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Ritter und Turniere
(Katalognummern 45 - 56, 57 - 71)
   

Turniere gehörten zu den Lebensformen des Adels. Im 12. Jahrhundert in Frankreich entstanden, wurden sie sehr bald von vielen europäischen Höfen übernommen. Besonders diejenigen, an denen höfische und ritterliche Literatur gefördert wurde, bewährten sich auch als Plätze ritterlicher Kampfspiele. Die aufwendigen und prachtvollen Turniere wurden zum gesellschaftlichen Ereignis, auf dem die adligen Teilnehmer ihr militärisches Geschick und ihre ritterlichen Tugenden unter Beweis stellen konnten. Auf den Sieger warteten mitunter wertvolle Preise, Turniersiege konnten den gesellschaftlichen Aufstieg fördern.
Im Mittelalter war das Turnier eine notwendige Übung im Waffengebrauch für die Schlacht, denn beide Kampfformen unterschieden sich wenig. Mit dem Verfall des Rittertums im 15. Jahrhundert und dem damit verbundenen Rückgang der militärischen Bedeutung der feudalen Reiterei verloren diese Turniere ihren kriegerischen Charakter und einstigen Sinn. Immer noch ritterlichen Traditionen verpflichtet, wandelte sich das Turnier zunehmend zum Sport und zu einem an feste Regeln gebundenen Spiel. Waren die farbenprächtigen Aufzüge und Waffengänge zunächst eine Sache des Adels, veranstalteten seit dem Ende des 15. Jahrhunderts die Bürger großer Städte eigene Kampfspiele. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hörten diese Festlichkeiten wieder auf. In Nürnberg z. B. wurde 1561 das letzte der sog. Gesellenstechen veranstaltet.
Memoiren, Chroniken und Beschreibungen mit informativen Illustrationen vermitteln uns ein recht genaues Bild von den verschiedenen Turnierarten. Vor allem am Hofe Kaiser Maximilians I. dachte man sich immer neue Turniervarianten aus. Im Buhurt kämpften mehrere Adelige untereinander, in der Tjost standen sich zwei Ritter gegenüber. Zu den Grundformen gehörten Rennen und Stechen. Während es beim Stechen darauf ankam, den Gegner mit einem wuchtigen Lanzenstoß aus dem Sattel zu werfen, wobei die Lanze meistens zerbrach, stellte das Rennen hohe Anforderungen an die Treffsicherheit. Hier zählten genaue Stöße auf den gegnerischen Schild. Beim Rennen benutzte man eine scharfe Lanze, während die Stechlanze durch einen kronenförmigen Aufsatz abgestumpft war.
Das Rennzeug übernahm Stilelemente vom spätgotischen Harnisch. Rennhut und Rennbart sind der Schaller und dem dazugehörigen Bart sehr ähnlich. Brust und Rücken hingegen sind mit den entsprechenden Teilen am Stechzeug vergleichbar. Armzeuge wurden für die Rennrüstungen nicht benötigt, denn Brechschild und Renntartsche boten einen hinreichenden Schutz. An den Roßhar-nischen für das Rennen oder Stechen gab es kaum Unterschiede.
Das Stechzeug kennzeichnete der schwere Stechhelm. Brust und Rücken sind massiv gearbeitet, die Bauchreifen wurden angeschraubt. Das linke Armzeug und die dazugehörige Turnierhentze waren besonders verstärkt, die rechte Hand schützte eine auf die Lanze aufgeschobene Brechscheibe (Kat.-Nr. 63). Die an der linken Brustseite angebundene lederbezogene Stechtartsche vervollständigte die Ausrüstung. Der schwere Stechhelm wurde am Brust- und Rückenteil fest verschraubt. Darunter trug der Turnierkämpfer eine wattierte Harnischkappe aus Leder, die ihn vor unangenehmen Stößen gegen die Helminnenwand schützte. An der wie ein Schiffsbug geformten Visierplatte glitten Lanzenstöße ab (Kat.-Nr. 57). Sehen konnte der Reiter aus dem in Augenhöhe angebrachten Sehschlitz nur etwas, wenn er sich mit eingelegter Lanze leicht nach vorn beugte.
Die Lanze war bis zu 4,5 Meter lang und wog zwischen 10 und 15 kg. Der Turnierreiter führte die zwischen Rüst- und Rasthaken eingelegte Lanze mit leichter Arm- oder Körperdrehung. Beim populären Plankengestech verhinderte eine Barriere zwischen den Kämpfenden gefährliche Kollisionen. Für diese Turnierart kamen zunehmend leichtere Rüstungen in Gebrauch, die sich für den Feld- und Turnierkampf eigneten. Statt der schweren Stechhelme benutzten die Reiter Visier- und Mantelhelme. Auch für die Fußturniere gab es spezielle Rüstungen.
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde es Mode, für die verschiedenen Turniere die notwendigen Teile auszuwechseln und mit anderen zu kombinieren. Der Harnisch und die Wechselstücke erhielten deshalb einen einheitlichen Dekor und die gleiche Formgebung. Solche Harnischgarnitur gehörten zu den qualitätvollen Arbeiten, auf die die Plattner ihr ganzes Können konzentrierten und Werke von einmaliger Schönheit schufen. Ihren Namen erhielten solche Garnituren häufig nach dem Hauptdekorelement. So unterscheiden wir noch heute die Adlergarnitur, die Rosenblattgarnitur und andere mehr.
Turnierspiele an den fürstlichen Höfen erhielten immer eine angemessene festliche Umrahmung und dauerten mehrere Tage bis Wochen. Trotz zahlreicher Sicherheitsvorkehrungen war dieser Sport nicht ungefährlich; schwere, mitunter tödliche Verletzungen blieben nicht aus. Das farbenprächtige Spiel und nicht zuletzt dieses Risiko machten einen Teil seiner Anziehungskraft aus.

Gerhard Quaas

Kat. Nr. 57
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