afrikanischem Boden! Mein langer Wunsch hatte sich nun endlich erfüllt! Ich wurde der Nachschub-Abteilung 686 zugeteilt. Ich musste mich aber noch etwas gedulden, bis meine Verwendung dort klar war. Erste Beschäftigung für mich hieß deshalb, Scheißhäuser bauen, und zwar nach englischem Muster. War wohl eine in Afrika bewährte Bauweise, die von den Tommys übernommen worden war. Der Unterschied zur deutschen Latrine ist mir aber nicht bekannt.

Nachdem ich dem Stab zugeteilt worden wurde, sollte ich vorläufig vertretungsweise den PKW (Mercedes) des Oberarztes der Einheit fahren. Einige Kilometer von Marsa Matruk entfernt, direkt am afrikanischen Strand des Mittelmeeres, bezog ich ein dort stehendes Einmannzelt. Das Zelt des Oberarztes war nur wenige Meter davon entfernt. In der ersten Nacht in diesem Quartier wachte ich in den frühen Morgenstunden auf mit furchtbaren Schmerzen im gesamten Brustbereich. Krämpfe heftigster Art quälten mich, ich jammerte vor mich hin, konnte kaum noch atmen und mich nur noch ganz langsam bewegen. Ich hielt mühsam aus bis zum Dienstantritt, schlich dann zum Zelt des Oberarztes und trat trotz der Schmerzen meinen Dienst bei dem Herrn an. Der begann mit dem Bettenmachen und dem Stiefelputzen, weil ich als sein Fahrer auch sein "Putzer" war.

Ich konnte kaum noch vor Schmerzen, biss aber die Zähne zusammen und versuchte, den Herrn Oberarzt nach Marsa Matruk zu fahren, zu seinem Dienst in der Ortskrankenstube. Aber dann geht es plötzlich nicht mehr, schweißüberströmt breche ich fast über dem Lenkrad zusammen. Erst dann sage ich dem Oberarzt etwas über meine Schmerzen, und er übernimmt das Steuer des Wagens. In der Krankenstube muss ich meinen Oberkörper freimachen und der Oberarzt untersucht mich kann aber nichts feststellen. Dabei lässt er aber durchblicken ich könne möglicherweise ein Simulant sein, was er aber in meinem Interesse nicht hoffe, weil mir das sehr übel bekommen würde. Aber es könne auch sein, dass ich mich an Afrika und das andere Klima gewöhnen müsse, das würde schon vorüber gehen. Und dann war es auch ganz plötzlich wieder vorbei mit den Schmerzen, nur fühlte ich mich jetzt völlig erschöpft und ausgelaugt. Die Ursachen dieser Schmerzattacke sind mir nicht bekannt, ich kann aus heutiger Sicht darüber nur Vermutungen anstellen. Es könnte eine Herz-Attacke gewesen sein, dagegen spricht aber, dass ich zu der Zeit noch keine Herzprobleme hatte.

Wahrscheinlicher ist aber, dass ich erstmals eine Bronchienverkrampfung hatte, deren Ursache der starke Salzgehalt sein konnte, der in der Nacht vom Meer her in meine Bronchien gedrungen war, und hier zur Verengungen geführt hat. Als Kind hatte ich schon viel mit den Bronchien zu tun, und später habe ich mich oftmals mit solchen Verkrampfungen plagen müssen. Aber gleich wie, es musste wohl mit der klimatischen Veränderung zusammenhängen, die sich dann nicht mehr negativ bemerkbar gemacht hat. Dazu gehörte auch der völlig ungewohnte Temperaturunterschied zwischen den hohen Tag- und den niedrigen Nachttemperaturen, der schon sehr erheblich war.

Die Schmerzen waren vorüber, es war später Vormittag geworden und ich bekam den Auftrag, den Oberarzt jetzt zu den Visiten bei den einzelnen Kolonnen zu fahren. Die Lagerplätze dieser Kolonnen lagen weit verstreut in der Umgebung von Marsa Matruk, in der Wüste. Nun ergab sich für mich ein neues Problem. Ich musste mich erst einmal, mit dem mir doch völlig unbekannten Wagen vertraut machen, und zum anderen mich an das, auch völlig unbekannte, Fahren in der Wüste gewöhnen und dabei auch noch den richtigen Weg finden zu den Plätzen der Kolonnen in einem Gelände, das mir total fremd und unbekannt war.

Mir waren auch die Markierungspunkte völlig unbekannt, mit denen die Pisten gekennzeichnet waren. Und die Ziele, d.h. die Wege zu den jeweiligen Kolonnen, die mit Hilfe der taktischen Zeichen ausgewiesen wurden, waren mir überhaupt völlig fremd, weil ich die Zeichen gar nicht kannte. Ich war ein wirklicher Fremder in der Wüste, aber das störte den Herrn Oberarzt nicht, der verlangte einfach von mir so gefahren zu werden, als sei ich schon immer da gewesen. Als das natürlich nicht so klappte, wie er es wollte, da drückte er seine Unzufriedenheit aus über diesen neuen Fahrer, der wohl von nichts eine Ahnung habe. Er kritisierte meine Unfähigkeit und schimpfte darüber, dass man ihm einen solchen Kerl zugeteilt habe.

Zu allem Überfluss gab es dann, mitten in der Wüste, auch noch eine Reifenpanne, die mich völlig hilflos machte. Verzweifelt stand ich vor dem Wagen und wusste nicht, wie diese Panne alleine zu beheben war. Fluchend musste nun der Oberarzt Hilfestellung leisten und damit hatte ich bei ihm jetzt restlos ausgeschissen. Der wünschte mich sonst wo hin, aber nicht mehr für sich als Fahrer und Putzer. Da dieser "Posten" aber nur vertretungsweise für den richtigen Fahrer sein sollte, musste dieser Job mal wieder sein Ende finden. Die Rückkehr des bisherigen Fahrers war zwar noch offen, aber auf jeden Fall würde ich nicht für immer dem Herrn Oberarzt zu Diensten sein müssen. Das hätte ich auch nicht durchgestanden. Ich war ein besserer Lakai für die "Herren der Schöpfung" geworden. Mein Ziel aber war es, als Fahrer in einer Kolonne zu sein und richtige Einsätze zu fahren.

Am 23. September 1942 war es dann soweit, ich wurde versetzt zur Kolonne 2/686, ausgerüstet mit Hanomag Zugmaschinen von 7.5 Tonnen Gewicht! Angekoppelt an ein solches Vehikel waren zwei Anhänger. Mit solch einem Ungetüm musste ich aber erst einmal richtig umgehen können, bevor ich dann das Lenkrad dieses gewaltigen Fahrzeugs in meine Hände nehmen durfte. Als Beifahrer begannen nun die "tollkühnen Fahrten" des Gefreiten Werner Mork, der einmal glaubte, Teilnehmer an einem großen Abenteuer zu sein, das sich in der Wüste von Nord-Afrika ergeben würde. Wie groß dieser Irrtum ist, das sollte sich sehr schnell herausstellen.

Unsere Fahrten gingen mal quer durch die Wüste, mal über die "Prachtstraße", die Via Balbo, benannt nach dem ital. Luftmarschall Balbo, der einstmals als Gouverneur der ital. Kolonie diese Küstenstraße hatte erbauen lassen. Von Tripolis bis an die ägyptische Grenze reichte diese Piste, mit einer Länge von über tausend Kilometern. Diese "Via" war zwar ausgebaut, aber dennoch keine Straße im herkömmlichen Sinn und das bekamen wir immer sehr deutlich zu spüren. Dass diese "Straße" nicht mehr in einem sehr guten Zustand war, lag nicht an den Erbauern, das lag an dem Krieg, der diese Straße zu einer Rollbahn gemacht hatte für Freund und Feind. Mal die Verbände der Achse, und mal die Einheiten der Engländer, je nach Lage der Dinge! Die Via Balbo war der einzige Nachschubweg, wenn er denn benutzt werden konnte, da wo es nicht mehr klappte, mussten dann Umleitungen gefahren werden, die zu einer wahren Höllenfahrt werden konnten in der Regenzeit. Dann wurden z. B. die bisher trockenen Salzseen wieder richtige Seen und unpassierbar. Doch auch in der trockenen Periode gab es immer wieder kritische Augenblicke in diesen Gegenden, und manches Fahrzeug ist nicht mehr wieder heile heraus gekommen. Viele Fahrer fanden in den Salzseen ihren Tod. Aber auch die Nachschubroute auf der Via Balbo forderte immer wieder Tote und Verwundete und Totalschäden an den Fahrzeugen. Diese Route bot sich der englischen Luftwaffe wie auf einem Präsentierteller an mit den endlosen Kolonnen von Fahrzeugen aller Art, die auf ihr unterwegs waren. Die Jagdbomber veranstalteten ein regelrechtes Hasentreiben mit ihren Tiefflügen, dem Beschuss aus den Bordkanonen und dem Abwerfen von Bomben. Es gab zwar noch eine uralte Wüstenroute, die quer durch die Wüste verlief, das war die Karawanenstraße der Beduinen, aber die war kaum benutzbar, nicht nur wegen des schlechten Zustandes in dem sich die befand, sondern mehr noch wegen der Kommandotrupps der Tommys, die sich dort, im Rücken der deutschen Truppen, tummelten.

Die Nachschubkolonnen mussten wohl oder übel ihren Weg da nehmen, wo es noch einigermaßen brauchbare Straßenverhältnisse gab, und die gab es nur auf der Via Balbo. Sie musste benutzt werden, trotz der immer stärker werdenden Luftangriffe der Engländer. Bei diesen Fahrten musste dann der Beifahrer draußen auf dem Kotflügel hocken, als so genannter Fliegerbeobachter, der die Aufgabe hatte, den Himmel aufmerksam zu betrachten und nach feindlichen Flugzeugen abzusuchen. Dieses zweifelhafte Vergnügen hatte auch ich, der Beifahrer auf der Zugmaschine. Der Kotflügel bot zwar Platz für diesen Ausguck, aber es war schon verdammt ungemütlich, da draußen zu hocken, sich krampfhaft festzuhalten und dabei noch "Ausschau" zu halten.

Die anzufahrenden Nachschublager lagen alle in nächster Nähe dieser Route, egal um welche Güter es sich dabei handelte. Von den Häfen bzw. den Hafenstädten wurde der angelandete Nachschub in die Lager transportiert oder auch von den Flugplätzen, auf denen die Transportmaschinen landeten. Von dort aus ging es dann fast immer über die Via Balbo in die Nähe der Front, mit dem ständigen Risiko in Luftangriffe der Engländer zu geraten. Dankbar war man, wenn es eine Wetterlage gab, die es den Tommys nicht ermöglichte, "zu Besuch" kommen. Dann wurde versucht, möglichst viel nach "vorne" zu bringen, mit allen Fahrzeugen, die dann zur Verfügung standen. Das war dann eine schlimme Schufterei, in der die knappe Zeit das Tempo bestimmte, und das konnte mörderisch sein.

Gerade nach den harten Angriffen der Engländer an der El Alamein-Front war der Nachschub so wichtig, vor allem an Benzin und Munition. Die Angriffe der Engländer waren zwar zum Stehen gebracht worden, sie hatten sich eingegraben, soweit man in der Steinwüste ein Eingraben möglichen machen konnte. Von Rommel wurde nun ein erneuter Groß-Angriff der ital.-deutschen Panzerarmee geplant, mit dem die Tommys so weit gejagt werden sollten, dass endlich der Weg nach Kairo frei sein würde. Dafür wurde jede Menge an Nachschub benötigt. Es wurde alles getan, um den auch durchführen zu können, ohne Rücksicht auf Menschen und Material. Die großangelegte Offensive war am 31.8.1942 begonnen worden, musste aber bereits am 2.9.1942 abgebrochen werden. Zu mehr hatte es nicht gereicht, und Alexandria und Kairo lagen noch in weiter Ferne. Aber dennoch, oder wohl gerade deswegen, musste nun versucht werden, noch mehr an Nachschub nach vorne zu bringen, denn Rommel wollte noch immer die britische 8. Armee so schlagen, dass der Weg in ganz Ägypten frei wird für die Verbände der Panzer -Armee. Nach wie vor gab es die Idee, den Suez-Kanal zu erreichen und dann über Palästina in Richtung Iran zu stoßen. Dort sollte die gedachte Vereinigung mit Kräften der Ostfront erfolgen, um dann vom Kaukasus aus nach Indien zu kommen, wo die Engländer "vernichtend " geschlagen werden sollten! Das war keine hirnlose Phantasie von Landsern oder einigen Übergeschnappten, das waren die als real betrachteten Gedankenspiele der Wehrmachtsführung unter ihrem Chef, dem Adolf Hitler.

Der Drang und der Wille solches zu erreichen, würde aber nur möglich sein mit einem gewaltigen Einsatz von Nachschubgütern aller Art. Dazu war es erforderlich, dass für den Transport der Güter auch ausreichend Fahrzeuge und Fahrer zur Verfügung stehen, vor allem aber, dass die Güter überhaupt noch in Afrika ankommen, um dann an die Front gebracht zu werden. Das notwendige "Menschenmaterial" für die Durchführung der Transporte in Afrika, war der Grund für die Anforderung von Kraftfahrern durch das Hauptquartier von Rommel. Alles was an Fahrern zusammen gekratzt werden konnte, sollte dafür eingesetzt werden, wozu aber auch dringend Fahrzeuge erforderlich waren, aber kaum noch übers Wasser kamen, die setzten sich dann aus Beutewagen zusammen. Englische LKW waren gar nicht übel.

Unter den Kraftfahrern hatte es in der letzten Zeit sehr viele Ausfälle gegeben, Opfer der gnadenlosen Jagd der englischen Luftwaffe. So mancher Fahrer hatte sein Grab bekommen, irgendwo entlang der Via Balbo. Das Grab war aber nur ein Haufen Steine, die den Leichnam bedeckten. Mehr als ein mühsam aufgerichteter Steinhaufen war als "Grab" nicht möglich. Solch ein Haufen schützte den Leichnam aber nur solange, bis es den "tierischen Totenräubern" gelang, an den Toten zu gelangen, dann waren anschließend nur noch ein paar Knochen übrig vom einstigen tapferen, deutschen Soldaten, der in Afrika krepiert war, für Führer, Volk und Vaterland! Knochen, die dann verstreut im Gelände lagen. Makaber war dabei aber, dass so mancher dieser Steinhügel anderen Landsern als Deckung galt, wenn es Jabo-Angriffe gab, ein Versuch, der dann u. U. lebensrettend sein konnte für andere Landser.

Mein nun sehr reales Landserdasein macht mich jetzt mit dem wirklichen Krieg bekannt, nicht vertraut, denn das kann ich nicht sagen. Hatte ich bis jetzt noch ziemlich frisch-fröhlich -frei mein Soldatenleben gelebt, so sollte ich nun den Krieg in seiner brutalen Realität zu spüren bekommen.

lo