> Werner Mork: Soldatenleben in Frankreich 1940-1941

Werner Mork: Soldatenleben in Frankreich 1940/1941

Dieser Eintrag stammt von Werner Mork (*1921 ) aus Kronach , Juli 2004 :

Im Jahr 1940 feierte ich Weihnachten, das deutscheste und zugleich auch das Rührseligste aller Feste der Deutschen als Soldat in Frankreich. Auch ich war nicht frei von diesen "Weihnachtsgefühlen", dieser Sentimentalität die uns immer überkommt, wenn es wieder einmal "soweit" ist. Aber ich war doch von meiner Kindheit her mit alldem vertraut, was Weihnachten so herrlich sentimental macht. Ich wäre auch nicht bereit gewesen, mich diesem Gefühl jetzt als Soldat möglicherweise zu entziehen, mich anders zu verhalten.

Nur wusste ich nicht, wie wird Weihnachten denn nun beim Militär sein, mit all den Männern, die ohne Anhang waren, die nur unter sich waren, ohne Anhang und in der Fremde. Aber die Wehrmacht lässt keinen verkommen, (eher umkommen) und zu Weihnachten schon gar nicht. Unser Hauptmann Rilling wusste um die deutsche Art, die Sentimentalität und die innere Betroffenheit anlässlich Weihnachten. Der gute Schwabe wollte, dass seine Leute ein wirklich stimmungsvolles Fest feiern sollten und er war sehr darum bemüht, dass alles dafür bereit sein sollte, um einen wirklich stimmungsvollen Heilig Abend gemeinsam zu begehen.

Von der Marketenderei waren sogar kleine Geschenke gekauft worden, die vom Herrn Hauptmann in väterlicher Fürsorge den Leuten überreicht wurden. Es konnte und sollte dann auch gesungen werden, wozu der Oberleutnant Otto auf dem vorhandenen Klavier für die notwendige musikalische Gestaltung sorgte, und wir alle fleißig die so schönen deutschen Weihnachtslieder gesungen haben, und das zum Teil mit echter Ergriffenheit und etwas feuchten Augen. Es war alle sehr harmonisch, gefühlvoll und so richtig schön, wie zu Weihnachten üblich! Der Hauptmann hielt eine kleine Rede, die sehr zu Herzen ging, dabei wurde auch des deutschen Volkes und des Führers gedacht, und der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass das nächste Weihnachtsfest wieder in der Heimat bei den lieben Angehörigen gefeiert werden könne. Er wünschte uns dann ein frohes Fest, in Verbindung mit der Hoffnung, dass die Engländer, zumindest in dieser Nacht nicht den Versuch machen würden uns zu besuchen.

Dann begann der fröhliche Teil des Abends mit viel Rotwein, Cognak und Punsch in verschiedener Art und Stärke. Der Erfolg davon war der, dass die Mehrheit ab Mitternacht hoffnungslos besoffen war, die meisten wirklich sternhagelvoll. Wenn jetzt die Tommys gekommen wären, die hätten ein sehr leichtes Spiel gehabt, gleich welches sie hätten "spielen" wollen. Bevor aber alle unter den Tischen lagen, war der Oberleutnant Otto von den Weihnachtsliedern gänzlich abgekommen. Er hatte angefangen, heiße, sehr heiße Musik dem Klavier zu entlocken und nun jazzte und swingte er voller Lust auf dem Piano, so kannten wir den Herrn noch nicht. Da kannte die Begeisterung keine Grenzen, alle waren mit Freude dabei, bis der Kommandeur, dieser biedere Schwabe dem wilden Treiben ein Ende bereitete und meinte, nun sei es Zeit damit aufzuhören. Das geschah dann auch, aber mit dem Saufen wurde noch nicht aufgehört, das ging weiter.

Alkohol stand in Frankreich übrigens immer reichlich zur Verfügung, sei es beim Einkauf in der Marketenderei, sei es im freien Einkauf bei den Franzosen. Es gab keinen Mangel und preiswert waren die Weine, der Cognak und alles andere an Alkohol. Auch ich war immer gut versorgt mit geistigen Getränken. Es war aber auch so, dass wir uns oft in französischen Kneipen aufhielten und genussreich von all dem kosteten, was uns dort geboten wurde. Besonders genossen wir das, was wir kaum oder noch gar nicht kannten, und davon gab es eine ganze Menge. Ganz besonders angetan waren wir vom Nationalgetränk der Franzosen, dem Anisette, von dem es hieß er mache dumm, so sagten die einen, und die anderen meinten, er gäbe verstärkt Männerkraft. Egal wie, wir tranken ihn sehr gerne diesen gut schmeckenden Alkohol, der uns aber eher einen schweren Kopf machte, als das er andere spürbare Auswirkungen auf uns gehabt hätte.

Unsere Einkäufe in französischen Läden bezogen sich nicht nur auf Alkohol, wir kauften mit Begeisterung auch französische Zigaretten, die starken "schwarzen Zigaretten", die so ganz anders schmeckten. An deutschen Zigaretten bestand aber kein Mangel, die waren Bestandteil der Verpflegung und darüber hinaus, konnten wir jede Menge Zigaretten als Marketenderware kaufen. Aber die französischen Zigaretten schmeckten uns einfach besser, vor allem aber weil sie so ungewohnt waren. Und die gab es ohne Schwierigkeiten zu kaufen, von einer Bewirtschaftung war keine Rede, es gab keine Raucherkarten in Frankreich. Eine besondere Vorliebe galt dem französischen Käse, dem echten Camenbert aus der Normandie. Der war für uns einen Hochgenuss, wir kauften diesen Käse in einem Laden in Trouville, in dem wir alsbald als gute Kunden bekannt waren und als solche auch bedient wurden. Das war eine tolle Zusatzverpflegung, die in Verbindung mit einer Flasche Rotwein genüsslich einverleibt wurde.

Es war also doch (noch immer) schön Soldat zu sein - oder nicht? Erlebte ich nicht eine angenehme Zeit? Was tat mir der Krieg? Was tat überhaupt der Krieg dem deutschen Volk? Bis jetzt nur sehr wenig an Unheil, es hatte nur wenig Opfer gegeben und die Luftangriffe wurden auch noch hingenommen, auch weil die doch nur einen geringen Teil des Volkes betrafen und noch nicht das waren, was sie aber bald schon werden sollten. Bis jetzt war das deutsche Volk doch nur von einem Siege zum anderen getaumelt, in einer, alle umfassenden, nationalen Begeisterung. Es ging ihm doch noch immer sehr gut, auch wenn in einigen Familien Kummer und Leid herrschte, wegen gefallener Angehöriger oder wegen schwerer Verwundungen, oder wegen Bombenschäden bei den Angriffen der Engländer auf deutsche Städte und die Zivilbevölkerung. Das alles war aber für das Volk noch kein Grund zur Verzweiflung, und schon gar nicht auf einen möglichen Hass auf den Führer.

Und so war es doch völlig normal und verständlich, dass wir, die Landser, das Soldatenleben in Frankreich 1940/41 nicht als Last und Plage betrachteten. Noch war es doch so, dass die meisten der Soldaten mit ihrem Los nicht unzufrieden waren, auch wenn sie alle den Wunsch hatten, bald wieder in der Heimat sein zu können, als Zivilist im Kreise der Angehörigen. Viele Soldaten erlebten andere Länder, andere Menschen (auch andere Frauen) und ganz andere Geschehnisse, die sie im normalen, dem zivilen Dasein nie erlebt hätten. Unsinn? Ja, aber damals kein Unsinn, sondern die Stimmungslage von allen deutschen Soldaten, die den Krieg genossen und sich sehr wohl fühlten, das war noch in der Zeit vor dem Juni 1941! Dabei waren sie keineswegs die Herrenmenschen, als die sie später immer wieder dargestellt wurden, sie traten nicht als beutegierige und blutgierige "Brutal-Germanen" auf, sie sahen den Krieg auch nicht als ein Streben nach Weltherrschaft an, solch ein Gedanke war ihnen völlig fremd. Der Krieg war für die Masse der Soldaten wirklich nichts "anderes" als ein Krieg, der als unvermeidlich betrachtet wurde, so wie es eben schon immer Kriege gegeben hatte und weil dem so war, versuchten die Landser, da wo es möglich war, sich das Leben so zu gestalten, dass es ihnen als erträglich und einigermaßen angenehm erschien. Nach dem (dummen) Motto: Genieße den Krieg, der Frieden wird schrecklich sein.

Weil auch wir davon überzeugt waren, genossen wir unsere dienstfreie Zeit in St. Omer, wohin unsere Einheit versetzt wurde, in vollen Zügen, d. h. soweit unsere Löhnung das ermöglichte. Es gab keinen festen Dienstplan der uns zur Last oder Qual hätten werden können, wir lebten ziemlich frei und ungebunden. Und wir nahmen uns unsere sehr eigene Freizeit, in den Abend- und Nachtstunden, meistens bis Mitternacht. Bei unserem Treiben dachten wir nur an uns, an unser Leben hier in Frankreich. Wir taten das in dem Bewusstsein, uns als Soldaten in einem Krieg zu befinden, der uns zwar derzeit nicht mit Tod und Angst tangierte, der aber plötzlich doch umschlagen könnte, wenn es zu der Invasion kommen würde. Weil dem so war, lebten wir das Leben, das uns sich mit Annehmlichkeiten bot, die wir uns ja so nicht ausgesucht hatten, die einfach vorhanden waren in einer Zeit in Frankreich, in der die allgemeinen Umstände von den Franzosen als leidlich erträglich und von uns als sehr gut angesehen wurden. Dabei fühlten wir uns nicht als gewalttätige Besatzer und nicht hemmungslose Herrenmenschen.

Es geschah ab und zu, dass "man" in einem französischen oder belgischen Restaurant Speis und Trank zu sich nahm, das Geld dazu hatten wir. Unsere Löhnung, die damals noch in Francs ausgezahlt wurde, war für uns direkt üppig. In Verbindung mit der Frontzulage, erhielten wir doppelte Löhnung und dafür konnte "man" sich schon mal sehr gut vergnügen, auch mit Essen und Trinken im Restaurant. So versuchten die, die es möglich machen konnten, wie der "Gott in Frankreich zu leben." Waren es auch nur bescheidene Mittel, die uns dafür zur Verfügung standen, so konnten wir uns dennoch damit ganz gut vergnügen, auch in St. Omer. Dazu gehörte auch, dass wir eine französische Kneipe zu unserer Stammkneipe machten, in der wir uns sehr wohl fühlten. Lästig dabei waren, die immer wieder aufkreuzenden Wehrmachtsstreifen, die nach 22 Uhr unterwegs waren. Denen zu verklaren, dass "wir" auch nach 22 Uhr noch unterwegs sein durften, war zuerst schwierig. Aber dann hatte unsere Schreibstube Dauerurlaubsscheine ausgestellt und mit denen in der Hand, konnte uns jede Streife nun "gerne" haben. Die Stammkneipe, in der auch mich wohl fühlte, war nicht weit entfernt von dem Domizil, in dem ich "wohnte."

Dieses Lokal wurde geführt von zwei reizenden Französinnen, die sehr nett und freundlich uns gegenüber waren, aber auch gegenüber allen anderen Gästen, den Franzosen, die ebenfalls hier verkehrten. Die Gäste in dieser Kneipe waren Deutsche und Franzosen, sie allen tranken entweder ihren Aperitif, oder ihr Bier, oder ihren Wein und das ohne irgendwelche Probleme. Ohne jeden Ärger oder Feindseligkeiten, nicht in Worten und nicht in Gesten.

Immer, wenn es möglich war, zog es mich in die Kneipe, nicht nur wegen dem Alkohol. Ich lernte nach dem Anisette-Likör, auch den Pernod kennen und schätzen. Dem Pernod wurde zwar viel Ungutes nachgesagt, wegen angeblicher gesundheitlicher Schäden, aber das hielten wir, für ein Gerücht und genossen dieses typisch französische Getränk mit Begeisterung. Der Alkohol war ein ständiger Begleiter in den Abendstunden, besonders wenn es Löhnung gegeben hatte. Dann wurde auf die Pauke gehauen, ohne aber ausfällig zu werden und die anwesenden Franzosen tranken mit und waren nicht minder "kneipen-froh".

An einem Löhnungstag hatten wir die "glorreiche Idee", den Inhalt aller Flaschen auf dem Regal hinter dem Tresen auszuprobieren, und das von links nach rechts. Unser Vorhaben setzten wir in die Tat um, und es gelang uns, alle Inhalte zu "kosten." Aber als wir dann das Lokal verließen, an die frische Luft kamen und nun einige Stufen benutzen mussten, um auf die Straße zu gelangen, da stolperten wir nicht nur, da legten wir uns auch schon mal lang hin. Reichlich plümerant gelangten wir in unser Zimmer, wobei die Treppe uns große Schwierigkeiten bereitet hatte. Im Zimmer überkam uns dann eine furchtbare Übelkeit, uns wurde wirklich kotzübel. Und anstatt, die Toilette draußen auf dem Flur zu erreichen, erreichten wir nur noch das Fenster zur Straße hin und es kam raus, was raus wollte und musste. Zum Pech für die gerade in dem Augenblick auf der Straße vorbeigehende Wehrmachtsstreife, die dabei betroffen und getroffen wurde, fast zielgerecht auf die Stahlhelme. Es gab ein lautes Geschrei und ein wüstes Fluchen von den Kameraden der Streife über diese verdammten Franzosen, die als Übeltäter vermutet wurden, man wollte sogar ins Haus eindringen, aber das gelang ihnen (Gott sei Dank) doch nicht. Wir waren froh, dass uns die Streife nicht erwischte, denn wir hätten üble Folgen zu erwarten gehabt, wenn wir ihnen in die Hände geraten wären. Tja, woanders starben deutsche Soldaten, und wir, wir soffen uns die Hucke voll.

Vom Probieren hatten wir nun genug, wir verhielten uns jetzt sehr normal und soffen nicht mehr hemmungslos im Lokal herum. Ich hatte in der Kneipe, abgesehen vom Pernod, mein ganz spezielles Getränk gefunden, bzw. mir von den Franzosen abgeguckt. Das war "Vin blanc avec citrone." Das schmeckte mir nicht nur hervorragend, sondern war auch viel bekömmlicher. Vor allem wurde man davon nicht so "trunken", wie von dem Gesöff aus den Flaschen, den vielen Schnaps- und Likörsorten.

lo