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Helm Kat. 42 klein (jpg) Helm Kat. 57 klein (jpg) Helm Kat. 77 klein (jpg) Helm Kat. 103 klein (jpg) Helm Kat. 161 klein (jpg)

Meisterwerke der Plattnerkunst  
(Katalognummern 72 - 83, 84- 93)  
   

Das 16. Jahrhundert war der Höhepunkt der Harnischproduktion. Mit dem Übergang von der Gotik zur Renaissance wurden die schlanken, aufstrebenden Formen der Gotik durch runde ersetzt. Die Gestaltung veränderte sich insgesamt. Die Harnische wurden körperlicher und plastischer. Der Geschlossene Helm ist jetzt mit dem Kragen fest verbunden, ohne die Beweglichkeit einzuschränken. Die Brust nahm Kugelformen an und war nicht mehr geschiftet. Auf ihrer rechten Seite ist in der Regel ein Rüsthaken montiert. Auf ihm ruhte die schwere Lanze. Stärker als bei gotischen Harnischen war deshalb die rechte Schulter bogenförmig ausgeschnitten und kleiner als die dem Gegner zugewandte linke, denn der Lanzenschaft wurde unter der Achsel durchgeführt.
Die Bauchreifen und Beintaschen sind in Folgen aufgeteilt. Auch die Schulterstücke und Armzeuge bestehen aus einem ganzen System von Geschüben. Große Brechränder schützten die Hals- und Kinnpartien vor Lanzenstichen oder Schwerthieben. Die Ober- und Unterarmröhren sind häufig konisch. Die Armbeuge wurde durch stark ausgeformte Ellenbogenkacheln oder eine Vielzahl von Geschüben vollständig geschlossen. Die Beinröhren sind meistens glatt und betonen die Waden. Im Gegensatz zu den spitzen Formen der Gotik sind die Schuhe jetzt breit und haben eine sogenannte Kuhmaulform. Sie unterstreichen nochmals die feste und solide Konstruktion der Renaissance-Harnische.
Ein Harnisch wiegt etwa 25 kg und besteht aus rund 120 einzelnen Teilen. Zur Verbindung alle Teile wurden etwa 400-420 Nieten verarbeitet. Besonders beliebt in den ersten Jahrzehnten des 16. Jh. waren die Riefelharnische. In der älteren Literatur werden sie häufig auch als Maximiliansharnische bezeichnet, obwohl ihre eigentliche Verbreitung erst nach dem Tode Kaiser Maximilians I. (1519) einsetzte und ein direkter Einfluß des Kaisers sich auch nicht nachweisen läßt. Sehr schnell stellte sich heraus, daß abgesehen von den modischen Aspekten die geriffelten Flächen besonders widerstandsfähig waren und den Plattnern erlaubten, dünnere und damit leichtere Harnische herzustellen. Die Kosten dieser Präzisionsarbeit stiegen dabei allerdings erheblich, so daß die Produktion dieser Harnische nach einigen Jahrzehnten wieder aufhörte.
Ein besonderer Typ war der Kostümharnisch. Hierbei verstanden es die Plattner, die gepuffte und geschlitzte Mode der Landsknechte in Stahl umzusetzen. Wertvolle Rüstungen fertigten die Plattner nach Maß. Der Harnisch mußte genau passen und wurde mitunter nach den Wünschen der Auftraggeber verziert. Berühmte Künstler wie Albrecht Dürer, Heinrich Aldegrever, Sebald Beham, Daniel Hopfer u. a. lieferten Vorlagen und beeinflußten die Plattnerkunst. Viele Zeichnungen waren nicht für einen speziellen Teil am Harnisch bestimmt. Deshalb blieben auch Abweichungen von der Vorlage nicht aus. Seltener kam es vor, daß sich Künstler direkt an der Ausgestaltung von Harnischen beteiligten. Die Arbeiten von Daniel Hopfer aus der Zeughaus-Sammlung liefern dafür ein eindruckvolles Beispiel (Kat.-Nr. 74). Der Roßharnisch des Herzogs von Liegnitz und Brieg ist wahrscheinlich eine Werkstattsarbeit, und der Meister beaufsichtigte nur die Gesamtgestaltung. Stilkritische Untersuchungen legen diese Vermutung nahe (Kat.-Nr. 68).
Neben den Plattnern und Ätzmalern beteiligten sich auch Graveure, Goldschmiede und Tauschierer an der Arbeit und lieferten Werke von erlesenem Geschmack und unwiederholbarer Qualität. Glatte Flächen oder die schmalen Streifen zwischen den Riefelungen wurden in stilvollem Wechsel mit Rauten, Blumen; Grotesken, menschlichen Figuren, manchmal sogar mit Jagdszenen, biblischen oder antiken Motiven verziert. Der Ätzhintergrund wurde vielfach geschwärzt oder vergoldet, um den Dekor noch stärker hervorzuheben. Die ausgewogene Gestaltung der funktionellen und künstlerischen Elemente machen sie zu Kunstwerken besonderer Art. Verständlicherweise standen die bedeutenden Plattner in hohem Ansehen und erhielten Aufträge aus dem hohen und höchsten Adel. Die Harnische blieben das luxuriöse Standeskleid der europäischen Aristokratie und waren zugleich ein Element der sozialen Differenzierung gegenüber den andrängenden bürgerlichen Schichten. Zu besonderen militärischen und gesellschaftlichen Ereignissen erschien der Adel im Harnisch. Das Eisenkleid war zudem ein außergewöhnliches Geschenk auf der Ebene der Diplomatie oder im persönlichen Umgang.
Die anläßlich der Hochzeit der Tochter des brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. von Peter von Speyer d. Ä. angefertigten Harnische vermitteln einen Eindruck von der Wirkung solcher Ereignisse. Selbstverständlich wurden auch für die Turniere prachtvolle Spezialrüstungen getragen. Manches Mitglied des Adels konnte sich solch eine teure Rüstung gar nicht leisten und mußte sie für die Turnierfestlichkeiten borgen.
Auch als der kriegerische Zweck der Harnische mit der zunehmenden Verbreitung der Feuerwaffen immer fragwürdiger geworden war, hielt der Adel an diesen Traditionen fest.
An der Herstellung prachtvoller Harnische waren die Augsburger Plattner maßgeblich beteiligt. Die berühmte Plattnerfamilie Helmschmid arbeitete dort über Generationen und zählte Kaiser und Könige zu ihren Kunden. Sie wurden gefördert von Maximilian I. und von Karl V., seinem Enkel und Nachfolger. Ihre Arbeiten gehören zu den Glanzpunkten jeder Sammlung. Namhafte Meister waren auch in Innsbruck, Landshut und Nürnberg ansässig. Auch der sächsische Hof verstand es, bedeutende Plattner mit Aufträgen zu binden.

Gerhard Quaas

Kat. 77
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